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Verfahren zur Herstellung von haltbaren Suspensionen tierischer Gewebezellen
Um an lebenden isolierten Gewebezellen die gleichen biologischen Reaktionen und
Teste vornehmen zu können wie an totem Zellenmaterial, ist es u. a. von Wichtigkeit,
die aus Organen oder Geweben isolierten Zellen bzw. deren Suspensionen in Form von
einzelnen Zellen haltbar zu machen, d. h. Agglutinationen zu verhindern oder bereits
eingetretene Agglutinationen rückgängig zu machen.
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Es wurde nun gefunden, daß man nicht agglutinierende Suspensionen
von Gewebezellen in sehr vorteilhafter Weise dadurch erhalten kann, daß man frisches
Zellenmaterial in Gegenwart solcher die Oberflächenspannung erniedrigender oder
die Gerinnung von Blut hemmender Stoffe, die die Zellen nicht oder nicht wesentlich
verändern, dispergiert oder bereits vorhandenen Suspensionen tierischer Gewebezellen
die genannten Stoffe zusetzt.
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Geeignete, die Oberflächenspannung erniedrigende Stoffe sind beispielsweise
höhere Alkohole, wie Oktylalkohol, Benzylalkohol u. dgl. Als Stoffe, welche die
Gerinnung von Blut hemmen, kommen z. B. polyanetholsulfonsaure Salze, m.- Aminbenzoyl-
m- amino - p- methylbenzoyl-i-naphthylamin-q., 6, 8-trisulfosäurecarbamid sowie
die unter der Bezeichnung Heparin, Hirudin und Novirudin bekannten Organextrakte
in Betracht.
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Im allgemeinen ist es zweckmäßig, den Suspensionen auch noch antiseptisch
wirkende Mittel zuzusetzen. Als solche sind z. B. kampfersaures Hexamethylentetramin,
Hexamethylen-
nensaures Hexamethylentetramin und ähnliche Stoffe sowie Salicylsäurephenylester,
Hexylresorcin, Oxybenzoesäuremethyl- oder -äthylester u. a. m. verwendbar.
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Die Stoffe können zur Erzielung der erstrebten Wirkung nicht nur den
isolierten Zellen zugesetzt werden, sondern die Neigung der Zellen zur Agglutination
wird auch dadurch verhindert, daß man die Stoffe dem Versuchstier einige Zeit vor
Entnahme des Zellenmaterials injiziert oder per os verabreicht. Die dann dem Tier
entnommenen Gewebe zeigen nach der Verarbeitung zu Zellensuspensionen keine Neigung
zur Agglutination mehr. Es ist zweckmäßig, den Suspensionen dann noch geeignete
Antiseptika der vorstehend genannten Art in Konzentrationen zuzusetzen, welche die
Zellen noch nicht schädigen, aber das Wachstum von Bakterien verhindern. Die obengenannten
Stoffe mit antiseptischer Wirkung kommen z. B. in solchen Mengen in Betracht, daß
die fertige Suspension von diesen Stoffen o,i bis o,2 °/o enthält.
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Auf die stabilisierten Suspensionen dieser Art von z. B. Embryonalzellen,
Zellen normaler oder kranker Organe, Krebszellen usw. kann man nun zwecks Prüfung
u. dgl. ein geeignetes Serum, andere Zellen, ferner chemische Substanzen, Fermente
oder Hormone einwirken lassen. Durch Zählung der Zellenzahl vor und nach dem Versuch,
durch Trübungsmessung oder ähnliche Methoden gelingt es, die Zu- oder Abnahme von
Zellen in diesen Suspensionen, also eine zeltzerstörende oder zellvermehrende Wirkung,
zu messen bzw. durch Bestinunung
von in den Suspensionen entstandenen
chemischen Stoffen den Zerfall von Zellen oder die Entstehung` von Stoffwechselprodukten,
dis;;; Wirkung von Fermenten usw. festzustellen, -`f Es ist zwar bekannt, daß der
Vorgang-Agglutination Agglutination bei biologischen Reaktionenäs_' Kolloidreaktionen
außer . voil anderen Faktoren auch von der Änderung der' Oberflächenspannung als
abhängig bezeichnet wird. Daß aber durch Zusatz von Stoffen, welche die Oberflächenspannung
erniedrigen, die Agglutination von Gewebezellen verhindert werden kann, war keineswegs
aus den Erfahrungen, die man z. B. an Blutkörperchen oder Bakterien gewonnen hat,
herzuleiten. Daß die Agglutination von Gewebezellen mit der . von Blutkörperchen
u. dgl. nicht ohne weiteres verglichen werden kann, geht daraus hervor, daß man
bekanntlich die Agglutination von Blutkörperchen oder Bakterien, z. B. durch hohe
Salzzusätze, hemmen kann; diese Methode ist aber bei Suspensionen von Gewebezellen
nicht anwendbar.
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Ein Zusammenhang zwischen .Blutgerinnung und Agglutination besteht
an sich nicht. In der Literatur wird sogar zwischen Agglutination der amöboiden
Zellen des Blutes und der eigentlichen Blutgerinnung durch Fibrinogen oder fibrinogenartige
Eiweißkörper streng unterschieden. Während es sich bei der Blutgerinnung durch Fibrinogen
um einen chemisch-physikalischen Vorgang handelt, nämlich um die Gerinnung eiweißartiger
Körper, handelt es sich bei der Agglutination von Gewebezellen wahrscheinlich um
die Wirkung von Isoagglutinen auf lebende Zellen. Z. B. wirkt das Hirudin vermutlich
allein dadurch auf die Blutgerinnung, daß es eine bestimmte Menge Fibrinferment
zu neutralisieren .imstande ist. Ein Wechsel zwischen Sol- und Gelzustand, wie er
bei kolloidchemischen Vorgängen, z. B. beim Übergang von Fibrinogen in Fibrin bei
der Blutgerinnung sowie bei der Bakterienagglutination, eintritt, kommt bei der
Herstellung der Zellsuspensionen gemäß vorliegendem Verfahren ebenfalls nicht in.
Betracht, da ja Veränderungen der Zellen überhaupt vermieden werden sollen. Bei
Kolloiden und Bakteriensuspensionen gewonnene Erfahrungen lassen sich auch schon
deshalb nicht auf Suspensionen von Gewebezellen übertragen, da sich das Volumen
der Bakterien zu dem der Gewebezellen etwa wie i : iooo verhält, es sich also um
Suspensionen von Körpern völlig verschiedener Dimensionen handelt.
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Beispiel i Eine- agglutinierte Zellsuspension wird mit einem innigen
Gemisch von o,9,5 ccm sekundärem Oktylalkohol, 0,75 ccm absolutem Äthylalkohol und
o,6o ccm Wasser in einer Menge von cj: Tropfen auf je z ccm der Suspension versetzt.
;e Zusammenballungen gehen nach gutem ;.ftrchschütteln der Probe auseinander, so
daß 'ce einzelnen Zellen wieder frei und homogen "'verteilt sind und in diesem Zustand
bleiben. Beispiel --
Zu einer zur Agglutination neigenden Zellsuspension wird
pro i ccm i Tropfen einer i°/oigen Lösung von Hirudin gegeben und gut durchgeschüttelt.
Die Zellen bleiben in der Suspension einzeln schweben und homogen verteilt.
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Beispiel 3 Zu einer zur Agglutination neigenden Zellsuspension wird
pro i ccm i Tropfen einer o,i°/oigen wässerigen Lösung von m-Aminobenzoyl-m-amino-p-methylbenzoyl-i
-naphthylamin-q., 6, 8-trisulfosäure-carbamid zugefügt. Trotz mehrtägigen VerweiIens
bei 37' tritt keine Agglutination der Zellen ein.
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Beispiel q.
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Einem tumortragenden Kaninchen werden je z kg Lebendgewicht 15 mg
polyanetholsulfonsaures Natrium intravenös injiziert. Nach etwa il/, Stunden wird
das Tier, falls es nicht von selbst verendet ist, getötet, die Tumormasse isoliert
und zu einer Zellsuspension verarbeitet. Die so erhaltene Suspension zeigt keine
oder nur eine ganz geringe Neigung zur Agglutination.