gehen Vb. ‘sich zu Fuß fortbewegen’. Im Paradigma von
nhd. gehen sind die Formen von zwei verschiedenen, nicht miteinander verwandten Verben vereinigt. Das
gemeingerm. starke Verb
ahd. gangan (8. Jh.),
mhd. gangen,
asächs. aengl. gangan,
mnl. ganghen,
anord. ganga,
got. gaggan gehört zu den reduplizierenden Verben und ist vielleicht als Rückbildung aus einem jan-Verb
germ. *gangjan (vgl.
ahd. zigengen ‘zergehen machen, vernichten’, um 1000,
mhd. gengen ‘gehen machen, losgehen’,
aengl. gengan ‘gehen, reisen, reiten’) anzusehen. Es ist verwandt mit
1Gang (s. d.) und
außergerm. mit
aind. jáṅghā ‘Unterschenkel’,
jáṁhaḥ ‘Flügel, Schwinge’,
lit. žeñgti ‘schreiten, gehen’ und vielleicht
griech. kochṓnē (
κοχώνη) ‘Stelle zwischen den Schenkeln, Hinterbacke’. Erschließbar ist
ie. *g̑hengh- ‘schreiten, Schritt, Schenkelspreize, Schamgegend’. Auf dieses durch
ahd. gangan vertretene Verb gehen das Prät. (
ging) und das Part. Prät. (
gegangen) von
nhd. gehen zurück. Daneben steht gleichbed.
ahd. gān (8. Jh.) und (zunächst nur
bair. und
frk.)
gēn (8. Jh.),
mhd. gān,
gēn,
asächs. -gān,
mnd. aengl. gān,
engl. to go,
mnl. gaen,
nl. gaan,
anord. aschwed. gā,
krimgot. geen, das
ahd. nur durch den Infinitiv und athematisch gebildete Präsensformen (
gām,
gās(t),
gāt usw. neben
gēm,
gēs(t),
gēt usw.) belegt ist (vgl. aber
aengl. Part. Prät.
gegān), die Infinitiv und Präsens des
nhd. Verbs
gehen ergeben haben. Dieses Verb verbindet sich mit
griech. (homerisch)
kichā́nein (
κιχάνειν) ‘erreichen, erlangen, antreffen’,
aind. jíhītē ‘springt auf, begibt sich zu’ und führt auf eine Wurzel
ie. *g̑hē-,
*g̑hēi- ‘leer sein, fehlen, verlassen, fortgehen’, dann auch ‘gehen’, wobei eine Identität mit
ie. *g̑hēi-,
*g̑hē- ‘gähnen, klaffen, offenstehen’ erwogen wird (s.
gähnen), da sich ‘fortgehen’ aus ‘klaffend abstehen’ entwickelt haben kann. –
abgehen Vb. ‘sich entfernen, fehlen, sterben, abschreiten’,
ahd. abagangan,
-gān ‘aufhören, vergehen’ (um 1000),
mhd. abegān ‘abnehmen, etw. versagen, fehlen’;
Abgang m. ‘Weggang, Tod, Weg nach unten’,
mhd. abeganc ‘das Hinabgehen, ein hinabführender Weg, Mangel, Abfall’.
angehen Vb. ‘beginnen, betreffen, um etw. bitten’,
ahd. anagangan,
-gān,
-gēn (um 800),
mhd. anegān ‘anfangen, hineingehen, folgen, angreifen’.
aufgehen Vb. ‘sich öffnen, emporsteigen, sichtbar werden’,
ahd. ūfgangan,
-gān,
-gēn (8. Jh.),
mhd. ūfgān,
-gēn ‘aufgehen, sich erheben, entstehen, gedeihen’;
Aufgang m. ‘Erscheinen, Weg nach oben, Treppe’,
ahd. ūfgang (8. Jh.),
mhd. ūfganc.
ausgehen Vb. ‘fortgehen, sich aufbrauchen, enden, abzielen auf etw.’,
ahd. ūʒgangan,
-gān,
-gēn ‘hinausgehen, aufhören’ (8. Jh.),
mhd. ūʒgān,
-gēn ‘heraus-, hervorgehen, über die Ufer treten, zu Ende gehen, sich verlieren’;
Ausgang m. ‘das Hinausgehen, Schluß, Ende, Weg nach außen’,
ahd. ūʒgang (um 800),
mhd. ūʒganc ‘das Herausgehen, Ausgang, Ende’.
begehen Vb. ‘besichtigen, entlanggehen, feiern’,
ahd. bigangan,
-gān,
-gēn (8. Jh.),
mhd. begān,
-gēn ‘erreichen, antreffen, sorgen um etw., feiern, zu Grabe geleiten’.
eingehen Vb. ‘hineingehen, eintreffen, sich mit etw. oder jmdm. beschäftigen, kleiner werden, schrumpfen, aufhören zu existieren’,
ahd. ingangan,
-gān,
-gēn ‘hineingehen, ein-, betreten, eindringen, überfallen’ (8. Jh.),
mhd. īngān,
asächs. mnd. ingān,
got. inngaggan.
Eingang m. ‘Öffnung, Tür, Ankunft, Weg nach innen’,
ahd. ingang (8. Jh.),
mhd. īn-,
inganc.
entgehen Vb. ‘entkommen, nicht bemerkt werden’,
ahd. intgangan,
-gān,
-gēn (9. Jh.),
mhd. engān,
-gēn ‘entkommen, fortgehen, verlorengehen, sich entziehen’.
ergehen Vb. ‘angeordnet werden’, reflexiv ‘spazierengehen’, auch unpersönlich
mir ergeht es gut, schlecht,
ahd. irgangan,
-gān,
-gēn (9. Jh.),
mhd. ergān,
-gēn ‘zu gehen beginnen, kommen, geschehen, sich ereignen, einholen, zu Ende gehen’.
hintergehen Vb. ‘betrügen, täuschen’,
spätmhd. hindergān ‘von hinten herangehen, überfallen, betrügen’.
übergehen Vb. ‘nicht beachten, übersehen, überlaufen, überfließen’,
ahd. ubargangan,
ubar(i)gān ‘überströmen, hinübergehen’ (8. Jh.),
mhd. übergān,
-gēn ‘übergehen, -fließen, vorübergehen, über etw. gehen, überfallen, übertreten’;
Übergang m. ‘überführender Weg, das Überschreiten, Wechsel’,
ahd. ubargang ‘das Herausgehen, Abweichung, Verderben, Seuche, Pest’ (8. Jh.),
frühnhd. übergang ‘das Hinübergehen, Durchgang, Stelle, wo man hinübergeht’ (15. Jh.).
untergehen Vb. ‘zugrunde gehen, versinken’,
ahd. untargangan,
-gān,
-gēn (um 800),
mhd. untergān,
-gēn ‘dazwischentreten, überkommen, befallen, versperren’;
Untergang m. ‘das Zugrundegehen, Scheitern, Sinken’,
ahd. untargang (9. Jh.),
mhd. underganc ‘Verderben, Sinken (der Sonne), Unterwerfung, Schiedsgericht’.
vergehen Vb. ‘aufhören zu existieren, vorbeigehen, verstreichen’, reflexiv ‘gegen eine Norm verstoßen, ein Verbrechen an jmdm. ausführen’,
ahd. firgangan,
-gān,
-gēn ‘vorwärtsgehen, verstreichen’ (9. Jh.),
mhd. vergān,
-gēn, auch ‘übergehen, meiden, auseinandergehen, sich verirren’;
Vergehen n. ‘zu bestrafende Handlung, Verbrechen’ (18. Jh.), vgl.
mhd. vergān ‘das Vorübergehen, Hinweggehen’;
Vergangenheit f. ‘zurückliegende, verflossene Zeit’ (18. Jh.), in diesem Sinne grammatischer Terminus für Zeitformen des Verbs, die ein Geschehen oder Sein als vergangen darstellen (19. Jh.), vgl.
di vergangen zeit (um 1400),
die verlauffene Zeit (Anfang 17. Jh.).
vorgehen Vb. ‘vorwärtsgehen, nach vorn gehen, den Vorrang haben, sich ereignen’,
ahd. foragangan,
-gān,
-gēn (8. Jh.),
mhd. vor-,
vürgān ‘vorangehen, übertreffen’;
Vorgang m. ‘Ereignis, Ablauf eines Geschehens, in den Akten festgehaltener Fall’,
mhd. vor-,
vürganc ‘das Vorausgehende, Einleitung, Vortritt, Fortschritt, Erfolg’;
Vorgänger m. ‘in Amt oder Stellung Vorangegangener’,
spätmhd. vorganger,
-genger.