Benutzungshinweise
Die Artikel sind nach den folgenden Abschnitten gegliedert:
- Angesetzt ist das Hauptlemma, darunter werden gegebenenfalls Ableitungen und Zusammensetzungen verzeichnet (z.B. Aufklärung mit aufklären, Aufgeklärter, unaufgeklärt u.a.). In seltenen Fällen werden hier auch bedeutungsverwandte, in einer begrifflichen Beziehung zum Hauptlemma stehende Lemmata angeführt, die keinen eigenen Artikel haben, sondern in dem Artikel zu dem Hauptlemma mit dargestellt sind (z.B. alt in dem Artikel Leute über Dreißig).
- Im Anschluss an diese Angaben folgt der Hinweis auf die Sprecherperspektive ‚intellektuelle Linke‘ und/oder ‚studentische Linke‘.
- Es schließt eine mehr oder weniger knappe historische Einführung an, die zu dem spezifischen Gebrauch der späten 1960er Jahre hinführt. Je nach Lemma haben diese Einführungen eine unterschiedliche historische Tiefe. Zumeist dienen sie dazu, die marxistische Vorgeschichte des Wortgebrauchs sowie ihre Repräsentierung durch die Kritische Theorie der 1930er und 1940er Jahre zu skizzieren, um zu zeigen, welches Bedeutungswissen bei den Zeitgenossen der späten 1960er Jahre vorhanden war und ggf. wie sie dieses Wissen modifiziert haben.
- Die folgende Lesartenbeschreibung enthält die semantisch-konzeptuellen, enzyklopädischen und Gebrauchs-Informationen. Diese Informationen werden in narrativem Stil mitgeteilt, denn das Wörterbuch soll auch ein Lese-Buch sein. Diese Informationen zur semantischen Struktur, die u.U. nach Lesarten unterteilt sind, werden gestützt mit Beispielen, die aus dem Belegteil stammen, also authentisch sind, die jedoch für die Verwendung im Artikelkopf u.U. gekürzt bzw. vereinfacht wurden. Im Anschluss wird durch die Angabe der Kurztitel auf die Belege im Dokumentationsteil verwiesen. Ein wesentlicher Bestandteil jeden Artikelkopfes ist die semantisch-konzeptuelle Vernetzung des Diskurswortschatzes durch Verweise. Diese Vernetzung bezieht sich auf konzeptuelle, antonymische, hyperonymische und funktionale Bedeutungsrelationen. Synonymische Bedeutungsbeziehungen werden darüber hinaus auch ohne Verweise hergestellt, und zwar dann, wenn es sich um (Mehrwort-)Lexeme handelt, die keinen eigenen Artikel haben, die aber dennoch, wegen ihrer semantischen Serialität im Sinn von Ausdrucksalternativen, relevante Diskurselemente sind. So wird z.B. im Artikel Leute über Dreißig das Synonym wir Älteren dargestellt. Wenn ein Lemma von den Angehörigen der beiden Sprecherperspektiven unterschiedlich gebraucht wird, besteht der Artikel wo nötig aus einem allgemeinen, einführenden Teil, dem sich dann der perspektivengebundene Darstellungsteil anschließt (siehe z.B. den Artikel Provokation).
- Der anschließende Abschnitt ‚Diskursfunktion‘ stellt die funktionale Gebundenheit des Diskurswortschatzes dar, indem in diesem Abschnitt der für den Kritischen Demokratiediskurs rekonstruierte Wortschatz nach Funktionskriterien unterschieden wird.
- ‚Gruppenkonstituierung‘: Die Unterscheidung und Abgrenzung der Diskursbeteiligten ist eine diskursive Strategie des kritischen Diskurses der späten 1960er Jahre, die die Konstituierung der studentischen Linken aus der Selbstsicht (Avantgarde) und aus der Sicht der intellektuellen Linken (Linksfaschismus), sowie die Konstituierung der intellektuellen Linken aus der Selbstsicht (Leute über Dreißig) und aus Sicht der studentischen Linken (Ordinarius) zum Gegenstand hat. Gruppenkonstituierung aus der Auto- und aus der Heteroperspektive realisieren Zuschreibungen, die, in der Funktion der Gruppenintegrierung, der Gruppenabgrenzung und der Identitätsbildung mit dem Gebrauch theoretischer und ideologiesprachlicher Muster korrespondieren. Dieser sprachlichen Gruppenkonstitution kommt diskursgeschichtlich größte Bedeutung zu. Die Konstitution des Selbst- und des Fremdbildes im Rahmen des politischen Diskurses Ende der 1960er Jahre erscheint insofern als essentiell, als sie die diskursiven Bedingungen schafft, unter denen die Beteiligten den Diskurs sprachlich realisieren, unter denen sie seine Gegenstände, und insbesondere die Demokratiekonzepte der Beteiligten, konstruieren.
- ‚Gegenwartskonzepte‘: Der kritische Diskurs der späten 1960er Jahre ist hinsichtlich seines Gegenstands ein Diskurs, der die politische Situation der Gegenwartsgesellschaft (der späten 1960er Jahre) zum Generalthema hat. Die diskursiven Anlässe der Gegenwart von 1967/68 werden als Erscheinungen von Demokratiedefiziten konstituiert (autoritär). Diese Konstituierung hat für die Diskursgemeinschaft die Funktion, die Gegenwartsgesellschaft derart als antidemokratisches Gemeinwesen zu konzipieren – damit zu entdemokratisieren (faschistisch) –, dass das Gegenkonzept als folgerichtige Antizipation einer demokratischen Gesellschaft Plausibilität erhält. Besorgnis um die deutsche Nachkriegsdemokratie ist das Kritik-, Protest- und Widerstandsmotiv, das die gegenwartsbezogenen Diskursthemen der politischen und gesellschaftlichen Opposition, ihre Analysen und Befunde auf die Gesellschaft bezieht (Establishment), auf ihr Instrumentarium (Manipulation) sowie auf ihre Struktur (System).
- ‚Handlungskonzeptionen‘: Handlungsbezeichnungen bzw. Bezeichnungen, die Handlungen charakterisieren oder modifizieren, sind ein zentraler Wortschatzbereich des kritischen politischen Diskurses und beziehen sich auf sprachliches (Diskussion) und auf nichtsprachliches Handeln (eine Lesart von Gewalt oder von Widerstand). Die studentische Linke, deren Referenztheorie die der Frankfurter Schule ist, schafft damit einen neuen Praxisbegriff, der bis hin zur Legitimierung von materiell manifester Provokation, Aktion und Gewalt reicht und den die intellektuelle Linke in Frage stellt (faschistisch). In funktionaler Perspektive ist dieses Segment daher eine strategisch angelegte diskursive Bearbeitung desjenigen Konzepts, das sich kommunikations- und diskursgeschichtlich als die größte Kontroverse der beiden Beteiligtengruppen darstellt. Es ist insofern als zentrales Segment des Demokratiediskurses zu beschreiben, als seine Kompatibilität bzw. Nichtkompatibilität mit Demokratie zur Disposition stand.
- ‚Zukunftsmodelle‘: Das Zukunft bezogene diskursive Defizit ist ein Monitum, das die Geschichte des kritischen Diskurses der späten 1960er Jahre konstant begleitet. Die Akteure sahen sich stets dem Vorwurf ausgesetzt, ihre intensive Kritik an der Gegenwart nicht durch konkrete Konzepte einer Zukunft zu legitimieren. Der umfänglich insofern gering repräsentierte zukunftsbezogene Diskurswortschatz drückt eine gemeinsame urdemokratische Grundvorstellung von Bedürfnisartikulierung, Partizipation, Beteiligung aus und ist z.B. mit Emanzipation, Mündigkeit und Vernunft insbesondere geprägt von Kategorien der deutschen Spätaufklärung.
- ‚Beschreibungskategorisierungen‘: Dieser Funktionswortschatz entspricht dem hohen Wissenschafts- und Theorieanspruch der Diskursbeteiligten. Der zentrale Herkunftsbereich der von der studentischen und intellektuellen Linken verwendeten Beschreibungskategorien ist der der Kritischen Theorie (immanent), mit ihren vor allem marxistischen (Bedürfnis) und psychoanalytischen (Bewußtsein) Bezügen, die mit ihren Leitideen und Schlüsselwörtern den Diskurs beherrschen. Die Studien, die Horkheimer und Adorno in den 1930er und 40er Jahren veröffentlichten, waren neben u.a. marxistischen Grundschriften die Referenztexte der Protestbewegung. Die Affinität der studentischen Linken zur Kritischen Theorie, als einer politisch-moralischen Denkrichtung, begründet sich in ihrem antifaschistischen und antiautoritären, in ihrem partizipatorischen und aufklärerischen Gesellschaftsmodell, in ihrem marxistischen und psychoanalytischen Fundament.
- In dem Abschnitt ‚Semantisches Netz‘ werden dann die lexikalischen Vertreter dieser jeweiligen Funktionsbereiche im Überblick aufgeführt.
- Der Abschnitt ‚Wortverbindungen‘ informiert über die empirisch belegten Syntagmen, die das Hauptlemma und die Sublemmata (Ableitungen und Zusammensetzungen) bilden. Dies ist ein Angebot für diejenigen Nutzerinnen und Nutzer, denen es weniger um authentische, wortgetreue Belege geht, sondern darum zu erfahren, welche Kollokationen überhaupt in Bezug auf den Zeitrahmen (späte 1960er Jahre), den Diskursausschnitt (Demokratiediskurs) und die Beteiligten (studentische und intellektuelle Linke) belegbar sind.
- Denselben Informationswert hat der Abschnitt ‚Wortbildung‘. Er führt diejenigen Ableitungen und Zusammensetzungen auf, die in dem untersuchten Diskurs belegt sind und stellt sie als Übersicht dar.
- Ein dokumentierender Belegteil (auf den im Artikelkopf durch Quellenangabe verwiesen wird) schließt den Artikel ab. Die Belege weisen den jeweiligen Wortgebrauch im Kontext nach. Sie sind über das Quellenverzeichnis erschließbar.
Anders als der Schulddiskurs, dessen begrifflich-semantisches Zentrum der Artikel Schuld darstellt, kann für den kritischen Demokratiediskurs der späten 1960er Jahre kein solch eindeutiger Zentralartikel, in dem alle Linien des thematischen Diskursnetzes zusammenlaufen und von dem aus auf die lexikalischen Repräsentanten des Diskurses verwiesen werden kann, nachgewiesen werden. Vielmehr ist die konzeptuell-semantische Ordnungsstruktur des Wortschatzes zum kritischen Demokratiediskurs komplex und polyzentrisch. Eines der Zentren bildet natürlich der Artikel Demokratie, der die semantische Struktur des Lemmas mit entsprechenden vielfältigen Verweisen auf gegenwarts- und zukunftsbezogene Kategorien, auf Spezifizierungen und Realisierungen sowie auf handlungsbezeichnende Ausdrücke darstellt. Während in diesem konzeptuellen Zentrum Demokratie die gegenwarts- und die zukunftsbezogene Dimension zusammenlaufen, hat ein weiterer zentraler Artikel, Faschismus, als weitgehend gegenwartsbezogene Kategorie zu gelten. Dessen konzeptuelle Funktion besteht insbesondere in der semantischen Zusammenfassung, also in der Intension derjenigen Diskursrepräsentationen, die von den Beteiligten als Realisierungen bzw. als Versionen einer vom Faschismus noch nicht befreiten Gesellschaft interpretiert werden. Als zukunftsbezogener Zentralausdruck kann das Lemma Mündigkeit gelten, in dem diejenigen Elemente zusammengefasst sind, die das Menschenbild des kritischen Demokratiediskurses repräsentieren.