groß Adj. ‘ausgedehnt, von beträchtlichem Ausmaß’, bei näherer Bestimmung der räumlichen Ausdehnung mit vorangestellter Maßangabe im Akkusativ (seit Ende des 18. Jhs., zuvor und bis ins 19. Jh. im Genitiv), auch ‘der Zahl, dem Grad nach herausragend, von hohem Wert, besonderer Bedeutung’,
ahd. (9. Jh.),
mhd. grōʒ,
asächs. mnd. grōt,
mnl. nl. groot,
afries. grāt,
aengl. grēat,
engl. great. Die semantische Entwicklung des nur
westgerm. belegten Adjektivs
germ. *grauta-, das wahrscheinlich mit
anord. grautr ‘Grütze’ (s.
1Grütze) und
lit. graudùs ‘spröde, brüchig’,
lett. grauds ‘Korn’ an
ie. *ghrēud-, Erweiterung der Wurzel
ie. *gher- ‘hart worüber streichen, zerreiben’ anzuschließen ist, entspricht zunächst der des vielleicht ebenfalls verwandten
grob (s. d.): aus ‘grobkörnig’ (so noch im
Aengl. und gelegentlich im
Frühnhd.) erwächst die Bedeutung ‘massig, dick’, die in mhd. Zeit vorherrscht. Daran knüpfen sich (schon
ahd. und in den übrigen westgerm. Sprachen) Übertragungen auf andere räumliche Erstreckungen (‘lang, breit, weit’) und (besonders
asächs. mnd. mnl. frühnhd.) auf Mengen (‘zahlreich, viel’), ferner (bereits
asächs. mhd. mnd. mnl. sowie im modernen
Engl.) Verwendungen, die Qualitätsmerkmale, namentlich einen hohen Rang oder außergewöhnlichen Wert kennzeichnen (‘bedeutsam, wichtig, hervorragend, vornehm’). Der im älteren
Nhd. verbreitete Gebrauch als intensivierendes Adverb ist heute auf bestimmte Konstruktionen, vor allem auf einige negative Fügungen (
nicht groß,
niemand groß) eingeschränkt. Jüngerer Umgangssprache gehört adverbielles
(ganz) groß ‘großartig, prächtig’ an (
groß ausgehen,
etw. ganz groß ankündigen). Die oben angeführten Formen vom Stamm
*grauta- verdrängen im
Kontinentalwestgerm. das vorher zur Bezeichnung eines beträchtlichen Ausmaßes übliche
gemeingerm. Adjektiv
ahd. mihhil (8. Jh.),
asächs. mikil,
mhd. michel,
mnd. mnl. mēkel,
michel,
aengl. micel,
anord. mikill,
got. mikils (noch lebendig in
engl. much,
schwed. mycken,
dän. megen ‘viel’ und in Namen wie
Michelstadt,
Mecklenburg), das wie
lat. magnus,
griech. mégas (
μέγαϛ) (s.
mega-),
aind. mahā́n ‘groß’ auf die Wurzel
ie. *meg̑(h)- ‘groß’ zurückgeht. –
Größe f. ‘räumliche Ausdehnung, Ausmaß, hoher Wert, besondere Bedeutung’, auch ‘bedeutende Persönlichkeit’, terminologisch in der Mathematik ‘durch eine Zahl ausdrückbarer Begriff’ (16. Jh.), in der Bekleidungsindustrie ‘genormtes Maß für Kleidungsstücke’ (20. Jh.),
ahd. grōʒī (9. Jh.),
mhd. grœʒe ‘Größe, Dicke’,
mnd. grȫte ‘Größe, Menge’ als Adjektivabstraktum; dazu
Größenwahn m. ‘krankhaft übersteigertes Selbstgefühl’ (auch
Größenwahnsinn) und
größenwahnsinnig Adj. (alle 19. Jh.).
vergrößern Vb. ‘größer machen’, reflexiv ‘größer werden’ (17. Jh.), löst vorausgehendes
ergrößern (16. Jh.),
größern (Ende 15. Jh.) ab; vgl. auch gleichbed.
mhd. grœʒen,
frühnhd. größen.
großartig Adj. ‘prächtig, eindrucksvoll, hervorragend’, auch mit negativer Wertung ‘prahlerisch, auf Wirkung abzielend’ (Anfang 19. Jh., zunächst für
grandios, s. d.).
großsprecherisch Adj. ‘prahlerisch, wichtigtuerisch’ (17. Jh.), zu älterem
Großsprecher (15. Jh.),
groß sprechen,
großsprechen (16. Jh.); in ähnlichem Sinne umgangssprachlich
großkotzig Adj. (19. Jh.), wohl dem
Rotw. entstammend, vgl.
jidd. kozin ‘reicher Mann’,
hebr. qātzīn ‘Fürst, Anführer, Richter’.
großmütig Adj. ‘edel denkend, nachsichtig’ (so vom 17. Jh. an),
spätmhd. grōʒmüetec,
-muotec (14. Jh.) und im
Frühnhd. ‘hochgestimmt, kühn, unverzagt’ (für
lat. magnanimus); vgl.
ahd. mihhilmuotīg ‘tapfer, beherzt’ (11. Jh.);
Großmut f. ‘edle Gesinnung’,
frühnhd. auch ‘Kühnheit’ (16. Jh.).
großzügig Adj. ‘nicht kleinlich, freigebig, tolerant’ (um 1900);
Großzügigkeit f. (Anfang 20. Jh.).
Großmacht f. ‘entscheidenden Einfluß auf die internationale Politik ausübender Staat’ (Mitte 19. Jh., zunächst von bestimmten Staaten des Deutschen Bundes, entsprechend
frz. grande puissance), vorher gleichbed. mit
große Macht, woraus es zusammengerückt ist (17. Jh.); früher bezeugt ist
großmächtig Adj. ‘sehr mächtig’ (besonders in Titeln), ‘sehr groß’,
frühnhd. auch ‘von kräftiger Gestalt, dick’ (15. Jh.).
Großstadt f. ‘große Stadt’, namentlich (nach statistischer Festlegung) ‘Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern’, vereinzelt schon im 16. Jh. vorkommend, dann seit Anfang des 19. Jhs., wohl angelehnt an
Großstädter m. (17. Jh.),
großstädtisch Adj. (Mitte 18. Jh.).
Großmutter f. Großvater m. ‘Mutter, Vater des Vaters oder der Mutter’,
mhd. grōʒmuoter (1350),
spätmhd. grōʒvater (um 1400),
mnd. grōt(e)mōder,
grōt(e)vāder. Die offenbar vom Norden des
dt. Sprachgebiets ausgehenden Bildungen treten in dieser Verwendung an die Stelle von
mhd. ane f.,
an(e),
ene m. (s.
Ahn); wie
nl. grootmoeder,
grootvader,
engl. grandmother,
grandfather folgen sie vielleicht dem Muster der allerdings erst verhältnismäßig spät nachweisbaren Zusammensetzungen
frz. grand’mère (in diesem Sinne schon
afrz. grant mere?),
grand-père (16. Jh.), doch ist wegen der frühen Bezeugung im
Dt. auch an vom
Frz. unabhängige Bildungen zu denken.