Die Armee wird massiv aufgerüstet, aber für mehr Polizisten im Kampf gegen die vorrückende Mafia will die Rechte im Parlament bisher kein Geld lockermachen.
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Bundesanwalt Stefan Blättler, bis 2021 Kommandant der Berner Kantonspolizei, nahm letzte Woche im Interview mit CH Media einen neuen Anlauf für mehr Ressourcen: «Es braucht viel mehr Polizisten, es braucht viel mehr Ermittler.» Ganz einfach deshalb, sagte er, weil es für die Polizei viel mehr tun gebe als früher. «Kriminelle Organisationen breiten sich aus, und sie sind genauso staatsgefährdend wie Saboteure und Spione.»
Wenn sich ein Staat nicht gegen das organisierte Verbrechen wehre, so Blättler weiter, dann werde es irgendwann in den Strassen sichtbar, wie dies in Schweden, Belgien, Holland passiert sei. Sein Appell: «Ich hoffe, man merkt bei uns vorher, wie wichtig es ist, etwas dagegen zu unternehmen.»
Kommt die Botschaft an? Wird der Bundesanwalt von der Politik endlich gehört? Nachfrage vor Ort im Bundeshaus.
Für den Berner Mitte-Nationalrat Lorenz Hess, im Militär im Rang eines Obersten, ist klar: «Wenn wir die Sicherheit in der Schweiz wirklich erhöhen wollen, reicht es nicht, die Armee aufzurüsten. Dann braucht es beim Bund auch mehr Mittel und Personal, beispielsweise für die Polizei sowie für den Nachrichtendienst. Alles andere ist Augenwischerei.»
Mehr Ressourcen für die Polizei? Klar ist die Haltung bei den befragten Leuten von Rot-Grün. Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen, sagt: «Wenn man der bisherigen bürgerlichen Logik folgt, bedeutet Sicherheit einfach die Beschaffung von Kriegsmaterial. Das ist eine viel zu eingeengte Sicht. Wir leben in einer schwierigeren Welt als früher, mit vielfältigeren Herausforderungen und neuen Risiken.»
Es brauche «ein ganzheitliches Sicherheitsverständnis», sagt der Freiburger Sicherheits- und Finanzpolitiker. «Statt nur mehr Geld für die Armee sollten beispielsweise auch genügend Mittel für das Bundesamt für Cybersicherheit bereitgestellt werden. Dieses Amt hat heute fast kein Geld, obwohl die Cybervorfälle massiv zunehmen.»
Auf die Frage, woher diese kompromisslose Fokussierung auf möglichst viel Geld für die Armee komme, antwortet Andrey: «Die rechte Parlamentsmehrheit hat sich nach dem Überfall von Russland auf die Ukraine in einen ideologischen Schützengraben zurückgezogen und findet jetzt nicht mehr hinaus.»
SP-Nationalrätin und Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf sagt: «Nicht nur die Armee, sondern auch einige andere Organisationen wie das Fedpol, der Nachrichtendienst und das Grenzwachtkorps sind sicherheitsrelevant.» Das Problem: «Wenn die Armee noch schneller aufgerüstet werden soll, als sie eh schon wird, und man nicht auch noch an zusätzliche Einnahmemöglichkeiten denkt», muss dieses Geld anderswo eingespart werden.
Bei den Budgetberatungen im Nationalrat habe man letzte Woche gesehen, wohin das führe: «250 Millionen weniger für die internationale Zusammenarbeit und 70 Millionen Pauschalkürzungen beim Bundespersonal. Das trifft dann auch das Fedpol, den Nachrichtendienst und das Grenzwachtkorps. Alles Organisationen, die nicht gerade mit zu vielen personellen Ressourcen gesegnet sind», so Seiler Graf.
Dabei sei die Terrorgefahr laut Nachrichtendienst bei uns weiterhin erhöht, und «die organisierte Kriminalität fühlt sich bei uns pudelwohl, weil wir zu wenig Strafverfolger haben». Das gefährde die innere Sicherheit massiv und sei «ein sehr realistisches Sicherheitsrisiko», so die Zürcherin.
Gerade die grösste Partei im Land, die SVP, lehnte wie die FDP noch in der Frühlingssession ein Postulat der nationalrätlichen Finanzkommission ab, das eine Ressourcenüberprüfung bei Fedpol fordert. Fedpol solle «sich intern so aufzustellen, dass es nicht zur Ressourcenknappheit kommt», so SVP- Finanzpolitikers Lars Guggisberg in einem Antrag.
Aber jetzt tut sich was. Die SVP geht jetzt über die Bücher, wie Guggisberg nach parteiinternen Abklärungen ausführt: «Wird uns plausibel aufgezeigt, wo und weshalb mehr Personal und mehr Geld benötigt wird, so werden wir die Aufstockung dieses Budgets unterstützen», so der Berner Nationalrat.
Aus Sicht der SVP müsse «die neue Fedpol-Direktorin Eva Wildi-Cortés im Bundesamt für Polizei gezielt analysieren, wo einerseits noch Effizienzsteigerungen erzielt werden können, und andererseits evaluieren, wo das Einsetzen von mehr Personal unumgänglich ist». Die Partei sei der Ansicht, dass «unter der abgetretenen Direktorin die Effizienz nicht genügend im Fokus des Wirkens und Handelns». Diesbezüglich habe man nun «hohe Erwartungen an Frau Wildi-Cortés». Sie tritt ihr Amt im Februar an.
«Auf den Schultern der Polizeikorps, aber auch den Staatsanwaltschaften und der Gerichte, lastet immer mehr Arbeit», so Guggisberg weiter. Die Kriminalität steige «aufgrund der offenen Grenzen seit Jahrzehnten ungebremst an». Diese Mehrarbeit kann man nun durch den Einsatz von mehr Mitteln, Effizienzsteigerungen oder das Reduzieren der Qualitätsanforderungen kompensieren.« Letzteres kommt in den kriminalistischen Bereichen, in welchen die Bundespolizei ermittelt, nicht in Frage», so der Berner Nationalrat.
Handlungsbedarf anerkennt jetzt auch Peter Schilliger, Luzerner FDP-Nationalrat und Finanzpolitiker: «Das Gesamtbild der veränderten Problemlage werden wir im 1. und 2. Quartal 2025 mit den zuständigen Departementsleitern sicherlich besprechen.» Noch offen sei, wie man die nötigen Mittel bereitstelle: «Ob daraus eine Nachmeldung für das Jahr 2025 resultiert, ob sich die Veränderung dann im Voranschlag 2026 niederschlägt oder ob diese Aufgaben über interne Budgetverschiebungen aufgefangen werden können, wird sich dann zeigen», hält er fest.
Die FDP habe «den Grundsatz, dass die Bedürfnislage die Mittelverteilung» bestimme. Aber: «So wie Mehrleistungen gefordert sind, muss auch der Abbau oder der Verzicht von Aufgaben thematisiert werden.»
So scheint klar: Kurz vor Weihnachten tut sich was in Sachen Polizei in Bern.
Langfristiges Denken scheint mir bei der SVP nicht vorhanden zu sein. Grosses Talent in Sachen Sparen am falschen Ort. Seit Jahren sah man, wie die Lage sich zuspitzte. Parteipolitik vs. Realität. SVP - für mich die Schweizerische Verhinderungspartei par excellence. Übrigens verstehe ich nach wie vor nicht, weshalb unsere Polizeibeamten nicht längst mit body cams ausgerüstet unterwegs sind, und weshalb Video-Überwachung bei uns so wenig, bis kaum, genutzt wird.
Zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität braucht es mehr Polizisten oder Ermittler. Wir sollten möglichst verhindern, dass wir solche Zustände wie zum Beispiel in Grossstädten von Frankreich, Schweden oder Deutschland bekommen. Dort hat es Quartiere, welche von kriminellen Banden beherrscht werden und die geltenden Gesetze des Landes ausser Kraft sind.