Serin-Proteinase-Inhibitoren
Die Erfindung betrifft Serin-Proteinase-Inhibitoren, cDNA kodierend für Serin- Proteinase-Inhibitoren, Arzneimittel enthaltend die Inhibitoren oder deren codierende Nucleinsäure, Verwendungen der erfindungsgemäßen Verbindungen zur Herstellung von Arzneimitteln zur Behandlung verschiedener Indikationen, Antikörper-oder Antikörperfragmente gegen Epitope der erfϊndungsgemäßen Verbindungen, Poly- oder Oligonucleotide, die mit Genen der erfindungsgemäßen Verbindungen hybridisieren, ein Diagnostikum zum Aufspüren der erfϊndungsgemäßen Verbindungen, sowie Arzneimittel enthaltend Antikörper oder Poly- oder Oligonucleotide gemäß der Erfindung.
Proteolytische Prozesse spielen in allen Organismen eine bedeutende physiologische Rolle, wobei zwischen unspezifischen und spezifischen proteolytischen Reaktionen zu unterscheiden ist. Zu den ersten gehören beispielsweise der Nahrungsaufschluß im Verdauungstrakt durch Endopeptidasen sowie der intrazelluläre Abbau verbrauchter endogener Substanzen und phagozytierten Materials durch lysosomale Proteinasen. Spezifische Proteolysen dienen meistens der Überführung eines Proenzyms in die aktive Form wie bei der Überführung von Trypsinogen in Trypsin und Chymotrypsi- nogen in Chymotrypsin sowie bei den Kallikrein-Kinin-Kaskaden und der Blutgerinnungskaskade. Je nach Beschaffenheit des reaktiven Zentrums der daran beteiligten Proteinasen werden diese in die Klassen der Serin-Proteinasen (z.B. Chymotrypsin, Trypsin, Elastase und Kathepsin G), der Aspartat-Proteinasen (z.B. Kathepsin D, Kathepsin E und Pepsin), der Cystein-Proteinasen (z.B. Kathepsin B, Kathepsin H und Kathepsin L) und der Metallo-Proteinasen (z.B. Kollagenase und Thermolysin) unterteilt.
Um die oft kaskadenartig verlaufenden proteolytischen Prozesse gegenregulieren zu können, verfügt der Organismus über eine Reihe von anderen Proteinen, den Proteina- se-Inhibitoren (zur Übersicht siehe Laskowski und Kato, 1980 und Bode und Huber, 1992). So schützen die in der Leber synthetisierten, humanen Plasma-Proteinase- Inhibitoren αrAntichymotrypsin und αrProteinase-Inhibitoren das Lungengewebe vor unspezifischem Angriff durch die Proteinasen Kathepsin G bzw. Elastase aus polymorphkemigen Lymphozyten. Bei einem Ungleichgewicht zwischen Proteinasen und ihren spezifischen Inhibitoren kann es zum Auftreten pathologischer Effekte kommen. Ein übermäßiges Verhältnis von Elastase zu αrProteinase-Inhibitor erhöht beispielsweise bei Patienten mit genetisch bedingtem Mangel an diesem Faktor das Risiko der Bildung eines Lungenemphysems um ca. 20 bis 30fach gegenüber der Normalbevölkerung (Carrel und Owen, 1980). Bei Rauchern wird die Emphysembildung mittels Oxidation der im reaktiven Zentrum des αrProteinase-Inhibitors befindlichen Aminosäure Methionin durch im Zigarettenrauch enthaltene Oxidantien begünstigt (Miller und Kuschner, 1969; Ohlsson et al., 1980). Auch im Falle der Infektion mit Gram-negativen Bakterien können deren Endotoxine eine Desintegration von Phagozyten und damit die Ausschüttung lysosomaler Proteinasen verursachen, was durch den erhöhten Verbrauch an Proteinase-Inhibitoren unkontrollierte Gewebsschä- digung und Entzündungen verursachen kann. Aus diesem Grund besitzen bestimmte Proteinase-Inhibitoren ein hohes therapeutisches Potential (siehe z.B. Fritz, 1980).
Die internationale Anmeldung PCT/EP 98/08424 betrifft Serin-Proteinase-Inhibitoren, wobei diese Serin-Proteinase-Inhibitoren eine Domäne mit vier Cysteinen aufweisen und sich zwischen dem ersten und einem zweiten Cystein eine Sequenz von 0 bis 20 Aminosäuren befindet oder die Serin-Proteinase-Inhibitoren eine Domäne mit sechs Cysteinen aufweisen und sich zwischen dem ersten und zweiten Cystein eine Sequenz von 7 bis 20 Aminosäuren befindet.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, weitere Serin-Proteinase-Inhibitoren bereitzustellen.
Gelöst wird die Aufgabe durch einen Serin-Proteinase-Inhibitor mit der Aminosäuresequenz gemäß Seq. ID Nr. 1.
Auch Fragmente des erfindungsgemäßen Serin-Proteinase-Inhibitors mit der Aminosäuresequenz RrX-R2 sind Gegenstand der vorligenden Erfindung, wobei R, NH2, eine Aminosäure oder ein Peptid mit bis zu 100 Aminosäuren ist und R2 COOH, CONH2, eine Aminosäure oder ein Peptid mit bis zu 100 Aminosäuren ist und X ausgewählt wird aus Seq. ID Nr. 2 bis 6
Es ist bevorzugt, daß dre Serin-Proteinase-Inhibitor ein oder mehrere Disulfidbrücken aufweist. Dabei ist besonders bevorzugt, daß er zwischen dem ersten und vierten Cystein und/oder dem zweiten und dritten Cystein eine Disulfidbrücke aufweist oder daß er zwischen dem ersten und fünften Cystein und/oder dem zweiten und vierten Cystein und/oder dem dritten und sechsten Cystein eine Disulfidbrücke aufweist.
Aus Figur 1 läßt sich neben der Aminosäuresequenz der erfindungsgemäß bevorzugten Verbindungen auch weitere Informationen bezüglich der cDNA, die für die erfindungsgemäßen Verbindungen kodiert, entnehmen. Insbesondere werden die entsprechenden Motive und Primer hybridisierenden Stellen angegeben.
Erfϊndungsgemäß beansprucht werden auch Nucleinsäuren, die für die erfindungsgemäßen Verbindungen kodieren, insbesondere DNA mit der Nucleinsäuresequenz gemäß Seq. ID Nr. 7 bis 12.
Die erfindungsgemäßen Verbindungen sind als Arzneimittel geeignet. Gegebenenfalls werden sie zusammen mit pharmazeutisch verträglichen Trägerstoffen appliziert.
Die erfindungsgemäßen Arzneimittel enthaltend die erfindungsgemäßen Proteinase- Inhibitoren werden vorzugsweise in Mengen von 1 bis 100 mg/kg Körpergewicht des Patienten verabreicht. Als Verabreichungsform kommen alle galenischen Zubereitungen für Peptidwirkstoffe in Frage. Die Arzneimittel enthaltend Nucleinsäuren gemäß der Erfindung werden vorzugsweise in Mengen von 0,1 bis 100 mg/kg Körpergewicht eines entsprechenden Patienten verabreicht. Hier kommen als galenische Verabreichungsformen solche in Betracht, die zur Applikation von Nucleinsäuren geeignet sind, ohne daß die Nucleinsäuren vor Erreichen des Wirkortes durch Stoffwechselein- flüsse unwirksam gemacht werden. Als galenische Verabreichungsform können z.B. Liposomen eingesetzt werden, in denen die Nucleinsäuren befindlich sind.
Die erfindungsgemäßen Verbindungen kommen insbesondere zur Behandlung von akuten oder chronischen Cervixentzündungen, Entzündungen der Bartholinschen Drüsen oder anderer vaginaler Bereiche, Tonsillitis, Pharyngitis und Laryngitis, mit exzessiver Schleimbildung verbundener akut oder chronisch entzündlicher Prozesse und sich daraus ergebender akuter Notsituationen, postoperativer Blutungen aufgrund Hyperfibrinolyse sowie zur Prophylaxe der Lungenemphysembildung bei αr Proteinase-Inhibitormangel in Betracht.
Desweiteren können sie zur Therapie von Asthma, Aids, Tumorerkrankungen und Leukämie eingesetzt werden.
Die erfindungsgemäßen Verbindungen können bei Mangel an Serin-Proteinase- Inhibitoren verabreicht werden, um endogene Defizite auszugleichen. Die Nucleinsäuren können, direkt oder an geeignete Vehikel gekoppelt, auch zum Einsatz in der Gentherapie gelangen. Als geeignete Vektoren kommen insbesondere attenuierte Adenoviren, in die entsprechenden Gene inkorporiert werden, in Frage.
Die erfindungsgemäßen Polypeptide können zur Herstellung von Antikörpern oder Antiköφerfragmenten dienen. Diese werden in einfacher Weise durch Immunisierung geeigneter Säuger hergestellt. Durch an sich bekannte Operationen können die Antiköφer auch humanisiert werden, so daß diese Antiköφer ebenfalls zum therapeutischen Einsatz gelangen können. Antiköφer oder Antiköφerfragmente können dann zur Regulation von Erkrankungen eingesetzt werden, bei denen die Proteinase- Inhibitoren pathologisch exprimiert werden. Ebenso können zu den erfindungsgemäßen Nucleinsäuren komplementäre Antisense-Nucleinsäuren zum therapeutischen Einsatz bei Überexpression der Proteinase-Inhibitor-Genen eingesetzt werden.
Die erfindungsgemäßen Verbindungen sind in einfacher Weise durch an sich bekannte Methoden der Peptid- bzw. Nucleotidsynthese herstellbar. Einer gentechnischen Herstellung der Verbindungen steht ebenfalls nichts im Wege.
Der Fachmann erkennt, daß bei den Polypeptiden gemäß der Erfindung auch Fragmente verwendet werden können, sofern sie die inhibitorischen Eigenschaften der Serin-Proteinase-Inhibitoren beibehalten. Das Auffinden solcher Fragmente ist dem Fachmann bekannt. So erfolgt dies beispielsweise durch gezielte enzymatische Spaltung der erfindungsgemäßen Verbindungen. Es können auch in den Seitenketten modifizierte Aminosäuren eingesetzt werden. Auch N- und C-terminal modifizierte Polypeptide kommen in Betracht. Insbesondere können phosphorylierte, glycosylierte, methylierte, acetylierte oder in ähnlicher Weise modifizierte Polypeptide eingesetzt werden, sofern sie die Wirkung der Serin-Proteinase-Inhibitoren nicht relevant beeinträchtigen.
Bei den Nucleinsäuren gemäß der Erfindung kommen auch Derivate in Betracht, die je nach Codon Usage modifizierte Tripletstrukturen aufweisen. Desweiteren sind als Nucleinsäuren gemäß der Erfindung auch solche zu verstehen, die durch Nucleasen
gegenüber den nativen Verbindungen weniger stark abgebaut werden, beispielsweise die entsprechenden SODN-Derivate, die in der Antisense-Technologie üblicherweise eingesetzt werden, um die Antisense-Strukturen gegenüber enzymatischen Angriffen stabiler auszugestalten.
Auch mit den Polypeptiden homologe Strukturen kommen in Betracht. Dies sind insbesondere Polypeptidstrukturen, bei denen Aminosäuren ausgetauscht sind. So können beispielsweise konservative Aminosäuresubstitutionen in hochkonservierten Regionen wie folgt berücksichtigt werden: Jede Isoleucin-, Valin- und Leucin- Aminosäure kann gegen eine andere dieser Aminosäuren ausgetauscht sein, Aspartat kann gegen Glutamat und umgekehrt ausgetauscht sein, Glutamin gegen Asparagin und umgekehrt, Serin gegen Trionin und umgekehrt. Konservative Aminosäuresubstitutionen in weniger hochkonservierten Regionen können wie folgt sein: Jede der Aminosäuren Isoleucin, Valin und Leucin gegen jede andere Aminosäuren, Aspartat gegen Glutamat und umgekehrt, Glutamin gegen Asparagin und umgekehrt, Serin gegen Theonin und umgekehrt, Glycin gegen Alanin und umgekehrt, Alanin gegen Valin und umgekehrt, Methionin gegen jede der Aminosäuren Leucin, Isoleucin oder Valin, Lysin gegen Arginin und umgekehrt, eine der Aminosäuren Aspartat oder Glutamat gegen eine der Aminosäuren Arginin oder Lysin, Histidin gegen eine der Aminosäuren Arginin oder Lysin, Glutamin gegen Glutamat und umgekehrt und Asparagin gegen Aspartat und umgekehrt.