Eberhard Kreutzer / Wolfgang Karrer

 

Dies ist der zweite Band unseres vergriffenen Buches

Daten der englischen und amerikanischen Literatur

 

 

 

 

1890

Emily Dickinson:

aL Poems

116 Gedichte. Entst. 1858-84. Posthum herausgegeben (z.T. geglättet) von T.W. Higginson und M.L. Todd.


Die Slg. konzentriert sich auf die frühen Gedichte. Themenkreise sind u. a. emotionale Reaktionen bei der Naturbetrachtung (These are the days when birds come back, A something in a summer's day, The grass so little has to do), auf Begegnungen und Personen (I like a look of Agony, The Soul selects her own Society) und Meditationen über Zeit und Ewigkeit, Leben und Tod (Safe in their Alabaster Chambers, Because I could not stop for Death). In den meist sehr kurzen Gedichten experimentiert Dickinson mit Bildlichkeit (dominante Metapher, concetti, paradoxer Vergleich), Syntax (Parallelismen, Ellipsen, Inversionen) und Vers (Kurzverse, optische Reime oder Reimlosigkeit). Der Satzbau - häufig durch Gedankenstriche aufgebrochen - zeichnet mit der Bildlichkeit zusammen oft die Bewegung (Fluss oder Stauung) des beschriebenen Gegenstands nach (The Brain within its Groove, There's a certain Slant of Light). Ironischer und z.T. humorvoller Effekt durch Kontrastierungen von Kleinem (Schlüsselwort »little«) und Großem (»Eternity«, »Soul«). Einfluss von R.W. Emerson. Dickinson nimmt einen großen Teil der technischen Innovationen der Moderne, auf die sie großen Einfluss hatte, vorweg.
Weitere Slgg. 1891, 1896, 1929, 1945. 1. vollständige Ausg. (1775 Gedichte) 1955. Nur 7 Gedichte wurden zu Lebzeiten von Dickinson veröffentlicht. Teilübss. Der Engel in Grau von M. Mathi (1956), Gedichte von L. Gruenthal (1959), G. Liepe (1970).

 

 

1891

Hamlin Garland:

aE Main-Travelled Roads Six Mississippi Valley Stories
Geschichten über das triste harte Leben der armen Farmer im Mittelwesten: Existenzkampf gegen die Natur und die sozioökonomischen Verhältnisse. Die »Haupt-Reiseroute« wie der Lebensweg vorwiegend von »Armen und Müden« frequentiert. Bruch mit der traditionellen Romantisierung des Landlebens: desillusionierter »Veritismus« (= Spielart des Realismus). Under the Lion's Paw demonstriert den erfolglosen Kampf eines tüchtigen Farmers gegen eine feindliche Umwelt (Heuschreckenplage) und ein ausbeuterisches sozioökonomisches System (Pachtwucher des Großgrundbesitzers). Einfluss von W.D. Howells.
Erweiterte Ausgg. seit 1899. Weitere Slg. Other Main-Travelled Roads (1910).

 

 

1892

Ambrose Bierce:

aE Tales of Soldiers and Civilians Kurzgeschichten in 2 Teilen. Privatdruck mit Vordatierung 1891.
I. »Soldiers«: Geschichten aus dem Sezessionskrieg (Rahmen- und Leitmotiv: Konfrontation Verwandter als Reflex des Bruderkrieges; Assoziationen eines Pflanzers im Augenblick der Exekution in An Occurrence at Owl Creek Bridge; die Greuel einer Schlacht aus der Perspektive eines taubstummen Kindes in Chickamauga). II. »Civilians«: Geschichten um Liebe, Gier, Angst, Wahn und Tod in räumlicher und zeitlicher Ausweitung und Einbeziehung des Übernatürlichen (weniger geschlossene Gruppe).
Konzentration auf das innere Erleben des Individuums in Extremsituation. Kombination von realistischem Horror und pointierter Ironie zu desillusionierenden Schock-Effekten. Wiedergabe von Bewusstseinsvorgängen (bes. Kontrast Realität - Imagination, subjektive - objektive Zeit, Denken - Handeln). Erzähltechnik: Anordnung des Geschehens um einen »Angelpunkt« und Zuspitzung auf ein »surprise ending«; Aussparung, Andeutung, Implikation, Verwendung von Rückblenden und Träumen; straffe (auf Einheitlichkeit gerichtete) Komposition. Stil teils präzis-konzis, teils suggestiv. Einfluss E.A. Poes.
Erweiterte Ausgg. seit 1892 unter dem Titel In the Midst of Life. Übs. Erzählungen von Soldaten und Zivilisten von T. Noah und H. Poeschel (1920).

 

 

1893

Stephen Crane:

aE Maggie: A Girl of the Streets A Story of New York R. Entst. 1891-93; 1893 im Privatdruck unter dem Pseudonym Johnston Smith erschienen.
Maggie Johnson, Tochter eines brutalen Arbeiters und einer Trinkerin, wächst mit ihrem Bruder Jimmie in »Rum Alley«, einem New Yorker Slum, auf. M. wird Fabrikarbeiterin, J. Lastwagenfahrer. Ein Freund von J., der Barkeeper Pete, verführt die noch sehr kindliche M. und verlässt sie kurz darauf. M., von der Familie verstoßen, wird zur Prostituierten. In ihrer Verzweiflung begeht sie Selbstmord.
Demonstration der naturalistischen These, dass die Umgebung den Menschen determiniert, an 19 detaillierten Schilderungen von Verhalten und Umwelt: getreue Wiedergabe von Mietshaus, Straßen, Fabrik wie von Dialogen der Figuren. In die noch konventionelle melodramatische Fabel führt Crane naturalistische Beobachtungen ein, die er als Reporter in der Bowery gemacht hatte. Einfluss von E. Zola.
Die Auflage von 1896 mildert die melodramatischen Elemente der 1. Fassung. Übss. Maggie, das Straßenkind von D. Landé (1897), Maggie von E. Klein und K. Marschke (1965).

 

 

1894

Mark Twain:

aE Pudd'nhead Wilson A Tale R. Entst. als Abspaltung aus der Erzählung Those Extraordinary Twins. Serieller Vorabdruck im Century Magazine 1893-94.
»Dawson's Landing« im Missouri, 1830-53. Die negerblütige Sklavin Roxy vertauscht ihr illegales Kind (Chambers) mit dem ihres Herrn Percy Driscoll (Tom). Während Ch. (= T.) als Sklave aufwächst, entwickelt T. (= Ch.) sich zum Snob und Spieler, der seine Mutter verkauft und vor Mord nicht zurückschreckt, aber von dem Rechtsanwalt David Wilson überführt wird. Die Vertauschung wird rückgängig gemacht.
Das Problem von Identität und Determination (Genetik, Umwelt) im Rahmen zweimaliger Positionsverkehrung und mit der Schlussironie, dass der echte Ch. zur Sklaverei verdammt wird, während der echte T. sich im Herren-Status unwohl fühlt. Der zugereiste, brillant-eigenwillige Wilson wird lange von seinen spöttischen Mitbürgern verkannt. Kombination von Realismus (z.B. Sprechweisen) und Tragikomik. Groteske Züge. Das bedeutendste Werk aus Twains pessimistischer Spätphase.
Publikation in London. Am. Ausg. im gleichen Jahr unter dem Titel The Tragedy of Pudd'nhead Wilson and the Comedy of Those Extraordinary Twins. Bühnenbearbeitung von F. Mayo (1895). Übs. Querkopf W. anonym (1898).

 

 

1895

Stephen Crane:

aE The Red Badge of Courage An Episode of the American Civil War R.
1.-12. Vor der Schlacht bei Chancellorsville im Mai 1863. Der junge Unions-Soldat Henry Fleming träumt vom Heldentum und hat gleichzeitig Angst vor dem Kampf. Die erste Feuertaufe übersteht H. fast mechanisch, bei der zweiten läuft er davon. Nach einer wirren Flucht stößt er auf ein Zug Verwundeter und erlebt den qualvollen Tod seines Freundes Jim Conklin. Beim Versuch, fliehende Soldaten aufzuhalten, wird H. verletzt (Kopfwunde = »the red badge of courage«) und zur Front zurückgeführt. 13.-24. Vor dem Einsatz am nächsten Tage erfährt H. die Aussichtslosigkeit des Kampfes. Das Regiment hält den ersten Angriff auf, muss dann selbst unter schweren Verlusten angreifen. H. übernimmt die Fahne von einem Gefallenen. Sie werden zurückgeschlagen. H. fühlt sich gereift.
Das Thema der Initiation und Bewährung wird psychologisch detailliert aus der Perspektive H.s beschrieben: Er-Erzähler, Fragmentarisierung von Sinneseindrücken, Namenlosigkeit der Soldaten (»the loud one«, »the tall one«), kurze Reflexionen. H.s idealistische Vorstellungen vom Krieg werden Schritt für Schritt widerlegt. Die realistische Schilderung der Kämpfe, Verwundeten und Toten wird erweitert durch symbolische Leitmotive wie Sonne, Nebel, Fahne usw. Die getreue Wiedergabe von Dialogen in Mundart kontrastiert mit einem gehobenen Stil der Beschreibung. Cranes Realismus bricht mit der Tradition der romanzenhaften Darstellung des Bürgerkrieges. Einfluss auf E. Hemingway.
Ein Bestseller der Zeit. Film von J. Huston (1951). Übss. Das Blutmal von H. Umstätter (1954), Die Flagge des Mutes von M. Dor und E. Moltkau (1955), Das rote Siegel von E. Klein und K. Marschke (1962).

 

 

1896

Sarah Orne Jewett:

aE The Country of the Pointed Firs Sequenz von 21 Prosaskizzen. Serieller Vorabdruck im Atlantic Monthly (1896).
»Dunnet Landing«, Me., Gegenwart. Eine junge Frau aus der Stadt verbringt ihre Sommerferien an der abgeschiedenen Küste von Maine und beschreibt die örtlichen Lebensverhältnisse. Durch ihre erzählfreudige Wirtin Mrs. Todd, die von vielen als heilkundige und lebenserfahrene Ratgeberin aufgesucht wird, lernt sie eine Reihe von Menschen mit ihren Schicksalen kennen: Kapitän Littlepage, der von einer phantastischen Seefahrt berichtet; Mrs. Todds rüstige Mutter und scheuen Bruder William, die auf einer Insel leben; die »arme Joanna«, die seit einer unglücklichen Liebe ein Eremitendasein fristet u. a.
Fiktionale Verarbeitung autobiogr. Beobachtungen, Verbindung von ausmalender Beschreibung und erzählerischem Grundzug. Typenporträts der bodenständigen Bevölkerung: Verschlossenheit gegenüber Fremden offenbart gleichwohl elementare Gefühle. Nachzeichnung einer der Vergangenheit angehörenden Welt, die durch naturnahe Härte und gefestigten Gemeinschaftsgeist charakterisiert ist. Aussparender Erzählstil mit behutsam humoristischen Zügen. Andeutung mundartlicher Sprechweisen. Mit ihrem auf eine Neuengland-Region konzentrierten Erzählwerk markiert Jewett den Höhepunkt des local color movement im ausgehenden 19. Jh.: realistische Entwürfe des Lokal- und Zeitkolorits. Erzähltechnischer Einfluss von G. Flaubert.
Erweiterte Ausgg. (1910, 1919) fügen ähnliche Typenporträts hinzu. Übs. Das Land der spitzen Tannen von E. Schnack (1961).

 

 

1897

Henry James:

aE The Spoils of Poynton R. Vorabdruck in Atlantic Monthly 1896.
London, Gegenwart. Um die »Beute«, die Kunstschätze des Landsitzes Poynton, entbrennt zw. Mrs. Gereth und ihrer zukünftigen Schwiegertochter Mona Brigstock ein Kampf, in den auch die mittellose Fleda Vetch, aus deren Perspektive vorwiegend erzählt wird, gerät. B. gewinnt den Kampf, doch das Haus geht in Flammen auf.
Satire auf die Kulturtradition (»spoils« = Beute, Überreste) der engl. bürgerlichen Oberschicht. Nähe zur Sittenkom. Beginn der 3. und letzten Schaffensperiode in James' Werk: strengere, meist szenische Komposition und indirekte Darstellung der zentralen Konflikte. Einfluss von G. de Maupassant.
Übs. Die Schätze von Poynton von W. Peterich (1977).

 

 

1897

Henry James:

aE What Maisie Knew R. Entst. 1892-96. Als Erzählung geplant. Vorabdruck in New Review.
London, Gegenwart. Als Ida und Beale Farange sich scheiden lassen, wird die sechsjährige Tochter Maisie halbjährlich wechselnd beiden zugeteilt. I. heiratet den wankelmütigen Sir Claude, Beale M.s Erzieherin Miss Overmore, doch beide Ehen zerfallen schnell wieder. M., immer noch wechselnd, dient unwissentlich der Annäherung von Sir Claude und Mrs. Beale, aber als sie bei einem Aufenthalt in Boulogne von Sir Claude aufgefordert wird, ihm und seiner Geliebten zu folgen, entscheidet sich M. für die einfache moralisierende Erzieherin Mrs. Wix.
Die zentrale Ironie - die unschuldige M. dient den sexuellen Verbindungen der Erwachsenen - wird durch die Struktur verstärkt: durchgehaltene zentrale Perspektive (»single point of view«) in M., die die Entwicklung nur unvollständig begreift, und symmetrisch kontrastierende Figuren- und Szenenkonstellation. Durchweg szenisches Erzählen. Ironisch distanzierter Erzähler. Psychologischer Realismus. James verwendet Erfahrungen seiner gescheiterten Dramenversuche zur szenischen Konzentration und strengen Konstruktion der Hdlg.
Übs. Maisie von H. Hennecke (1955).

 

 

1897 Rudolph Dirks: a The Katzenjammer Kids Comics, erschienen serialisiert in New York Journal.
Nach Richard Outcaults Erfolg The Yellow Kid (1896) in J. Pulitzers New York World gab W.R. Hearst aus Konkurrenzgründen für seine Zeitung eine Serie in Auftrag, die die antiautoritären Streiche der Lausbuben Hans und Fritz (eine Imitation von W. Buschs Max und Moritz) zum Inhalt hat. Kurze Bilderfolge mit Gagstruktur (letztes Bild), Sprechblasen statt Untertexte, karikaturistische Zeichnung, Nachahmung deutscher Aussprache des Englischen durch verzerrte Orthographie.
Die Serie wurde zum Vorbild für eine große Flut von gagorientierten Comics mit Kindern oder Erwachsenen als Helden: von Winsor McCays Little Nemo (1904ff.) bis zu Charles M. Schulzs Peanuts (1950ff.), von Bud Fishers Mutt and Jeff (1908ff.) bis zu Chic Youngs Blondie (1930ff.). Bis 1934 bleibt die Zeitungsserie die typische Publikationsform der Comics. Teilübs. anonym (1972).

 

 

1897 Charles M. Sheldon: aE In His Steps What Would Jesus Do? R. Vorabdruck im Chicago Advance (1896-97).
»Raymond«. Henry Maxwell, Reverend der »First Church«, mobilisiert seine Gemeinde mit der Anregung, sich in ihrem Verhalten immer konkret von Gedanken der Nachfolge Christi leiten zu lassen. Die »sermon story« (ursprünglich kapitelweise im Gottesdienst vorgetragen) ein säkular-pragmatisches Erbauungsbuch mit Hdlg. als Vehikel.
Für 60 Jahre neben der Bibel Bestseller Nr. 1 in USA (Verkaufsziffer bis 1965: 8065398). Übs. in 23 Sprachen. Übss. In seinen Fußstapfen anonym (1899), Was würde Jesus tun? von E. Pfannkuche (1900). Film (1936).

 

 

1898 Henry James: aE The Turn of the Screw Erzählung, serialisiert in Collier's Weekly.
Landhaus Bly in Essex, Mitte 19. Jh. Die Erzählerin nimmt eine Stelle als Erzieherin der beiden Kinder Miles und Flora an. Sie beginnt, Erscheinungen zu sehen und identifiziert sie auf Grund der Andeutungen der Haushälterin Mrs. Grose als die Geister des Dieners Quint und der Erzieherin Jessel. Ihre Erziehung der Kinder, die sie unter dem bösen Einfluss der Geister glaubt, endet mit der Erkrankung F.s und dem Tode M.s.
James benutzt Konventionen der Gespenstergeschichte (Rahmengesellschaft, Manuskriptfiktion, Geheimnisstruktur) zu einem »Stück kalter artistischer Kalkulation«: durch die Technik der Monoperspektive (»single point of view«) bleibt offen, was real und was der Psyche der Erzieherin zuzuschreiben ist. Durchgehende Doppeldeutigkeit (auch im Schlüsselwort »turn«).
Übss. Die Drehung der Schraube von H. Kahn (1953), Die sündigen Engel von L. Laporte und P. Gan (1954), Tortur von Ch. Grote (1972) u. a. Bühnenbearbeitung The Innocents von W. Archibald (1950). Oper von B. Britten (1954). Film The Innocents von J. Clayton (1961).

 

 

1898 Stephen Crane: aE The Open Boat and Other Tales of Adventure Slg. von 17 Kurzgeschichten. Vorabdruck seit 1894 in Scribner's, McClure's u. a.
I. »Minor Conflicts«. Die Titelgeschichte der Slg. beschreibt die autobiogr. Erfahrung des verzweifelten Überlebenskampfs einer Gruppe von Schiffbrüchigen im Ruderboot vor der Küste Floridas und veranschaulicht perspektivgerecht (Blickfixierung) und symbolträchtig (Turm am Ufer) die Einsicht in die Indifferenz des Universums und das Angewiesensein des einzelnen auf die menschliche Solidarität. The Bride Comes to Yellow Sky dramatisiert mit parodistischer Tendenz die Auseinandersetzung zw. dem Marshall Jack Potter, der seine junge Frau in das texanische »Yellow Sky« heimführt, und Scratchy Wilson, einem schießwütigen Desperado, der angesichts des unbewaffneten P. und seiner hilflosen Frau aufgibt und so die Überholtheit der Wildwest-Ära hinnimmt. Die Mehrzahl der übrigen Geschichten um zugespitzte Konflikte spielt im Südwesten der USA und Mexiko. II. »Midnight Sketches«. An Experiment in Misery zeichnet die Bewusstseinsveränderung eines Reporters nach, der sich dem New Yorker Stadtstreicher-Milieu auf Tuchfühlung nähert, um es aus der Sicht der Betroffenen kennen zu lernen. Weitere Skizzen entwerfen ähnliche Bilder von Typen und Gruppen der New Yorker Unterschicht (Streithähne in einer Bar, Slum-Kind, Einwanderer usw.).
Crane verarbeitet als Erzähler Material, das er als Reporter und Korrespondent gesammelt hat. Er verbindet die naturalistische Grundtendenz mit der impressionistischen Evokation stimmungsbetonter Szenen und dem Einsatz expressiver Symbolik. Typisierung der Figuren. Konzentration auf Bewusstseinsvorgänge. Ironische Brechungen. Textsegmentierung nach Geschehnisphasen oder Perspektiven.
Auswahl-Übs. Das blaue Hotel. Erzählungen von E. Klein und K. Marschke (1964).

 

 

1899 Kate Chopin: aE The Awakening R.
1.-16. Badeort Grand Isle, La., Gegenwart. Edna, aus presbyterianisch strengem Elternhaus in Kentucky, hat den angesehenen Geschäftsmann Pontellier geheiratet und wird sich in der lebensfreudigeren kreolischen Gesellschaft ihrer Rollenzwänge als Frau und Mutter wie der schlummernden eigenen Bedürfnisse bewusst. Sie verliebt sich in Robert Lebrun, der sie verehrt, aber den Komplikationen einer Beziehung ausweicht. 17.-39. New Orleans. In den Alltag zurückgekehrt, doch dem alten Selbst entfremdet, beginnt E. sich schrittweise zu emanzipieren: Sie missachtet soziale Gepflogenheiten, widmet sich der Malerei, pflegt den Gedankenaustausch mit der einsam verhärmten Pianistin Adèle Reisz und nimmt sich - ohne tiefere Bindung - einen Liebhaber. Bei der Wiederbegegnung mit R. gestehen sich beide ihre Liebe, doch er kann - anders als sie - eine gemeinsame Zukunft nur in der Scheidung und Wiederverheiratung sehen. E. geht nach Grand Isle und überlässt sich in der Hochstimmung einer »Wiedergeburt« den todbringenden Wellen
Titelthema ist das Erwachen E.s zur eigenen Körperlichkeit, offenen Sexualität, stärkeren Emotionalität, musischen Kreativität und sozialen Unabhängigkeit. Gradueller Bewusstwerdungsprozess und konsequenter Selbstverwirklichungsversuch. Kritischer Aspekt des Verbleibs der Kinder. Scheitern am Unverständnis eines in männlichem Rollendenken befangenen Ehemanns und eines halbherzigen Verehrers. Orientierung E.s zw. den in der Mutterrolle aufgehenden Kreolinnen und der privat verzichtreichen künstlerischen Selbstverwirklichung A.s. Ambivalente Radikalität der Erneuerung im Freitod. Weithin neutrales, verknapptes Erzählen. Symbolik (Vogelbilder, Schwimmszenen, »Ruf« der See). Leitmotiv des sorglosen Pärchens und der Frau mit Rosenkranz im Gefolge. Evokation von Lokalkolorit.
Die Skandalwirkung des R.s entmutigte Chopin als Autorin. Film von B. Graham (1981). Übs. Das Erwachen von B. Becker (1983).

 

 

1899 Charles Waddell Chesnutt: aE The Conjure Woman 7 Erzählungen. Einzelnes im Overland Monthly. 3 kritische Erzählungen wurden vom Verlag nicht in die Slg. aufgenommen.
Die Slg. enthält die Kurzgeschichten The Goophered Grapevine, Po' Sandy, Mars Jeems's Nightmare, The Conjurer's Revenge, Sis Becky's Pickaninny, The Gray Wolf Ha'nt und Hot-Foot Hannibal, die durch einen gemeinsamen Rahmenerzähler und den alten Onkel Julius, den eigentlichen Erzähler der Binnen-Geschichten. verbunden sind. Diese Geschichten aus der Sklavenzeit auf einer Plantage bei »Patesville«, N.C., haben gemeinsam, dass hinter dem abergläubischen Zauber und Spuk des scheinbar naiven J. immer dessen handfeste, meist wirtschaftliche Interessen stehen. Rahmen in am. Standardsprache und Geschichten in schwarz-am. Stilisierung verhalten sich zueinander wie weiße Vorherrschaft (Sklaverei, dann Lohnarbeit) und schwarzer Widerstand, die das eigentliche Thema der Erzählungen bilden. Stilistisch genaue Wiedergabe mündlicher Erzählweise bei Doppelbödigkeit der Bedeutungen, Chesnutt bricht mit der beschönigenden Darstellung der Sklaverei in der sogenannten »Plantagen-Schule« und leitet den Beginn einer modernen schwarz-am. Erzählkunst ein, die hintergründigen Realismus und Folklore zu verbinden sucht.
Übs. Der verwunschene Weinberg u. a. Sklavenmärchen aus Nordamerika von M. Plessner (1979).

 

 

1899 Frank Norris: aE McTeague A Story of San Francisco R. Entst. seit 1894.
San Francisco, Gegenwart. Der schwerfällige McTeague, Dentist ohne Diplom, heiratet die junge Trina Sieppe, die ihm sein Freund Marcus Schouler abgetreten hat. Als sie in einer Lotterie 5000 Dollar gewinnt, bereut Sch., und er denunziert M. Beruflich ruiniert und durch seine geizige Frau frustriert, verkommt McTeague zunehmend. In einem Verzweiflungsakt erschlägt er Trina und flieht mit ihrem Geld. Als er Sch., der ihn in einer Wüste stellt, niederschlägt, kettet dieser sich mit letzter Kraft an ihn und überantwortet ihn so dem Verdursten. Mehrere Nebenhdlgg. mit Parallelen (vgl. bes. die Heirat des habgierigen jüdischen Trödlers Zerkow mit der schwachsinnigen Putzfrau Maria).
Naturalistische Illustration der sozioökonomischen Determiniertheit des Menschen. Zentral die Geldgier als Liebe, Freundschaft, Menschlichkeit korrumpierende Macht. Detailpräzision (Schilderung des Kleinbürgermilieus). Symbolik (z.B. McTeagues Kanarienvogel im goldenen Käfig). Komik (bes. in der Schilderung der Familie T.s). Melodramatische Züge. Der Naturalismus unter dem Einfluss E. Zolas.
Film Greed von E. v. Stroheim (1924). Übss. Gier nach Geld von K. Sohm (1937), Verfluchtes Gold von G.E. Frowein (1947), Heilloses Gold von F. Güttinger (1964) u. a.

 

 

1900

Theodore Dreiser:

aE Sister Carrie R.


1.-28. Chicago, Ende 19. Jh. Caroline Meeber kommt aus der Provinz in die verheißungsvolle Stadt, wo sie, nach kurzer Zeit verarmt, die Geliebte des Vertreters Charles Drouet wird. D., C.s bald überdrüssig, überlässt sie George W. Hurstwood, dem Geschäftsführer eines Lokals. C. wird als Laienschauspielerin berühmt. H.s Frau erfährt von dem Verhältnis mit C. und verklagt ihren Mann. H. flieht nach einer Unterschlagung mit C. nach Kanada, erklärt sich aber bereit, das Geld zurückzuzahlen. 29.-47. H. und C. heiraten und ziehen nach New York, wo es H. finanziell sehr schlecht geht. Sie entfremden sich. C. wird zur gefeierten, aber innerlich leeren Schauspielerin. H. begeht - heruntergekommen - Selbstmord.
Der realistische Gesellschaftsr. zeigt die soziale Determiniertheit der Hauptfiguren (Aufstieg C.s/Abstieg H.s) und bricht radikal mit den Moralvorstellungen des 19. Jh.s. Ein Prototyp des Stadt-R.s: jugendliche Heldin vom Lande kommt erwartungsvoll in die Großstadt, die sie sukzessive erkundet, um schließlich einen Desillusionierungsprozess durchzumachen. Symbolik der topographischen Endstationen von C. (Broadway) und H. (Bowery). Detaillierte, z.T. stilistische schwerfällige Milieubeschreibung aufgrund eingehender Recherchen. Allwissender Erzähler.
Nach Widerständen des Verlags mit Änderungen in kleiner Auflage erschienen. Übs. Schwester Carrie von A. Nußbaum (1929). Film Carrie von W. Wyler (1952).

 

 

1900 Mark Twain: aE The Man That Corrupted Hadleyburg and Other Stories and Essays 15 Geschichten und Essays.
Die Titelgeschichte ist bes. charakteristisch für Twains späten Pessimismus: der Fremde Stephenson entlarvt die selbstgenügsamen, korrupten Bürger von »Hadleyburg«, indem er demjenigen einen Sack voll Goldmünzen verspricht, der ihm einst geholfen habe; die 18, die sich melden, werden durch einen Sack voll Blei blamiert (statt der Hilfe hatte St. einst Unfreundlichkeit erfahren). Satirische Parabel der Diskrepanz zw. puritanischem Anspruch und materialistischer Korruptheit.
Übs. Wie Hadleyburg verderbt wurde von M. Jacobi (1900), Der Mann, der Hadleyburg korrumpierte von A.M. Brock (1967). Film Czlowiek który zdemoralizowat Hadleyburg von S. Rózewicz (1967).

 

 

1900 L. Frank Braun: aE The Wonderful Wizard of Oz Kinderbuch. Mit Illustrationen von W.W. Denslow.
Die kleine Dorothy wird mit ihrem Hund Toto von einem Zyklon aus ihrem tristen Zuhause (Farm in Kansas) in das Phantasieland Oz gewirbelt. Dort begegnet sie guten und bösen Hexen, erbittet mit einer hirnlosen Vogelscheuche, einem herzlosen, blechernen Holzfäller und einem mutlosen Löwen vom »Magier« Hilfe und kehrt nach Abenteuern zurück.
Erfolgreichstes Kinderbuch in USA (Verkaufsziffer bis 1965: ca. 5.000.000). Bearbeitung als Musical 1902. 13 Fortsetzungen von Baum, 26 weitere nach seinem Tod (1919) durch andere Autoren. 4 Filme, darunter von V. Fleming (1939) und The Wiz von S. Lumet (1979). Übs. Der Zauberer von Oos von S. Gräfin Schönfeldt.

 

 

1901 Frank Norris: aE The Octopus A Story of California
R., 2 Bücher.
I. Gegenwart. Angeführt von Magnus Derrick wehren sich die Weizenfarmer des San Joaquin-Tals gegen die Pacific and Southwestern Railroad und deren Vertreter S. Behrman. Wie ein Polyp hält der Transportkonzern das Land umklammert, dehnt seine Monopolstellung auf andere Wirtschaftszweige aus und macht sich die Politiker zu Handlangern. II. Die ausgebeuteten, um ihr Land bangenden Farmer gehen schließlich zur offenen Revolte über, werden blutig niedergeschlagen und ins Elend gestürzt. M. wird notgedrungen Angestellter bei B., dieser erstickt beim Verladen des angeeigneten Weizens (symbolischer Unfall).
Der Interessenkonflikt zw. Transportkonzern und Farmern in Anlehnung an hist. Vorkommnisse. Vermeidung einer Schwarz-Weiß-Zeichnung der Individuen. Deterministisch werden für die tragische Entwicklung nicht einzelne, sondern die sozioökonomischen Verhältnisse verantwortlich gemacht. Kombination von Realismus und Symbolik. Melodramatische Züge (bes. in den 2 Nebenhdlgg. um ein Liebespaar und einen visionären Schäfer).
1. Teil der unvollendeten Trilogie The Epic of the Wheat, die den Weizen vom Produzenten bis zum Konsumenten verfolgen sollte. Der 2. Teil The Pit (posthum 1903) beschreibt die Ehe Laura Dearborns mit dem Kapitalisten Curtis Jadwin, der sich als Spekulant an der Chicagoer Getreidebörse ruiniert, und war ein Bestseller der Zeit. Übss. Der Oktopus von E.v. Tempsky (1907), Die goldene Fracht von H. Stresau (1939); Die Getreidebörse von E.v. Tempsky(1912) u. a.

 

 

1902 Owen Wister: aE The Virginian R.
Der R. um den »Virginian«, den verlässlichen Cowboy eines Rinderbarons in Wyoming, und seine Auseinandersetzungen mit seinem Widersacher Trampas (Missgunst, Arbeitsniederlegung, Viehdiebstahl) hält den industrialisierten Osten die einfachen Tugenden des Westens entgegen und vollzieht im Western-Genre den prägenden Wechsel des Helden vom (unabhängigen) Pionier, Jäger, Siedler zum (lohnabhängigen) Cowboy. Begründung von Konventionen des Western wie des showdown (Schussduell als abschließender Höhepunkt).
Großer populärer Erfolg. Film (1928) u.ö. Übs. Der Virginier von W. Gronwald (1956).

 

 

1902 Henry James: aE The Wings of the Dove R., 2 Teile zu je 5 Büchern.
I. London und Venedig, Gegenwart. Die reiche am. Erbin Milly Theale (die sanfte »Taube«) beginnt, in Europa das Leben zu genießen und zu lieben, als sie erfährt, dass sie todkrank ist. M.s Londoner Freundin, die bürgerliche, vitale Kate Croy weiß davon und überredet ihren heimlichen Verlobten Merton Densher, M. zu heiraten, um ihr Vermögen zu erben. II. M. vermacht großmütig kurz vor ihrem Tode in Venedig, trotz ihrer Kenntnis der Intrige, ihr Vermögen an D. Doch D. hat sich unter M.s Einfluss gewandelt, er und Kate trennen sich.
Thema ist M.s tragischer Konflikt zw. kämpferischem Lebenswillen und klarem Todesbewusstsein in einer materialistischen Welt. Zugleich James' Spätthema vom versäumten Leben, im Kontrast zw. Amerika (Unschuld) und Europa (Erfahrung, Korruption); M., die Taube, bleibt rein und wird moralisch erhöht (Titel aus dem Psalm 68,13). Hdlg. wie Thema werden nur indirekt und verhüllt in den sich überschneidenden Perspektiven von M., D. und Kate dargestellt. Szenisches, aussparendes Erzählen. Komposition in korrespondierenden Handlungsblöcken. Der Spätstil von James (komplizierte Hypotaxe, einschränkende Nebensätze, viele Abstrakta) dient der Wiedergabe komplexer psychologischer Vorgänge.
Im wichtigen Vorwort zur New Yorker Ausg. (1907-1909) erläutert James seine indirekt reflektierende, multiperspektivische Erzählweise der alternierenden Bewusstseinszentren, der gelegentlichen Bewusstseinsfusion, bildhaften oder szenischen Darstellung und Dezentrierung der Heldin. Die Vorworte, gesammelt als The Art of the Novel (1934), hatten großen Einfluss auf Theorie und Praxis des modernen realistischen R.s. Übs. Die Flügel der Taube von H. Haas (1962).

 

 

1903 Henry James: aE The Ambassadors R., 12 Bücher. Serialisiert in The North American Review.
Gegenwart. I.-II. Lambert Strether, 55, Witwer und Herausgeber einer Zeitschrift in Massachusetts, kommt in Begleitung seiner Vertrauten Maria Gostrey nach Paris, mit dem Auftrag seiner Verlobten, der Fabrikantenwitwe Mrs. Newsome, deren Sohn Chad aus dem Sündenbabel zurückzuholen. III.-IV. Er findet Chad jedoch durch die Liaison mit Mme. de Vionnet »verbessert«. V.-VI. Unter dem Einfluss der Kultiviertheit und des Charmes von M. d. V. und ihrer Tochter Jeanne beginnt St. sein Versäumnis eines vollen Lebens (»live all you can«) zu bedauern. VII.-VIII. St. bittet - gegen seinen Auftrag - Ch., mit ihm in Paris zu bleiben. Mrs. Newsome schickt als 2. »Gesandtschaft« ihre Tochter Sarah, deren Mann Jim Pocock und dessen (Ch. zugedachte) Schwester Mamie. IX.-X. Auch die Pococks bleiben erfolglos, sind z.T. fasziniert. XI.-XII. St. überrascht die verehrte M. d. V. mit Ch. auf intimer Landpartie und muss erkennen, dass deren Beziehung nicht »tugendhaft« ist. Er verlangt von Ch., dass er bei M. d. V. bleibt; dieser verfolgt jedoch Pläne in den USA. Ohne Hoffnung auf Mrs. Newsome, schlägt St. auch eine Verbindung mit Maria aus, um nicht als einziger von der Affäre zu profitieren, und kehrt heim.
Der »internationale Thema« der Amerikaner in Paris wird nuancenreich durchgespielt: von dem sensiblen, integren St. bis zu dem robusten Jim Pocock. Subtile Zeichnung der Charaktere und Interaktionen im Bereich des oberen Mittelstandes, auf dem Hintergrund konträrer Wertsysteme Geschäftswelt - Kultur, Puritanismus - Lebenskunst usw.). Aufbau in 2 Hälften (I.-VI. Mission, VI.-XII. Wende) aus je 3 Doppelblöcken (pro Buch 1 Monat). Symmetrien, Korrespondenzen. Ironie der Positionsverkehrung von St. und Ch. Konzentration auf Dialog und Reflexion. Wiedergabe weitgehend aus St.s Perspektive (einschließlich erlebter Rede). Maria als Jamessche »ficelle« (= Klärungsgehilfin für Protagonisten und Leser). Impressionistische Schilderung der Atmosphäre (z.B. Gartenfest). Altersstil.
Übs. Die Gesandten von H.M. Braem und E. Kaiser (1956).

 

 

1903 Jack London: aE The Call of the Wild R. Serialisiert in Saturday Evening Post.
Alaska, während des Goldrauschs (1897). Buck, eine Kreuzung aus Bernhardiner und schottischer Schäferhündin, seinem Herrn in Kalifornien entwendet, wird zum Schlittenhund abgerichtet. Er übersteht extreme Strapazen und setzt sich im Gespann durch (Verdrängung des Leithundes Blitz). Er wird von John Thornton aus seiner Drangsal befreit und steht im fortan treu zur Seite (rettet ihm das Leben, verhilft ihm durch seine Schleppkraft zum Gewinn einer Wette usw.). Als sein Herr von Indianern getötet wird, rächt er ihn und folgt dann den schon lang verspürten Ruf der Wildnis: er setzt sich an die Spitze eines Wolfsrudels.
Die realistische Tiergeschichte zeigt den Daseinskampf von Mensch und Tier im Grenzbereich der Wildnis. B., der Geborgenheit der Zivilisation entrissen, behauptet sich durch Stärke, Mut, Schläue und findet zur angeborenen Wildheit zurück. Knapp-dramatische Erzählweise. Einflüsse: Ch. Darwin, E. Haeckel, R. Kipling.
Bestseller. Erfolg als Jugendbuch, wie auch die Wolfsgeschichte White Fang (1906). Übss. Wenn die Natur ruft von L.H. Löns (1907), Der Ruf der Wildnis von F. Mairhofer (1956). 2 Filme von W. Wellmann (1935) und K. Annakin (1972).

 

 

1903 W.E.B. Du Bois: a The Souls of Black Folk Artikelserie, 14. Einzelnes in Atlantic Monthly, The Dial, The New World u. a.
Versuch, einem weißen Publikum (The Afterthought) zum Verständnis für »die geistige Welt, in der 10.000.000 Amerikaner leben« zu verhelfen (The Forethought). Diese Welt ist gekennzeichnet durch »ein doppeltes Bewusstsein«, das »sich selbst immer durch die Augen der anderen sieht«, als Amerikaner und als Neger (1). Hist. Rückblicke (2-3), das schwarze Ausbildungssystem (4-6), die Lage der schwarzen Kleinpächter (7-8), Segregation und Vorurteil (9) und die schwarze Reaktion darauf (10-13) verdeutlichen dies. Die Slg. beschließt ein Artikel über die schwarze Lieder (Gospel, Spirituals, Blues), die auch die musikalischen Motti für die anderen Kapitel abgeben.
Mischung aus hist. Darstellung, Reportage und Appell, die aus der kritischen Auseinandersetzung mit den auf Anpassung und Integration ausgerichteten Erziehungsprogrammen von Booker T. Washington eine bis heute nachwirkende Selbstdarstellung und sozialpolit. Programmatik für Afro-Amerikaner entwirft. Breite Wirkung.

 

 

1904 Henry James: aE The Golden Bowl R., 2 Teile zu je 3 Büchern.
London und Landsitz Fawns, Gegenwart. I. »The Prince«. Der verarmte italienische Prinz Amerigo heiratet die reiche am. Erbin Maggie Verver. M. überredet ihren nun einsamen Vater Adam, die arme expatriierte Charlotte Stant, die der Prinz ursprünglich heiraten wollte, zu ehelichen. Zw. C. und dem Prinzen kommt es zum doppelten Ehebruch. II. »The Princess«. Als M. und schließlich auch ihr Vater die Situation erkennen, bemühen sie sich diskret um die Erhaltung der beiden Ehen. Adam und C. reisen ab nach USA.
Das Thema - die moralisch-psychologischen Verwirrungen der 4 Hauptfiguren (symbolisiert in einer vergoldeten Kristallschale mit einem Sprung) - wird durch 2 Raisonneure (Assinghams) und durch 2 Perspektiven (Prinz in I., M. in II.) reflektiert. Der emotionale Konflikt wird verhüllt und intellektualisiert in den Dialogen ausgetragen. Symmetrien der Figurenkonstellation und des Aufbaus. Indirekter Spätstil. Auch in seinem letzten bedeutenden R. kehrt James zum »internationalen Thema« seiner Frühwerke zurück.
Übs. Die goldene Schale von W. Peterich (1963).

 

 

1904 Jack London: aE The Sea-Wolf R.
Der Schiffbrüchige Humphrey Van Weyden wird von dem Robbenfänger »Ghost« gerettet, dessen Kapitän Wolf Larsen ein brutales Regiment führt. Als L. eine weitere Schiffbrüchige, die Dichterin Maud Brewster, belästigt, flieht H. mit ihr auf eine arktische Insel, zu der auch L. später auf dem verlassenen Schiff getrieben wird. Der an einem Gehirntumor leidende L. muss den erneuten Kampf um M. wegen progressiver Paralyse aufgeben und stirbt. Das Paar H. und M. segelt der Rettung entgegen.
Der Abenteuer-R. mit seinen Grenzsituationen demonstriert effektvoll den Gegensatz zw. dem Ich-Erzähler H., einem integren, zivilisierten, doch weltfremden Literaten, und dem »Seewolf« L., einem intelligenten, doch individualistischen, bis zur Diabolie amoralischen Übermenschen, der das Recht des Stärkeren vertritt. Allmähliche Entwicklung H.s zum Widerstand gegen L. Naturalistische Schilderung mit krassen Szenen unter Verarbeitung autobiogr. Erfahrungen. Einflüsse: H. Spencer, F. Nietzsche.
Übs. Der Seewolf von E. Magnus (1926, rev. 1966) u. a. 6 Filme, darunter von M. Curtiz (1941) sowie Wolf Larsen von H. Jones (1959).

 

 

1905 Edith Wharton: aE The House of Mirth R., 2 Bücher.
New York, Gegenwart. Der Versuch der 29jährigen attraktiven Lily Bart, sich - nach dem Verlust ihres Familienvermögens - durch eine Geldheirat in der exklusiven Oberschicht zu halten, endet im Selbstmord. L. im Konflikt zw. dem leichtsinnigen Leben (Titel = Bibelzitat) und dem »Reich des Geistes«, verkörpert im Rechtsanwalt Lawrence Selden. Aufbau (Kontakt zw. I und II) und Folge der Schauplätze spiegeln den gesellschaftlichen Abstieg der Heldin. Erzählung vorwiegend aus der Sicht L.s. Einfluss von H. James.
Ein Bestseller der Zeit. Übs. Das Haus der Freude von G. Völker (1988).

 

 

1906 Upton Sinclair: aE The Jungle R. Vorabdruck in Appeal to Reason.
An dem litauischen Einwanderer Jurgis Rudkus und dem Zerfall seiner Familie demonstriert Sinclair die unmenschlichen Ausbeutungsverhältnisse in der Chicagoer-Fleischindustrie. Kombination von Naturalismus und sozialistischem Thesen-R. Einfluss von E. Zola. Verarbeitung eigener Erfahrungen.
Die der journalistischen »muckraker«-Schule verwandte sozialistische Studie erregte großes Aufsehen und hatte Gesetzesreformen zur Folge. Sinclair griff auch in seinen weiteren Rr. immer wieder soziale Missstände in den USA auf: King Coal (1917), Oil! (1927) usw. Übs. Der Sumpf von E.E. Ritter (1906), H. zur Mühlen (1923).

 

 

1906 O. Henry: aE The Four Million 25 Kurzgeschichten, zunächst in New York World.
Kurzgeschichten über die ärmere Mehrheit der New Yorker (Titel): das von Verführung bedrohte Leben der Verkäuferin Dulcie (An Unfinished Story), das weltmännische Geprahle eines Provinzlers (A Cosmopolite in a Café), der Hauskrach der McCaskeys in einer billigen Pension (Between Rounds), die königlichen Phantasien eines alkoholisierten Stadtstreichers (The Caliph, Cupid and the Clock) usw. Die Schauplätze sind entsprechend Coney Island (Tobin's Palm), billige Mietswohnungen (The Skylight Room), öffentliche Parks (By Courier) u. a. Zentral der Widerspruch zw. Ideal, Romantik, Illusion und der schäbigen, oft grausamen Realität, der nur gelegentlich durch den Zufall oder die Liebe gemildert wird (The Gift of the Magi). Entsprechend zw. Märchen und realistischer Reportage schwankende persönliche Erzählweise voller ironischer Brüche und Kontraste, oft mit überraschender Wende am Ende. Genaue Nachzeichnung von New Yorker Sprechweisen.
Großer Erfolg. Complete Works (1953). Übs.: Einzelnes in Bluff von P. Baudisch (1926), New Yorker Leben von L. Neuhold (1946), Hinter der grünen Tür von K. Rupé (1955) u. a.

 

 

1907 Henry Adams: a The Education of Henry Adams A Study of Twentieth-Century Multiplicity Autobiogr. Entst. 1905-07.1907 privat veröffentlicht.
USA, Europa, 1838-1904. 2 Teile: 1838-71. »Erziehung« als die Summer aller Einflüsse, die auf Adams einwirken: Familie (1-3), Ausbildung (4-6), Politik (7-11), Gesellschaft, Kunst, Wissenschaft (12-20). 1892 bis 1905. Geschichtsstudien und Anteilnahme an der Zeitgeschichte führen zu einer dynamischen Geschichtstheorie (21-35). Thema der Autobiogr. ist nicht die eigene Individualität, sondern die idealistische, unitäre Fehlerziehung des 19. für das materialistische, pluralistische 20 Jh. Die analog zu Darwins Naturgesetzen konzipierte dynamische Geschichtstheorie nimmt das 13. Jh. (vgl. Mont-Saint-Michel und Chartres, 1904) als Ausgangspunkt einer geschichtlichen Evolution von der Kraft der Einheit (Symbol: »Virgin«) zur Kraft der Multiplizität (Symbol: »dynamo«), von umfassender Ordnung zu Energie verschwendender Entropie. Adams' deterministisch-pessimistisches Geschichtsbild wird durch die Fülle autobiogr. Materials belegt. Ironisch distanzierter Stil. Autobiogr. Er-Erzählung. Einfluss von J.W. Goethe, E. Haeckel und J.W. Gibbs. Starker Einfluss als Schullektüre und allgemeines Bildungsgut (vgl. Schlüsselbegriff der Entropie in der Gegenwart).
Vorwort eines fiktiven Hg. Erst posthum (1918) Veröffentlichung für eine breitere Leserschaft; Pulitzer-Preis. Übs. Die Erziehung des Henry Adams von J. Lesser (1953).

 

 

1907 Natalie Curtis (Hg.): aL The Indian's Book An Offering by the American Indians of Indian Lore, Musical and Narrative... Folkloristische Lieder und Erzählungen, aufgezeichnet und musikalisch transkribiert von Curtis, illustriert von Indianern.
Die Slg. bietet erstmals einen breiten Einblick in die mündliche Tradition der Dakota, Pawnee, Cheyenne, Arapaho, Kiowa, Navajo, Zuni, Hopi u. a. Stämme: Wiegen-, Spiel-, Arbeits-, Kriegs- und religiöse Lieder werden wiedergegeben und durch Erzählungen und Erläuterungen in ihre rituellen und spirituellen Zusammenhänge gestellt. Wiederholungen, Anrufe und mythologische Anspielungen deuten auf diese Zusammenhänge hin. Sorgfältige Transkription von Text und Melodien.
Die Slg. half, das Verbot des Singens indianischer Lieder in den staatlichen Schulen des Bureau of Indian Affairs aufzuheben und bereitete ein allgemeineres Verständnis dieser mündlichen Literatur-Traditionen vor. Einfluss auf Musiker und Lyriker in den 20er Jahren. Seitdem Ausbreitung von Anthologien indianischer und indianisch inspirierter Lyrik.
2. rev. Aufl. 1923

 

 

1907 Jack London: aE The Iron Heel R.
USA, 1912-1917. Die bürgerliche Avis Cunningham lässt sich vom Berufsrevolutionär Ernest Everhard zum Sozialismus bekehren und heiratet ihn. Die Oligarchie der großen US-Trusts ruiniert den Mittelstand, steuert in einen Krieg mit Deutschland (der durch einen Generalstreik verhindert wird), beseitigt den Kongress und provoziert einen Arbeiteraufstand in Chicago, den sie durch ihre Truppen (die »eiserne Ferse«) blutig niederschlagen lässt. E. und A. entkommen und setzen den Widerstand aus dem Untergrund fort. Ein Nachwort aus dem Jahre 2600 ordnet aus der überlegenen Sicht einer sozialistischen Gesellschaft das Geschehen hist. ein.
Weniger Dystopie als Warnung vor einer Unterschätzung der Gewaltbereitschaft des US-Kapitals durch die Sozialisten, die auf eine Umwandlung der USA durch die Wahlurne setzten (® Looking Backwards, 1888). Kunstvolle Relativierung der Standpunkte von E. und A. (Erzählerin) durch den Hg. des Manuskripts (Fußnoten, Nachwort). Verwendung von Zeitschriftenmaterial und Anregung durch die gescheiterte November-Revolution in Russland. In der Rezeption wurde das Werk auf den Nationalsozialismus angewendet und später als antitotalitäre Dystopie verstanden. Einfluss auf G. Orwell.
Übs. Die eiserne Ferse von F. Born (1922) und Ch. Hoeppner (1984) u. a.

 

 

1909 Henry James: aE The Altar of the Dead, The Beast in the Jungle, The Birthplace And Other Tales 10 Kurzgeschichten. Bd. 17 der New Yorker Gesamtausg. The Novels and Tales of Henry James.
3 Texte treten hervor: The Altar of the Dead beschreibt die Entwicklung eines Mannes, der durch Enttäuschungen im Leben unfähig zu sozialen Beziehungen ist und über die geistige Verarbeitung des »Bannes der Toten« eine neue Sicht gewinnt, welche aber mit dem eigenen Tod zusammenfällt. The Beast in the Jungle porträtiert einen Mann, der Opfer eines »raubtierhaften« Schicksalsschlags zu werden fürchtet und nach dem Tod der Gefährtin nur noch in der Vergangenheit lebt, bis er die eigene Lebensleere des ewigen Wartens erkennt. In The Jolly Corner besucht ein europäisierter New Yorker seine ehemaliges Zuhause; bei der Suche nach dem alter ego der verlorenen Zeit überwindet er die Konfrontation mit dieser »Bestie« durch den Beistand einer Vertrauten, mit der es zur späteren Verbindung kommt.
Im Mittelpunkt steht jeweils der Typ des »empfindsamen alten Herrn«, der - von einer Obsession erfaßt - den Gegensatz zw. den persönlichen Möglichkeiten und der Realität des ungelebten Lebens wie die zwischenmenschliche Entfremdung erkennt, wobei eine enge Vertraute (und deren verborgene Liebe) eine entscheidende Rolle spielt. Konzentration auf minuziöse Analyse psychischer Regungen und Bewusstseinsvorgänge. Monoperspektivisches Erzählen. Atmosphärisch-symbolische Funktionalisierung der konkreten Umwelt. Subtile Relativierungseffekte der »operativen Ironie«. Segmentale Struktur mit Zuspitzung auf schlagartige Bewusstwerdung gegen Ende (»shock of recognition«). Stilistische Vorliebe für parenthetische Modifikationen.
Weitere Slg. The Finer Grain (1910). Teil-Übs. Erzählungen von H.M. Braem und E. Kaiser (1958).

 

 

1909 Ezra Pound: aL Personae 34 Gedichte.
Pounds 2. Gedichtband verarbeitet Stoffe, Stile und Anregungen aus der klassischen griechischen und lateinischen Dichtung (Famam librosque cano), der provenzalischen Dichtung (Na Audiart, Marvoil) und von einzelnen Dichtern wie R. Browning (Cino), F. Villon (Villonaud for This Yule), W.B. Yeats (The White Stag) usw. Pound versucht, durch Imitation und Parodie bes. die zeitgenössische poetische Diktion zu erweitern und zu verfeinern (Präzision der Wortwahl), und nimmt dabei verschiedene dichterische Masken (= »Personae«) an. Einfluss auf die Imagisten, W.B. Yeats und T.S. Eliot.
Die rev., erweiterte Ausg. von 1926 enthält zudem Nachahmungen von Dichtungen aus der italienischen Renaissance, dem französischen Symbolismus und dem Chinesischen. Übs. Personae. Masken von E. Hesse (1959).

 

 

1909 Gertrude Stein: aE Three Lives 3 Geschichten. Entst. 1904-05. Im Selbstverlag veröffentlicht.
Bridgeport, Conn. The Good Anna. Das aufopfernde Leben der deutschen Hausangestellten Anna Federner im Dienst bis zum Tod. Melanctha. Das suchende Leben von M. Herbert, einer Mulattin. Auf der Suche nach »Weisheit« beginnt sie ein Verhältnis mit Dr. Jeff Campbell, den sie jedoch wegen seiner puritanischen Vorurteile verlässt. Von ihren Bekannten gemieden, geht sie ein neues Verhältnis ein und stirbt schließlich verlassen an Schwindsucht. The Gentle Lena. Das einfältige Leben der deutschen Hausangestellten Lena Mainz: Jugend, Heirat und Tod.
Die 3 sich gegenseitig kommentierenden Geschichten zeigen alle die Milieudeterminiertheit der Figuren in Konformismus (Anna, Lena) oder Rebellion (Melanctha). In einfacher Parataxe voller banaler Adjektive und Klischees experimentiert Stein hier bereits mit Rekurrenz von Wörtern, Sätzen und Paragraphen, die die Trivialität der Lebensgeschichten unterstreicht. Einflüsse von G. Flauberts Trois Contes, W. James, expressionistischer Malerei.
Übs. Drei Leben von M. Pörtner (1960).

 

 

1911

Edith Wharton:

aE Ethan Frome R

.
»Starkfield«, Mass., Gegenwart. Der arme Neuengland-Farmer Ethan Frome sieht keinen Ausweg, seiner tyrannischen hypochondrischen Frau Zeena zu entkommen, als mit deren Kusine Mattie Silver, die er liebt, Selbstmord zu begehen. Als das misslingt, bleiben E. und M. verkrüppelt und hilflos in der Gewalt von Zeena.
Kunstvolle Perspektive: Ein zugereister Ingenieur erzählt die tragische Geschichte aufgrund von Berichten einzelner Dorfbewohner und eigenen Eindrücken (vgl. Vorwort). Symbolik: Ulme, Haus, Schnee. Versuch, einfache ländliche Sprechweisen im Dialog festzuhalten.
Übs. Die Schlittenfahrt von V. Lange (1948). Bühnenbearbeitung von O. und D. Davis (1954).

 

 

1912 Theodore Dreiser: aE The Financier R.
Der 1. Teil von A Trilogy of Desire schildert den Aufstieg und Fall (1837 bis 1873) des rücksichtslosen und gerissenen Börsenspekulanten Frank Cowperwood in der Hochfinanz von Philadelphia. C.s öffentliches und privates Leben steht unter dem Gesetz des Überlebens des Stärksten. Demonstration des Determinismus ohne Sozialkritik. Umfangreiche Recherchen über das Leben des am. Kapitalisten Ch. T. Yerkes (1837-1905) bilden die Grundlage des R.s.
The Titan (1914), 2. Teil der Trilogie, schildert C.s gescheiterten Versuch (1873-98), Chicagos Verkehrsnetz zu monopolisieren. The Stoic (posthum 1947) zeigt C.s ähnliche Bemühungen um Londons Untergrundbahn. Rev. 2. Ausg. 1927. Übs. in Trilogie der Begierde von M. Schön (1928).

 

 

1913 William Carlos Williams: aL The Tempers 62 Gedichte, 2 Gedichtsequenzen.
Die frühe Slg. zeigt Williams unter dem Einfluss von E. Pound und dem Imagismus: Adaptation verschiedener hist. Stile und moderner Umgangssprache (First Praise, Mezzo Forte) und kurze präzise Beschreibungen von Dingen und Menschen in einfacher Sprache (Tree and Sky, Sunday). Vorwiegend kurze freie Verse.
The Collected Earlier Poems (1951) enthält die meisten Gedichte, die Williams zw. 1906 und 1939 veröffentlichte. Teilübs. in Die Worte, die Worte von H.M. Enzensberger (1962).

 

 

1913 Robert Frost: aL A Boy's Will 32 Gedichte in 3 Teilen.
Die kurzen Gedichte in Frosts 1. Slg. erzählen oder beschreiben einfache Hdlgg. des Landlebens (Wasserholen, Mähen) oder Vorgänge in der Natur (Jahres- und Tageszeiten), die den Sprecher und den Leser zu unausgesprochenen Erkenntnissen über Einsamkeit und Vergänglichkeit des Menschen führen (Mowing, A Late Walk). Die Symbole sind alle der Umwelt von Frost (Neuengland) entnommen: »trees«, »flowers«, »grass« usw. Das vieldeutige Hauptsymbol der Slg. ist der Wind: »A boy's will is the wind's will« (Zitat aus H.W. Longfellows My Lost Youth). Traditionelle Strophen- und Versformen. Einfache Syntax und Diktion. Einfluss klassischer griechischer und lateinischer Dichtung.
Die nächste Slg. North of Boston (1914) widmet sich programmatisch dem kargen Landleben Neuenglands, einem Thema, das Frost sein Leben lang beschäftigt hat. Übs. in Gesammelte Gedichte von A.v. Bernus u. a. (1952).

 

 

1914 Gertrude Stein: aL Tender Buttons Objects Food Rooms Prosagedichte in 3 Teilen.
2 Serien von kurzen experimentellen Prosapassagen über »Gegenstände« und »Essen« sowie eine lange Passage über »Räume«. In allen Teilen versucht Stein, den »Rhythmus der sichtbaren Welt« auszudrücken. Ähnlich den kubistischen Stillleben werden Regenschirm, Teller, Salat, Fisch usw. in einer assoziativen, fragmentarischen Weise beschrieben.
Techniken: Repetition von Wörtern und Wortgruppen, Identifikation von Substantiven durch Definition, Explikation, negative Definition (»Sugar is not a vegetable«); Konversionen, Permutationen (»rudeness« - »redness«), Substitution (»bud and saucer«) usw. Einfluss auf E. Hemingway, S. Anderson, E. Sitwell u. a.
In Operas and Plays (1932) führt Stein ihre Experimente weiter, indem sie Satz- und Klangmuster nach kombinatorischen Regeln variiert. Ihre zu Lebzeiten unveröffentlichten Gedichte, postum in der Yale Edition (1951-57) gesammelt, nehmen z. T. Entwicklungen der Zeit nach 1945 vorweg. Übs. Zarte Knöpfe von M. Stiebel (1972).

 

 

1915 Edgar Lee Masters: aL Spoon River Anthology Gedichtzyklus von 214 Epitaphen. Einzelnes in Reedy's Mirror (1914). Anregung durch die Anthologia Palatina.
Nach einem Prolog über die Toten auf dem Friedhof von »Spoon River«, Ill., stellen die Toten sich in eigenen Epitaphen dem Leser vor. Aus ihren sich überschneidenden Monologen ergibt sich ein Bild des öffentlichen und privaten Lebens der Kleinstadt gegen Ende des 19. Jh.s: der Kampf der liberalen Partei unter John Canabis gegen die Konservativen unter Thomas Rhodes, der Bank, Kirche und Geschäfte kontrolliert, der Streit zw. Ehegatten, Eltern und Kindern, persönlicher Neid, Hass usw. Grundlegende Haltung ist die Resignation über ein enttäuschendes und sinnloses Leben. Kritisch-realistische Darstellung am. Kleinstadtlebens (Schlüsselwort »life«). Kurze, in freien Versen geschriebene Texte, häufig als Apostrophe an der Leser oder andere Figuren des Zyklus. Einfluss von C. Sandburg.
Großer populärer Erfolg. 2. Auflage um 32 Epitaphe erweitert. Übss. Die Toten von Spoon River von R. Rieder (1924), W. M. Schede (1959).

 

 

1916 Eugene O'Neill: aD Bound East for Cardiff Dr., 1. Auff. 28.7. Wharf Theatre, Provincetown, Mass. Überarbeitung der ursprünglichen Fassung Children of the Sea (Buch-Ausg. 1972).
Der Einakter, der anhand des sterbenden Matrosen Yank ein stimmungsvolles Bild von der Existenz eines Lebens auf See vermittelt, markiert den Beginn des modernen am. Theaters. Mit 3 weiteren Einaktern fügt sich das Stück zu einem Zyklus über das engl. Trampschiff »Glencairn« zusammen. Kennzeichnend sind durchweg der milieugerechte Realismus, die Betonung der Atmosphäre gegenüber der Hdlg., die bühnenwirksame Symbolik im systematischen Einsatz auch nicht-verbaler Mittel und die straffe Struktur. Repräsentiert O'Neills frühe Schaffensphase.
Die 4 Einakter zusammen als S. S. Glencairn (1924); Film The Long Voyage Home von J. Ford (1941).

 

 

1916 Carl Sandburg: aL Chicago Poems 146 Gedichte in 7 Teilen. Einzelnes in Poetry (1915) erschienen.
Neben kleinen imagistischen Momentbildern (»Handfuls«, »Fogs and Fires«) bilden die »Chicago Poems« den wichtigsten Teil der Slg. Sandburg tritt als optimistischer Sänger der industriellen Großstadt (Chicago) auf. Neben dem Eintreten für die moderne Massendemokratie steht das sozialistische Engagement für die Unterdrückten und Ausgebeuteten (Halsted Street Car, Working Girls) und die Kritik an den Ausbeutern (Anna Imroth, A Fence). Freie prosanahe Langverse. Gebrauch von Slang und Umgangssprache. Präzise, detaillierte Beschreibung von Figuren und Szenen. Einfache Symbolik aus dem Bereich der Stadt und der Arbeit. Reihung, Anaphern, Parallelismus. Durchbrechen der vorherrschenden poetischen Konventionen der Zeit. Einflüsse von W. Whitman und dem Imagismus.
Die Complete Poems (1950) enthalten u. a. die wichtige Slg. The People, Yes (1936). Teilübs. in Guten Morgen, Amerika von A. Czach (1948).

 

 

1916 Edwin Arlington Robinson: aL The Man Against the Sky 26 Gedichte.
Hauptthemen sind Alter, Resignation und Pessimismus. Das lange Titelgedicht, das über das Leben und den Glauben eines unbekannten Mannes (Silhouette im Abendlicht) meditiert, mündet in skeptischem Agnostizismus. Robinson benutzt vorwiegend den dramatischen Monolog (Cassandra) und die Verserzählung (Flammonde). Konventionell sind auch die Versformen, meist paar- oder kreuzweise gereimt. Versuch, einfache Umgangssprache zu verwenden, aber auch viele Archaismen und überkommene poetische Diktion. Einflüsse von R. Browning und A. Tennyson sowie des Naturalismus.
Die Complete Poems (1929 und 1937) zeigen eine spätere Hinwendung zum Artus-Stoff und eine Bemühung um prosanahe Sprechweisen.

 

 

1919 Sherwood Anderson: aE Winesburg, Ohio A Group of Tales of Ohio Small-Town Life 23 Geschichten. Entst. und z.T. veröffentlicht seit 1915 in Masses, Little Review u. a.; zunächst unter dem Titel The Book of the Grotesque geplant; angeregt durch E.L. Masters' ® Spoon River Anthology (1915).
Ein fiktives Dorf in Ohio, Gegenwart. Wie die einleitende Parabel des alten Schriftstellers andeutet, behandeln alle Geschichten einzelne Figuren des Dorfes, die durch ein Erlebnis der Wahrheit und die Unfähigkeit, es anderen mitzuteilen, zu grotesken Besessenen werden: den gestikulierenden Lehrer Wing Biddlebaum (Hands), den fanatisch-religiösen Farmer Jesse Bentley und seine Enkel (Godliness), den voyeuristischen Reverend Curtis Hartman (The Strength of God) usw. Neben diesem Thema dienen auch die Entwicklung des halbwüchsigen Reporters George Willard und seine Emanzipation von »Winesburg« als Verknüpfung der Geschichten. Beschränkung auf ein enges Milieu mit einfachen Charakteren, die häufig ihre Geschichte in eigenen Worten erzählen. Sonst allwissender Erzähler. Das Experiment, durch Figuren, Ort und Thema verwandte Geschichten (® J. Joyce, Dubliners, 1914) zu verbinden, hatte starken Einfluss auf Schriftsteller wie W. Faulkner, E. Hemingway, J. Steinbeck, Th. Wolfe u. a.
Dramatisierung von S. Anderson (1937). Teilübs. von H.E. Nossack (1958). Übs. von H.E. Nossack, K. Lerbs und H. Henzke (1963).

 

 

1919 James B. Cabell: aE Jurgen A Comedy of Justice R. Entst. aus einer Kurzgeschichte, 1918.
»Poictesme« (= Poitiers + Angoulême), Mittelalter. Der Pfandleiher Jurgen ist auf der Suche nach seiner herrischen Frau, die der Teufel, um ihm einen Gefallen zu tun, entführt hat. Die Göttin Sereda (Dea Res) gibt J. dafür seinen jugendlichen Körper, wonach er pikareske und vor allem erotische Abenteuer erlebt: in den Ländern Glathion, Cocaigne, Leukê, in der Hölle und im Himmel, bis er schließlich seine schimpfende Ehefrau und seinen alten Körper zurückerhält.
In den Konventionen eines ironisch-erotischen Ritterr.s eine Allegorie mit philosophisch-theologischen Themen: Skeptizismus, Libertinismus, heidnische und christliche Moral usw. Stilisierte archaische Erzählweise voller Metaphorik und ironischer Anspielungen. Der R. vereint ironisch ritterliche Traditionen der Südstaaten mit libertinistischen Tendenzen der Nachkriegsjahre.
Cabell schrieb 16 weitere Rr. über das Phantasieland »Poictesme«. 1920-22 Zensurschwierigkeiten in den USA. Übs. Jürgen von K. Lerbs (1928).

 

 

1920

Eugene O'Neill:

aD Beyond the Horizon

Dr., 3. Auff. 2.2. Morosco Theatre, New York.


Gegenwart. Ruth, die dem bodenständigen Farmer Andrew Mayo nahe steht, wendet sich dessen Bruder Robert zu, einem von der Seefahrt träumenden Poeten. Die Verkehrung der ursprünglichen Intentionen (Robert und Ruth heiraten und betreiben die Farm, Andrew fährt zur See) macht sie alle zu Versagern und Enttäuschten. Robert findet im Tod Erlösung und überantwortet Ruth und Andrew einer ungewissen gemeinsamen Zukunft.
Der Mensch in tragisch-fataler Zwiespältigkeit (Ziel - Verwirklichung) und Schuldhaftigkeit. Kombination von Realismus und Symbolik (z.B. Jahreszeiten). Einflüsse: F. Nietzsche, H. Ibsen, A. Strindberg.
Übs. Jenseits vom Horizont von M. Wentzel (1963).

 

 

1920 Eugene O'Neill: aD The Emperor Jones Dr., 8 Szenen, Auff. 3.11. The Playwrights' Theatre, New York.
I. Der am. Neger Brutus Jones hat sich zum Kaiser der primitiven Negerbevölkerung einer karibischen Insel gemacht. Als sein Volk von ihm abfällt, flieht er. 2. Er irrt verängstigt im Wald umher und hat 5 Visionen früherer Stadien. 3. seinen Mord an einem Spieler; 4. seine Flucht als Häftling; 5. Sklavenauktion; 6. Sklavenschiff; 7. Ritual im Kongo. 8. Er wird von den Rebellen erschossen.
J. wird aus seiner nach am. Vorbild erkämpften Machtposition verdrängt, verunsichert, mit dem eigenen Schuldgefühl und dem kollektiven Unbewussten in Projektionen konfrontiert. Die Serie der 6 irrealen monologischen Kurzszenen zw. den realen Anfangs- und Schlussszenen in abgestufter Folge: Lauterwerden des Rebellen-Tamtam, Nachlassen von J.s körperlicher und geistiger Verfassung, Regression der Reminiszenzen. Symbolik (Wald, J.s Kleider), Allegorien (Auftritt der »Ängste« in 2). Gehört zu O'Neills expressionistischer Phase.
Buchausg. 1921. Übs. Kaiser Jones von G. Kauder (1923, rev. 1960). Oper von L. Gruenberg (1932). Film von D. Murphy (1933).

 

 

1920 Edith Wharton: aE The Age of Innocence R., 2 Bücher.
I. New York, um 1870. Als der junge Anwalt Newland Archer die aus Europa zurückgekehrte gebildete Gräfin Ellen Olenska kennen lernt und ihre Scheidung von ihrem polnischen Ehemann übernehmen soll, verliebt er sich in sie. Trotz ihrer wechselseitigen Liebe beugen sich beide den Konventionen ihrer Familien und der New Yorker Gesellschaft: A. heiratet E.s naive Kusine May Welland. II. Jahre später. Als A. erfährt, dass M. ein Kind erwartet, gibt er seinem Plan auf, mit E. seine bedrückende Ehe und die New Yorker Gesellschaft hinter sich zu lassen. Auch nach dem Tod M.s weicht A. einem Wiedersehen mit E. in Paris aus.
Zentral die Kritik an den gesellschaftlichen Konventionen der New Yorker Oberschicht, die für die Beteiligten zu frustrierenden Zwängen werden. Der Wechsel von Annäherung und Entfernung (Teil II variiert Teil I) aus der zentralen Perspektive von A. erzählt. Indirekte Darstellung von psychologischen Vorgängen (Dialog, Verhalten).
Ein Bestseller der Zeit. Pulitzer-Preis. Übss. Amerikanische Romanze von R. Kraushaar (1939), Im Himmel weint man nicht von L. Katscher und H. Brunar (1951). Film (1934).

 

 

1920 Ezra Pound: aL Hugh Selwyn Mauberley Sequenz aus 17 Gedichten in 2 Teilen.
Die Slg. beginnt mit einer Absage an Pound frühe, ganz auf das Stilistische abgestellten Versuche (® Personae, 1909): E.P. Ode Pour l'Election de son Sépulchre. Das Gedicht selbst jedoch ist eine stilistische Imitation Ronsards. Mauberley als das Porträt eines fiktiven Dichters, dessen Ästhetizismus ihn die soziale Wirklichkeit vergessen ließ: »The glow of porcelain/Brought no reforming sense.« So kontrastieren Gedichte 2-5 (Gesellschaft) und 6-11 (Kunst). Die Slg. markiert Pounds durch den Weltkrieg beeinflusste Wende zu einer Dichtung, die bei allen ästhetischen Experimenten die gesellschaftlichen Bedingungen von Kunst mitreflektiert.
Teilübs. in Dichtung und Prosa von E. Hesse (1953). Famous Last Words (1981), ein R. des Kanadiers T. Findley, verwendet Mauberley als Erzähler.

 

 

1920 Sinclair Lewis: aE Main Street The Story of Carol Kennicott R. Entst. seit 1916, konzipiert 1905 als The Village Virus.
1.-26. Gegenwart. Carol Milford heiratet nach Studium und Tätigkeit als Bibliothekarin den Arzt Will Kennicott aus dem Provinznest »Gopher Prairie«, Minn. Ihre Versuche, den Ort kulturell und gesellschaftlich zu beleben, schlagen fehl. 27-39. K. entfremdet, verliebt sie sich in den geistesverwandten Erik Valborg, geht mit ihrem Kind nach Washington, um ihr eigenes Leben zu führen, revidiert ihre Ansichten und lässt sich 2 Jahre später von K. in die nun akzeptierte Heimat zurückholen.
Ambivalentes Porträt des am. Mittelwest-Provinzialismus: satirische Kontrastierung der Fortschritts- und Kulturfeindlichkeit, Selbstgenügsamkeit und Boshaftigkeit der typischen Kleinstädter mit einer avancierten, kosmopolit. Außenseiterin, doch auch Hervorhebung positiver Eigenschaften bei den Provinzlern (z.B. Hilfsbereitschaft) sowie negativer bei C. (z.B. Exaltiertheit). Die Entwicklung C.s demonstriert die Wirkung des »Dorf-Virus«. Unter Verarbeitung autobiogr. Erfahrungen realistische Darstellung (Vielzahl von Typen, Milieus, Sprechweisen usw.). Struktur: im letzten Drittel Konzentration auf den Ehekonflikt, der den zentralen Kontrast spiegelt.
Ein Bestseller der Zeit. Wirkung des R.s bis nach Europa, dessen Amerikabild er entscheidend mitprägte. Bühnenbearbeitung von H. O'Higgins und H. Ford (1921). Übss. Die Hauptstraße von B. Olden (1922), F. Fein (1927). Filme, darunter I Married A Doctor von A.L. Mayo (1936).

 

 

1921 Eugene O'Neill: aD Anna Christie Dr., 4, Auff. 10.11. Vanderbilt Theatre, New York. Überarbeitung der früheren Version Chris Christopherson mit dem Vater Annas als Hauptfigur.
New Yorker Hafen. A., allein auf dem Lande aufgewachsen und durch die Umstände zur Prostituierten geworden, verliebt sich, zu Besuch auf dem Kohlenschlepper ihrer Vaters, in den ir. Heizer Mat Burke. Als die beiden Männer von A.s Vergangenheit erfahren, reagieren sie zunächst heftig, doch dann erkennt der Vater seine Schuld, und der besänftigte Mat verlobt sich mit A., die warten wird, ob die See die beiden Männer zurückbringt.
Die Beziehungen der 3 Personen im Banne der See als Schicksalsmacht (»dat ole davil«). Milieugerechte Sprechweisen. Symbolik (Nebel).
Eines der populärsten Drr. O'Neills. Pulitzer-Preis. Buchausg. 1922. 3 Filme, darunter von C. Brown (1930). Übs. von M. Lengyel (1963). Musical New Girl in Town von B. Merrill (1957).

 

 

1921 Susan Glaspell: aD The Verge Tr., 3, Auff. 14.11. Provincetown Playhouse, Mass.
Claire Archer experimentiert als Biologin mit der Züchtung neuer Pflanzen und ist eine kompromisslose Vertreterin der new woman gegenüber dem enttäuschend konventionellen Mann Harry, dem flüchtigen Liebhaber Dick und dem geistesverwandten, doch zaudernden Freund Tom, den sie schließlich erschießt, während sie selbst wahnsinnig wird.
Emanzipationsparabel über das Scheitern des radikalen Ausbruchversuchs einer visionären Frau aus den geschlechtsspezifischen Rollenkonventionen. Aktueller Realismus und symbolische Stilisierung (Titelmotiv des »Rands«, Namen, Treibhaus, Turm). Sprachliche Spiegelung der Persönlichkeitsauflösung und Kommunikationsunfähigkeit.
Buchausg. 1922.

 

 

1921 John Dos Passos: aE Three Soldiers R., 6.
USA, Frankreich, 1917-19. Der R. demonstriert die Wirkungen der Armee und des Krieges an 3 Figuren: dem konformistischen Italo-Amerikaner Dan Fuselli aus San Francisco, dem aufsässigen Farmerssohn Chrisfield aus Indiana und dem sensiblen links-intellektuellen Musiker John Andrews aus New York. Der strebsame F. bleibt ohne Erfolg in der Armee, A. und C. desertieren beide nach dem Waffenstillstand, A. wurde gefasst.
Thema bildet die Armee als eine Fabrik von Maschinen (Soldaten), die nach dem Krieg »verrosten« oder »unter die Räder « kommen(Teiltitel). Die Dehumanisierung der Soldaten wirkt je nach Charakter verschieden. Wechselnde Perspektive in I.-III., ab IV. ausschließlich die von A. Einfacher, bildarmer Stil, vorwiegend Dialoge. Verwendung von Soldatenliedern. Das multiperspektivische Erzählen von Dos Passos tritt hier noch hinter einer Zentralfigur (A.) zurück. Einfluss von S. Crane.
Übs. Drei Soldaten von J. Gumperz (1922).

 

 

1921 Sherwood Anderson: aE The Triumph of the Egg A Book of Impressions from American Life in Tales and Poems Slg. von 13 Geschichten, eingerahmt von 2 Gedichten.
Die häufig im Provinzmilieu des mittleren Westens spielenden Geschichten demonstrieren Irritationen und Frustrationen eines von sozialen Zwängen beherrschten Alltags, der zugleich Grundfragen des Lebens aufwirft: verstörende Erfahrung eines pubertären Jugendlichen, der als Pferdenarr den verehrten Trainer im Bordell entdeckt (I Want to Know Why); Problem von Ursache und Wirkung beim Misserfolg einer Familie mit einer Hühnerfarm wie einem Restaurant (The Egg); Kontaktbedürfnis und Verständigungsprobleme von Vater und Tochter (Unlighted Camps); von der zyklischen Natur erweckte Lebensgeister einer verhärmten Frau (The New Englander).
Komplexe Fortführung der Thematik von ® Winesburg, Ohio (1919), oft in Varianten des »am. Traums«, in Verbindung von Realismus (Milieuschilderung, atmosphärische Evokation) und Stilisierung mit Zentralsymbol (Ei, Pferd, Licht). Kunstvolle Struktur mit Parallelen und Kontrasten und Konzentration auf Schlüsselerlebnis mit Bevorzugung eines offenen Schlusses. Meist Ich-Erzählung, oft Jugendlichenperspektive, bes. im Typ der Initiationsgeschichte. Diverse Formen von der short short story bis zur long short story.
Übs. Das Ei triumphiert von K. Lerbs (1926).

 

 

1921 Marianne Moore: aL Poems 24 Gedichte. Von Freunden ohne Moores Wissen veröffentlicht.
Maschinen (To a Steamroller), Tiere (The Apish Cousins), Pflanzen (Roses Only) oder Lyrik selbst (Poetry) geben Anlass zu geistreich-ironischen Reflexionen über die glücklicherweise nutzlose, daher unverbrauchte Erfahrungen ermöglichende Kunst. Minuziöse und präzise Beschreibung realistischer Details treffen sich mit überraschenden abstrakten Verallgemeinerungen. Leichtigkeit und Eleganz der Formulierungen sperren sich gegen jede tiefgehende Interpretation.
Extrem prosanahe Sprache in langen, durch das Versmaß aufgebrochenen Sätzen. Statt Reimen oft nur Assonanzen zw. betonten und unbetonten Silben. Einfluss auf die Objektivisten, R. Lowell, T. Hughes, E. Bishop u. a.
® Collected Poems (1951).

 

 

1922 Eugene O'Neill: aD The Hairy Ape A Comedy of Ancient and Modern Life 8 Szenen. Auff. 9.3. The Playwrights' Theatre, New York.
1.-4. Ozeandampfer, Gegenwart. Der kräftige, naive Heizer »Yank« Smith identifiziert sich stolz mit seiner Stellung, bis Mildred Douglas, Tochter eines Stahl-Millionärs, bei einer Konfrontation ihn wie einen »haarigen Affen« flieht: verunsichert, beginnt er über sich und die Welt nachzudenken. 5.-8. New York. Y. kollidiert mit einer Gruppe marionettenhafter Reicher, wird im Gefängnis politisiert, doch von der Gewerkschaft für einen Spitzel gehalten; verzweifelt wendet er sich im Zoo einem Gorilla als Leidensgenossen zu, der ihn aber erdrückt.
Y. als eine Art Jedermann zw. dem »alten« (Geborgenheit) und dem »modernen Leben« (Entfremdung, Entmenschlichung), in der Doppelnatur von Körper und Geist, auf der Suche nach Zugehörigkeit (Schlüsselwort »belong«) findet hier nur im Tod Erlösung. Y. kontrastiert mit dem alten Segelschiff-Romantiker Paddy und dem kommunistischen Agitator Long. Das Milieu expressionistisch stilisiert: Szenen-Serie als Stationen, Gruppenauftritte mit Chören, symbolische Gestik (z.B. Y. als Rodinscher Denker). Groteskkomik (Satire, durchgängige Tierparallele). Nachzeichnung unterschiedlicher Sprechweisen (Slang, Dialekte, Akzente).
Übs. Der haarige Affe von F.W. Freund und E.v. Hollander (1924). Film von A. Santell (1944).

 

 

1922 Sinclair Lewis: aE Babbitt R.
1920. »Zenith«, eine typische am. Industriestadt. George F. Babbitt ist ein erfolgreicher Haus- und Grundstücksmakler in Zenith, hat eine gesunde Familie und ist Mitglied der wichtigsten Clubs der Stadt. Er ist dauernd damit beschäftigt, bei Tagungen, Wahlen und Kirchenvereinen seine soziale Position zu verbessern. Als B.s bester Freund Paul in einem Wutanfall beinahe seine eigene hysterische Frau Zilla erschießt, wird B. aus seiner Selbstsicherheit gerissen, er beginnt zu trinken, sein Geschäft zu vernachlässigen und seine Frau Myra zu betrügen. Als Myra krank wird, kommt B. zur Besinnung und kehrt zu seinem alten Leben zurück.
Satire auf den am. Mittelstand (Selbstsicherheit, Fortschrittsgläubigkeit), verkörpert in B., der dem Konformismus seiner Klasse vergeblich zu entkommen sucht. Sozialkritische Schilderung der am. »Middletown«. Konventionelle, chronologische Erzählweise.
Ein Bestseller der Zeit. »Babbitt« wurde zum Etikett für den selbstgefälligen, engstirnigen am. Mittelstand. Übs. von D. Bródy (1925). 2 Filme von H. Beaumont (1924) und W. Keighley (1934).

 

 

1923 Elmer Rice: aD The Adding Machine Dr., 7 Szenen. Auff. 19.3. Garrick Theatre, New York.
1.-4. Der kleine Buchhalter Mr. Zero wird nach 25 Jahren entlassen und durch eine Rechenmaschine ersetzt. In einem Verzweiflungsanfall tötet er seinen Chef und wird nach einer trivialen Party zu Hause verhaftet, verurteilt und hingerichtet. 5.-7. Im Jenseits muss er allmählich erkennen, dass er in der Kette seiner Reinkarnationen seit je ein Sklave des Systems war und sein wird, wenn er auf die Erde zurückkehrt.
Scharfe Kritik an jeglichen Unterdrückungsmechanismen, der Enthumanisierung des Maschinenzeitalters, dem Kommerzialismus, dem Konformismus des am. Kleinbürgertums. Verbindung von Realismus und Phantasmagorie, Satire und Anti-Utopie. Einfluss des deutschen Expressionismus.
Übs. Die Rechenmaschine von K. Janecke und G. Blöcker (1949). Film von J. Epstein (1968).

 

 

1923 E.E. Cummings: aL Tulips and Chimneys 67 Gedichte in 2 Teilen. Vom Verleger gekürzt. Die Slg. enthält vorwiegend romantisch-sinnliche Liebesgedichte. I. »Tulips«. Experimente mit verschiedenen Traditionen der Antike, des Orients, der Renaissance, des Symbolismus. II. »Chimneys«. Experimentelle Kombination moderner am. Umgangssprache und Sonettform. Neben regelmäßigen Versen und Strophen beginnt Cummings, Verse, Wörter und Silben in kleinere Sprecheinheiten aufzulösen, deren typographische Anordnung Sprechtempo und Pausen ausdrücken sollen. Die rhythmische Fragmentarisierung entspricht einer auf konkrete visuelle Details zielenden Bildlichkeit (»Impressions«, »Post Impressions«) und einer durch viele Parenthesen unterbrochenen elliptischen Syntax. Durchgehende Kleinschreibung, typographische Experimente. Einflüsse von E. Pound und dem französischen Symbolismus.
Teilübs. in Gedichte von E. Hesse (1958). 41 weitere Gedichte der Slg. wurden 1925, die vollständige Slg. erst 1937 veröffentlicht.

 

 

1923 Jean Toomer: aE Cane Montage in 3 Teilen aus Lyrik, Prosa und Dr.
I. Eine Sequenz aus 6 Geschichten und 12 Gedichten über das ländliche Georgia, seine schwarze Kultur und die sexuelle und rassische Unterdrückung von Figuren wie in Karintha, Becky oder Blood Burning Moon. II. Eine Sequenz aus 4 Erzählungen und 8 Gedichten (3 in Prosa) über Schwarze in nördlichen Städten wie Washington, D.C. und Chicago, Rassismus und Liebesbeziehungen stehen im Vordergrund. III. Kabnis, ein Drama in 6 Szenen, zeigt die Rückkehr von Ralph Kabnis aus Washington, D.C., nach Georgia, wo er als Lehrer arbeitet und auf den Arbeiter-Agitator Lewis stößt.
Stadt und Land, Mann und Frau, Weiß und Schwarz sind die beherrschenden Gegensatzpaare dieser zyklisch angelegten Montage: die Bedrohung und Zerstörung der schwarzen Kultur, ihrer Sinnlichkeit und Erdverbundenheit, durch die Verstädterung und die Weißen, die vor allem die schwarzen Frauen erdulden müssen, und die als zwiespältig empfundene Rückkehr des schwarzen Intellektuellen zu dieser Kultur, in der er seine Wurzeln (in den Zuckerrohr-Plantagen des Südens: Titel) hat. Offenes Ende. Kunstvolle Kontrastierung von lyrisch überhöhter mit realistischen Erzählweisen, die in der tragikomischen Dramatisierung der Konflikte in Teil III münden. Modernistische Techniken der Verfremdung. Eines der Hauptwerke der sog. Harlem Renaissance.
Übs. Zuckerrohr von M. Plessner (1985).

 

 

1923 Wallace Stevens: aL Harmonium 74 Gedichte und 1 Gedichtsequenz. Entst. 1915-23. Vorabdrucke in Poetry u. a. kleinen Zeitschriften.
Das Hauptthema der Slg. bleibt von den frühen Gedichten (Disillusionment of Ten O'clock, Thirteen Ways of Looking at a Blackbird) bis zu den späteren (The Snowman, The Comedian as the Letter C) das Verhältnis von Realität und poetischer Imagination, das sich häufig mit dem Verhältnis Chaos und Ordnung (Anecdote of the Jar) oder dem von Vergänglichkeit und Ewigkeit (Sunday Morning) verbindet. Mit symbolischen Techniken kombiniert Stevens Bilder in surrealer Form, benutzt ironische Titel, Klang- und Bedeutungsspiele, musikalische Analogien, Farbadjektive, Synästhesien usw. (Le Monocle de Mon Oncle, Peter Quince at the Clavier). Experimente mit den verschiedensten Strophen- und Versformen, meist reimlos. Einflüsse von St. Mallarmé, A. Rimbaud u. a. französischen Symbolisten.
1930 in einer erweiterten Ausg.

 

 

1924 Eugene O'Neill: aD All God's Chillun Got Wings Dr., 2, Auff. 15.5. Provincetown Playhouse, New York.
I. New Yorker Slum. Der intelligente Schwarze Jim Harris und die einfachere Weiße Ella Downey, seit ihrer Kindheit einander zugetan, trotzen der Gesellschaft, in der sie gescheitert sind (J. in seinem Jurastudium, E. im Zusammenleben mit dem Boxer Mickey) und heiraten. II. Ihre Versuche, sich der Kultur und die Individualität des Partners anzunähern, führen zu Konflikten, die Reaktionen der Umwelt zur Psychose. E. wird wahnsinnig und flüchtet sich in die kindliche Naivität, während J. verzweifelt sich an die Hoffnung der Religion klammert und liebevoll bei ihr bleibt.
Ehe-Dr. über das Rassenproblem, einschließlich des kollektiven Unbewussten. Der Titel (Zitat aus einem Negro-Spiritual) bezogen auf den offenen Schluss. Straßen-Atmosphäre in I (Typen, Lieder), Konzentration auf den (zunehmend bedrückenden) Innenraum in II. Symbolik (z.B. Kongomaske).
Übs. Alle Kinder Gottes haben Flügel vom M. Wentzel (1963).

 

 

1924 Maxwell Anderson: aD What Price Glory? Dr., 2, Auff. 3.9., Plymouth Theatre, New York. Verfasst in Zusammenarbeit mit L. Stallings.
Frankreich während des 1. Weltkriegs. Eine am. Marineabteilung fraternisiert und wird in Kampfhandlungen verwickelt. Im Zentrum die Rivalität zw. Captain Flagg und Sergeant Quirt um das Mädchen Charmaine. Sentimentalität, Kameradschaftlichkeit, Edelmut, pazifistische Infragestellung von Ruhm und Ehre (vgl. Titel) als dominierende Haltungen. Realistische Darstellung.
Buchausg. 1926. Film von J. Ford (1952).

 

 

1924 Eugene O'Neill: aD Desire Under the Elms Dr., 3 Teile. Auff. 11.11. Greenwich Village Theatre, New York.
I. Farm in Neu-England, 1850. Ephraim Cabot, 75, hat zum 3. Mal geheiratet. Die Söhne Simeon und Peter flüchten vor seiner Tyrannei und der neuen Erbin in den »goldenen Westen«. Ihr Stiefbruder Eben bleibt, um seine (von C. zu Tode geschundene) Mutter zu rächen und sich das Erbe zu sichern. II. Abbie, 35, sinnlich und resolut, hat C. geheiratet, um sich zu versorgen. Sie nimmt die Stelle von E.s Mutter ein, verführt ihn und wird seine Geliebte. III. 1851. Durch die Geburt eines Sohnes wird A. der Besitz der Farm sicher. E., erneut misstrauisch, wendet sich von ihr ab. A. tötet das gemeinsame Kind, um ihm ihre Liebe zu beweisen. E. bekennt seine Mitschuld, als der Sheriff die Lebenden holt. C. bleibt vereinsamt zurück.
Familien-Dr. um die Konflikte zw. Sehnsucht (nach Liebe, Glück, Wärme) und Besitzgier (Farm). Der Gegensatz Vater-Söhne durch den Puritanismus motiviert: der Patriarch sucht einen in gottgefälliger Härte ebenbürtigen Nachfolger. Komplizierte Entwicklung der Beziehung A.-E. zu opferbereiter Liebe. Struktur: I. Exposition, II. Verwicklung, III. Katastrophe. Simultanhdlgg. im Haus demonstrieren die Komplexität des Geschehens. Leitmotive (Lied, Blick zum Himmel). Symbolik (2 unheilschwangere Ulmen, die Steine als Jahresringe). Kontrastive Komik (hämische Nachbarn) und tragische Ironie. Rache- und Liebes-Tr. mit Mythenparallelen zum griechischen Dr. (bes. Phädra-Stoff).
2 Filme (1948, 1958). Übs. Gier unter Ulmen von R. Matthias und K. Maril (1963). Oper von E. Thomas (1958).

 

 

1925 Eugene O'Neill: aD The Great God Brown Dr., 4, mit Prolog und Epilog.
Der Werdegang der schicksalhaft einander verbundenen Freunde Dion Anthony, eines sensiblen, erfolglosen Künstlers, und Billy Brown, eines erfolgreichen, bewunderten Geschäftsmann, vom Schulabschluss bis zu ihrem Tod. Verhalten und Entwicklung der Figuren sowie ihre wechselseitige Beziehungen werden durch die Verwendung von Masken stilisiert hervorgehoben: D. in den Masken Pans und Mephistos; B.s Versuch, nach D.s Tod mit dessen Masken ein Doppelleben zu führen; beide können nur gegenüber der Prostituierten Cybel ihr wahres Gesicht zeigen.
D. und B. als Typen, C. als Erdmutter und Verkünderin einer Philosophie des Lebens. Zentral die Kontraste Schein - Sein, Künstler - Bürger, apollinisch - dionysisch. Die expressionistische Stilisierung durch Masken zugleich als Verfremdungseffekt.
Auff. 23.1.1926 Greenwich Village Theatre, New York. Übs. Der große Gott Brown von K. Maril (1963).

 

 

1925 Ezra Pound: aL A Draft of XVI Cantos 16 Cantos. Entst. und z.T. veröffentlicht seit 1915 in Poetry, The Dial u. a.
Die ersten 16 Cantos geben die Exposition zu dem auf 120 Cantos geplanten modernen Epos. Wie Ulysses steigt der Dichter in die Unterwelt (Vergangenheit) (1). Die Hauptthemen der Vergangenheit werden anspielungsreich eingeführt: Antike, italienische Renaissance (die Malatesta-Cantos, 8-11), das klassische China des Konfuzius (13); die Zusammenhänge zw. Politik, Ökonomie und Kunst, Moral werden reflektiert.
Pound integriert hier seine imagistischen Frühtechniken in größere Zusammenhänge. Zitat, präzises Bild oder präzise Wiedergabe von Bewegungen und Sprechweisen werden zu größeren, stark elliptischen Textsequenzen montiert. ® The Cantos (1964).
Übs. in Cantos von E. Hesse (1953).

 

 

1925 Theodore Dreiser: aE An American Tragedy R., 3 Bücher. Anregung durch einen Mordfall im Jahre 1906. Bes. in III z.T. wörtliche Auszüge aus den Prozessakten.
I. Kansas City, Gegenwart. Clyde Griffiths, Sohn eines verarmten Wanderpredigers, sucht sich Arbeit in einem Luxus-Hotel und wird am Tod eines Kindes (Autounfall) mitschuldig. Er flieht. II. Lycurgus, N.Y. 3 Jahre später. C. findet eine niedrige Stellung in der Hemdenfabrik eines reichen Onkels und beginnt ein Verhältnis mit der Arbeiterin Roberta Alden. Als sie schwanger ist, gerät er in Konflikt mit seinem Wunsch, durch die reiche und verwöhnte Sondra Finchley gesellschaftlich aufzusteigen. Er plant die Ermordung R.s als Bootsunfall, schreckt zurück, lässt sie aber beim folgenden tatsächlichen Unfall ertrinken. III. C. wird verhaftet und trotz heftigen Leugnens zum Tode verurteilt.
Die Tragödie besteht darin, dass nicht C. - wie das Gericht und die Presse meinen -, sondern seine gesellschaftliche Umwelt und seine Triebhaftigkeit C.s Tat bestimmen. Daher detaillierte Beschreibung von Elternhaus, gesellschaftlichen Kontakten und sexuellem Verhalten, Charakterisierung von C. als passiv und handlungsunfähig. Allwissender Erzähler. Vorausdeutungen, Parallelen zw. den 3 Büchern. Konventioneller, z.T. melodramatischer Stil.
Übs. Eine amerikanische Tragödie von M. Schön (1927). Dramatisierung von P. Kearney (1926). Film von S. Eisenstein begonnen und von J. Sternberg beendet (1931), Film A Place in the Sun von G. Stevens (1951). Dreiser nähert sich in der Folgezeit sozialistischen Positionen: Dreiser looks at Russia (1928), Tragic America (1931), America is Worth Saving (1941).

 

 

1925 William Carlos Williams: a In the American Grain 21 Prosastücke. Einzelnes vorab in Broom.
Von Erich dem Roten, Columbus, Cortez, Ponce de Leon u. a. Eroberern und Entdeckern über die Puritaner Th. Morton und C. Mather, den Pionier D. Boone und die Helden des Unabhängigkeitskrieges (G. Washington, B. Franklin, J.P. Jones) bis hin zur Sklaverei und Sklavenemanzipation (S. Houston, E.A. Poe, A. Lincoln) spannt sich der Bogen am. Geschichte, für die Williams eine frische, nicht-stereotype Sicht und Sprache zu finden sucht. Schönheit des Landes (Leitmotiv »Blume«) und die entstellende Brutalität der Entdecker, Besiedler und Ausbeuter des Landes gegen Indianer und Sklaven bilden ein durchgehendes Kontrastiv-Thema. Mit Lincolns Ermordung erreicht die »jahrhundertealte Tortur einen unheilvollen Höhepunkt« und beendet ein Zeitalter. Puritanismus-Kritik, gleichzeitig aber der puritanischen Suche nach einem am. Selbst (C. Mather) verpflichtet. Monolog, Logbuch, Dialog, epische Erzählung, Reminiszenz, Essay wechseln mit anderen Schreibweisen und eingelegten hist. Dokumenten. Stilistische Experimente. Zunächst unbeachtet, wurde das Buch nach dem 2. Weltkrieg als Klassiker des am. Selbstverständnisses betrachtet.
Übs. Die Neuentdeckung Amerikas von W. Hasenclever (1969).

 

 

1925 H[ilda] D[oolittle]: aL Collected Poems 88 Gedichte und ein Versdr.
Die Slg. vereint frühere Bde. von Sea Garden (1916) bis zu Heliodora and other Poems (1924) und verdeutlicht Doolittles Entwicklung vom imagistischen und objektkonzentrierten Kurzgedicht (Sea Rose, Sea Lily), oft nach griechischem Modell, über das antike Rollengedicht (Pygmalion, Eurydice) bis hin zur Nachdichtung, Paraphrase und klassizistischen dramat. Versuchen nach Euripides, Sappho und der »Griechischen Anthologie«. Hymen ist ein Hochzeitsspiel nach antiken Vorbildern. Liebe, Schönheit und Tod sind die häufigsten Themen; Blumen, Wind und die Götter Leitsymbole. Reimloser Kurzvers, Konzentration auf präzise konkrete Bildlichkeit ohne Abstrakta. Gebet, Opfer und Klage sind häufige Redeformen. Einfluss von E. Pound und A. Swinburne.
Erweiterte Ausg. (1940).

 

 

1925 John Dos Passos: aE Manhattan Transfer R., 3 Sektionen.
Manhattan, N.Y., seit der Jh.wende. Anhand von ca. 50 Personen entwirft der R. ein Bild zweier Dekaden in Manhattan. Um die opportunistische Schauspielerin und erfolgreiche Journalistin Ellen Thatcher schart sich eine Gruppe von Figuren. E. heiratet mit 18 den homosexuellen Oglethrope, der ihr den Start im Theater ermöglicht, geht ein Verhältnis mit dem reichen trunksüchtigen Stan Emery ein, lässt sich während des 1. Weltkriegs scheiden und heiratet mit 24 Jahren den sensibel-introvertierten Journalisten Jimmy Herf. Die Nachkriegszeit bringt sie auseinander, und E. heiratet den skrupellosen Bezirksstaatsanwalt und Politiker George Baldwin. Der negativen Entwicklung von E.s Privatleben steht der positive Bewusstwerdungsprozess J.s gegenüber, der schließlich aus der Stadt aufbricht. Neben der Welt der Intellektuellen aus Kunst, Presse und Politik gibt es typische Schicksale aus dem Milieu der Unterdrückten: der arbeitslose Bud Korpenning treibt in den Selbstmord; der Kriegsheimkehrer Dutch Robertson landet im Gefängnis; die vitale jüdische Fabrikschneiderin Anna Cohen wird in einem Arbeitsunfall verunstaltet usw.
Der eigentliche Held des synoptischen Großstadt-R.s ist Manhattan als anonymer Umschlagplatz (Titel) der sozialen Beziehungen. Der gesellschaftliche Abstieg einiger (etwa des aus wohlhabender Familie stammende J.) kontrastiert mit dem spektakulären Aufstieg anderer (wie des vom Schiffjungen durch Alkoholschmuggel zum Geschäftsmann emporkommenden Franzosen Congo), bedingt durch ökonomische Umstände (Krieg, Vergnügungsindustrie, Finanzkrise, Prohibition usw.). Beherrschender Bezugsrahmen des materiellen Erfolgs. Machtlosigkeit des einzelnen in der Massengesellschaft und dem Großstadtgetriebe. Hervortreten von Generationen-, Rassen- und Klassenkonflikten. Multiperspektivisches Erzählen. Typisierung von Figuren und Szenen. Über 100 Erzählsegmente, chronologisch nach Figurenkontrasten und thematischen Bezügen montiert. Leitmotive (Drehtür, Wolkenkratzer, Feuerwehr, Schienen) und poetische Kap.-Vorspanne in symbolischer Funktion. Einblendung von Liedern, Zeitungstexten, Reklame, Straßennamen. Sachlich beschreibender oder expressiv bildhafter Stil, z.T. innerer Monolog. Einflüsse von Filmtechniken und J. Joyce.
Übs. von P. Baudisch (1927).

 

 

1925 Ernest Hemingway: aE In Our Time 15 Kurzgeschichten. Entst. 1923-25. Vorabdrucke u. a. in The Little Review.
Chronologisch angeordnete Kurzgeschichten um Jugend (1-5), Kriegserlebnis (6-8). Ehe (9-12) und Reife (13-15) von Nick Adams (8 Geschichten) und anderen Personen. Eingelassen zwischen die Geschichten 15 kurze Prosapassagen, ebenfalls chronologisch, über den Zeithintergrund: 1. Weltkrieg und Nachkriegszeit. Die Geschichten konfrontieren Einzelpersonen mit den häufig tiefe Schocks hinterlassenden Ereignissen der Zeit. Ihre Emotionen bleiben jedoch in Geschichten wie The End of Something, Cat in the Rain und Big Two-Hearted River ausgespart und müssen aus den knappen Dialogen und den Verhaltensweisen der Figuren erschlossen werden. Nick Adams reift durch eine Reihe von Initiationen, entweder durch schockartige Erfahrungen (Indian Camp) oder durch Konfrontation mit negativen bzw. positiven Leitfiguren (Mr. and Mrs. Eliot, The Battler) zu einem stoisch-illusionslosen Helden, der seine Gefühle hinter Alkohol, Jagen, Fischen oder Skilaufen zu verbergen weiß. Die Ehegeschichten (Cat in the Rain, Out of Season, Cross-Country Snow) problematisieren diese Männer-Rolle.
Vielfache Verknüpfung der Geschichten untereinander durch Figuren (1/2; 3/4), Motive (3/11/14; 2/9), Figurenkonstellationen (4/12; 2/9) usw. Die distanzierte Darstellung in den Prosavignetten (aus in our time, 1924) kontrastiert mit dem unmittelbaren Erleben in den Geschichten; diese drehen sich allesamt um den Tod (Krieg, Verbrechen, Stierkampf). Titel aus dem Gebetbuch (»Give us peace in our time, o Lord!«). Lakonischer substantivischer Stil mit Wiederholungen, betont banales Vokabular. Szenisches Erzählen und offene Ausgänge bevorzugt. Einflüsse von S. Anderson, G. Stein und R. Lardner.
Übs. In unserer Zeit von A. Horschitz-Horst (1932). 2 Filme.

 

 

1925 F. Scott Fitzgerald: aE The Great Gatsby R.
1.-4. West Egg, Long Island, Gegenwart. Der Erzähler Nick Carraway, ein junger Börsenmakler, wird der Vertraute seines Nachbarn, des mysteriösen Jay Gatsby, der sich - z.T. auf illegale Weise - zu märchenhaftem Luxus emporgearbeitet hat, um die romantisch verehrte Daisy zu erobern, die aber inzwischen mit dem reichen, primitiven Tom Buchanan verheiratet ist. 5.-9. Durch C.s Vermittlung sieht G. Daisy wieder und macht sie zu seiner Geliebten, während sich ihr Mann Myrtle Wilson, die vitale Frau eines eifersüchtigen Tankwarts, zur Geliebten nimmt. Als Daisy Myrtle unabsichtlich überfährt und sich mit ihrem Mann arrangiert, lenkt dieser den Verdacht auf den Rivalen G. Wilson erschießt G. und sich selbst.
Zentral die Atmosphäre des hektischen »Jazz-Age«: hinter dem Glanz des Erfolgs krasser Materialismus, korrumpierter Idealismus, Konformismus mit Doppelmoral. Der tragisch scheiternde Einzelgänger G. und die durchschnittlichen Buchanans kontrastiert und parallelisiert. Der Erzähler begleitet die Entwicklung G.s mit verständnisvollen Kommentaren. Über dieses Dekaden-Bild hinaus spezifisch am. Motive (»American Dream«/Realität, die Hauptfiguren als »Westerners« im Osten usw.). Straffe, aussparende Darstellung. Einbeziehung von Satire (z.B. Parties), Leitmotivik und Symbolik (z.B. die Augenarzt-Reklame im »valley of ashes«). Autobiogr. Züge. Einflüsse: H. James, J. Conrad, E. Wharton.
Fitzgeralds größter Erfolg. Bühnenbearbeitung von O. Davis (1926). Filme von H. Brenon (1926) und J. Clayton (1974). Übss. Der große Gatsby von M. Lazar (1928), W. Schürenberg (1953).

 

 

1926 Sidney Howard: aD The Silver Cord Dr., 3, Auff. 20.12. John Golden Theatre, New York.
Ort im Osten der USA, 1926. Die in ihrer Ehe frustrierte egozentrische Mrs. Phelps verlagert ihre Liebe ganz auf die passiven Söhne, um sie an sich zu binden. Robert bleibt nach der Trennung von seiner Braut bei ihr. Dave gelingt es mit Hilfe seiner Frau Christina, sich von seiner »Nabelschnur« zu lösen. Das realistische Problemdr. verbindet Psychoanalyse mit Sozialkritik (z.B. am am. Mutterkult). Analytische Technik. Einflüsse: A. Strindberg, S. Freud.
Buchausg. 1927.

 

 

1926 Langston Hughes: aL The Weary Blues 69 Gedichte.
Die meist kurzen Gedichte, in 7 Teilen von »The Weary Blues« bis »Our Land« gegliedert, preisen schwarze Schönheit, schwarzen Jazz und schwarze Kultur (To a Black Dancer, Harlem Night Club, The Negro Speaks of Rivers), zeigen aber auch kritisch Leiden, Armut und Diskriminierung der Schwarzen auf (Lament for Dark People, Beggar Boy, The South). Proem und Epilogue berufen sich auf afrikanische Traditionen und fordern Gleichberechtigung für Schwarze in Amerika. Freivers mit variabler Bluesform und synkopiertem Jazzrhythmus, z.T. bis in die Strophenbildung hinein. Musikalische Assonanzen und Dissonanzen in der Lautstruktur. Lyrischer Hauptvertreter der Harlem Renaissance. Großer Erfolg und Einfluss auf die afro-am. Lyrik.
Selected Poems (1959). Übs.: Einzelnes in Gedichte von E. Hesse (1960).

 

 

1926 Hart Crane: aL White Buildings 21 Gedichte und 2 Gedichtsequenzen. Teilvorabdrucke in The Little Review.
Cranes 1. Gedichtslg. umfasst verschiedene Themen: Vergegenwärtigung der Vergangenheit (Emblems of Conduct, Passage u. a.), Kontrastierung mit der modernen am. Wirklichkeit, den »white buildings« der Städte (Recitative, Possessions) und bes. der Künstler im Konflikt von Zeit und Zeitlosigkeit, Realität und Idealität (For the Marriage of Faustus and Helen, Voyages). Symbolistische Technik voller Umschreibungen, Anspielungen und überraschenden Wortverbindungen, verschachtelte, z.T. elliptische Syntax. Strophische, doch meist reimlose Gedichte. Einflüsse von A. Rimbaud u. a. französischen Symbolisten sowie W. Stevens.
Übs. Weiße Bauten von J. Uhlmann (1960).

 

 

1926 Ernest Hemingway: aE The Sun Also Rises R., 3 Bücher.
Frankreich, Spanien nach dem 1. Weltkrieg. I. Jake Barnes erzählt von seinem Leben in Paris und seiner hoffnungslosen Liebe zu Brett Ashley. J. ist impotent seit dem Krieg. B. war seine Pflegerin. J. machte B. mit einem ehemaligen Preisboxer, Robert Cohn, bekannt. II. Cohn trennt sich von seiner Freundin Frances und fährt mit B. zusammen nach San Sebastian; doch B. kehrt allein zurück nach Paris, um dort Mike, den Mann, den sie heiraten will, zu treffen. J. und sein Freund Bill gehen für ein paar Tage aufs Land zum Angeln. Dann treffen sich alle auf der Stierkampf-Fiesta in Pamplona. Auch der enttäuschte Cohn schließt sich an. B. verliebt sich in den jungen Stierkämpfer Romero. Cohn schlägt Romero aus Eifersucht zusammen, die anderen betrinken sich. III. B. geht mit Romero nach Madrid, von wo sie J. bald wieder abholen muss. J. und B. resignieren vor einem gemeinsamen Neubeginn.
An den Vergnügungen und Reisen der Figuren enthüllt Hemingway die Leere und Lebensangst einer Gruppe von Amerikanern (»the lost generation«) nach dem 1. Weltkrieg, die bestenfalls durch ein stoisches Durchhaltevermögen gekennzeichnet ist. Der Titel (Prediger, 1.5) verweist auf die »Eitelkeit« solcher Zerstreuungen. Die Abenteuer einer lebensgierigen, unglücklichen Frau werden aus der Perspektive eines Impotenten erzählt, der als Anti-Held mit ihren Liebhabern (Preisboxer, Stierkämpfer) kontrastiert. Vorwiegend dialogisches, chronologisches Erzählen, Wiedergabe von trivialen Gesprächen (Lieblingswort »nice«), Slang, spanischen und französischen Wörtern. Lockere Folge von Episoden, Höhepunkt Fiesta in Pamplona (15-18). Verwendung autobiogr. Elemente. Stilistisch bereits volle Entwicklung von Hemingways Gebrauch trivialer Sprache als Untertreibung und Aussparung von starken emotionalen Spannungen. Einfluss von H. James.
Die engl. Ausg. unter dem Titel Fiesta (1927). Übs. Fiesta von A. Horschitz-Horst (1928). Film von H. King (1957).

 

 

1927 Eugene O'Neill: aD Lazarus Laughed A Play for an Imaginative Theatre Dr., 4.
Nach seiner Wiederauferstehung erscheint L. als unerschütterlicher Todesverneiner und sich verjüngender, lachender Lebensbejaher, eine Zarathrusta-Figur großer Ausstrahlung, in Bethanien, Athen, Rom, wo er von Caligula getötet wird. Das Lachen im Vertrauen auf die Unsterblichkeit des Menschen als mythische Botschaft. Stilisierte Universalisierung durch maskierte Chöre (Vertreter der 7 Lebensalter, 7 Charaktertypen, verschiedener Völker). Das monumentale Mysterienspiel (Theater als Tempel), das O'Neill selbst bes. schätzte, stellt extreme Anforderungen an die Bühnenrealisation (z.B. Massenszenen, L.s Heiligenschein). Einfluss F. Nietzsches.
Auff. 9.4.1928 Community Playhouse, Pasadena, Cal. Übs. Und L. lachte von H. Unger (1958).

 

 

1927 Sinclair Lewis: aE Elmer Gantry R.
Gegenwart. Der gewitzt-gewandte Elmer Gantry macht quer durch die USA als Prediger bei den Baptisten, Evangelisten, Methodisten Karriere bis zur Errichtung einer eigenen Kirche in »Zenith«, ist dabei aber durchweg auf den eigenen Vorteil bedacht (bes. die Befriedigung seiner sehr irdischen Gelüste). Scharfe Satire auf das Geschäftigkeit, Hysterie und Heuchelei gekennzeichnete Sektenunwesen. E.G., der als eine Art Schelm den Rummel ausnützt, vermittelt durch sein bewegtes Leben indirekt ein Panorama der am. Gesellschaft.
Ein Bestseller der Zeit. Übs. von F. Fein (1928). Bühnenbearbeitung von P. Kearney (1928). Film von R. Brooks (1960).

 

 

1927 Thorton Wilder: aE The Bridge of San Luis Rey R., 5.
Als 5 Reisende 1714 beim Einsturz einer Brücke in Peru umkommen, geht der Franziskaner Juniper den Einzelschicksalen nach, um das Unglück als Fügung zu erweisen und so dem Verständnis des göttlichen Willens näher zu kommen, wird wegen dieser Ketzerei zum Feuertod verurteilt, hinterlässt aber das Ergebnis seiner Nachforschung (Rahmenhdlg.): Das verbindende Moment (die »Brücke«) zw. den Verunglückten ist die Liebe in verschiedenen Ausprägungen (Liebe der Marquesa de Montemayor zu ihrer Tochter, des Schreibers Estaban zu seinem Zwillingsbruder, des Lebemanns Pio zu einer Schauspielerin usw.) als einzig bleibender »Sinn«. Die Atmosphäre und die Figuren sowie die unorthodoxen Verbindung von Christentum und Humanität machten den R. einem Bestseller.
Pulitzer-Preis. Übs. Die Brücke von San Luis Rey von H.E. Herlitschka (1929). Oper von H. Reutter (1954). 2 Filme.

 

 

1927 Willa Cather: aE Death Comes for the Archbishop R., Prolog und 9 Bücher. Anregung durch das Leben von Bischof Lamy und seinem Pater Machebœuf.
New Mexico, 1851-88. Nach der Annexion von New Mexico durch die USA erhalten Bischof Jean Marie Latour und sein Freund und Gehilfe Pater Joseph Vaillant den Auftrag, das Land zu missionieren. Meist zu Pferd verrichten sie ihre harte Arbeit: Bekehrung von Indianern, Kampf mit dem Aberglauben und eingesessenen Priestern, Bau einer Kathedrale in Santa Fé, Erweiterung der Diözese. Der Tod kommt nach einem erfüllten Leben.
Hist. R. mit dem für Cather typischen Thema des Kulturkonflikts im am. Pioniermilieu. So bilden breite realistische Beschreibungen von Landschaften, Gebräuchen der Hopi und Navajos ein Gegengewicht zur psychologischen Analyse der Missionare. Szenisches konventionelles Erzählen. Einfluss von H. James.
Übs. Der Tod kommt zum Erzbischof von S.v. Radecki (1940).

 

 

1927 Carl Sandburg: aL The American Songbag 292 Lieder in 23 Teilen, herausgegeben von C. Sandburg.
Sandburg versucht in dieser Slg. die Vielfalt der am. Folklore zu erfassen: Lieder aus Kentucky, Neuengland, dem Westen, New Mexico, Lieder der Cowboys, Holzfäller, Tramps, Seeleute, Arbeiter, Lieder von Engländern, Iren, Mexikanern, Negern usw. Die Slg. drückt Sandburgs demokratisches Vertrauen in das am. Volk als eigentlichen Kulturträger aus. Alle Lieder mit Melodien, Angabe der Herkunft und Erläuterungen.

 

 

1927 William Faulkner: aE Mosquitoes R.
Anhand eines Jachtausfluges demonstriert Faulkner satirisch das Verhältnis zweier Generationen der am. Oberschicht zueinander und die Probleme des Künstlers Gordon in dieser Gesellschaft. Einflüsse von S. Anderson und A. Huxley.
Übs. Moskitos von R.K. Flesch (1961).

 

 

1928 Eugene O'Neill: aD Strange Interlude Dr., 2 Teile. Auff. 30.1. John Golden Theatre, New York.
I. (= Akt I-V). Neu-England, New York, 1919-21. Nach frustrierender Jugendliebe (Trauma) und zwiespältiger Promiskuitätsphase heiratet Nina Leeds den Geschäftsmann Sam Evans, dessen Erbanlagen sie jedoch veranlassen, das erwartete Kind abzutreiben und mit dem Arzt Ned Darrell ein Kind zu zeugen. Ihr Ehebruch stürzt beide in Gewissenskonflikte. II. (= Akt VI-IX). 1922-44. Nach der Geburt des Sohnes Gordon entfremdet Nina sich allmählich dem Geliebten, sie versucht, Gordon an sie zu binden und seine Verlobung zu hintertreiben. Nach Sams Tod Gordons Heirat verbindet sie sich, auf der Jagd nach dem Glück müder geworden, mit dem alten väterlichen Freund Charles Marsden, einem resignierten Schriftsteller.
Zentral die vom Unbewussten gesteuerten Interaktionen der Gruppe um Nina und die Reflexion über die Entwicklung: das Leben als »seltsames Zwischenspiel« zw. der Vergangenheit und der Zukunft, Widerstreit von Geist und Trieb. Das Vergehen der Zeit als dominanter Faktor. Trotz Konzentration auf wenige Figuren und Schauplätze Überlänge durch epische Tendenz: ausführliche Darstellung eines langes Zeitraums, ausgiebige Verwendung des monologischen Beiseitesprechens zur Vermittlung von Bewusstseinsvorgängen (persönliche Assoziationen, geheime Gedanken usw.) neben der Figurenrede. Einflüsse: A. Schopenhauer, S. Freud, J. Joyce. Trotz Überlänge großer Erfolg wegen der aktuellen Thematik (Psychoanalyse, Sexualität, Neurose).
Pulitzer-Preis. Film von R.Z. Leonard (1932). Übs. Seltsames Zwischenspiel von M. Wentzel (1957).

 

 

1928 Claude McKay: aE Home to Harlem R., 3.
I. Nach 2 Jahren in Europa kehrt Jake Brown 1919 als Deserteur nach Harlem zurück: Nachtclubs, Frauen wie Felice und Rose, Parties, Alkohol und Jobs im Hafen beschäftigen ihn. II. Um Harlem und einer Geliebten für eine Zeit zu entkommen, arbeitet J. als Eisenbahnkellner, wobei er Ray, einen gebildeten Schwarzen aus Haiti, zum Freund gewinnt. III. Bei weiteren Streifzügen findet J. Felice wieder, mit der er schließlich Harlem verlässt.
Breites Sozialpanorama, das Harlem als Territorium und eigenständige schwarze Kultur beschreibt, in der die weiße Welt nur am Rande sichtbar wird: Urbanität, Lebenslust, Musik als Lebensweise. Harlems Anziehungskraft und die Flucht vor ihr bestimmen die lockere Episodenfolge mit pikareskem Helden. Der selbstbewusste, kontaktfreudige J. kontrastiert mit dem entfremdeten, intellektuellen Ray, an den stellenweise die bei J. zentrierte Perspektive übergeht. Wiedergabe schwarzer Sprechweisen. Gelegentliche auktoriale Einschaltungen. Mit Z.N. Hurston und R. Fisher ist McKay ein Hauptvertreter des R.s in der Harlem Renaissance.

 

 

1928 aL American Negro Folk Songs Über 700 Lieder und Varianten in 13 Teilen. Entst. seit ca. 1850. Hg. von Newman I. White.
Die reiche Lied-Tradition der am. Neger aus und nach der Sklavenzeit wurde erst relativ spät aufgezeichnet und gesammelt. Die Slg. enthält die wichtigsten Typen: Tanzlieder (Jim Cow Jump), Balladen (John Henry), Arbeitslieder (Take my Hammer), Spirituals (I got Shoes), und Blues (Cemetery Blues). Alle Lieder wurden gesungen, enthalten daher viele Wiederholungen und Variationen und einfache strophische Formen (Blues z.B. AAB mit Paarreim). Soziale und erotische Probleme werden häufig nur in verschlüsselter Form (Metaphorik, Anspielung, Personifikation) behandelt. Die Slg. gibt Fundort, Varianten, Quellen und z.T. Melodien an.
Weitere z.T. speziellere Slgg. von H.E. Krehbier (1914), A.T. Burleigh (1917-24), W.C. Handy (1926), J.A. Lomax (1936) u. a.

 

 

1929 Sinclair Lewis: aE Dodsworth R. Entst. 1925-29.
»Zenith« (USA) und Europa, 1925-27. Der 50jährige erfolgreiche Automobilfabrikant Samuel Dodsworth unternimmt auf Anregung seiner 41jährigen Frau Fran mit ihr eine längere Europareise: London, Paris, Berlin. Aus der Routine ihres Alltags gerissen, beginnen sie sich zu entfremden, und ihre Ehe zerbricht: F. betrügt S. wiederholt, S. tröstet sich in Venedig mit einer am. Witwe.
Das »internationale Thema« USA - Europa dient hier wie bei H. James dem Kontrast von Naivität und Erfahrung (Ehemoral, am. und europäisches Selbstverständnis). Neutraler Erzähler aus der Sicht S.s. Gesellschaftssatire. Konventionelle Erzähltechnik. Autobiogr. Züge (Lewis' geschiedene Frau schrieb 1931 eine Gegendarstellung).
Ein Bestseller der Zeit. Dramatisierung von S. Lewis und S. Howard (1934). Übs. Sam Dodsworth von F. Fein (1931). Film von W. Wyler (1936).

 

 

1929 William Faulkner: aE Sartoris R., 5. Überarbeitete Fassung von Flags in the Dust (1927).
»Jefferson«, Miss., 1919. Der junge Bayard Sartoris kommt voller Schuldgefühle aus dem 1. Weltkrieg zurück zu seinem Großvater Oberst Sartoris und seiner Tante Jenny Du Pre. Sein Zwillingsbruder John ist im Krieg gefallen. B. beginnt zu trinken und mit dem Auto durch das Land zu rasen. Er heiratet Narcissa Benbow, deren Bruder Horace ebenfalls aus dem Krieg heimkehrt. Als B. bei einer Autojagd am Tod seines Großvaters schuldig wird, verlässt er »Jefferson« für immer. Er stirbt bei einem Flugzeugabsturz, an dem Tag, an dem Narcissa einen Sohn gebiert.
Mit diesem R. findet Faulkner zu dem Hauptthema seiner späteren Rr.: dem Konflikt von Vergangenheit und Gegenwart im am. Süden, hier dargestellt am Verfall einer traditionsreichen Familie. Es kontrastieren Oberst Sartoris mit Bayard, Jenny mit Narcissa, Geschichten aus dem Bürgerkrieg mit dem 1. Weltkrieg usw. Die Vergangenheit ist Bürde und moralischer Maßstab zugleich für die jüngere Generation. Mit den alten Familien Sartoris und Benbow kontrastieren weiterhin positiv die Negerfamilien und negativ der Snopes-Clan, der die alten Familien ersetzen wird (® The Town, 1957). Neutraler Erzähler, genaue Wiedergabe von Dialogen, konventionelle, aber bereits aussparende Erzähltechnik. Faulkner entwirft hier zum 1. Mal seine fiktive Welt des »Yoknapatawpha County«.
Übs. von H. Stresau (1961).

 

 

1929 William Faulkner: aE The Sound and the Fury R., 4.
I. »April 7, 1928«. »Jefferson«, Miss. Der Sprecher Benjamin Compson, schwachsinniger Sohn von Jason III und Caroline Compson, wird 33 Jahre alt. Er beschreibt, was er von seinem Geburtstag wahrnimmt: Quentin, die Tochter von B.s Schwester Caddy, flirtet mit einem durchreisenden Artisten. Luster, ein Neger, der B. betreut, hat ein Geldstück verloren. B. erinnert sich u. a. an die Flucht seiner Schwester C. mit einem Artisten, an den Tod der Großmutter, an den Tag seiner Umtaufung, C.s Hochzeit. II. »June 2, 1910«. Der introvertierte und puritanische Erzähler Quentin, Bruder von C. und B., Student in Harvard, will an diesem Tag Selbstmord begehen, weil er seine Schwester C. endgültig verloren hat. Er schreibt Abschiedsbriefe, geht durch Boston, kauft einem kleinen Mädchen ein Eis und gerät dadurch in Schwierigkeiten mit der Polizei. Er erinnert sich z.T. an dieselben Episoden wie B., weiter an erotische Szenen mit seiner Schwester C. und an deren Verführung durch einen Fremden. III. »April 6, 1928«. Der zynische und profitgierige Erzähler Jason erhält von seiner Schwester C. Unterhaltsgeld für deren uneheliche Tochter Quentin, das er ihr jedoch vorenthält, um es an der Börse zu verspielen. Er spioniert Quentin und dem Artisten vergeblich nach. IV. »April 8, 1928«. Ein neutraler Erzähler schildert den Tag, an dem Quentin mit Jasons Geld und dem Artisten fortläuft. Jason versucht vergeblich, das Geld zurückzubekommen. Dilsey, Lusters Mutter, geht in den Gottesdienst, Luster fährt mit B. aus.
Der Verfall einer großen Familie der Südstaaten (® Sartoris, 1929, ® Absalom, Absalom!, 1936) wird an den verschiedenen Generationen der Compsons demonstriert: Trunksucht, Neurosen, Idiotie, Inzest, Geldgier usw. Das Titelzitat aus Macbeth (»It is a tale/Told by an idiot, full of sound and fury/Signifying nothing«) deutet auf den nihilistischen Grundton des R.s. Faulkner reduziert das Geschehen auf 3 innere Monologe (I-III) und einen Erzählerbericht, den Ablauf auf 4 verschiedene Tage. Jeder Teil hat seine eigene Erzähltechnik und Leitmotivik. Christliche Parallelen (23. Dezember, Ostern, der 33jährige B.). Die Geschwister typisieren mit Ausnahme von C. das Ende der Compsons: kastrierter Idiot, unberührter Selbstmörder, kinderloser Egoist. Der Fortschritt von kindlicher (b.), jugendlicher (Quentin) und männlicher (Jason) Perspektive zeigt einen moralischen Zerfall. Abgesehen von C. ist die mütterliche und gläubige Disley der einzige positiv gezeichnete Charakter, der überdauernd (»endurance«) mit dem Zerfall kontrastiert. Faulkners 1. Experiment mit der durchweg perspektivischen Darstellung eines Geschehens. Einfluss von J. Joyce (von Faulkner abgestritten).
1946 Ausg. mit einem erläuternden Anhang. Übs. Schall und Wahn von H.M. Braem und E. Kaiser (1956). Film von M. Ritt (1958).

 

 

1929 Thomas Wolfe: aE Look Homeward, Angel A Story of the Buried Life R., 3. Entst. seit 1922. Veröffentlichung nach drastischer Kürzung des angeschwollenen Manuskripts durch den Verlagslektor M.E. Perkins und Wolfe. Auch die späteren Rr. wurden erst nach Bearbeitung publiziert.
I. Vorgeschichte: Oliver Gant, Steinmetz aus dem Norden, kommt in den Appalachenort »Altamont« (»Catawba«) und heiratet die Südstaatlerin Eliza. 1900-12. Als jüngster Sohn wächst Eugene im Kreise der 6 Geschwister auf. Die Kinder leiden unter der Gegensätzlichkeit der Eltern: der Vater ist aus Frustration in Leben und Kunst (Arbeit an Engelstatue) unstet und trunksüchtig; die Mutter ist erwerbsgierig (Betrieb von Pensionen). Früh schon wird E. zum sensiblen Einzelgänger. II. 1912-16. Auf der Privatschule findet E. zur Literatur, im Negerviertel zum Sex. Er beginnt sich seiner Familie zu entfremden. III. 1916-19. E. studiert an der »Pulpit Hill«-Universität. Während eines Ferienaufenthaltes erlebt er mit Laura James eine Liebesromanze. Der Vater erkrankt an Krebs, der Lieblingsbruder Ben stirbt, E. graduiert und wird in Harvard weiterstudieren.
Zentral die für E.s Entwicklung charakteristisch wechselhaften Haltungen der Abwendung und Heimkehr (bes. im Verhältnis zu den Eltern) und die ungestillte Sehnsucht nach dem »fremden, begrabenen Leben« (vgl. Schluss). Der Titel (Zitat aus J. Miltons Lycidas) und der visionäre Schlussdialog mit Ben deuten an, dass er das, was er sucht, in sich selbst finden wird. Kombination von Realismus (z.B. Milieu, Sprechweisen) und Symbolik (lyrisches Leitmotiv der menschlichen Isolation und Suche, zyklische Natur). Ausweitung durch Typisierung von Figuren und Verhältnissen, zeitgeschichtliche Exkurse, Nord-Süd-Kontrast usw. Einbeziehung von Satire und Groteske (z.B. Provinztypen). Neigung zu rhapsodischer Exaltation, bombastischem Schwall. Segmentierung der Kapp. (Erzählabschnitte, Momentbilder, Kurzszenen, z.T. mit Perspektivenwechsel). Der erste der monumentalen autobiogr. Rr. Wolfes. Intention: »fiction« als »fact arranged and charged with purpose«. Einflüsse: W. Whitman, J. Joyce, Th. Dreiser, S. Lewis.
Fortsetzung in ® Of Time and the River (1935). Übs. Schau heimwärts, Engel! von H. Schiebelhuth (1932). Bühnenbearbeitung von K. Frings (1957).

 

 

1929 Ernest Hemingway: aE A Farewell to Arms R., 5 Bücher. Serialisiert in Scribner's Magazine.
Italien, zur Zeit des 1. Weltkriegs. Der junge am. Architekturstudent Frederic Henry meldet sich freiwillig als Leutnant zu den Sanitätern der italienischen Armee. Er verliebt sich in die engl. Krankenschwester Catherine Barkley. Sie wird nach H.s Verwundung seine Pflegerin und Geliebte. Er nimmt zynisch die Schrecken des Krieges hin, tut aber weiter seinen Dienst. Bei einem Rückzug löst sich H.s Kolonne auf, er schlägt sich zu C. durch und macht seinen »Separatfrieden«. Beiden fliehen über den Lago Maggiore in die Schweiz, wo C. bei der Geburt eines toten Kindes stirbt.
Der Titel (nach einem Gedicht von G. Peele) verweist auf das Thema: die Flucht vor den Schrecken des Krieges. Der Ich-Erzähler H. findet durch Verwundung, Gespräche mit dem Freund Rinaldi und dem Priester, bes. durch C. zur Selbsterkenntnis. Aussparende, lakonische Erzählweise. Autobiogr. Elemente.
Bestseller. Übs. In einem anderen Land von A. Horschitz-Horst (1948). Dramatisierung von L. Stallings und C. Zuckmayer: Kat (1932). Filme von F. Borzage (1932) und C. Vidor (1057).

 

 

1930

Hart Crane:

aL The Bridge

Sequenz aus 7 Gedichten und 2 Subsequenzen. Entst. seit 1923.


Gerahmt von 2 Gedichten über die Brooklyn Bridge als Symbol einer die Realität überschreitenden Imagination 7 Texte, die den »Myth of America« von der Vergangenheit bis zur Gegenwart verfolgen. I. Ave Maria (Columbus), II. Powhatan's Daughter (Indianer, Westen), III. Cutty Sark (Wende zur Gegenwart durch die Erinnerungen eines Seemanns, Schiff), IV. Cape Hatteras (Vergangenheit - Gegenwart: Whitman - Flugzeug), V. Three Songs (3 Verkörperungen der gegenwärtigen Liebe), VI. Quaker Hill (Vergangenheit - Gegenwart: Quaker - Hotelbewohner), VII. The Tunnel (New Yorker Untergrundbahn).
Hymnische Sprechhaltung durchweg. Kühne Metaphorik, häufig aus dem Bereich des »machine age«, ungewöhnliche Konversionen, Personifikationen. Elliptische, z.T. schwer verständliche Syntax mit abrupten Übergängen. Zitate, Archaismen, Latinismen, Verknüpfung der Teile durch übergreifende Symbolstrukturen (Land, Wasser, Brücke). Freie Verse. Einflüsse von W. Whitman, T.S. Eliot, E. Pound und Filmtechniken.
The Complete Poems (1933) enthält weitere, nachgelassene Gedichte und die Slg. Key West: An Island Sheaf.

 

 

1930 William Faulkner: aE As I Lay Dying R.
Gegenwart. Die Bundren-Familie wartet auf den Tod der Mutter Addie, um sie nach »Jefferson«, Miss., zu bringen und dort zu beerdigen. Cash, der älteste Sohn, zimmert bereits einen Sarg. Als Addie stirbt, erfährt Vardaman, der Jüngste, einen traumatischen Schock. 3 Tage nach dem Tod beginnt die Reise nach »Jefferson«. Der Fluss ist gestiegen. Beim Überqueren des Flusses geht der Sarg beinahe verloren. Cash bricht sich ein Bein, und das Maultiergespann ertrinkt. Der Gestank der Leiche wird unerträglich. Darl, der die Überführung skeptisch beurteilt, steckt nachts die Scheune an, in der der Sarg steht, um der grotesken Reise ein Ende zu machen. Jewel, sein Bruder, der sein Pferd opfern musste, um den Transport zu ermöglichen, rettet den Sarg aus den Flammen. In »Jefferson« angekommen, wird der inzwischen wahnsinnig gewordene D. verhaftet, Dewey Dell, die schwangere Tochter, die wegen einer Abtreibung mitgekommen ist, gibt sich dem Apotheker hin, wird jedoch von ihm betrogen. Vater Anse kauft sich von ihrem Geld ein neues Gebiss und nimmt sich die Frau, bei der er sich die Schaufeln für das Grab ausgeliehen hatte.
Groteske, tragisch-komische Geschichte von Egoismus und Solidarität einer Familie »armer Weißer«. Nur Jewel und Cash übernehmen die Reise aus Liebe zu ihrer Mutter, alle anderen haben egoistische Motive (Anse, Dewey, Vardaman) oder sind gegen die Reise (Darl). Das 10 Tage umfassende Geschehen wird in 59 kurzen Kapp. aus 14 verschiedenen Perspektiven erzählt (jedes neue Kap. bedeutet einen Perspektivenwechsel) und grotesk verzerrt. Erst aus dem Gleichgewicht der heterogenen Motive und Figuren (Schlüsselwort »balance«) resultiert die komisch-heroische Hdlg. Die Vitalität verkörpernde Mutter als symbolische Folie. Leitmotivik: Fisch, Pferd, Wasser, Feuer, biblische Parallelen. Verwendung des inneren Monologs.
Übs. Als ich im Sterben lag von A. Hess und P. Schünemann (1961).

 

 

1930 a I'll Take My Stand The South and the Agrarian Tradition 12 Essays.
In dieser Slg. präsentiert die Gruppe um John Crowe Ransom (vormals »The Fugitives«) die Kulturprobleme der Südstaaten in sozioökonomischer Sicht. Hauptthese: Der Süden muss seine agrarische Struktur gegen den Industrialismus des Nordens verteidigen. Verwandte Oppositionen: Tradition gegen Fortschritt (J.C. Ransom), Regionalismus gegen den klassizistischen Humanismus Neu-Englands, Religion gegen Agnostizismus. Beiträge von J.C. Ransom, A. Tate, R.P. Warren u. a. Die konservative Reaktion auf die fortschreitende Industrialisierung des Südens teilt die Gruppe mit vielen anderen Schriftstellern der Südstaaten. Einfluss von T.S. Eliot.

 

 

1930 John Dos Passos: aE The 42nd Parallel R. 1. Teil der Trilogie USA mit den folgenden Teilen ® Nineteen Nineteen (1932), ® The Big Money (1936).
Kritisches Zeit-Panorama (1900-16) anhand von 5 Figuren: 1. Mac (Fainy McCreary), Neffe eines Sozialisten, arbeitet als Vertreter für einen Buchverlag und als Drucker. Er heiratet eine Verkäuferin, trennt sich wieder von ihr und geht nach Mexiko, die Revolution gegen Huerta zu unterstützen. Er lässt sich schließlich dort als Buchhändler nieder. 2. Janey Williams, aus kleinbürgerlichem Milieu, wird Sekretärin bei J. Ward Moorehouse. 3. J. Ward Moorehouse, aus einfachen Verhältnissen, heiratet nach einer ersten missglückten Ehe eine Millionärstochter, gründet eine Public Relations-Gesellschaft und nimmt sich Eleanor Stoddard zur Geliebten. 4. Eleanor Stoddard, aus kleinen Verhältnissen, wird Innenarchitektin in New York. 5. Charley Anderson aus Fargo, N.D., wird Garagenarbeiter in Minneapolis. Nach verschiedenen Jobs in diversen Städten meldet er sich 1916 desillusioniert als Freiwilliger.
Die Lebensgeschichten der 5 Figuren werden, z.T. kapitelweise montiert, durch »Newsreels« (19 Wochenschauen aus Schlagzeilen, Schlagern, Zitaten), »The Camera Eye« (27 subjektive Kommentierungen des Erzählers) und 8 Kurzbiographien von Prominenten zu einem Panorama der USA erweitert, das nicht nur verschiedene soziale Schichten, sondern durch die Mobilität der Figuren auch die verschiedenen Staaten der USA einbezieht. Der Sozialist Mac kontrastiert mit dem Kapitalisten Moorehouse, die Spießbürgerin Janey mit dem Bohemien Charley usw. Sorgfältige Dokumentation der geschilderten Milieus, aus denen die Figuren verständlich werden. Sozialkritische Einstellung gegenüber der bürgerlichen Oberschicht (Moorehouse, Stoddard).
Übs. Der 42. Breitengrad von P. Baudisch (1930).

 

 

1931 Eugene O'Neill: aD Mourning Becomes Electra Tr., Trilogie. Auff. 26.10. Guild Theatre, New York. Anlehnung an die Orestie von Aischylos, doch mit Elektra als Hauptfigur.
Homecoming, 4. 2 Wohnsitz in Neu-England, 1865. Nach der »Heimkehr« aus dem Bürgerkrieg wird Ezra Mannon (vgl. Agamemnon) von seiner frustrierten Frau Christine (vgl. Klytaimnestra), die den Kapitän Adam Brant (vgl. Aigisthos) liebt, vergiftet. Die eifersüchtige Tochter Lavinia (vgl. Elektra) entdeckt den Mord. The Hunted, 5. L. überzeugt den sensiblen Bruder Orin (vgl. Orestes) von der Schuld der Mutter und treibt ihn zum eifersüchtigen Rachemord an Brant; die verzweifelte Mutter begeht Selbstmord; O. leidet Gewissensqualen: Brant, Ch., O. als »Gejagte«. The Haunted, 4. O. und L. als »Heimgesuchte«: 1866. Nach einer Südseereise, auf der O. nicht vergessen konnte und dem Vater ähnlicher wurde, während L. zum Ebenbild der Mutter aufblühte, soll sich ihr Leben normalisieren. O. vereitelt jedoch sühnebedacht und eifersüchtig L.s Verbindung mit Peter (vgl. Pylades), flüchtet sich in den Selbstmord und zwingt sie so, im Haus der Toten sich einzukerkern und allein die nötige Trauer und Sühne zu übernehmen.
Zentral die komplexe Entwicklung der Interaktionen zw. den Mannons: lebensfeindlicher Puritanismus und Passivität der Männer, Vitalität und Aktivität der Frauen; Liebe, Sehnsucht, Eifersucht, Schuld- und Rachegefühle als Motivation bei allen (einschließlich der Vorgeschichte: Geschlechterfluch); O.s Ödipuskomplex, L.s Vaterbindung. Versuch, für die griechische Tr. zeitgemäße Entsprechungen zu finden: Psychologisierung der Schicksalhaftigkeit, Einzelparallelen (z.B. Krieg), Techniken (»Chor« der Kleinbürger, maskenhafte Gesichter). Struktur: Die Tr. O.s und L.s (3. Teil) variiert die der Eltern. Kontrastiv-konzentrische Technik der Teil-Eingänge: Auftrittsfolge Chor (Komik) - Peter und Hazel (Normalität) - Mannons. Leitmotive (Insel, Shanty). Symbolik (z.B. Hausfassade, Kleider, Haar). Tragische Ironie.
Film von D. Nichols (1947). Übs. Trauer muss Elektra tragen von M. Wentzel (1957). Oper von M.D. Levy (1966).

 

 

1931 William Faulkner: aE Sanctuary R.
Mississippi, Mai 1929. Die reiche und verwöhnte Studentin Temple Drake gerät nach einem Autounfall mit ihrem betrunkenen Galan in die Hände von Schwarzbrennern und Gangstern, die im verfallenen »Frenchman's Bend« wohnen. Der impotente und skrupellose Gangster Popeye vergewaltigt sie auf unnatürliche Weise und bringt sie in ein Bordell in Memphis. Der idealistische Rechtsanwalt Horace Benbow spürt T. auf. P. hat inzwischen einen Liebhaber von T. umgebracht. Doch vor Gericht belastet T. einen anderen, der von der aufgebrachten Menge gelyncht wird. P. wird wenig später wegen eines anderen Mordes gehängt.
Der Titel bezieht sich auf »Temple«, deren Korruption parallel zu der Desillusionierung Benbows das Thema des R.s bildet. Faulkners pessimistischster R., der im Genre des Kriminalr.s Verlogenheit, Schwäche, Feigheit der Betroffenen aufdeckt. Neutraler Erzähler, der aus den wechselnden Perspektiven der Figuren erzählt. Aussparende chronologische Erzähltechnik, die die Zusammenhänge nur durch Gegenüberstellung von Episoden erschließen lässt.
Bestseller. Das Dr. Requiem for a Nun (1951) ist eine Fortsetzung des Stoffes. Filme von S. Roberts (1933) und T. Richardson (1961). Übss. Die Freistatt von H.E. Herlitschka (1951), H. Wollschläger (1973).

 

 

1931 James Thurber: aE The Owl in the Attic and Other Perplexies Erzählungen, Skizzen und Parodien. Zuerst in The New Yorker.
Neben den satirischen Erzählungen über das Ehepaar Monroe Parodien auf die Kummerspalte von Haustierhaltern (The Pet Department) und die »Hausbibel« bei The New Yorker, Fowlers Dictionary of Modern English Usage. Der von seiner Frau beherrschte Versager John Monroe wird zum Vorbild einer Reihe satirischer Porträts bei Thurber, bis hin zur berühmten Geschichte The Secret Life of Walter Mitty (zuerst 1939). Bei den absurden Ratschlägen zur Haltung von Haustieren, die meist neurotisch oder rätselhaft entstellt sind, setzt Thurber seine eigentümliche Zeichentechnik ein, die dem Betrachter meist ein vieldeutiges Vexierbild von Tieren und Menschen anbietet. Für die kosmopolit. Zeitschrift The New Yorker typische Form des Humors.
Querschnitts-Slg. The Thurber Carnival (1945). Übs.: Einzelnes in Rette sich wer kann von B. Möhring und H.M. Ledig (1948), Lachen mit Thurber von P. Düllberg u. a. (1965) u. a.

 

 

1932 James T. Farrell: aE Young Lonigan A Boyhood in Chicago Streets R., 4 Sektionen.
Chicagoer South Side, 1916. Der 15jährige William Lonigan (»Studs«), aus einer kleinbürgerlichen, katholischen ir.-am. Familie, orientiert sich an der Umwelt seiner großstädtischen Nachbarschaft, bes. den »tough guys« der »pool rooms«: zunehmend unterdrückt er seine guten Anlagen, um durch Härte zu bestehen, früh macht er sexuelle Erfahrungen, wird Mitglied der Straßen-Gang (Diebstähle, Judenhetze usw.) und entfremdet sich so Familie, Kirche, Schule.
Zentral die Entwicklung L.s, die zwangsläufig zur Selbstzerstörung führt. L.s Verhalten, Bewusstsein, Ängste und Wünsche als Reflexe einer materialistischen, brutalen Gesellschaft. Naturalistische Darstellung (Milieu, Sprechweisen). Episodenstruktur. Bewusstseinsdarstellung, Vorherrschen von Studs Perspektive, Verwendung erlebter Rede. Einflüsse von J. Dewey, F. Norris, J. Joyce, Th. Dreiser.
1. Teil der Trilogie Studs L. (1935) mit The Young Manhood of Studs L. (1934) und Judgement Day (1935). L. verkommt weiter (Promiskuität, Alkoholismus, Gewalttätigkeit, finanzieller Ruin und Arbeitslosigkeit), bis er mit 29 an einer Herzkrankheit stirbt. L.s Lebenslauf parallelisiert bzw. kontrastiert mit einer Reihe anderer Figuren, darunter dem Studenten Danny O'Neill, der sich von dem Umwelteinfluss lösen kann. Er ist Hauptfigur (mit autobiogr. Zügen) weiterer Rr. von Farrell. Bestseller. 2 Filme, darunter von I. Lerner (1960). Übs. Studs Lonigan von N. Stingel (1982/83).

 

 

1932 Erskine Caldwell: aE Tobacco Road R.
Abgewirtschaftete »Tabakstraße« in Georgia, Gegenwart. Der naive, verarmte Kleinpächter (»Sharecropper«) Jeester Lester schlägt sich mit seiner Familie mühselig durch (Notverkäufe, Diebereien, Fabrikarbeit der Kinder usw.) und träumt davon, wieder die Felder zu bestellen. Der 16jährige Sohn Dude heiratet die Autobesitzerin Bessie Rice, die sich als mannstoll erweist. Schluss: J. und seine Frau Ada verbrennen mit ihrer Hütte.
Milieu der »poor whites« im Süden nach der Depression, Enthumanisierung des umweltdeterminierten Menschen: Reduktion auf Existenzkampf und Sexualnot. Sozialkritik mit sensationellen Schockeffekten. Naturalismus und Groteske. Primitive Sprache.
Bestseller. In der Bühnenbearbeitung von J. Kirkland (1933) großer Broadway-Erfolg (über 7 Jahre Laufzeit). Film von J. Ford (1941). Übss. Die Tabakstraße von G. Müller (1948), P. Baudisch (1960).

 

 

1932 Ernest Hemingway: a Death in the Afternoon Essay.
Eine Einführung in den spanischen Stierkampf: Definition als rituelle Tragödie, nicht als Sport (1-2), Terminologie und Daten (3-5), Geschichte des spanischen Stierkampfes (6-9), Phasen des Kampfes (10), der Stier (11-13), Techniken der einzelnen Phasen (14-19). Hemingway wollte die Fakten beschreiben, die dem »Gefühl von Leben und Tod« zugrunde liegen. Er nimmt die Haltung des Kenners (»aficionado«) ein, um sich z.T. ironisch im Gespräch mit einer alten Dame von den Laien zu distanzieren. Stilistisch eine Übung, »einfache Tatsachen« präzise zu beschreiben und sich von journalistischen Schreibweisen freizumachen. Hinzu kommen 81 Fotos, ein Glossar und eine Liste von Daten.
Übs. Tod am Nachmittag von A. Horschitz-Horst (1957).

 

 

1932 John Dos Passos: aE Nineteen Nineteen R. Fortsetzung von ® The 42nd Parallel (1930) als 2. Teil der Trilogie USA.
In Erweiterung des Personenkreises dienen wiederum 5 Figuren zur breiten Charakterisierung der USA während und unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg: 1. Joe Williams, Bruder von Janey Williams, kann auch nach dem Krieg sein unstetes Seemannsleben nicht aufgeben. 2. Richard Ellsworth Savage, Idealist und Pazifist, wird 1916 Fahrer für das Rote Kreuz in Frankreich, trifft dort Moorehouse und wird sein Mitarbeiter. 3. Eveline Hutchins, Kunstliebhaberin und Partnerin von Eleanor Stoddard, endet nach vielen turbulenten Liebschaften (mit Moorehouse, Charley Anderson u. a.) schließlich durch Selbstmord (in Teil III). 4. Anne Elizabeth Trent (»Daughter«) aus Texas wird nach einigen sozialistischen Aktivitäten in der Jugend die Geliebte von Savage, der sie jedoch aus Karrieregründen fallen lässt. 5. Ben Compton, jüdischer Kommunist, gerät wegen Kriegsdienstverweigerung ins Gefängnis, reibt sich im Dienst für die KP auf.
Dos Passos kontrastiert das Selbstverständnis und Verhalten der Figuren wieder mit »Newsreels« (24), »The Camera Eye« (15) und Kurzbiographien (9), die die gesellschaftlichen und ökonomischen Mächte zeigen, denen sie unterliegen (der 1. Weltkrieg, Kriegsindustrie, bürgerliche Mittelklasse, Minoritätengruppe, Regionalität, Konfrontation mit europäischen Leben usw.). Die Figuren werden entweder von der herrschenden Oberschicht aufgesogen (Savage, Hutchins) oder ausgestoßen (Williams, Trent, Compton).
Fortsetzung in ® The Big Money (1936). Übss. Auf den Trümmern (1932), Neunzehnhundertneunzehn (1962) von P. Baudisch.

 

 

1932 William Faulkner: aE Light in August R.
»Jefferson«, Miss., Gegenwart. Zeitraum etwa 11 Tage im August. Die Geschichte der schwangeren Lena Grove, die auf der Suche nach dem Vater ihres Kindes einen neuen Begleiter, Byron Bunch, findet, rahmt kontrastierend die Geschichte von Joe Christmas. Der 33jährige J.C., seelisch belastet durch eine puritanische Erziehung, ein sexuelles Kindheitstrauma und das Problem seiner ungewissen Herkunft (Negerblut?), wohnt bei der puritanischen und von Schuldkomplexen beladenen Joanna Burden, einer 40jährigen alten Jungfer. B. geht mit C. ein triebbesessenes, selbstzerstörerisches Verhältnis ein. Als sie versucht, ihn zu ihrer Religion und zum Eingeständnis seiner Herkunft zu zwingen, ermordet er sie. Auf seiner sinnlosen Flucht wird C. im Hause des puritanischen, isoliert lebenden Geistlichen Gail Hightower, bei dem auch Byron Bunch um Rat gesucht hatte, von dem fanatischen Hilfssheriff Percy Grimm erschossen und kastriert.
Die dominanten Themen Rassismus und Puritanismus werden in verschiedenen Konfigurationen variiert. Der R. zeigt, wie die Südstaaten-Gesellschaft sich ihre Opfer selbst erzeugt und wie Triebunterdrückung mit Rassismus zusammenhängt. Die dunkle Welt um C., in der alle von ihrer Vergangenheit bedrückt werden, kontrastiert mit dem Licht (Titel) um Lena Grove, die naturhaft im Einklang mit ihrer Umgebung lebt. Allwissender Erzähler mit wechselnden Perspektiven bis auf das letzte Kap. Innere Monologe. Vorgeschichte chronologisch durch Erinnerungen (6-12). Wechsel von kolloquialem Dialog und rhetorisch-detaillierten Beschreibungen. Mythische und biblische Parallelen (z.B. J.C./Jesus Christus).
Übs. Licht im August von F. Fein (1935, rev. 1957).

 

 

1932-34 Lewis Grassic Gibbon: aE A Scots Quair R.-Trilogie.
Schottland, 1911-33. Am Schicksal der Bäuerin Chris Guthrie verfolgt die Trilogie ein Stück schottischer Sozialgeschichte. Sunset Song (1932) schildert den Niedergang der Bauern von Kinraddie in der Zeit um den 1. Weltkrieg. C. heiratet den Pachtbauern Tavendale und hat mit ihm den Sohn Ewan. Cloud Howe (1933) führt C. von der Farm in das Dorf Segget; eine neue Ehe mit dem engagierten Pfarrer Colquohoun vermittelt ihr erste Ansätze zu einem polit. und hist. Bewusstsein. Grey Granite (1934) spielt zur Zeit der Depression in der Stadt »Duncairn« (= Aberdeen) mit ihren Fabriken und Granitwerken und bringt C., ihren arbeitslosen Mann Ake Ogilvie und E. in Berührung mit dem Kommunismus. Sie kehrt schließlich zurück aufs Land, E. geht nach London.
Hist. R. über die Industrialisierung, Proletarisierung und Verstädterung des ländlichen Schottlands und die sie begleitenden Bewusstseinsänderungen der Hauptfiguren. C. bleibt bei allen Erfahrungen (Farm, Kirche, Fabrik) zwiespältig-distanziert, E. verkörpert das neue Schottland. Allwissende Erzählweise in einem Englisch, das an schottische Sprechweisen orientiert ist. Versuch eines dokumentarischen Realismus. »Quair« heißt soviel wie Dossier oder Buch.
Übs. Ein schottisches Buch von H. Petersen (1970-74).

 

 

1933 James T. Farrell: aE Gas-House McGinty R.
Chicago, 1920. Ambrose J. McGinty verdrängt seine privaten Komplexe und Frustrationen als selbstherrlicher, unentbehrlicher Leiter des hektischen Auftragsbüros der Continental Express Company. Nebenfigur: Danny O'Neill (® Young Lonigan, 1932).
Präzise Nachzeichnung der Alltagsmonotonie McGintys und seiner Kollegen, der Gedanken, Ängste und Wünsche (Einbeziehung eines Traum-Kap.s), der Flucht in den Verbalismus. Indirekte Kritik an den Arbeitsbedingungen im Büro.
Rev. Ausg. 1950.

 

 

1933 Erskine Caldwell: aE God's Little Acre R.
Georgia, Gegenwart. Farmer Ty Ty Walden, ein naiver Sonderling (»cracker«), vernachlässigt den Baumwollanbau, um mit den Söhnen Shaw und Buck auf seinem Land nach Gold zu graben, wobei er »Gottes kleinen Acker« (ein mit dem Ertrag der Kirche geweihtes Stück Land) jeweils verlegt. Sein vitaler Schwiegersohn Will Thompson verführt Ty Tys Tochter Darling Jill und Bucks Frau Griselda. Auch als sein Bruder Jim Leslie, Baumwollmakler und erhoffter Kreditgeber, sich an Griselda heranmacht, erschießt Buck ihn und begeht Selbstmord. Ty Ty ist erschüttert, wendet sich aber bald wieder der Goldsuche zu.
Problematik (Determination durch Elend, Triebhaftigkeit) und sozialkritisch-sensationelle Darstellung wie in ® Tobacco Road (1932).
Die schockierende Wirkung führte zu einem Prozess, der den R. als »wahrheitsgetreu« rechtfertigte. Bestseller (Verkaufsziffer in USA bis 1965: 8061812). Übs. Gottes kleiner Acker von L. Rossi (1948). Film von A. Mann (1958).

 

 

1933 Gertrude Stein: a The Autobiography of Alice B. Toklas Autobiogr.
Paris, 1907-1912. Als fingierte Autobiographie ihrer Sekretärin und Freundin beschreibt Stein 25 Jahre ihres eigenen Lebens und ihrer Kontakte mit Künstlern und Schriftstellern: P. Picasso, J. Gris, H. Matisse, G. Apollinaire, E. Pound, E. Hemingway, E. Sitwell usw. Der simple assoziative Stil voller Wiederholungen und emphatischer Adverbien (bes. »very«, »quite«, »really«) imitiert humorvoll die Sprechweise von Miss Toklas.
Steins einziger populärer Erfolg. Übs. Autobiographie von Alice B. Toklas von E. Schnack (1955).

 

 

1933 Nathanael West: aE Miss Lonelyhearts R.
New York um 1930. »Miss Lonelyhearts«, ein Journalist, betreut in der »Post-Dispatch« die eingehenden Leserfragen und -klagen. Er verliert dabei seine anfängliche ironische Überlegenheit und wird in die Probleme seiner Leser verwickelt. Nach einigen absurden Abenteuern wird er von einem eifersüchtigen Ehemann erschossen. Tragisch-groteske Satire auf die Unmöglichkeit christlicher Nächstenliebe in einer zynisch-egoistischen Gegenwart. Lockere episodische Struktur, karikierte Figuren.
Übs. Schreiben Sie Miss Lonelyhearts von F. Güttinger (1961). Film Lonelyhearts von V.J. Donehue (1958).

 

 

1934 Robert Cantwell: aE The Land of Plenty R., 2.
I. »Power and Light.« Holzverarbeitungsfabrik im Nordwesten der USA, Gegenwart. Anlässlich einer Panne (Elektrizitätsausfall) zeigen sich Ängste, Unzufriedenheit und Solidarität der Arbeiter. II. »The Education of a Worker«. Während eines Streiks wird der junge Johnny Hagen erwachsen: er erlebt die Brutalität der Polizei, die Feindseligkeit des Mittelstandes, die Besetzung der Fabrik durch die Arbeiter und hat seine erste sexuelle Begegnung.
Zentral der ironische Kontrast zw. dem am. Traum (vgl. Titel) und der Realität der Unterdrückung und Ausbeutung. Andeutung der Notwendigkeit des Arbeitskampfs. Einfluss von A. Malraux.

 

 

1934 Henry Miller: aE Tropic of Cancer R.
Paris, 1930-33. Miller, gelegentlich arbeitend (als Zeitungskorrektor, Englischlehrer in Dijon), doch meist mittellos, führt das Leben eines Gammlers und Bürgerschrecks, konzentriert auf Sex, Essen, Trinken, Sinnieren und Schmarotzen, im Kreise von Prostituierten und Künstlerfreunden (bes. Van Norden und Carl, 2 weitere Exil-Amerikanern).
Der R. konzipiert als Anti-Buch: weniger R. als »Tagebuch« bzw. »Autobiogr.« (vgl. Emerson-Motto), »Verspottung« von Gott und der Welt, »Lied«. Im Mittelpunkt das eigene Ich hier und jetzt mit seinen Beobachtungen, Reaktionen, Reflexionen, Phantasien, Stimmungswechseln (Rebellion - Exaltation). Freiheit des Individuums nur in der Hingabe an den Strom des Lebens (Schlüsselwörter »flow«, »joy«, »ecstasy«), hinter dieser Realität die moderne Welt apokalyptisch als selbstzerstörerischer »Krebs«, Frankreich als »Meridian« zw. Leben und Tod (Titelmotiv). Entsprechende Struktur: lockere Folge von 15 Sektionen, Assoziationstechnik (mit Tendenz zu provokativer Kombination des Heterogenen, z.B. Metaphysik der Vagina), Burleskszenen, rhapsodischer Stil (z.B. Kataloge), Hyperbolik, Anspielungen. Stark hervortretende Sex-Passagen mit Detailnaturalismus und Häufung von »four letter words«. Einflüsse: R.W. Emerson, H.D. Thoreau, W. Whitman, J. Joyce, D.H. Lawrence.
Publikation in Paris. In USA bis 1961 wegen Obszönität verboten. Nach Zensur-Prozessen Bestseller. Übs. Wendekreis des Krebses von K. Wagenseil (1953). Film von J. Strick (1969).

 

 

1934 Nathanael West: aE A Cool Million The Dismantling of Lemuel Pitkin R.
Der strebsame und hilfsbereite Lemuel Pitkin verliert bei seinem Versuch des sozialen Aufstiegs Stück um Stück seinen Besitz und seine Gliedmaßen. Völlig verkrüppelt wird er schließlich bei einer Versammlung am. Faschisten erschossen. Parodie voller schwarzen Humors auf den Erfolgsmythos am. Rr. (vor allem der Bestseller H. Algers). Zeitgenössische satirische Anspielungen. Parallelen zu J. Swifts Gulliver's Travels.
Übs. Eine glatte Million von D.E. Zimmer (1972).

 

 

1934 Henry Roth: aE Call It Sleep R., 4 Bücher.
I. New York, 1911. David erfährt als 6jähriges Kind der ostjüdischen Einwanderer Albert und Genya Schearl im Brooklyner Slum die Feindseligkeit der Straßenkinder und die Tyrannei des Vaters, der durch Stellenwechsel und Ehezerwürfnis verkommt: einzig bei der Mutter findet D. Zuflucht. II. Die Familie zieht 1912 in den Slum der Lower East Side und beherbergt zeitweilig die nachgewanderte Tante Bertha. III. Der gelehrige D. erhält 1913 bei Reb Yidel Pankower eine jüdische Erziehung. Von einer ir. Straßenbande wird er mit einer Stichflamme am Straßenbahngleis verschreckt. IV. Im verschärften Familienkonflikt unterstellt der Vater, dass D. nicht der eigene Sohn ist, und vertreibt ihn aus dem Haus. D. flieht in Panik und elektrisiert sich am Straßenbahngleis fast zu Tode, hat dabei aber eine mystisch erhebende Vision. Danach empfindet er eine Ruhe »fast wie im Schlaf«.
Die Motive des Slum-R.s (Armut, Familienzerrüttung, Gefahren der Straße, frühe Konfrontation mit Sexualität und Gewalt) sind bei Roth dem psychologischen Porträt des sensiblen Kindes untergeordnet, das zw. dem misstrauischen, brutal sich abreagierenden Vater und der warmherzigen, aber machtlosen Mutter steht (ödipale Aspekte). Nebenfiguren mit humoresken Zügen. Vorwiegend dialogischen Erzählens. Perspektive D.s, bes. im inneren Monolog und erlebter Rede. Daneben Erzählbericht in gehobener Sprache. Nachzeichnung ethnischer Akzente in der Figurenrede. Evokation der Milieuatmosphäre. Symbolik: vgl. Teiltitel »Keller«, »Gemälde«, »Kohle«; »Gleis«; religiöse Parallelen. Prolog über Ankunft von G. und D. auf Ellis Island (1907) als Familienangehörige, die dem Einwanderer A. ins »goldene Land« nachfolgen.
Übs. Nenne es Schlaf von M. Meyer-Clason (1972).

 

 

1934 Gertrude Stein: aD Four Saints in Three Acts Oper, Musik von Virgil Thomson. Libretto in transition (1929), dann in Operas and Plays (1932). Auff. 8.2. Wadsworth Atheneum, Hartford, Conn.
Was wie ein Spiel um die Hauptfiguren Santa Teresa von Avila und San Ignacio von Loyola im 16. Jh. aussieht, ergibt schließlich keine erkennbare Hdlg. Frei kombinierbare Figurenkonstellationen und die auf Wiederholung und Variation beruhenden Sprachmuster ohne feste Sprecherzuordnung bestimmen diese experimentelle Oper. Die einfachen Satzmuster, die auf Lautwiederholungen beruhen, werden zerlegt, gespiegelt, serialisiert, permutiert und laufend erweitert. Konventionen wie die Einheiten von Ort, Zeit und Hdlg. werden demonstrativ durchbrochen: 4 Akte mit erratisch nummerierten Szenen, wechselnde Zahl der Heiligen, wechselnde Ortsangaben (Avila, Barcelona) etc. Der modernen Musik angenäherte serielle Kompositionsweisen.
Übergang in Steins Werk von den frühen kubistischen Landschaften und Still-Leben (® Tender Buttons, 1914) zu abstrakten Personenporträts (»I made the saints the landscape«). Die Auff. machte Steins modernistische Experimente mit der Sprache zum ersten Mal einem breiteren Publikum bekannt und führte zu ihrer US-Tournee und den Lectures in America (1935). Einfluss auf E. Sitwell u. a.

 

 

1935 Clifford Odets: aD Awake and Sing! Dr., 3, Auff. 19.2. Belasco Theatre, New York.
New York, Gegenwart. Die Bergers, jüdische Kleinbürgerfamilie, haben es schwer, sich durchzuschlagen. Die naive, energische Bessie agiert als Familienoberhaupt, während ihr Mann Myron ein Mitläuferdasein führt. Die Tochter Hennie überwindet die Probleme ihres Liebes- und Ehelebens. Der idealistische Großvater Jacob regt den sensiblen Enkel Ralph zur polit. Aktion gegen die Verhältnisse an und verschafft durch Selbstmord Versicherungsgeld.
Zentral der milieubedingte Existenzkampf (»struggle for life amidst petty conditions«), die Verhaltensweisen und Entwicklungen der Einzelnen (Konformismus, Opfer, Rebellion). J.s Jesaja-Zitat »Awake and sing, ye that dwell in dust« als säkularisierte, revolutionäre Botschaft des Dr.s. Realistische Darstellung.

 

 

1935 Clifford Odets: aD Waiting for Lefty Dr., 1, Auff. 26.3. Longacre Theatre, New York.
In die Rahmenhdlg. der Gewerkschaftsversammlung von Taxifahrern (Gegenwart) sind Episoden eingeblendet, die deren Existenzkampf in einen polit. Zusammenhang stellen: Joe wird durch den drohenden Ehebruch seiner Frau aktiviert; Miller hat seine Laborantenstelle durch die Verweigerung von Giftgasproduktion und Spitzelei verloren; ein junges Paar wird in seinen Lebenserwartungen frustriert; Benjamin musste als viel versprechender, aber jüdischer Arzt gehen. Schluss: gegen der Gewerkschaftsboss Harry Fatt entschließen sich die Taxifahrer zum Streik, zumal als sie erfahren, dass ihr erwarteter Sprecher Lefty Costello ermordet worden ist.
Zentral die sozialistische Gesellschaftskritik auf dem Hintergrund der Wirtschaftskrise durch Andeutung von Parallelen, Implikationen und Konsequenzen: unterbezahlte Arbeit, gefährdeter Arbeitsplatz, Auswirkung der ökonomischen Lage auf das Privatleben. Widerstand und Politisierung; Konflikte auf allen Ebenen (Entfremdung, Diskriminierung, Klassenkampf, Weltkriegsmotiv). Propagandistisches Dr. mit Verfremdungseffekten und Einbeziehung des Publikums (innerer und äußerer Spielkreis).

 

 

1935 Maxwell Anderson: aD Winterset Dr., 3, Auff. 25.9. Martin Beck Theatre, New York. Anregung durch die Sacco-Vanzetti-Justizaffaire (1920). Der viel behandelte Stoff lag bereits dem mit H. Hickerson verfassten Dr. Gods of the Lighting (1928) zugrunde.
Statt der Gangster Trock und Shadow wird der polit. unliebsame Bartolomeo Romagna hingerichtet. Sein Sohn Mio scheitert in dem Protest gegen den Justizmord und dem Kampf für Gerechtigkeit: er wird mit seiner Freundin von den Gangstern erschossen; der Richter lässt den Fall ruhen.
Versuch einer Verbindung von Sozialkritik und poetischer Stilisierung (Vers).
Film von A. Santell (1936). Übs. Dezembertag von H. Sahl (1955).

 

 

1935 John Steinbeck: aE Tortilla Flat R.
Tortilla Flat, eine Siedlung von »paisanos« (= »spanisch-indianisch-mexikanisch-kaukasische« Mischlinge) oberhalb des Fischernestes Monterrey, Cal. Danny, aus dem 1. Weltkrieg zurück, erbt und bewohnt 2 Häuser mit den Freunden Pilon, Pablo, Big Joe Portagee, Jesus Maria Corcoran, dem »Piraten« mit 5 Hunden u. a. Man führt ein unbeschwertes Gammelleben nach eigenen Moralgesetzen, stiehlt, besäuft sich, treibt Schabernack, hat Frauen, philosophiert über Gott und die Welt, hält zusammen. Nachdem bei einer bes. wilden Orgie D. sich zu Tode gestürzt hat und das verbliebene Haus niedergebrannt ist, verstreut sich der Freundeskreis.
Kombination von Realismus (Randständigenmilieu, lokale Sprechweisen) und Idylle (süßes Nichtstun, Gruppengeist), Nostalgie (bes. Schluss) und Komik (Typen, Situationen, Parallelisierung mit König Artus' Tafelrunde). Lockere Episodenfolge. Symbolik: das Haus als Inbegriff von »sweetness and joy, philanthropy, and, in the end, a mystic sorrow«.
Film von V. Fleming (1942). Übss. Die wunderlichen Schelme von T.F. (1943), Die Schelme von T.F. (1951) von E. Rotten. Cannery Row (1945), ein ähnlich humoristischer R. aus dem Fischermilieu von Monterrey, wurde Steinbecks größter Bestseller.

 

 

1935 Thomas Wolfe: aE Of Time and the River A Legend of Man's Hunger in His Youth R., 8 Bücher. Entst. 1933-34 aus Teilen des R.-Projekts The October Fair. Fortsetzung von ® Look Homeward, Angel (1929) als 2. Teil eines geplanten Zyklus von 6 Rr. (vgl. Wolfes The Story of a Novel, 1936).
I.-IV. 1920-24. Eugene Gant studiert in Harvard Theaterwissenschaft und befreundet sich mit dem Ästhetizisten Frank Starwick. Der Vater stirbt. E. lernt als Literaturdozent New York kennen. V.-VIII. 1924-25. E. bereist Europa. Mit Frank und dessen Verehrerinnen Elinor und Ann lebt er dem Vergnügen in Paris. Seine unerwiderte Liebe zu A. und F.s Homosexualität veranlassen ihn zum Bruch mit den dreien. Auf ratloser Weiterreise wird er sich in Reflexionen und Visionen des Fließens der Zeit und seines Umherirrens bewusst, wendet sich der am. Heimat zu, beginnt zu schreiben und begegnet auf der Heimreise einer Frau, in der er spontan sein »Lebensziel« erkennt.
E.s Wanderjahre (vgl. Wilhelm Meister-Motto), gekennzeichnet durch Flucht, Suche und Verheißung. Über die personale Entwicklung hinaus Zeitpanorama durch Vielzahl der Schauplätze, Milieus, Charaktere. Andeutung überzeitlicher Aspekte durch mythologische Parallelen (vgl. Titel der Teile, z.B. III. »Telemachus«). Durchgängig lyrische Reflexionen über das Phänomen der Zeit.
Fortsetzung in ® The Web and the Rock (1939). Übs. Von Zeit und Strom von H. Schiebelhuth (1936).

 

 

1935 William Faulkner: aE Pylon R.
Der Kunstflieger Roger Shumann kommt mit seiner Frau Laverne und dem Mechaniker Jiggs nach »New Valois«, um dort an einem Wettfliegen um eine Wendemarke teilzunehmen. Beim zweiten Flug verliert S. seine Maschine. Ein Reporter, der sich der Gruppe angeschlossen hat, besorgt ihm ein altes Flugzeug. S., der Geld für ein uneheliches Kind braucht, wagt den Flug und stürzt ab. Laverne zieht mit Jiggs weiter, der Reporter, der Laverne liebt, bleibt zurück.
Das Thema des Überlebens (»endurance«) zeigt sich an einer Gruppe von Fliegern, die sich außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stellt (Dreiecksehe, Bindungslosigkeit, Eigentumslosigkeit usw.). Gesehen wird diese Thematik weitgehend durch die Augen des Reporters, eines Vertreters eben dieser Gesellschaft. Beide, Reporter und Flieger, sind von den »Maschinen«, die sie bedienen (Zeitung, Flugzeug), abhängig. Die 7 Kapp. werden durch ein reiches Geflecht von Zitaten (W. Shakespeare, T.S. Eliot) und Motiven verbunden, die die Sinnlosigkeit der einzelnen Lebensweisen hervorheben. Der pessimistische Grundton wird durch lyrische Passage verstärkt. Faulkner wendet sich in diesem R. von seiner vergangenheitsgerichteten » Yoknapatawpha«-Welt ab und der großstädtischen Gegenwart zu.
Übs. Wendemarke von G. Goyert (1936). Film The Tarnished Angels von D. Sirk (1958).

 

 

1936 Djuna Barnes: aE Nightwood R.
Der Jude Felix »Baron« Volkbein, mit der Obsession des »alten Europa«, heiratet um 1920 in Paris die ruhelose Robin Vote, die ihn nach der Geburt eines schwächlichen Sohnes verlässt, zeitweilig mit der lesbischen Nora Flood zusammenlebt, mit der neurotischen Jenny Petherbridge nach New York geht und schließlich wahnsinnig wird. Die alle Personen verbindende Figur ist der exzentrische Dr. Matthew O'Connor, der als Seelenarzt fungiert, schließlich aber selbst - wie die anderen - im »Nachtwald« existentieller Problematik verzweifelt.
Die Hdlg. um die 5 Psychopathen tritt hinter den Dialogen und den Exkursen des »Doktors« voller Aperçus, Anspielungen, bizarrer Bilder usw. sowie den zum Preziösen tendierenden Beschreibungen zurück.
Übs. Nachtgewächs von W. Hildesheimer (1959). Selected Works (1962). Breitere Rezeption erst postum; vgl. Kurzprosa - Slg. Smoke and other Stories (1982). Übss. Eine Nacht in den Wäldern (1984) Leidenschaften (1985) von K. Kersten.

 

 

1936 Henry Miller: aE Black Spring 10 Prosatexte.
Autobiogr. Skizzen: Beschreibungen der Pariser Gegenwart wechseln mit Erinnerungen an die New Yorker Jugend (Brooklyn, Schneider-Milieu usw.) sowie Reflexionen über Kunst und Literatur, Pissoirs, Käse usw. Einbeziehung surrealistischer Traumsequenzen (Into the Night Life...). Die Straßenatmosphäre des Pariser Frühlings und die Euphorie der Selbstfindung als Künstler kontrastiert mit der unglücklichen am. Vergangenheit (vgl. Titelmotiv). Thematische Nähe zu ® Tropic of Cancer (1934), doch die Egozentrik ist hier bereits zur Megalomanie und Selbst-Apotheose gesteigert. Der Stil zeigt größere Vielfalt (z.B. auch experimentelle Tendenz).
Publikation in Paris. 1. am. Ausg. 1963. Übs. Schwarzer Frühling von K. Wagenseil (1954).

 

 

1936 Margaret Mitchell: aE Gone With the Wind R., 5 Bücher.
Georgia, 1861-71. Die eigenwillige Scarlett O'Hara rettet in den Wirren des Sezessionskriegs die väterliche Plantage »Tara«, wobei sie manche Mühsal auf sich nehmen muss und die beiden Männer, die sie liebt (Ashley Wilkes, Rhett Buttler), verliert. Kombination von sentimentalem Frauenporträt und romantisch koloriertem Panorama einer entscheidenden Dekade der am. Geschichte. Tradition der »Southern romance«.
Die populärste Darstellung des »alten Südens«: Bestseller (Verkaufsziffer USA bis 1965: 6978211), internationaler Erfolg (ca. 5000000 in weiteren 28 Ländern), der Film von V. Fleming (1937) ein Kassenschlager. Pulitzer-Preis. Übs. Vom Winde verweht von M. Beheim-Schwarzbach (1937).

 

 

1936 William Faulkner: aE Absalom, Absalom! R.
Thomas Sutpen, in seiner Jugend von einem Negersklaven erniedrigt, versucht auf verschiedene Weisen, seinen Plan, reich und Einflussreich zu werden, durchzusetzen. 1827 heiratet er auf Haiti eine reiche Erbin, trennt sich aber von ihr, als er erfährt, dass sie und damit auch sein Sohn Charles Bon Negerblut haben. 1833 lässt er sich im »Yoknapatawpha County«, Miss., nieder, heiratet Ellen Coldfield und zeugt mit ihr Henry und Judith. H. trifft Bon auf der Universität und bringt ihn mit nach Hause. S. gibt sich nicht als Bons Vater zu erkennen und weist ihn aus dem Haus, als Judith sich in Bon verliebt. H. geht mit Bon, den er las Bruder erkennt und liebt, fort. Doch als Bon nach dem Bürgerkrieg Judith heiraten will, wird er von H. erschossen. S., der verarmt aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, zeugt, nach einem abgewiesenen Heiratsantrag an Rosa Coldfield, mit Milly Jones eine Tochter und wird von deren Großvater, einem Squatter, erschlagen. Judith stirbt einsam. 1909 kehrt Rosa Coldfield mit dem Erzähler Quentin Compson zu S.s verfallenem Haus zurück. Sie finden den sterbenden H., der sich dort seit Jahren versteckt hält. - Quentin, der den Stoff bruchstückweise von Rosa und seinem Großvater erfahren hat (1-5), erzählt in 1910 Shreve, einem Studienfreund aus den Nordstaaten (6-9).
Das Thema vom Fall einer großen Familie (bes. ® The Sound and the Fury, 1929; ® Sartoris, 1929), hier der Sutpens, wird von vier Figuren erzählt: Rosa (1, 5), Quentins Großvater (2-4), Quentin (6-7, 9) und Shreve (8). Die Rekonstruktion der Geschichte erfolgt achronologisch, fragmentarisch, aus Fakten und Vermutungen zusammengesetzt. S.s ehrgeiziger Plan und seine Naivität (»design« und »innocence« sind Schlüsselwörter des R.s) führen nach seiner Hinnahme der Rassenschranken des Südens zum Fall. Der Titel (2. Samuel, 19.4) verweist auf die unterlegte biblische Geschichte von Davids (S.s) Kindern. Komplexe Perspektivisierung der Fabel durch Verschachtelung der Berichte, Erzählung und inneren Monolog (z.T. kursiv abgesetzt), Kontrastierung und Ergänzung von einzelnen Perspektiven, progressive Entdeckung der Zusammenhänge der erinnerten Episoden, Kontrast von Erzählzeit und erzählter Zeit usw. Elemente des Schauerr.s, Einfluss von N. Hawthorne (The House of the Seven Gables) und J. Conrad (Erzähltechniken).
Übs. von H. Stresau (1938).

 

 

1936 John Dos Passos: aE The Big Money R. Fortsetzung von ® The 42nd Parallel (1930) und ® Nineteen Nineteen (1932) als letzter Teil der Trilogie USA.
Weitere 5 Schicksale, die z.T. am Vorangegangenen anknüpfen und den Zeitraum von 1919 bis 1930 illustrieren: 1. Charley Anderson geht in die Flugzeugbranche, wird als erfolgreicher Unternehmer ein Spielball des Großkapitals. Nach einer unglücklichen Heirat beginnt er ein Verhältnis mit dem Filmstar Margo Dowling. Er stirbt an den Folgen eines Autounfalls. 2. Mary French ist eine intellektuelle Sozialistin, die nicht nur in ihren Liebschaften, sondern auch in der Durchsetzung ihrer polit. Absichten keinen Erfolg hat. 3. Margo Dowling wird nach einer unglücklichen Ehe mit einem homosexuellen Kubaner Schauspielerin, heiratet einen Produzenten und wird ein populärer Filmstar. 4. Richard Ellsworth Savage wird nach dem Tode Moorehouses dessen Nachfolger. Nach einigen Ausbruchsversuchen aus dem System etabliert er sich durch eine Geldheirat. 5. »Vag«, ein junger Mann, trampt durch das Land, über ihm in den Flugzeugen reisen die Reichen.
Wie in den ersten beiden Teilen werden die Einzelschicksale durch (25) »Newsreels«, »The Camera Eye« und Kurzbiographien (je 9) zum Bild der zwanziger Jahre erweitert. Hinter dem erfolgreichen Star (Margo), Unternehmer (Charley) und Reklame-Agenten (Richard) wird die Welt des alles kontrollierenden am. Großkapitals sichtbar, gegen das die Gruppe der Sozialisten um Mary French schließlich hilflos bleibt. Scharfe sozialkritische Darstellung der »Roaring Twenties«, deren ökonomische Bedingungen offen gelegt werden. Dos Passos dehnt die naturalistische Thematik von der Determination durch das Milieu (Familie, Herkunft) zu einer sozialistischen Analyse der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse aus. Einfluss auf J. Steinbeck, E. Caldwell, N. Mailer u. a.
Übs. Der große Schatten von K. Lambrecht (1939), Hochfinanz von P. Baudisch (1962).

 

 

1937 Zora Neale Hurston: aE Their Eyes Were Watching God R.
Florida. 1.-9. Nach einer gescheiterten Ehe mit einem Farmer läuft die 17jährige Janie Mae mit Joe Starks aus Georgia davon und heiratet ihn. Nach 17 Jahren Eheleben lehnt sich J. gegen die Bevormundung ihres Mannes auf. 10.-20. Nach dessen Tod begleitet sie ihren jüngeren Liebhaber Tea Cake nach Jacksonville und in die Everglades, wo sie in einen Hurrikan und eine katastrophale Überschwemmung geraten. T.C. wird bei den Bergungsarbeiten von einem tollwütigen Hund gebissen und wahnsinnig. J. muss ihn in Notwehr erschießen und wird freigesprochen.
Am Emanzipations- und Reifungsprozess der Protagonistin zeigt Hurston realistisch und auf eigenen Feldforschungen beruhend das dörfliche und ländliche Leben armer Schwarzer in Florida: Kleinfarmer, Ladenbesitzer, Glücksspieler, Vermieter, Saisonarbeiter usw. Zugleich Konfrontation der armseligen Lebensverhältnisse mit ihren Erwartungen (Titel). Rahmenhdlg. Sparsame, unsentimentale Erzählweise. Eines der Hauptwerke der Harlem Renaissance.

 

 

1937 John Steinbeck: aE Of Mice and Men R.
Ranch in Salinas Valley, Cal. Die beiden wandernden Landarbeiter George Milton und Lennie Small malen sich wiederholt den Traum von der eigenen Farm aus. Der gutmütige L. hat Bärenkräfte, eine schwachen Verstand, ein triebhaftes Bedürfnis, weiche Dinge und Lebewesen (Mäuse, Frauen usw.) anzufassen und ist auf G. angewiesen. Curley, der eifersüchtige Sohn des Bosses, zieht in einem Kampf mit L. den Kürzeren. Seine Frau verlockt L., der sie streichelt und ungewollt tötet. G. erschießt L. vor dem Eintreffen C.s und der Verfolger.
Die Tr. der beiden Heimatlosen, die durch Kameradschaft (Schlüsselwort »buddy«) und die Illusion eines zukünftigen Zuhauses einander verbunden sind und mit der Umwelt kollidieren. L. gleicht in seiner Hilflosigkeit, Unartikuliertheit und instinkthaften Animalität seinen Lieblingstierchen. Der Titel, R. Burns' To a Mouse entlehnt, spielt auf diese Solidarität an. Die dramatische Technik des Kurz-R.s (Konzentration auf Szene und Dialog) legte die Bühnenbearbeitung nahe (im gleichen Jahr).
Als R. und als Dr. großer Erfolg. Film von L. Milestone (1939). Übss. Von Mäusen und Menschen von E. Rotter (1940), G. Hofer (1955).

 

 

1937 Ernest Hemingway: aE To Have and Have Not R., 3; entst. aus 2 Kurzgeschichten 1933-36.
I. Havanna, Frühling. Harry Morgan, Bootsvermieter, schlägt das Angebot einiger kubanischer Revolutionärer aus, sie unbemerkt in die Staaten zu fahren, und nimmt stattdessen einen reichen Amerikaner zum Fischen mit. Dieser betrügt ihn jedoch um seinen Lohn. II. Herbst. Bei einem Alkoholschmuggel, der wenig Geld einbringt, verliert H. sein Boot und einen Arm. III. Winter. Aus Geldnot übernimmt H. einen Transport von 4 kubanischen Revolutionären und Bankräubern von Key West nach Kuba, obwohl er weiß, dass jene ihn umbringen wollen. Beim Schusswechsel an Bord wird H. tödlich verletzt.
Der Titel bezieht sich auf die ökonomische Situation von H. wie auf seine moralischen Eigenschaften (Mut, Ausdauer, Integrität). Beide Aspekte H.s werden durch Gruppen von am. Touristen (Johnson, Gordon, Johnston usw.) kontrastiert, die zwar das Geld, nicht aber H.s Qualitäten haben. H. resümiert die Aussichtslosigkeit seines Kampfes in seinen letzten Worten: »A man alone ain't got no bloody f-ing chance.« Wechselnde Erzählerperspektiven, dialogisierende Darstellung, banales Vokabular voller Wiederholungen. Experimente mit inneren Monologen. Symbolische Parallelisierung der Jahreszeiten, ironische Spiegelung von Anfang und Schluss, von H. und seinen Freunden (Eddy, Nigger, Albert).
Übs. Haben und Nichthaben von A. Horschitz-Horst (1951). 3 Filme von H. Hawks (1944), The Breaking Point von M. Curtiz (1950) und The Gun Runners von D. Siegel (1958).

 

 

1938 Thornton Wilder: aD Our Town Dr., 3, Auff. 22.1. McCarter Theatre, Princeton.
I. (»Daily Life«) Typischer Alltagsverlauf in dem Provinznest »Grover's Corners«, N.H., 7.5.1901, mit den Nachbarsfamilien Gibbs und Webb im Mittelpunkt. II. (»Love and Marriage«) 7.7.1904. Hochzeit von George Gibbs und Emily Webb mit Rückblende ihrer beginnenden Liebe. III. (Tod) Sommertag 1913. Beerdigung E.s, die im Kindbett gestorben ist. Die ermöglichte Rückkehr ins Leben und Wiederholung eines Geburtstages (11.2.1899) treibt E. bald ins Totenreich zurück, da ihr inzw. überzeitliches Bewusstsein mit der Blindheit der Lebenden kollidiert.
Zentral die Gegenüberstellung des Lebensgetriebes und der distanzschaffenden Ewigkeitsperspektive des Todes in idyllisch-humoristischer Sicht, der Versuch, für den Alltag einen Wertbezug zu finden. Universalisierung durch Jahreszeitenfolge, Zeitsprünge, Typisierung, Parallelisierung (z.B. Anfänge I, II). Das Geschehen dirigiert und kommentiert durch einen Spielleiter (»stage manager«), der die Verbindung zw. Bühne und Publikum herstellt: Einstimmung, Einführung der Figuren, Einbeziehung von »Fachreferenten« und Zuschauerfragen, Globalvergleiche, Parodie von Bühnenkonventionen. Verdeutlichung der Fiktionalität des Bühnengeschehens. Simultanbühne: 2 Familien, Lebende - Tote. Extreme Reduktion der Requisiten; Pantomime als Imaginationsanregung. Wendung gegen »individuelle Hdlg.« und Illusionsbühne. Einfluss von L. Pirandello.
Pulitzer-Preis. Film von S. Wood (1940). Übss. Unsere kleine Stadt von W. Scheitlin (1944), H. Sahl (1953).

 

 

1938 Jerome Siegel: a Superman Comics. Erschienen in Action Comics Magazine. Zeichner: Joe Schuster.
Superman vom Planeten Krypton führt auf der Erde ein Doppelleben als durchschnittlicher Reporter Clark Kent und als Supermann, der Verbrecher und Feinde der USA bekämpft. Seine übernatürlichen Attribute (Unverletzbarkeit, Stärke, Geschwindigkeit, Röntgenblick, Fähigkeit zu fliegen usw.) machten ihn schnell zum populärsten Helden der Comics. Episodenstruktur, abgeschlossene Abenteuer (seit 1934 erschienen Comics nicht nur in Zeitungen, sondern auch in eigenen Heften).
Der Erfolg der Serie rief eine Reihe von phantastischen Helden hervor: Batman, Wonder Woman (Action Comics) und Stan Lees (Stanley Liebers) Captain America, The Amazing, Spider Man, The Mighty Thor (Marvel Comics) usw., die zusammen eine Art populärer am. Mythologie der Gegenwart bilden. Einzelnes in Übss.

 

 

1938 William Faulkner: aE The Unvanquished R. aus 7 Geschichten. 5 davon früher in der Saturday Evening Post.
Südstaaten, 1863-76. Die Geschichten illustrieren in chronologischer Reihenfolge die Entwicklung des Erzählers Bayard Sartoris (® Sartoris 1929) von seiner jugendlichen Verklärung der Südstaaten bis zum Bruch mit ihren Traditionen aufgrund des erlebten Bürgerkriegs. Faulkners 1. Versuch, einen R. in eine Sequenz von korrespondierenden Geschichten aufzulösen.
Übs. Die Unbesiegten von E. Franzen (1962).

 

 

1938 Ernest Hemingway: aE The Fifth Column and the First Forty-Nine Stories Dr. und 49 Geschichten.
Der Band vereint frühere Kurzgeschichtenslgg. (® In Our Time, 1925; Men without Women, 1927; Winner Take Nothing, 1933) mit einigen längeren Geschichten, bes. The Short Happy Life of Francis Macomber (die Bewährung eines feigen am. Touristen kurz vor dem Tode bei der Großwildjagd in Afrika) und The Snows of Kilimanjaro (Bestandsaufnahme und Erinnerungen eines alternden Schriftstellers angesichts des Todes). Die meisten Geschichten bilden den Ehrenkodex der Hemingwayschen Helden weiter aus (Mut, Ausdauer, Integrität), der zunehmend einem stoischen Durchhalten angesichts des Todes und der Nichtigkeit alles menschlichen Lebens weicht. Die bekanntesten sind: The Killers (Nick Adams wird Zeuge einer Abrechnung unter Gangstern), In Another Country und A Way You'll Never Be (Nick Adams im Krieg), A Clean, Well-Lighted Place (Verzweiflung und Nihilismus in einem Café), The Undefeated (Endkampf des verletzten Stierkämpfers Maera). Andere Geschichten thematisieren die problematisch gewordene Beziehung zw. Männern und Frauen: in Hills like White Elephants geht es um eine Abtreibung, in Canary for One um Scheidung. A Simple Enquiry und The Sea Change handeln von männlicher und weiblicher Homosexualität.
In den Kurzgeschichten treten Hemingways Techniken des Lapidarstils bes. hervor: einfaches Vokabular, Parataxe durch »and«, Zurückdrängen des Erzählers, Wiederholungen, Dialogisierung des Geschehens usw. Nach Hemingways These von »der Spitze des Eisbergs« darf nur ein Bruchteil des (vor allem) seelischen Geschehens an der Oberfläche der Geschichte sichtbar werden. Daher äußerste Sparsamkeit der Mittel. Das Dr. The Fifth Column behandelt die Gewissensprobleme von Philipp Rawlings im belagerten Madrid des Bürgerkriegs. Einfluss auf R. Chandler und eine ganze Generation von Kurzgeschichten-Autoren.
Übs. 49 Stories von A. Horschitz-Horst.

 

 

1938 Ogden Nash: aL I'm a Stranger Here Myself 131 Gedichte. Einzelnes in The New Yorker, Life u. a.
Alltägliche private Ereignisse (Essen, Baden, Ausgehen usw.; vgl. Titelimplikation) dienen der Erzeugung von mild-satirischer Komik. Neben ironischem Lob und Tadel bes. Technik der bewusst-dilettantischen Regelverstöße gegen Reim, Metrum und Sinnzusammenhang. Einbeziehung vieler parodistischer Zitate. Nash verkörpert mit J. Thurber den für The New Yorker typischen populären am. Humor der schrullig-urbanen Art.
Bestseller-Slg. The Pocket Book of Ogden Nash (1955). Teilübs. Ich bin leider hier auch fremd von Ch. Enzensberger u. a. (1969).

 

 

1938 Robinson Jeffers: aL Selected Poetry 125 Gedichte. Entst. 1918-1938.
Die Slg. enthält erzählende und dramatische Langgedichte, kurze Naturgedichte und philosophische Meditationen. Tamar (1924) behandelt tragisch-inzestuöse Familienbeziehungen, The Tower beyond Tragedy (1924) den Orestie-Stoff, Roan Stallion (1925) die leidenschaftliche Liebe einer Frau zu einem Hengst, Thurso's Landing (1932) ein Eifersuchtsdrama auf einer Farm. Schauplatz ist meist die kalifornische Küste bei Monterey. Das gilt auch für Naturgedichte wie Night, Boats in a Fog oder Evening Ebb. Die philosophischen Meditationen bringen Jeffers' naturalistische Auffassung vom gebrochenen Triebschicksal der Menschen und von der ihnen überlegenen, aber gottlosen Natur in direkter Weise zum Ausdruck. Auch Wendung gegen das zeitgenössische, städtische und imperiale Amerika (Shine, Perishing Republic) und implizit die moderne Lyrik (Foreword). Das kontroverse antichristliche Dear Judas (1929) wurde nicht in die Slg. mit aufgenommen. Freier Langvers mit metrischen Experimenten. Natursymbolik. Zwiespältige Rezeption in den USA.
Postume Slg. The Beginning and the End (1963). Übs.: Einzelnes in Unterjochte Erde von E. Hesse (1984).

 

 

1938 John Steinbeck: aE The Long Valley Slg. von 13 Kurzgeschichten. Einzelne Texte zuvor in The North American Review u. a.
Die Mehrzahl der Geschichten entwirft realistische Porträts der Bewohner des Salinas Valley, Cal., und ihres Verständnisses zur Natur. Am bekanntesten ist The Red Pony, eine Sequenz von 3 Geschichten um den Farmerjungen Tody Tifflin, der durch den schmerzlichen Verlust seines Ponys Gabilan, die Begegnung mit dem geheimnisvollen Mexikaner Gitano und die Beobachtung der schweren Geburt eines Fohlens an Reife gewinnt. The Leader of the People zeigt die Weiterentwicklung J.s, der dem von seiner Pionierzeit schwärmenden und bespöttelten Großvater mit hist. Interesse und persönlicher Sympathie begegnet. Andere Geschichten schildern die Obsession einer Frau, die den Überlebenskampf einer Klapperschlange studiert (The Snake), oder die Enthüllungen eines geistig Zurückgebliebenen über das Doppelleben zweier alter Jungfern (Johnny Bear).
Als verbindendes Thema der in Steinbecks bevorzugter Region angesiedelten Geschichten ergibt sich der Verlust des kindlichen Paradieses. Wiederkehrende Gegenüberstellung von Vergangenheit/Gegenwart, Unschuld/Korruption, Natur/Zivilisation, Individuum/Gesellschaft. Aussparendes Erzählen mit Vorliebe für Naturbilder und -symbole.
Teil-Übss. Gabilan von R. Frank (1945) und H.B. Wagenseil (1946). Film The Red Pony von L. Milestone (1948).

 

 

1939 Lillian Hellman: aD The Little Foxes Dr., 3, Auff. 15.2. National Theatre, New York.
I. Kleinstadt im Süden, 1900. Die Brüder Oscar und Ben Hubbard wollen mit Beteiligung eines Chicagoer Industriellen die eigene Baumwollproduktion auch in einer Textilfabrik verarbeiten. Horace Giddens, der Mann ihrer gleichgesinnten Schwester Regina, soll als Bankier die Investition sichern. II. Herzkrank, besinnt sich H. und verweigert der eiskalten R. seine Mitarbeit. O. stiftet seinen Sohn Leo zum Diebstahl von H.s Aktien an. III. Als H. dies entdeckt, verzichtet er auf eine Bestrafung der Nutznießer O. und B., um R. der hasserfüllten Auseinandersetzung mit ihren Brüdern zu überlassen. Bei einem Anfall stirbt er jedoch, weil R. ihm seine Medizin vorenthält. R. kann die Brüder nun zu einer hohen Gewinnbeteiligung erpressen. Ihre Tochter Alexandra aber sagt sich los von ihr und dem ausbeuterischen System, das sie vertritt.
Die Anprangerung der menschlichen Korruption durch die vom Gesellschaftssystem geförderte Raffgier (der Titel spielt auf das Hohelied 2,15 an: Warnung vor den Füchsen, die den gedeihlichen Weinberg verderben) wird regionalhist. im Süden platziert, der sich im Umbruch zw. realitätsflüchtiger Pflanzeraristokratie und der den rigorosen Industriekapitalismus vertretenden Generation der Emporkömmlinge befindet. H. zeigt späte Reue; A. entwickelt eine prinzipielle Gegenposition, deren konsequente Umsetzung aber offen bleibt. Differenzierte Charakterisierung einer zerfallenden Familie: H.s späte Reue, A.s vage Gegenposition; B. und R. als machiavellistische Übeltäter/O. und L. als Erfüllungsgehilfen. Struktur des Dreiakters: Exposition, Verwicklung und Steigerung bis zum Umschlag der Hdlg. Korrespondenzen in der Figurenkonstellation. Einfluss A. Tschechows.
Another Part of the Forest (1946) zeigt die Familie Hubbard 20 Jahre früher. Film von W. Wyler (1941). Oper Regina von M. Blitzstein (1949). Übs. Die kleinen Füchse von W. Firner (1956).

 

 

1939 Katherine Ann Porter: aE Pale Horse, Pale Rider 3 Kurz-Rr.
Old Mortality. Texas, 1885-1912. Von ihrer Kindheit an sehen sich Miranda und Maria mit Geschichten um ihre schöne verstorbene Tante Amy und deren romantische Abenteuer konfrontiert. Die allmähliche Desillusionierung über deren Rolle führt bei Miranda zur Lösung von ihrer Familie. Noon Wine. Der texanische Farmer, Ehemann und Familienvater Thompson gerät aus der Fassung, als der Prämienjäger Hatch seinen harmlosen Farmarbeiter wegen einer lang zurückliegenden Schuld verhaften lassen will. T. erschlägt Hatch und nimmt sich das Leben. Pale Horse, Pale Rider. Miranda arbeitet 1918 als Journalistin in Denver. Ihre Liebe zu Adam Barclay steht unter den tödlichen Schatten des Krieges und einer fiebrigen Erkrankung beider. Adam stirbt daran.
Der Tod (als »fahler Reiter«) durchzieht die drei thematisch verknüpften Kurz-Rr.: Miranda emanzipiert sich von traditionellen Frauenrollen in ihrer Familie und überlebt den Krieg und den Tod ihres ersten Geliebten. T. wird durch den Totschlag aus allen seinen, auch patriarchalischen Werten gerissen. Traditionelle Geschlechterrollen und hist. Brüche sind weitere thematische Aspekte in den 3 Rr. T. kontrastiert mit Miranda. Realistische und mehrdeutige Erzählweise, die detailliert auf die komplexen Bewusstseinszustände ihrer Hauptfiguren eingeht. Symbolische Details (Pferde, Mundharmonika).
Übss. Fahles Pferd, fahler Reiter von M. von Schweinitz (1963) und H. Huisgen (1986).

 

 

1939 John Steinbeck: aE The Grapes of Wrath R.
1.-11. Oklahomas abgewirtschaftete »Staubschüssel«. Die Joads werden mit anderen Kleinpächtern vom Großkapital enteignet und vertrieben und brechen nach Kalifornien auf: Ma als beherztes Oberhaupt der 12köpfigen Familie mit Pa, den Großeltern, den Söhnen Tom, Al und Noah, der schwangeren Tochter Rose of Sharon usw., begleitet von dem sozialkritischen Ex-Prediger Casy. 12.-18. Auf der mühseligen Fahrt in dem klapprigen Laster sterben die Großeltern; Noah verschwindet. 19. bis 30. In Kalifornien finden sie nicht das versprochene Paradies, sondern skrupellos angelockte Massen, die nur in befristeter Erntehilfe für Hungerlöhne Arbeit finden, heimatlos umherziehen und in ihren Camps dem Terror der »Farmer's Association« ausgesetzt sind. Als C. einen Streik organisiert, wird er ermordet, worauf T. den Mörder erschlägt, flieht und den Entschluss fasst, C.s Werk fortzusetzen. Ma fällt es schwer, die Familie zusammenzuhalten; doch im Existenzkampf hofft und hilft man weiter. Schluss: nach einer Totgeburt reicht Rose einem verhungernden Alten die Brust.
In die Folge der Erzähl-Kapp. sind einzelne Kapp. essayistischer oder montagetechnischer Art eingeschoben, die dem Geschehen einen weiteren regionalen, hist. und sozioökonomischen Hintergrund geben: 19 z.B. skizziert die Entwicklung Kaliforniens und demonstriert die aktuelle Problematik anhand kurzer Kollektiv-Szenen mit anonymen Sprechern. Zentral das Verhalten typisierter Figuren und Gruppen auf elementarer Stufe (Verelendung, Überlebenswille, Vitalität, Solidarität) und die dämmernde Einsicht einzelner in ihre Unterdrückung und die Notwendigkeit polit. Aktion. Das biblische Titelmotiv nach J.W. Howes Battle Hymn of the Republic. Material und realistische Darstellung (Milieu, Sprache usw.) aufgrund eigener Erfahrung: Steinbeck begleitete den Treck der »Okies« 1937 als Beobachter. Symbolik (z.B. Schluss). Züge eines biologischen Mystizismus.
Die Kritik an der sozialen Ungerechtigkeit auf dem Hintergrund der Depression löste heftige Kontroversen aus und hatte sozialpolit. Maßnahmen zur Folge. Bestseller. Pulitzer-Preis. Film von J. Ford (1940). Übs. Früchte des Zorns von K. Lambrecht (1940).

 

 

1939 Thomas Wolfe: aE The Web and the Rock R., 7 Bücher. Entst. seit 1930, unvollendet hinterlassen und vom Verlagslektor E.C. Aswell postum editiert.
I.-III. 1900-24. George Webber (»Monk«) wächst in »Libya Hill« (»Catawba«) auf, besucht das College und erlebt New York. IV.-VII. 1925 bis 1928. Nach einer Europareise hat er in New York eine Liebesbeziehung zu der reichen jüdischen Bildhauerin Mrs. Esther Jack. Als sein R. keinen Verleger findet und es zum Zerwürfnis mit E. kommt, bereist er erneut Europa. Nach einer Schlägerei auf dem Münchener Oktoberfest findet er im Krankenhaus zur Selbstbesinnung.
Mit anderer Namengebung variiert und ergänzt der R. die Autobiogr. von ® Look Homeward, Angel (1929) und ® Of Time and River (1935) (I-III) und führt sie fort (IV-VII). Versuch, die persönliche »Entdeckung des Lebens und der Welt« bzw. die Flucht vor dem »Gewebe« der Bindungen und die Suche nach eine »Felsen« hier stärker zu objektivieren durch distanziertere Darstellung (Weitung des Personenkreises, Satire, Symbolik usw.).
Fortgesetzt in ® You Can't Go Home Again (1940). Übss. Strom des Lebens anonym (1941), Geweb und Fels von S. Rademacher (1953).
 

 

1939 Henry Miller: aE Tropic of Capricorn On the Ovarian Trolley R.
Autobiogr. der New Yorker Jahre aus der Pariser Retrospektive: Beschäftigung im Personalbüro der »Cosmodemonic Telegraph Co.« (= Western Union), die ihn mit der Vielzahl am. Typen zusammenbringt, Freundschaft mit Ulric, Beziehung zu »Mara«, Sex.
Zentral in dem Pendant zu ® Tropic of Cancer (1934) die Bekenntnishaftigkeit und Selbstdarstellung. Satire (z.B. Firma) und Hasstiraden auf die denaturierte am. Gesellschaft. Das autobiogr. Material häufig ins Phantastische übersteigert. Struktur: frei-assoziative, rhapsodische Prosa in unregelmäßiger Abschnittgliederung mit einem »Interlude« und einer »Coda«.
Teil einer geplanten monumentalen, zyklischen »autobiographical romance« der Jahre 1923-27, zu der auch die Trilogie The Rosy Crucifixion (Sexus, 1949; Plexus, 1953; Nexus, 1960) gehört. Publikation in Paris. 1. am. Ausg. 1962. Übs. Wendekreis des Steinbocks von K. Wagenseil (1953).
 

 

1939 Nathanael West: aE The Day of the Locust R.
Hollywood, Gegenwart. Um die junge platinblonde Statistin und Prostituierte Faye Greener schart sich eine Gruppe von sie begehrenden Männern: Tod Hackett, Kunststudent aus Yale und jetzt Set-Designer, der psychotische Homer Simpson aus Iowa, der Cowboy Earle Shoop aus Arizona, der Mexikaner Miguel, Veranstalter von Hahnenkämpfen. Der R. schildert eine Serie grotesker Ereignisse (Sterbeszene, Hahnenkampf, Orgie), die schließlich in einem brutalen Massentumult vor einem Premierentheater (Titel) enden.
Thema bildet das apokalyptische Bild des kulturlosen, auf seine Triebbefriedigung reduzierten Hollywood als Zerrspiegel Amerikas. Pessimistische Zeitkritik. Ausgeprägter Perspektivenwechsel (Tod/Homer).
Übs. Tag der Heuschrecke von F. Güttinger (1964). Film von J. Schlesinger (1975).
 

 

1939 William Faulkner: aE The Wild Palms R. aus 2 Geschichten.
The Wild Palms. New Orleans, 1937. Harry Wilbourne beginnt ein Verhältnis mit der verheirateten Charlotte Rittenmeyer. Sie leben von Gelegenheitsarbeiten zunächst in Chicago, dann in einer Blockhütte an einem See. Schließlich gehen sie nach Utah, wo H. Arzt an einem Bergwerk wird. Als C. ein Kind erwartet, versucht H., es auf ihren Wunsch hin abzutreiben. C. stirbt, H. nimmt seine Gefängnisstrafe auf sich. The Old Man. Mississippi, 1927. Bei einer Flutkatastrophe des Mississippi (des »Alten Mannes«) gerät ein Sträfling in die Lage, eine hochschwangere Frau in Sicherheit bringen zu müssen. Nach vielen Gefahren in einem kleinen Boot kommt die Frau auf einer Insel voller Schlangen nieder. Der Sträfling liefert sie und das Boot trotz aller Hindernisse heil wieder ab und ist froh, ins Gefängnis zurückkehren zu dürfen.
Die beiden Geschichten bilden einen komplexen Gegensatz von Freiheit-Gefangenschaft, Gesellschaft-Natur, Abtreibung-Geburt usw. In beiden Geschichten sehen sich die Männer als den Frauen unterlegen. Die jeweils 5 Kapp. sind ursprünglich alternierend montiert, um die vieldeutigen Beziehungen zwischen den Geschichten anzudeuten. Neutraler Erzähler, der in The Old Man, z.T. durch den Sträfling, abgelöst wird. Innerer Monolog, mythisch überhöhende Schilderung des Flusses. Symbolik: Palmen, Schnee, Fluss usw.
Bestseller. Übs. Wilde Palmen und der Strom von H.M. Braem und E. Kaiser (1957).

 

 

1939 Raymond Chandler: aE The Big Sleep R.
Los Angeles. Der Privatdetektiv Philip Marlowe wird von General Sternwood beauftragt, eine Erpressung an seiner Tochter Carmen zu klären. Bei der Untersuchung stößt er auf so viel Korruption und Laster, dass er schließlich hilft, einen Mord zu decken, um den Fall abzuschließen. Harten, zynische Dialoge und pessimistische Sozialkritik. M. als Einzelgänger zw. Verbrechern und Polizei.
Chandler ist mit J. Cain, D. Hammett und M. Spillane einer der Hauptvertreter der »hard boiled school« im am. Detektivr., die das Geschehen in die Unterwelt der am. Großstädte verlegt. Übs. Der tiefe Schlaf von M. Brand (1950). 2 Filme von H. Hawks (1946; Drehbuch von W. Faulkner u. a.) und M. Winner (1978).

 

 

1940

Ernest Hemingway:

aE For Whom the Bell Tolls

R.


Spanien, 1937. Der junge Amerikaner Robert Jordan hat sich freiwillig der republikanischen Seite des Spanischen Bürgerkriegs angeschlossen. Er erhält den Auftrag, eine strategisch wichtige Brücke zu sprengen. In der kleinen Gruppe des Republikaners Pablo lernt J. Maria kennen, ein spanisches Mädchen, das beide Eltern verloren hat und brutal vergewaltigt wurde. Die beiden verlieben sich ineinander und verbringen angesichts des drohenden Todes einige Tage voller Liebesglück. Als den Feinden die Absicht der Partisanen bekannt wird, versucht J., die sinnlose Aktion aufzuhalten, doch er muss befehlsgemäß seinen Auftrag durchführen. Er bleibt verwundet zurück, den sicheren Tod vor Augen, um M. und den anderen die Flucht zu ermöglichen.
Der Spanische Bürgerkrieg dient als Hintergrund für die existentielle Thematik von Liebe, Tod und Solidarität (»no man is an island... therefore never send to know for whom the bell tolls; It tolls for thee«: Donne-Motto). J. verkörpert den Hemingwayschen Heldenkodex: Mut, Integrität und Ausdauer. Knappe einfache Sprache, vorwiegend Dialog. Symbolik (Brücke, Wald, Höhle usw.). Versuch spanische Sprechweisen ins Englische zu transponieren: Fremdwörter, Archaismen, Inversionen.
Ein Bestseller der Zeit. Übs. Wem die Stunde schlägt von P. Baudisch (1941). Film von S. Wood (1943).

 

 

1940 Carson McCullers: aE The Heart is a Lonely Hunter R., 3.
I. Stadt in Georgia, 1938. Der Taubstumme John Singer verliert seinen Freund und Leidensgenossen Spiros Antonapoulos an eine Anstalt und wird selbst zum Mittelpunkt einer Gruppe, die bei ihm Verständnis zu finden glaubt: der gutmütige Cafeteria-Besitzer Biff Brannon, der marxistische Vagabund Jake Blount, die aufgeweckte Mick Kelly, der schwarze Arzt Benedict Copeland. II. Copeland gerät ins Gefängnis, als er gegen die Mißhandlung seines Sohnes protestiert. Mick hat ihre erste sexuelle Erfahrung. Nach Antonapoulos' Tod begeht S. verzweifelt Selbstmord. III. 21.8.1939. Die Gruppe zerfällt: Jake, als Agitator verfolgt, flieht; Copeland ist krank, Mick enttäuscht, Biff allein.
Kombination von realistischem Südstaaten-Milieu und der existentiellen Problematik von Illusion, Kommunikation, Isolation. S. als Katalysator für die Figuren mit ihren unterschiedlichen Projektionen und dem gemeinsamen tragischen Schicksal. Aufbau: Einführung und Gruppierung der Figuren (I), Entwicklung der Hdlg. zur Katastrophe (II), Auswirkung (III). Halb-distanzierte Darstellung in scheinbar einfachem Stil.
Übss. Das Herz ist ein einsamer Jäger von K. Heinrich (1950), S. Rademacher (1952). Film von R.E. Miller (1968).

 

 

1940 Richard Wright: aE Native Son R., 3 Bücher.
I. »Fear«. Gegenwart. Bigger Thomas, ein junger Schwarzer aus dem Getto des Chicagoer »Black Belt«, unwissend, frustriert und aggressiv, voller Mißtrauen und Haß gegenüber der Welt der Weißen, wird aus Selbstbehauptungstrieb zum Verbrecher. Als Chauffeur bei den Daltons, einer humanitären weißen Millionärsfamilie, tötet er unabsichtlich die Tochter Mary. II. »Flight«. Auf der Flucht ermordet er seine Freundin Bessie (Mitwisserin). Er wird gejagt und gefangen. III. »Fate«. Sein kommunistischer Anwalt Max erkennt als einziger B.s Determiniertheit durch eine repressive Gesellschaft und versucht, die in Schuldgefühl, Blindheit, Angst und Haß erstarrten Fronten zw. den Herrschenden und den Unterdrückten aufzubrechen, doch in seine Plädoyer scheitert er gegen den demagogischen Staatsanwalt Buckley und kann nur B., der zum Tode verurteilt wird, eine begrenzte Einsicht vermitteln. Doch B. hat über die Tat zu sich selbst gefunden.
Naturalistische Schilderung mit Milieu-Details. Dramatische Effekte. Perspektive B.s (z.T. in erlebter Rede). Nachzeichnung unterschiedlicher Sprechweisen.
Die Einführung »How >Bigger< Was Born« skizziert die eigene Bewusstwerdung und die Entstehung des R.s. 1. erfolgreicher R. eines Schwarzen. Bühnenfassung von Wright und P. Green (1941). Übs. Sohn dieses Landes von K. Lambrecht (1941). Film (1951).

 

 

1940 William Faulkner: aE The Hamlet R., 4 Bücher. 1. Teil der Snopes-Trilogie, fortgesetzt in ® The Town (1957), ® The Mansion (1959).
I. »Flem«. In Frenchman's Bend, einer Siedlung bei »Jefferson«, Miss., taucht Ende des 19. Jh.s der Fremde Flem Snopes bei den reichen Varners auf und sucht Arbeit. Er übernimmt einen kleinen Laden von Varner. Ein Jahr später haben sich mit seiner Hilfe schon eine ganze Reihe von Snopes-Leuten im Dorf niedergelassen. II. »Eula«. Als Varners Tochter Eula von einem Verehrer geschwängert wird, ist F. gegen eine Summe Geldes bereit, sie zu heiraten. III. »The Long Summer«. Der schwachsinnige Ike Snopes entführt dem Farmer Houston eine Kuh, die er liebt. Wegen einer anderen Kuh gerät Mink Snopes mit Houston in Streit und erschießt ihn. F., seinen eigenen Vorteil im Auge, versucht nicht, Mink vor dem Gefängnis zu retten. IV. »The Peasants«. F. verkauft den Bauern durch einen Mittelsmann eine Herde texanischer Mustangs, die diese jedoch nicht bändigen können. F.s letzten Betrug fällt sogar der Nähmaschinenverkäufer Ratliff, der die Schachzüge der Snopes skeptisch verfolgt hatte, zum Opfer. F. verkauft R. ein Stück Land, auf dem angeblich ein Schatz verborgen ist. Die nunmehr reichen Snopes ziehen weiter in die Stadt »Jefferson«.
Faulkner demonstriert hier an Flem bereits die wichtigsten Aspekte, die den Aufstieg der Snopes begründen: Gefühllosigkeit, parasitäre Ausnutzung menschlicher Leidenschaften (Stolz, Angst, sexuelle Leidenschaft, Geldgier), Skrupellosigkeit in finanziellen Transaktionen. F.s Gaunereien, denen die alteingesessenen Familien unterliegen, werden nur indirekt durch Klatsch, Gerücht, Vermutung in anderen Figuren dargestellt (Kommentatorrolle von R.). Die Hdlg. wird fragmentarisch in einzelnen zeitlich weit auseinanderliegenden Episoden geboten, die durch gemeinsame Motive und Symbole verknüpft werden: Pferde, Sonne, Gold, Kuh. Faulkner experimentiert weiter mit der Auflösung traditioneller Romanformen in einzelne interrelierte Kurzgeschichten (5 Episoden erschienen vor The Hamlet getrennt als Kurzgeschichten). Stilistische Überhöhung einzelner Passagen (Eula, Kuh-Episode, Mord) durch Häufungen, Latinismen, Wiederholungen, die dadurch mit der gesellschaftlichen, konversationellen Welt um F. und R. kontrastieren.
Übs. Das Dorf von H.M. Braem und E. Kaiser (1957). Film The Long Hot Summer von M. Ritt (1958).

 

 

1940 Thomas Wolfe: aE You Can't Go Home Again R. Entst. 1930-38, unvollendet hinterlassen und vom Verlagslektor E.C. Aswell postum ediert. Schlussteil von Wolfes fiktionalisierter Autobiogr. ® Look Homeward, Angel (1929), ® Of Time and the River (1935), ® The Web and the Rock (1939).
George Webber kehrt in seine Heimatstadt »Libya Hill« (»Catawba«) zurück. Die Stadt ist ein Opfer der Grundstückspekulanten geworden (Börsenkrach 1929). G. trennt sich von seiner Geliebten Esther Jack und arbeitet in New York an einem R. über »Libya Hill«. Reise nach England, Besuch der Olympiade (Berlin 1936). Auch Deutschland hat sich unter dem Faschismus verändert: Die Rückkehrversuche von G. (»Libya Hill«, Esther, Verleger, Deutschland) bleiben alle vergeblich.
Übss. Es führt kein Weg zurück von E. Reinhard (1942), S. Rademacher (1950).

 

 

1941 James Agee/Walker Evans: a Let Us Now Praise Famous Men Artikelserie und Fotos, zuerst für das Magazin Fortune, das aber die Veröffentlichung ablehnte.
Dokumentarischer und lyrischer Bericht aufgrund von achtmonatigen Untersuchungen und sechswöchigem Aufenthalt bei 3 verarmten Pächterfamilien in Alabama, im Baumwollgürtel des tiefen Südens. Die 3 Teile des Berichtes (1936) über den Ort (I), Geld, Haus, Kleidung, Ausbildung und Arbeit der Familien (II) und die Schlussfolgerungen daraus (III) werden gerahmt von 3 lyrischen Prosapassagen (On the Porch, entst. 1937), montiert mit Gedichten, Notizen, Pro- und Epilog usw.
Agee kontrastiert verschiedene Schreibweisen (Brief, Fragebogen, Meditation, Inventar usw.), um Dokumentarisches und Dokumentarisierenden (als Spion, Voyeur) in einen problematisierenden Zusammenhang von Augenzeugenbericht und Erinnerung zu bringen. Nicht die Klasse der Leihpächter (die einen Teil der Ernte gegen Haus, Saatgut im voraus verpfänden), sondern »18 oder 20 sich überschneidende Kugeln« von Individuen bilden Gegenstand und Struktur des Buches. Biblischer Ton (Titel aus Apokryphen 4.1), der sich gleichermaßen gegen »objektive« Dokumentaristik wie auch die geläufige literarische Reportage wendet. Fotos von W. Evans. Einfluss von Th. Wolfe.
Geringer Erfolg und von der Kritik verrissen. Breite Rezeption seit 1960.

 

 

1942 Thornton Wilder: aD The Skin of Our Teeth Dr., 3, Auff. 15.10. Shubert Theatre, New Haven.
An der am. Familie Antrobus aus New Jersey wird in durchgängiger Zeitenverschränkung (Eiszeit, Sintflut, Gegenwart) die Menschheitsgeschichte skizziert (Erfindungen, Musen, Präsidentschaftswahl, Bombenkrieg usw.). Zentral der Gedanke, dass der Mensch durch seinen Lebenswillen und kreativen Geist bisher alle Katastrophen knapp überstanden hat. Die Universalität suggeriert durch Allegorisierung: die Familie als biblische Archetypen (z.B. Mr. A. = Adam, Noah; Henry = Kain), moderne Jedermannfiguren, Verkörperungen von Gut und Böse sowie Schauspieler mit häufiger Durchbrechung der Bühnenillusion (z.B. Reflexion über die Rolle, Einstudieren einer späteren Szene). Kombination von Ernst und Komik. Einfluss von J. Joyce (® Finnegans Wake, 1939).
Pulitzer-Preis. Übss. Wir sind noch einmal davongekommen von G. Gebser (1944), H. Sahl (1955). Große Wirkung im Nachkriegsdeutschland.

 

 

1942 William Faulkner: aE Go Down, Moses R. aus 7 Geschichten. Entst. 1935-42; z.T. als Kurzgeschichten getrennt veröffentlicht und rev. für die Veröffentlichung als R.
»Jefferson«, Miss., 1859-1940. Die 7 Kurzgeschichten vereinen sich zum R. über die Familien McCaslin (weiß) und Beauchamp (schwarz), die durch Zeugung mehrfach miteinander verbunden sind. Zwei Themen beherrschen die Geschichten: das Rassenproblem und die Frage der rechtmäßigen Erbschaft von Land und Plantage (Was, The Fire and the Hearth, Pantaloon in Black, The Old People, The Bear, Delta Autumn, Go Down, Moses). The Bear ist eine Initiationsgeschichte: Der junge Ike McCaslin wird vom alten Sam Fathers, Indianer mit Negerblut, bei einer Jagd auf einen mythischen alten Bär in die Erkenntnis der eigenen Gesetze des Landes und Waldes eingeführt. Ike verzichtet daraufhin, die schuldbeladene Erbschaft der McCaslins anzutreten.
Das Schuldgefühl der weißen Familienmitglieder kontrastiert mit der Naturverbundenheit der Neger und Indianer, die die wahren Erben des Landes sind. (Das Negro Spiritual, dem der Titel entnommen ist, verweist auf Israels Befreiung von den Ägyptern.) Die beiden letzten Geschichten zeigen jedoch, wie dieses ursprüngliche Land und seine Menschen durch Industrialisierung und Legislation verständnislos zerstört werden. Nach ® The Wild Palms (1939) und ® The Hamlet (1940) treibt Faulkner hier die Auflösung der traditionellen Romanform in eine Slg. von vielfach verknüpften Kurzgeschichten am weitesten fort. Das Werk bildet den AbSchluss von Faulkners fruchtbarster Periode (1929-42).
Übs. Das verworfene Erbe von H. Stresau (1953).

 

 

1944 Tennessee Williams: aD The Glass Menagerie Dr., 7 Szenen. Auff. 26.12. Civic Theatre, Chicago. Entst. - wie oft - aus einer Kurzgeschichte.
Der Matrose Tom Wigfield evoziert eine Reihe von Erinnerungsbildern seines Zuhauses (Rahmen): 1.-4. St. Louis, 1937/38. Die vom Vater verlassene Familie führt ein frustriertes Kleinbürgerdasein. Die Mutter Amanda flüchtet sich in Jugenderinnerungen, die verkrüppelte, scheue Schwester Laura in die Welt ihrer Glastierchen, T. in den Traum vom Abenteuer. 5.-7. Auf Drängen A.s bringt T. »Herrenbesuch« mit, den Arbeitskollegen Jim O'Connor, der unbekümmert auf L.s Schwärmerei eingeht und sie dabei verletzt. Die Vorwürfe A.s vertreiben T. endgültig, das Bewusstsein der indirekten Schuld an der völligen Vereinsamung L.s verfolgt ihn.
Zentral die Realitätsflucht (Fortgang der Männer, Kompensationsträume der Frauen), ein Ansatz zur Bewältigung des Problems in der Reflexion T.s Struktur; Episodenfolge mit T. als Figur und Erzähler, der Vergangenheit und Gegenwart in Monologen verknüpft. Ein »Erinnerungsspiel« mit atmosphärischen und stilisierenden Bühnenmitteln, die auf ein (nicht realistisches) »plastisches Theater« zielen: koordinierte Beleuchtungseffekte, Lichtbildprojektionen und Begleitmusik, transparente Requisiten (Wand, Menagerie), Bewegungsritual. Symbolik (z.B. Zerbrechen des Einhorns). Eines der wenigen Williams-Stücke ohne Gewalttätigkeit. Autobiogr. Züge enthalten. Einflüsse: R. Wagner, deutscher Expressionismus, E. O'Neill.
Williams 1. großer Bühnenerfolg. Buchausg. 1945, rev. Fassung 1948. Übs. Die Glasmenagerie von B. Viertel (1954). 2 Filme von J. Rapper (1950) und P. Newman (1987).

 

 

1945 Richard Wright: aE Black Boy [= American Hunger, I] Autobiogr. In zwei Teilen veröffentlicht: der 2. Teil postum unter dem Titel American Hunger (1977).
Black Boy. Memphis und der Süden, 1912-26. Richard Wright wächst bei seiner verlassenen Mutter, nach deren Tod bei der Großmutter auf. Armut und Hunger kennzeichnen diese Jahre. Seine ersten Gelegenheitsarbeiten als Jugendlicher lassen ihn die Segregation und Diskriminierung des rassistischen Südens deutlich spüren. Mit 18 macht er seinen Traum wahr: er verlässt den Süden und geht nach Chicago. American Hunger. Chicago, 1927-36. W. schlägt sich als Gelegenheitsarbeiter und Postangestellter durch, findet erste Unterstützung seiner Schriftstellerei im kommunistischen John Reed Club, durch den er auch der KPUSA beitritt. Er widersetzt sich der Auflösung dieser Clubs durch die Partei und gerät innerlich in Gegensatz zu ihr. W.s Hunger nach einem besseren Leben bleibt ungestillt.
Während die abgetrennte Veröffentlichung des 1. Teils eine Art Erfolgsgeschichte suggeriert, zeigt der Zusammenhang die vielschichtigen Formen der Diskriminierung und Instrumentalisierung von Schwarzen in Süd und Nord, Land und Stadt. W.s realistisch-naturalistische Schilderung seiner Bewusstseinsbildung ist ein wichtiges Bindeglied zwischen traditionellen Autobiographien wie Up from Slavery (1901) von Booker T. Washington und modernen städtischen Formen wie ® The Autobiography of Malcolm X (1965).
Übs. Schwarzer Hunger von K. Hansen (1980).

 

 

1946 Eugene O'Neill: aD The Iceman Cometh Dr., 4, Auff. 9.10. Martin Beck Theatre, New York. Entst. 1939.
I.-II. New York, 1912. In Harry Hopes Absteige leben eine Reihe von Versagern und Trinkern, die von der Rückkehr ins bessere Leben träumen: die Offiziere Piet Wetjoen und Cecil Lewis denken an den Burenkrieg und ihre Heimat; der Journalist »Jimmy Tomorrow«, der Polizist Pat McGloin, der Jurist Willie Oban, der schwarze Spielhausbesitzer Joe Mott an die Ausübung ihrer Tätigkeit usw. In diese Situation kommen von draußen der schuldbewusste Don Parritt, der von dem Anarchisten Larry Slade seine Strafe erhofft, und der leutselige Vertreter »Hickey«, der nicht wie sonst den Scherz von seiner Frau und dem Eismann erzählt, sondern alle auffordert, sich - wie er - aus der Selbsttäuschung zu befreien, um »Frieden« zu finden. III.-IV. Der Versuch einer Rückkehr in die Welt scheitert im Ansatz, Parritt verzweifelt und begeht Selbstmord. Hickey gesteht den Mord an seiner Frau, durch den er ihr weitere Enttäuschungen über ihn habe ersparen und ihnen beiden Frieden bringen wollen, und liefert sich der Polizei aus. Während sich seine erklärte Geistesgestörtheit als neue Illusion anbietet, hat Larry als einziger Einsicht in die wirkliche Lage gewonnen.
Zentrales Problem der Tragikom. die Spannung Traum (»pipe dream«) - Realität, Tod - Leben. Hickeys Erweckungsversuche bleiben illusionär, auch für ihn selbst (Umdeutung des selbstentlarvenden Haßausbruchs nach dem Geständnis als »Wahnsinn«: Larry, eine kontrastive Zentralfigur, die das Geschehen kommentierend begleitet, tut zwar den Schritt zur Selbsterkenntnis, zieht aber keine Konsequenzen daraus und läuft Gefahr, in der Illusion der Illusionslosigkeit zu verharren. Konzentration auf »people« statt »plot«: Vielzahl von Individuen unterschiedlicher nationaler, ethnischer, sozialer Herkunft und dadurch bedingter Anschauungen, Sprechweisen usw. Milieutreue aufgrund eigener Erfahrung. Verhaltensdramatik der Erwartung und Überraschung, Angriffs- und Ausweichmanöver, Verschleierung, Entlarvung, Verdrängung. Das Leitmotiv des Eismanns als Todessymbol. Einfluss von M. Gorkijs Na Dne (Nachtasyl).
Übs. Der Eismann kommt von M. Wentzel (1963). Film von J. Frankenheimer (1975).

 

 

1946 Robert Lowell: aL Lord Weary's Castle 35 Gedichte.
Hauptthema von Lowells 2. Slg. bilden religiöse Meditationen über Tod und Vergangenheit (The Quaker Graveyard in Nantucket, At the Indian Killer's Grave, Mr. Edwards and the Spider). Wie im letzten Gedicht J. Edwards' Schriften adaptiert Lowell häufiger literarische Vorlagen (P. Valéry, A. Rimbaud, R. M. Rilke usw.) und unterlegt mythische oder religiöse Parallelen. Komplizierte Syntax, barocke Bildlichkeit und stauender Rhythmus durch Häufung von einsilbigen, klangvollen Wörtern. Titel aus der schottischen Ballade von Lamkin, dem Baumeister: »He built Lord Wearie's Castle,/But payment got he nane«. Einflüsse von A. Tate, R. P. Warren und T. S. Eliot.
Pulitzer-Preis.

 

 

1946 Robert Penn Warren: aE All the King's Men R., Anregung durch die Karriere von Huey Long. Gouverneur von Louisiana.
»Mason City«, in einem fiktiven Südstaat der USA. Zeitraum 1926 bis 1939. Der Erzähler Jack Burden berichtet über Aufstieg und Fall von Willie Stark als dessen Mitarbeiter. S., als Reform-Gouverneur angetreten, wird in Korruptionen verwickelt, am Tod von Richter Irwin schuldig und schließlich vom idealistischen Arzt Adam Stanton, dessen Schwester er zur Geliebten genommen hatte, erschossen.
Der R. ist eine komplexe Studie von Macht und Korruption aus der Sicht des zynischen Reporters B. Der Titel stammt aus einem Kinderreim (»And all the King's Men/Couldn't put Humpty together again«). Polit. Theorie (Stanton, Irwin) steht gegen Praxis (S., B.). Perspektivisches Erzählen mit Rückblenden. Symmetrisch kontrastierende Personenkonstellationen in Vergangenheit und Gegenwart. Benutzung von Slang und Umgangssprache in Dialogen. Einfluss von W. Faulkner.
Pulitzer-Preis. Dramatisierung von R. P. Warren (1948). Übss. Des Königs Troß (1949), Der Gouverneur (1956) von I. Krämer. Film von R. Rossen (1949).

 

 

1947 Eugene O'Neill: aD A Moon for the Misbegotten Dr., 4, Auff. 20.2. Harman Theatre, Columbus, Ohio. Entst. 1941-43.
1923. Der verlebte Trinker James Tyrone Jr. (® Long Day's Journey into Night, 1956) wird von der unansehnlichen Pächterstochter Josie Hogan geliebt. Aus Kompensation und um ihn in einer Mondnacht zu verführen, spielt sie die Dirne. Statt der Liebeserfüllung finden die beiden Schlechtweggekommenen beieinander Verständnis und Mitgefühl (bes. nach seiner Lebensbeichte) und damit für den Moment Frieden, bis sie wieder in das Rollenspiel der Alltagsmisere zurückkehren.
Zentral die Problematik von Schuld, Lebenslüge und Todesbewusstsein. Mischung von Empfindsamkeit (bes. T.) und Farcenhaftigkeit (bes. der alte Hogan), Realismus und Symbolik (z.B. Mond, Felsblock).
Buchausg. 1952. Übs. Ein Mond für die Beladenen von M. Wentzel (1958).

 

 

1947 Tennessee Willliams: aD A Streetcar Named Desire Dr., 11 Szenen. Auff. 3.12. Barrymore Theatre, New York.
1.-6. New Orleans, Frühjahr. Blanche DuBois, eine hypersensible verblassende Schönheit aus alter Pflanzerfamilie, besucht ihre Schwester Stella, die mit dem robust-vitalen Vertreter Stanley Kowalski verheiratet ist. Die Gegensätzlichkeit zw. B. und K. führt zu Spannungen. In K.s Freund »Mitch« findet B. einen scheuen Verehrer, dem sie sich hoffnungsvoll zuwendet und ihr Trauma anvertraut (sie hat ihren homosexuellen Mann in den Selbstmord getrieben). 7.-11. Herbst. K. entlarvt B.s Vergangenheit: die Alkoholikerin und Nymphomanin musste ihre Stelle als Lehrerin aufgeben und den Heimatort verlassen. M. trennt sich enttäuscht von B. Während der Entbindung seiner Frau vergewaltigt K. die provozierende B., die einen totalen Nervenzusammenbruch erleidet und in eine Heilanstalt eingeliefert wird.
Zentral B.s neurotische Situation und tragisches Schicksal: Lebenslüge und Todesangst, Schutz- und Selbstbestätigungsgefühl, Versuch des Neubeginns, Verstrickung in Triebhaftigkeit. B. psychisch, geistig und sozial kontrastiert mit K. und seinem Milieu. Sie zerbricht an ihrer eigenen Schuldhaftigkeit und der brutalen Umwelt. Subtil-komplexe Charakterisierung B.s. Struktur: B.s Versuch der Rückkehr in die Normalität (1-6), Peripetie und Katastrophe (7-11). Symbolik (Namen, Tiere, Farben, Jahreszeiten, B.s. Bäder). Der Titel bezogen auf die Straßenbahn mit der B. kommt, und den Motivkomplex von Trieb und Sehnsucht. Die Atmosphäre des French Quarter suggeriert die Außenrealität (z.B. Jazzklänge, Straßenrufe) und den Verfall einer alten Kultur. Einfluss der Psychoanalyse.
Pulitzer-Preis. Film von E. Kazan (1951). Übs. Endstation Sehnsucht von B. Viertel (1963). Fernsehbearbeitung (1983).

 

 

1948 F. Scott Fitzgerald: aE Tender Is the Night R., 5 Bücher. Entst. seit 1925. Zahlreiche Überarbeitungen. 1. Version 1934, letzte Bearbeitung (größere chronologische Kontinuität und Konzentration auf Protagonisten, Psychologie) postum veröffentlicht.
I. »Case History: 1917-19«. Zürich. Der begabte am. Psychiater Richard (»Dick«) Diver verliebt sich in die reiche Patientin Nicole Warren. II. »Rosemary's Angel: 1919-25«. Französische Riviera. Das Ehepaar Diver verkehrt im Kreise von Exil-Amerikanern, wie auch die naive Filmschauspielerin Rosemary Hoyt, die sich in D. verliebt. III. »Casualties: 1925«. D. erwidert R.s Liebe, verzichtet aber, als die eifersüchtige N. rückfällig wird. IV. »Escape: 1925-29«. D. versucht vergeblich, der Abhängigkeit von N. zu entrinnen, wird trunksüchtig und gewalttätig. V. »The Way Home: 1929-30«. N. verbindet sich mit dem vitalen Tommy Barban und gesundet. D. kehrt nach USA zurück und geht zugrunde.
Zentral die gegenläufige Entwicklung D.s und N.s: D. gerät zunehmend in finanzielle und moralische Abhängigkeit von N., verbraucht sich und verfällt, während N. sich regeneriert (femme fatale-Motiv). D. scheitert an der Ausnutzung seiner Doppelrolle als Arzt und Ehemann durch die Vertreter der korrumpierten am. »upper ten« (N. und ihre Schwester »Baby«). Der Titel zitiert J, Keats' Ode to a Nightingale (Parallelkontrast Emporstreben - Weltverfallenehheit). Autobiogr. Züge.
Übs. Zärtlich ist die Nacht von G. Hambach (1952). Film von H. King (1961). Fernsehserie (London, 1985) mit Drehbuch von D. Potter.

 

 

1948 Norman Mailer: aE The Naked and the Dead R., 4.
Eine Episode des 2. Weltkriegs: die Eroberung der von den Japanern besetzten Pazifikinsel Anopopei durch die Amerikaner, aus der wechselnden Perspektive von 13 Soldaten eines Infanteriezugs und dem machtbesessenen General Cummings mit seinem Kommandostab. Im Mittelpunkt nicht nur der zermürbende Kampf gegen den Feind und die Wildnis, sondern auch Mißtrauen und Unmenschlichkeit in den eigenen Reihen als Reflex der am. Gesellschaft (bes. Minderheitenproblem, sexuelle Frustration, Faschismusgefahr).
Die Figuren als Repräsentanten unterschiedlicher ethnischer, regionaler, sozialer Herkunft und individuelle Charaktere. 10 Einzelporträts in der Zeitraffertechnik der »time machine« geben Lebensläufe in markanten Episoden wieder, 5 »Chöre« (stilisierte Soldatendialoge) die Volksmeinung zu aktuellen Problemen. Struktur: Haupthdlg. in den langen Teilen II, III; als Rahmen die kurzen Teile I (Invasion) und IV (Ausblick auf Rückkehr ins normale Leben: offener Schluss). Nackt der Mensch sowohl in seiner Brutalität als auch in seiner Hilflosigkeit. Parabel des »Konflikts zw. Tier und Seher im Menschen«, der Korruption durch eine »kranke Gesellschaft« und der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Krasser Naturalismus. Nachzeichnung unterschiedlicher am. Sprechweisen. Einfluss von J. Dos Passos.
Schockierende Wirkung auf das Nachkriegsamerika. Bestseller. Übs. Die Nackten und die Toten von W. Kahnert (1950). Film von R. Walsh (1958).

 

 

1948 Allen Tate: aL Poems: 1922-1947 55 Gedichte und 2 Gedichtsequenzen in 7 Teilen.
Entwicklung von klassizistisch-aristokratischer Lyrik südstaatlicher Prägung (Ode to the Confederate Dead) zu späteren Gedichten mit religiösen, bes. katholischen Themen. Klassische Formen: Ode, Sonett, Elegie, Ekloge. Einfluss auf R. Lowell.
Erweiterte Fassung Poems (1960).

 

 

1949 Arthur Miller: aD Death of a Salesman Certain Private Conversations in Two Acts and a Requiem Dr., Auff. 10.2. Morosco Theatre, New York.
I. New York, Gegenwart. Willy Loman, 63, verbraucht und als Handlungsreisender nicht mehr erfolgreich, ertappt sich immer häufiger, wie er ins Träumen verfällt. Seine Söhne Biff und Happy haben die in sie gesetzten Hoffnungen enttäuscht. Seine fürsorgliche Frau Linda bleibt der ruhende Pol in der Familie. II. B.s Versuch, für ein Sportgeschäftsprojekt Kredit zu bekommen, schlägt ebenso fehl wie die Bemühung W.s um eine Ruheposten: sein Chef entlässt ihn. B. wird sich seiner Selbsttäuschung bewusst und beschließt, endgültig fortzugehen. W. begeht mit seinem Wagen Selbstmord, um durch die Versicherungssumme der Familie eine neue Startmöglichkeit zu geben. »Requiem«: Kommentare der Trauernden als Summe: Linda bleibt verständnislos, Happy will den Vater durch trotzige Nachfolge rechtfertigen, B. insistiert auf seiner Einsicht.
Zentral die implizierte Kritik an der Leistungsgesellschaft am Beispiel der erfolgsorientierten Wünsche, Hoffnungen, Enttäuschungen und Verzweiflungsaktionen einer am. Durchschnittsfamilie. W. scheitert an der Brutalität der Geschäftswelt (Chef) und der Unfähigkeit, sich aus der eigenen Traumwelt (Erinnerung an bessere Zeiten, sehnsüchtige Projektionen) zu befreien. Auslösendes Moment für B.s Erkenntnis der Lebenslüge ist neben dem eigenen Mißerfolg der Seitensprung des Vaters (Boston-Szene). Technik der doppelten Bühne mit objektiv-realem und subjektiv-realem Spielraum. Letzteres gilt für W.s Bewusstseinsvorgänge (Reminiszenuen, Halluzinationen). Objektive und subjektive Realität gehen z.T. ineinander über (bis zur Verwirrung der Kommunikation). Einfluss H. Ibsens.
Pulitzer-Preis. Großer Broadway-Erfolg; in der Buchausg. der größte Bestseller des am. Dr.s. 2 Filme von L. Benedek (1952) und V. Schlöndorff (1986). Übss. Der Tod des Handlungsreisenden von K. Janecke (1950) und Tod eines Handlungsreisenden von V. Schlöndorff und F. Hopf (1986).

 

 

1949 Nelson Algren: aE The Man with the Golden Arm R., 2.
I. »Rumors of Evening«. Chicagoer Slum. Frankie Machine (ursprünglich: Majcinek), Falschspieler und seit dem Kriege Morphinist, vom Gewissen und seiner gelähmten Frau Sophie geplagt, träumt von einem neuen Leben mit der Prostituierten Molly Novotny, lässt sich aber zum Totschlag hinreißen und zum Diebstahl verleiten. II. »Act of Contrition«. In die Enge getrieben, taucht F. bei M. unter. Abgewrackt begeht er Selbstmord.
Das Elend polnischer Einwanderer in Chicago - wie schon in Never Come Morning (1942) - im Mittelpunkt, das Randständigenmilieu der Asozialen und Kriminellen. Die katastrophale Entwicklung, durch die Umwelt und persönliches Verschulden bedingt, impliziert zugleich Kritik an der am. Gesellschaft allgemein (Besitz-Ethos). Realistische Darstellung (Milieu, Personen, Sprechweisen). Auktoriale Sympathie für die »underdogs« (Begleitkommentare). Einflüsse: J. T. Farrell, E. Hemingway.
Übs. Der Mann mit dem goldenen Arm von W. v. Grünau (1952). Film von O. Preminger (1955).

 

 

1949 John Hawkes: aE The Cannibal R., 3.
I. 1945. Im halbzerstörten »Spitzen-on-the-Dein« versuchen die Bewohner von Madame Stellas großem Haus, mit der deutschen Niederlage fertig zu werden. Der Erzähler Zizendorf bleibt trotz der bevorstehenden Kapitulation überzeugter Faschist. II. 1914. S., als junges Mädchen, wird Geliebte und dann Frau von Ernie Snow, Sohn eines tyrannischen Brauhausbesitzers. Der Krieg bricht aus. S.s Mutter und Ernie sterben. III. 1945. Z. und 2 Begleiter lauern einem am. Nachrichtenträger auf und bringen ihn um. Der »Duke«, ein weiterer Hausbewohner, schlachtet einen kleinen Jungen (»fox«) und lädt S. zum Essen ein.
Thema: Zerfall und Verkehrung aller moralischen Werte in der Kriegssituation (Lust, Mord, Neo-Faschismus, Kannibalismus). Ich-Erzähler in I und III (nachträgliche Umwandlung des Er-Erzählers). Die Hdlgg. der Hausbewohner werden z.T. paragraphen- oder satzweise parallel geführt (Simultaneität). Kaum Dialoge, viele Tier- und Verfallsbilder leitmotivischen Charakters. Experimentelles Erstlingswerk. Einflüsse von Schauer-R., F. Kafka, Surrealismus.
Übs. Der Kannibale von W. Schmitz (1989).

 

 

1949 Paul Bowles: aE The Sheltering Sky R., 3 Bücher.
Algerien nach dem 2. Weltkrieg. Das sich entfremdete am. Ehepaar Kit und Port Moresby gerät bei einer Reise in die Wüste in extreme Situationen. P. stirbt verlassen an Typhus und K. kommt nur unter größten Schwierigkeiten halbirre in die Zivilisaiton zurück: Hinter dem »schützenden Himmel« entdecken sie beide auf ihre Art das Nichts. Einflüsse von A. Camus und J. P. Sartre.
Übs. Himmel über der Wüste von M. Wolff (1952). In zahlreichen späteren Rr. und Erzählungen bleibt Bowles seinem existentiellen Thema und dem nordafrikanischen Schauplatz treu.

 

 

1949 William Faulkner: aE Knight's Gambit 6 Kurzgeschichten.
Die Kurzgeschichten, verbunden durch das Auftreten des Anwalts Gavin Stevens und seines Neffen, behandeln alle die Aufdeckung von Geheimnissen: In Smoke, Monk, Hand Upon the Waters, An Error in Chemistry geht es jeweils um die Aufklärung eines Mordes, in Tomorrow um die Motive eines Geschworenen, einem Urteil nicht zuzustimmen. Knight's Gambit enthüllt die Motive eines Mannes, der den Verlobten seiner Schwester denunziert.
Faulkner benutzt die Konventionen der Detektivgeschichte, um psychologische Vorgänge der Beteiligten (Täter, Ankläger, Richter) im Erzählverlauf aufzudecken. »Knight's Gambit«, ein Eröffnungszug beim Schach, bezieht sich auf die Pferdesymbolik der letzten Geschichte und verweist auf die graduelle Aufklärung in allen Geschichten.
Übs. Der Springer greift an von E. Schnack (1962).

 

 

1949 Robert Frost: aL Complete Poems 315 Gedichte, 1 Sequenz und 2 »Masques«. Veröffentlicht in Teilslgg. zw. 1913 und 1949.
Frost bleibt seinen in ® A Boy's Will (1913) entwickelten Themen und Techniken treu: einfache ländliche Motive und Hdlgg. dienen der Selbsterkenntnis und in zunehmendem Maße der didaktischen Veranschaulichung (Mendling Wall, Birches, Stopping by Woods on a Snowy Evening, West-Running Brook, Two Tramps in Mud Time usw.). Konservativ-liberale Haltung. Metrisch kunstvolle Strophen- und Versformen.
Übs. Gesammelte Gedichte von A. v. Bernus u. a. (1952). L. Untermeyers Anthology of Robert Frost's Poems (1949) wurde zu einem Bestseller.

 

 

1950

Ernest Hemingway:

aE Across the River and Into the Trees

R.


Venedig. Die letzten 3 Tage im Leben des 51jährigen am. Oberst Richard Cantwell geben Anlaß zu Rückblicken (2. Weltkrieg, Tapferkeit) und zu bewusstem Erleben der verbleibenden Zeit (Liebesverhältnis mit der 19jährigen italienischen Adeligen Renata). Europa-Amerika-Thema. Symbolik (Entenjagd, Wunden, Venedig).
Ein Bestseller der Zeit. Übs. Über den Fluss und in die Wälder von A. Horschitz-Horst (1951).

 

 

1950 Charles Olson: a Projective Verse Essay, zuerst in Poetry New York No. 3 (1950).
Orson entwirft hier eine Theorie über den von E. Pound, W.C. Williams und E.E. Cummings entwickelten freien Vers. Im Gegensatz zu durch feste Metren geregelten Versen basiert der »Projective Verse« auf dem Atemrhythmus des Autors. Silbe bzw. Zeile sind die Einheiten für Intellekt bzw. Gefühl. Die Anordnung von Versen beruht auf 1. die Kinetik der poetischen Energie, 2. dem Inhalt und 3. dem Prozess der Wahrnehmungsfolge eines Gedichtes. Für »Feld-Komposition« statt linearer Komposition. Einfluss auf R. Creeley, R. Duncan, D. Davie u. a.
Übs. Projektiver Vers in Gedichte von K. Reichert (1965).

 

 

1950 Langston Hughes: aE Simple Speaks His Mind Slg. von Prosa-Skizzen, die seit 1943 in dem populären Chicagoer Wochenblatt Defender erschienen.
Harlem, Gegenwart. Bargespräche des Schwarzen Jesse B. Semple (»Simple«), eines naiv-gewitzten Originals, mit dem Erzähler über sein Leben (Herkunft aus dem Süden, Desillusionierungen, alltägliche Beschwernisse und Konflikte) und bes. das Rassenproblem. Seine Meinungen bringt er wechselnd humorvoll, skurril, ironisch, teils in der Folklore-Tradition des »signifying« (parodistisch-satirisches Rollenspiel der rassistischen Stereotypen) vor. Realismus in Milieu, Problemkonkretisierung, Sprache.
Die volkstümliche Orientierungsfigur wurde ein großer Erfolg und veranlaßte Hughes zu weiteren Slgg.: S. Takes a Wife (1953), S. Stakes a Claim (1957), S.'s Uncle Sam (1965). Übs. S. spricht sich aus von G. Klotz (1964).

 

 

1951 J.D. Salinger: aE The Catcher in the Rye R. Frühere Teil-Versionen 1945-46 als Kurzgeschichten in The New Yorker u. a. Entst. seit 1941, vielfach überarbeitet.
Gegenwart. Retrospektivie des 16jährigen Holden Caufield, der sich nach einer Entwicklungskrise körperlich und seelisch angeschlagen im Sanatorium befindet. H. verlässt das Internat und vagabundiert ein paar Tage durch seine Heimatstadt New York. Stationen: Hotel, Bar, Theater, Museum, Central Park; Begegnungen: Prostituierte, Taxifahrer, Ex-Freundin, ehemaliger Lehrer (Episodenstruktur). Die Welt der Erwachsenen erscheint falsch (»phoney«), trostlos und unmenschlich. Er scheitert in den Versuchen, mit anderen zu »sprechen« und beschließt - desillusioniert und vereinsamt - nach Westen zu fliehen. Doch die Anhänglichkeit seiner kleinen Schwester Phoebe hält ihn zurück. Er wird sich seiner Verantwortlichkeit bewusst und beginnt die Welt mit größerer Nachsicht zu sehen (darüber hinaus offener Schluss).
Der Titel (R. Burns' Coming through the Rye entlehnt) bezieht sich auf H.s Selbstverständnis als Hüter der im Roggenfeld unbekümmert spielenden Kinder: an der Schwelle zur gefährlichen Erwachsenenwelt will er sie vor dem Abgrund bewahren. Das zentrale Problem der am. Adoleszenz in der Tradition von M. Twains Huckleberry Finn und die treffende Nachzeichnung des Schüler-Jargons machten den R. zum Buch einer Generation.
Bestseller. Übss. Der Mann im Roggen von I. Muehlon (1954), rev. Der Fänger im Roggen von H. Böll (1962).

 

 

1951 William Carlos Williams: aL Paterson Langgedicht, 4 Bücher aus je 3 Teilen. Erschienen: Buch I (1946), II (1948), III (1949), IV (1951).
Gegenwart und Vergangenheit von Paterson, N.J., werden in Vers und Prosa montiert: I. »The Delineaments of the Giants«. Beschreibung der Stadt als eines riesigen Mannes, des Parks als einer Frau. Symbol des Wasserfalls (Zeit). II. »Sunday in the Park«. Der Sprecher Dr. Paterson beschreibt und reflektiert über die kommunikationsarmen Bürger der Stadt im Park. III. »The Library«. Anhand der Stadtbibliothek Reflexionen über Sprache und Schönheit. Symbolik der Elemente. IV. »The Run to the Sea«. Ironische Idylle und Erinnerungen an Episoden der Vergangenheit. Symbolik des Flusses unterhalb des Wasserfalls (Zeitlosigkeit).
Der Versuch, in den disparaten Elementen der modernen Welt (z.B. »divorce«, »incommunicado«, »dissonance«) durch Mythos und Sprache eine neue Einheit zu finden, endet in der Hinnahme der Heterogenität (Objektivismus, Beschreibung des Gegebenen). Formal entspricht dem die Verwendung der Montagetechnik von Vers und Prosadokumenten, der Versuch, vom Partikulären zum Allgemeinen aufzusteigen (Stadt - Universales). Kunstvoller Gebrauch von Kurzversen (Sprechrhythmus, Pausen) und Syntax. Epische Tendenz. Einfluss von J. Joyce, E. Pound und E.L. Masters.
Williams setzte entgegen seinem ursprünglichen Plan die Sequenz 1958 mit einem Teil V fort. Übs. von A. und J. Hollo (1970).

 

 

1951 James Jones: aE From Here to Eternity R., 5 Bücher.
In breiter zeitkritischer Schilderung das Schicksal einer Gruppe von Soldaten, die zur Zeit des 2. Weltkriegs auf Hawaii in die unmenschliche Maschinerie der Militärjustiz verwickelt werden. Der Italiener Angelo Maggio aus Brooklyn und der ehemalige Boxer Robert Prewitt bezahlen ihre Auflehnung mit dem Leben. Das Titelmotiv »Damned from here to Eternity« (aus R. Kiplings Gentlemen Rankers) verweist auf den pessimistischen Ton des R.s. Autobiogr. Elemente.
Bestseller. Übs. Verdammt in alle Ewigkeit von O. Schrag (1951). Film von F. Zinnemann (1953).
 

 

1951 Marianne Moore: aL Collected Poems 72 Gedichte. Entst. und veröffentlicht seit ® Poems (1921), z.T. rev. Texte.
Reflexionen über Kunst und Literaten (Poetry), detaillierte Beschreibungen von Tieren, z.T. fabelartigen Charakters (The Fish). Strophischer Aufbau (nach Silbenzahl) und prosanahe Sprache voller Enjambements und fast ohne Reime. Ironische, später auch didaktische Sprechhaltungs. Einfluss des Imagismus.
Pulitzer-Preis. Teilübs. Gedichte von E. Hesse und W. Riemerschmid (1954). Vollständige Slg. 1967.

 

 

1951 Carson McCullers: aE The Ballad of the Sad Café Kurzr. (des Titels) und 6 Kurzgeschichten.
Der Kurzr. schildert die tragikomische Entwicklung des Dreiecksverhältnisses zw. Amelia Evans, der geschäftstüchtigen Besitzerin eines Ladens in einem Südstaatennest, Lymon Willis, einem buckligen Zwerg, der geltungsbedürftig aus A.s Laden eine florierende Gaststätte macht, und Marvin Macy, A.s gedemütigtem Mann, der nach der Rückkehr aus dem Zuchthaus mit dem verbündeten L. die Gaststätte zerstört und davonzieht. Ökonomische Erzählweise mit balladesken Zügen und ironischen Brechungen.
Übss. Die Mär von der glücklosen Schenke von W.v. Einsiedel (1954), Die Ballade vom traurigen Café von E. Schnack (1961). Bühnenbearbeitung von E. Albee (1963).

 

 

1952 Ernest Hemingway: aE The Old Man and the Sea Erzählung. Ausarbeitung des Prosatextes On the Blue Water (1936).
Santiago, der alte Mann, kämpft alleine im Golfstrom vor Havanna tagelang mit dem größten Fisch, den er je an der Angel hatte. Er gewinnt den Kampf, doch auf dem Rückweg fressen die Haie die Beute.
Fischfang als Parabel für Bewährung des Mannes im Kampf: »A man can be destroyed but not defeated«. Rahmenthema Alter - Jugend im Verhältnis zw. Santiago und Manolin, dem Jungen, und in S.s Traum von den Löwen in Afrika. Lapidarstil mit vielen Wiederholungen.
Pulitzer-Preis. Ein Bestseller der Zeit. Übs. Der alte Mann und das Meer von A. Horschitz-Horst (1952). Film von J. Sturges (1958).

 

 

1952 Ralph Ellison: aE Invisible Man R.
30er Jahre. Der schwarze anonyme Ich-Erzähler, während Harlemer Unruhen in ein Kellerloch gefallen, hält Rückschau über seine Entwicklung (Rahmen): Naivität, Ambition und Anpassung währen der Schul- und College-Zeit im Süden; Verschickung nach New York, erste Desillusionierung und Apathie, erste emotionale Solidarisierungsaktion anlässlich der Vertreibung einer schwarzen Familie, Aufstieg zum Harlemer Sprecher der »Brotherhood«, einer kommunistischen Partei, die den aufgestauten Unmut der Schwarzen polit. zu kanalisieren sucht, dann aber sich überregionalen Problemen zuwendet und damit das Feld dem fanatischen Afro-Nationalisten Ras überlässt, den idealistischen Clifton in den Tod treibt und den Erzähler endgültig über seine Manipuliertheit aufklärt.
Das Rassenproblem im weiteren Zusammenhang des Verhältnisses Individuum - Gesellschaft. Zentral die Suche des Erzählers nach seiner Identität, die Erkenntnis der eigenen »Unsichtbarkeit« (er wird von anderen nicht als der gesehen, der er ist, sondern in Rollen gezwängt und auf Trab gehalten: »Keep this Nigger-Boy Running« als Leitmotiv), sein Ziel relativer Autonomie im Bereich der »unendlichen Möglichkeiten« zw. chaotischer Fluidität (verkörpert durch Rinehart) und totaler Fixiertheit, sein EntSchluss, nach dieser Selbstbesinnung aus der Isolation in die Welt zurückzukehren und eine eigenständige »sozial verantwortliche Rolle« zu spielen (darüber hinaus offener Schluss. Versuch, die 3 Entwicklungsstadien »purpose« - »passion« - »perception« im entsprechenden Stilwechsel »naturalistisch« - »expressionistisch« . »surrealistisch« darzustellen. Symbolik (bes. Komplementärmotive Blindheit - Unsichtbarkeit, Schwarz - Weiß). Einflüsse: F. Dostojewski, H. Melville, M. Twain, F. Kafka, W. Faulkner, R. Wright, schwarze Folklore.
Übs. Unsichtbar von G. Goyert (1954).

 

 

1953 James Baldwin: aE Go Tell It on the Mountains R., 3.
I. Harlemer Wochenende, 1935. Der 14jährige John ist für den Kirchendienst ausersehen, erwartet aber mehr vom Leben. Sein Stiefvater Gabriel Grimes führt als Erweckungsprediger auch zu Hause ein strenges Regiment. Als der eigene Sohn Roy in eine Straßenschlägerei verwickelt wird, kommt es zum Familienstreit, bei dem seine schicksalsergebene Frau Elisabeth und die beherzte Schwester Florence zu beschwichtigen versuchen. II. Während des Gottesdienstes bringen F., G. und E. in ihren Gebeten persönliche Seelennöte zum Ausdruck, die mit den Erinnerungen an den Süden und den in New York enttäuschten Hoffnungen verknüpft sind. III. J. erlebt einen Moment der Entrückung. Gestärkt kehrt die Familie durch die tristen Straßen heim.
In die Gegenwartshdlg. sind ausführliche Rückblenden über den Werdegang der einzelnen Personen eingefügt, der in einer rassistischen Gesellschaft von beruflichen, familiären Frustrationen gekennzeichnet ist. Kirche als ambivalente Institution, die den Schwarzen das geistige Überleben ermöglicht, die sozial bedingten Probleme zugleich aber nur auf eine andere Ebene verlagert. Gegenüberstellung des zukunftsorientierten J. und der mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigten G., E. und F. Vater-Sohn Konflikt und weltlich-geistlicher Widerstreit unter den besonderen Bedingungen des schwarzen Gettos. Frühwerk mit Verarbeitung autobiogr. Erfahrungen. Multiperspektive mit J. als sensibler Zentralfigur. Stilistisch geprägt von den charakteristischen Redeformen schwarz-am. Religiosität.
Übs. Gehe hin und verkündige es auf dem Berge von J. Manthey (1966).

 

 

1953 Arthur Miller: aD The Crucible Dr., 4, Auff. 22.1. Martin Beck Theatre, New York. Hauptquelle: Gerichtsakten über einen Hexenprozess in Salem, Mass., 1692. Entst. seit 1948.
I. (»Ouvertüre«). Frühjahr 1692. Abigail Williams hat mit anderen jungen Mädchen unbekümmert im Wald getanzt. Diese Entdeckung schockiert die puritanische Salemer Gemeinde, und man beginnt in allgemeiner Hysterie, sich gegenseitig zu verdächtigen und der Hexerei zu bezichtigen. II. 8 Tage später. A., die John Proctor liebt, spielt die Besessene und macht P.s Frau als Hexe verantwortlich. III. Mehr und mehr Unschuldige werden auf die Bezichtigungen der Mädchen hin vor Gericht gestellt und abgeurteilt. Auch P. wird ein Teufelspakt angelastet. IV. Herbst. P. wartet im Gefängnis auf seine Hinrichtung. Das Angebot, durch ein »Geständnis« an Leben zu bleiben, lehnt er aus persönlicher Integrität und Solidarität mit den anderen Opfern ab.
Zentral das Problem der Massenhysterie, ihre Entstehung aus Ignoranz, Intoleranz, Frustration, Angst, Schuldgefühl, Fanatismus, ihre Verbindung mit Opportunismus und Gehässigkeit, als radikale Gefahr für jegliche Gemeinschaft (vgl. Titel »Feuerprobe«). Individual- und sozialpsychologische Demonstration an exemplarischen Schicksalen. Der hist. Hexenwahn mit aktuellem Zeitbezug: J. McCarthys Kommunistenjagd in den 50er Jahren. in I eingeschobene Erzählerkommentare zum hist. Hintergrund bzw. den Abweichungen von der Quelle.
Übs. Hexenjagd von M. Wentzel (1954). Film Les Sorcières de Salem von R. Rouleau (1957) mit Drehbuch von J. P. Sartre. Oper von R. Ward (1961).

 

 

1953 Conrad Aiken: aL Collected Poems 36 Gedichte und 14 Gedichtsequenzen. Entst. und veröffentlicht 1916-53.
Die Slg. zeigt Aikens Entwicklung von symbolistischer Frühlyrik mit musikalischen Kompositionsweisen und visionär-erotischer Thematik (z.B. The Divine Pilgrim, 1918-23) zu einer Dichtung mit existentiellen Themen in freieren narrativen Formen (The Soldier, 1944). Versuch, den inneren Monolog auf die Lyrik zu übertragen. Konventionell in Vers und Diktion. Einflüsse von J. Joyce, T. S. Eliot und der Psychoanalyse.

 

 

1953 Saul Bellow: aE The Adventures of Augie March R., Teilvorabdrucke in The New Yorker, Partisan Review u. a.
Retrospektive Augie Marchs: Chicagoer Kindheit und Jugend im jüdischen Armenmilieu (20er Jahre), frühe Mannesjahre in unterschiedlichsten Jobs, Liebesbeziehung zur exzentrischen Thea (Mexiko-Episode), nach Teilnahme am 2. Weltkrieg Aufenthalt mit seiner Frau Stella in Europa. A., ein moderner »Schelm«, gutmütig, naiv, manipulierbar (durch Familie, Freunde, Frauen), in allen Bereichen der Gesellschaft umhergetrieben (von der Oberschicht bis zur Unterwelt), zugleich mit dem Bedürfnis nach Eigenständigkeit und elementarer Humanität (»Lebensachsen«), in Gegensatz zu vielen anderen wie z.B. dem ehrgeizigen, opportunistischen Bruder Simon. Trotz der Ansätze zu Selbsterkenntnis und -bescheidung sowie dem Plan, eine Waisenschule zu gründen, lässt er sich weitertreiben (offener Schluss).
Die Ich-Erzählung thematisch und strukturell im »free style«: lockere Episodenfolge; unübersichtliche Vielfalt der Figuren (über 80), Szenen, Situationen, Konstellationen; Detailliertheit, Reihungen, Digressionen, Assoziationen. Einflüsse: pikarischer R., W. Whitman, M. Twain, Th. Dreiser.
Übs. Die Abenteuer des A.M. von A. Koval (1956).

 

 

1954 William Faulkner: aE A Fable R., entst. seit 1944.
Frankreich, Westfront. Zeitraum: 1 Woche im Mai 1918. Als ein französisches Regiment sich weigert, einen Angriff durchzuführen, herrscht innerhalb von wenigen Stunden totale Waffenruhe. Die Generale beider Seiten treffen sich, um zu beraten, wie sie der Meuterei Herr werden können. Die alliierte Seite richtet sowohl einen Kommandeur, der die Exekution der Meuterer forderte, wie einen Korporal, der mit seinen 12 Mann den Kern der Meuterei bildete, hin. Beide Seiten zusammen vernichten eine Gruppe waffenloser Soldaten unter ihnen die Wache Harry Mistairy. die sich zw. den Fronten mit den Feinden verbrüderte.
Eine Parabel über die Dualität des Menschen (Macht - Geist, Egoismus - Altruismus, Aggression - Friede), allegorisiert im Kampf von Generalen und Soldaten. Unterlegt biblische Parallelen (12 Jünger, Abendmahl, Versuchung in der Wüste, leeres Grab usw.). Spiegelung des Themas in der eingelegten Fabel von der Verfolgung Harrys und eines wunderbaren Pferdes durch die am. Bundespolizei. Achronologisch, nach thematischen Bezügen montierte Erzählteile. Rhetorischer Stil voller Abstrakte.
Pulitzer-Preis. Übs. Eine Legende von K.H. Hansen (1955).

 

 

1954 E. E. Cummings: aL Poems: 1923-1954 Gedichte.
Eine Auswahl aus den Slgg. ® Tulips and Chimneys (1923) bis XAIPE (1950). Neben die in den frühen Slgg. vorherrschenden romantischen Liebesgedichte treten Satiren (next to of course god america i; as freedom is a breakfastfood; pity this busy monster, manunkind), Meditationen (no man, if men are gods) und lyrische Beschreibungen (Spring is like a perhaps hand; anyone lived in a pretty how town). Außer der schon früh durch Typographie bewirkten spielerischen Zerlegung von Versen, Wörtern und Silben in kleinste Sprech- und Leseeinheiten experimentiert Cummings mit einer zunehmend freieren Syntax und Wortbildung: offenen Parenthesen, ungewöhnlichen Konversionen, Neologismen, Komposita usw. Ironische Sprechhaltung. Einfluss auf die »konkrete Lyrik«.
1. vollständige Slg. von Cummings' Gedichten 1968. Teilübs. Gedichte von E. Hesse (1958).

 

 

1954 Wallace Stevens: aL Collected Poems 332 Gedichte und 7 Gedichtsequenzen. Entst.. 1915-54.
Die Slg. enthält neben ® Harmonium (1923) u. a. die früheren Teilslgg. Ideas of Order (1935), The Man with the Blue Guitar (1937), Parts of a World (1942), Transport to Summer (1947). Stevens' Reflexion über das Verhältnis von Imagination und Realität und über die Funktion von Dichtung wird in der Entwicklung immer deutlicher zur idealistischen Philosophie (vgl. The Ideas of Order at Key West, The Man with the Blue Guitar, Notes toward a Supreme Fiction). Der zunehmenden Wichtigkeit des Begriffs »order« entsprechen die thematische Ordnung und die Vorliebe für längere meditative Gedichte in den späteren Slgg. (Esthétique du Mal, An Ordinary Evening in New Haven). Beibehaltung der symbolischen Technik, Zurücktreten der spielerisch-experimentellen Elemente. Vorwiegend feste Strophenformen (häufig aus 3 Versen).
Pulitzer-Preis. Teilübs. Der Planet auf dem Tisch von K.H. Hansen (1961).

 

 

1955 Tennessee Williams: aD Cat on a Hot Tin Roof Dr., 3, Auff. 24.3. Morosco Theatre, New York.
An dem Kampf der vitalen aufstrebenden Maggie (der »Katze«) um ihren Mann Brick Pollitt, einen neurotischen Alkoholiker, latenten Homosexuellen und beruflichen Versager, während der Geburtstagsfeier des dynamischen Selfmademan, aber todkranken »Big Daddy« Pollitt, demonstriert Williams die Lebenslüge und den Verfall (Generationsproblem) einer reichen Pflanzerfamilie des Südens. Typische Motive: Gegensatz zw. den aufs Leben gerichteten Sehnsüchten und den zum Tode führenden Prozessen, zwischenmenschlichen Entfremdung, Verlogenheit der Umwelt (Schlüsselwort »mendacity«), Aufarbeitung der persönlichen Vergangenheit. Realistische Dialoge.
Pulitzer-Preis. Die Buchausg. enthält die ursprüngliche und die für den Broadway überarbeitete (positivere) Version von III. Großer populärer Erfolg. Übs. Die Katze auf dem heißen Blechdach von H. Sahl und B. Viertel (1956). Film von R. Brooks (1958).

 

 

1955 Flannery O'Connor: aE A Good Man Is Hard to Find 10 Kurzgeschichten.
Geschichten über sonderbare Südstaatlertypen: Heilprediger, Sezessionskriegsveteranen, einen Bibelverkäufer, der das Holzbein eines Mädchens stiehlt usw. Verbindendes Motiv: der Weg des Christen vorbei am Drachen (vgl. St. Cyril-Motto) als moralische Bewährung (vgl. den Titel: ein Blues-Zitat). Wie in ihren Rr. Wise Blood (1952) und The Violent Bear It Away (1960) Konzentration auf das von einem naiv-bizarren, rigorosen Protestantismus bestimmte Verhalten der Menschen und Tendenz zur makabren Humoreske. Symbolik.
Teilübs. Ein Kreis im Feuer von E. Schnack (1961).

 

 

1955 William Gaddis: aE The Recognitions R., 3.
Wyatt Gwyon wächst in Neu-England auf, entscheidet sich gegen das Priestertum, wird Künstler und entwickelt sich als solcher im New York der Nachkriegszeit zum passionierten Imitator der alten niederländischen Meister, wobei er sich von den korrumpierenden Einflüssen des Kunsthändlers Recktall Brown und des Kunstkritikers Basil Valentine freihalten kann. Ein lockerer Kreis von Künstlern und Intellektuellen steht ihm nahe: das drogensüchtige, der Schizophrenie verfallene Modell Esme, der eine Kathedrale zum Einsturz bringende Komponist Stanley, der im Rollenspiel sich selbst bespiegelnde Dramatiker Otto usw. Davon abgehoben ist der in der Ersatzwelt der Medien aufgehende Pivner als Prototyp des Massenmenschen. Wyatt taucht schließlich als Gemälde austilgender »Restaurator« Stephan Asche in Spanien auf.
Der Themenkomplex Original - Fälschung, Realität - Täuschung in mehreren Bereichen durchgespielt (Religion, Kunst, Wissenschaft, Sex, Gesellschaft usw.). Vielzahl weiterer Schauplätze, Figuren, Motive. Das »Erkennen« (Titel = Anspielung auf den pseudo-klementinischen Wiedererkennungsr.) von Realität als entscheidend origineller Akt, auch beim Kopieren. Entsprechender Stil: Zitate, Anspielungen, Parodien, Sprachspiele usw. Ironische Tendenz. Phantastische Details. Grotesk-komische Episoden. Satirisierte Dialoge (Aneinandervorbeireden, Sprachklischees).

 

 

1955 Randall Jarrell: aL Selected Poems 94 Gedichte. Entst. 1940-1951.
Die Slg. umfasst Jarrells fruchtbarste Schaffensperiode. Im Mittelpunkt stehen der Verlust der kindlichen Unschuld und das Erlebnis des 2. Weltkrieges. Teil I beschäftigt sich mit dem zivilen Alltag, oft in meditativer Form. Ein Kinderspiel (A Game at Salzburg), ein Versandhauskatalog (Sears Roebuck) oder eine flüchtige Begegnung (A Girl in a Library) geben den Anlass zu existentiellen Fragen. Teil II bildet das kriegerische Gegenstück: Tod in der Luft (The Death of the Ball Turret Gunner), Kriegsgefangenschaft (Stalag Luft) und die Konzentrationslager (A Camp in the Prussian Forest, Protocols) verdeutlichen die unfassbare Entmenschlichung durch den Krieg. Persönliche Meditationen wechseln mit Rollengedichten. Variabler Freivers, teilweise gereimt oder mit Halbreimen bei prosanaher realistischer Sprachführung.

 

 

1955 Vladimir Nabokov: aE Lolita The Confession of a White Widowed Male R., 2. Novellistische Frühfassung von 1940: The Enchanter (1987).
I. Humbert Humbert, 37jähriger Hauslehrer, hat eine Leidenschaft für halbwüchsige Mädchen (Nymphchen), was er ironisch durch eine unterbrochene Liebesbeziehung in seiner Jugend motiviert. Er verliebt sich in die 12jährige Dolores (Lolita), die zugleich kindliche und frühreif-durchtriebene Tochter seiner Vermieterin Charlotte Haze. Um in L.s Nähe zu bleiben, heiratet er ihre Mutter, die, als sie die Wahrheit entdeckt, kopflos vor ein Auto läuft und stirbt. H. holt L. vom Ferienlager ab. In der ersten gemeinsamen Nacht verführt sie ihn. II. Nach einer langen Fahrt durch die Staaten, von Motel zu Motel, wird ihm L. von dem Filmregisseur Quilty entführt. H. findet L. erst nach 3 Jahren wieder als Mrs. R. Schiller, schwanger und verarmt. Er macht Quilty ausfindig und bringt ihn auf sadistische Weise um.
Parodistische Konfession des Erzählers H., an seine Richter (er schreibt im Gefängnis) und Leser gewandt. Fiktiver psychoanalytischer Herausgeber. Die Geschichte einer großen Passion dient als Rahmen für Satiren auf den »American Way of Life« (Motels, Teenager-Kult, Psychoanalyse, Puritanismus). Die Schuldgefühle des Erzählers werden in seinem Doppelgänger Quilty (= Guilty) gespiegelt. Ironische Erzählhaltung. Viele Anspielungen, Zitate, Parodien, Wort- und Namenspiele, Leitmotive (Schmetterlinge, Schachspiele) usw. Einflüsse von E.A. Poe, L. Carroll und J. Joyce.
1955 in Paris erschienen, weil von am. Verlegern abgelehnt; 1958 in den USA mit Nachwort von Nabokov. Bestseller. Übs. von H. Hessel u. a. (1959). Film von S. Kubrick (1962). Dramatisierung von E. Albee (1981).

 

 

1956 Eugene O'Neill: aD Long Day's Journey into Night Dr., 4, Erst-Auff. 7.11. Helen Hayes Theatre, New York. Entst. 1939-41. Postume Veröffentlichung: wegen des autobiogr. Stoffs von O'Neill ursprünglich erst für 25 Jahre nach seinem Tod freigegeben.
Minimale Hdlg. während eines Tages im Sommerhaus der Tyrones, 1912: als die nervöse Mutter Mary wieder zum Morphium greift und der Sohn Edmund, ein sensibler Dichter, sich als schwindsüchtig erweist, geraten auch der robustere Vater, Schauspieler und Grundstücksspekulant, und der ältere Sohn Jamie, Versager und Zyniker (® A Moon for the Misbegotten, 1947), aus dem Gleichgewicht, und alle vier quälen sich selbst und gegenseitig mit Enthüllungen, Bezichtigungen und bes. im Aufrollen der Vergangenheit (der durch die schwere Kindheit bedingte Geiz T.s, M.s Frustration in der Ehe nach der heilen Welt der Klosterschule), suchen Zuflucht im Traum, Alkohol, Rollenspiel und bekunden immer wieder wechselseitig Verständnis, Mitgefühl und Liebe.
Zentral nicht das Selbstporträt des Autors (= E.), sondern das Leid der ganzen Familie, das Selbstverständnis und die psychischen Interaktionen der vier. Die Konflikte bedingt durch Milieu (ir. Herkunft der Eltern, unstetes Schauspielerleben) und Charakter (jeweilige Schwächen). Technik des analytischen Dr.s. Verhaltensdramatik: Täuschung - Bekenntnis, Annäherung - Entfremdung, Kollision - Ausweichen. Struktur: die Alltagsidylle des Anfangs wird graduell zerstört, der Schluss ist offen nur im Ausmaß der katastrophalen Entwicklung. Symbolik (z.B. Nebel als Realitätsverschleierung). Leitmotive (z.B. Nebelhorn, M.s Frisur). Kontrastive Komik (z.B. Cathleen), Häufung von Zitaten (bes. W. Shakespeare von T., Symbolisten von E.) in charakterisierender und universalisierender Funktion. Einheit von Ort und Zeit.
Pulitzer-Preis. Übs. Eines langen Tages Reise in die Nacht von U. und O. F. Schuh (1958). Film von S. Lumet (1962).

 

 

1956 Allen Ginsberg: aL Howl and Other Poems 11 Gedichte.
Vehementer Protest gegen die alptraumhafte am. Gesellschaft im Wechsel mit einem an Natur und Kosmos orientierten Enthusiasmus. Zentral das lange Gedicht Howl: I. Portrait der »hipsters« (unstetes Leben für Sex, Rausch, Jazz, Wissen, Kunst) als Märtyrer einer »wahnsinnigen« Zeit; II. Wendung gegen den Moloch des Rationalismus und der Technokratie; III. Anrufung des gleichgesinnten Freundes Carl Solomon, der in eine Heilanstalt eingeliefert wurde. Footnote to Howl: Beschwörung einer heiligen Welt (als Pendant zu II).
Prinzip der Spontaneität: locker assoziatives Aneinanderreihen. Einbeziehung realistischer Details und visionärer Passagen. Rhapsodischer Stil (Prosa-Langzeilen, Wiederholungen, Serien von Variationen und Parallelismen). Verwendung von Slang. Einflüsse: Bibel, W. Blake, W. Whitman, W. C. Williams, J. Kerouac, Zen-Buddhismus.
Publikation hatte Gerichtsverfahren wegen Obszönität zur Folge. Seit Freigabe (1957) einer der auflagenstärksten Lyrikbände. Übs. Das Geheul von W. Fleischmann und R. Wittkopf (1959).

 

 

1957 Eugene O'Neill: aD A Touch of the Poet Dr., 4, postume Veröffentlichung. Entst. 1935-42 als Teil eines geplanten Zyklus A Tale of Possessors Self-Dispossessed (Chronik der Harfords, einer ir. Familie in den USA).
I.-II. Cornelius Melodys Gasthaus bei Boston, 27.7.1828. M., Major a. D. aus ir. Landadel, feiert den Jahrestag der Schlacht von Talavera, schwelgt wie gewöhnlich in Erinnerungen und spielt den Gentleman, während seine Frau Nora sich abplagt. Die Tochter Sara will durch die Verbindung mit dem romantischen Simon Harford in eine alte, wohlhabende Familie einheiraten. III.-IV. Während Sara sich Simon hingibt, gerät M. mit den Harfords aneinander, wobei er den kürzeren zieht, eine Demütigung, die ihm seine bisherige Selbsttäuschung bewusst macht. Er verfällt jedoch in die neue (wenn auch angemessenere) Rolle des polternden Mannes aus dem Volke.
Zentral das Problem der Lebenslüge, die Spannungen Illusion - Realität, Dichtung - Wahrheit. »Poetisch angehaucht« sowohl M. in seinem Verbalismus (mit Byron-Zitaten) als auch Simon in seiner (Thoreau vorwegnehmenden) Träumerei. M. als tragikomische Hauptfigur mit Rollenwechsel. Simon als die Hdlg. antreibende, aber nicht auftretende Figur. Die Frauen als die Hauptleidtragenden. Symbolik (M.s Tötung seines Pferdes). Kontrastierende Sprechweisen (z.B. gewählter Stil - ir. Dialekt).
Erst-Auff. 2.10.1958 Helen Hayes Theatre, New York. Übs. Fast ein Poet von U. Schuh (1959).

 

 

1957 Tennessee Williams: aD Orpheus Descending Dr., 3. Auff. 21.3. Martin Beck Theatre, New York. Überarbeitung des Dr.s Battle of Angels (1940), dessen Stoff ihn über 17 Jahre beschäftigte.
I. Südstaatenort, um 1940, Regenzeit. Val Xavier, 30, Volkssänger, phantasiereich und vital, gibt sein unstetes Leben auf und wird Ladengehilfe bei »Lady«, der frustrierten Frau des todkranken Jabe Torrance. II. V. zw. Carol Cutrere, einer Ausgestoßenen und »wilden« Gefährtin, und der seelenverwandten L., die sich ihm sehnsüchtig zuwendet. III. In ihres Liebesbeziehung zu V. lebt L. auf. Einst zur Abtreibung gezwungen und kinderlos, ist sie nun schwanger. Ihr Mann, einst am Verbrennungstod ihres italienischen Vaters mitschuldig, erschießt L. und bezichtigt V., der vom Mob mit einem Schweißbrenner getötet wird.
Sozialpsychologische Umdeutung des Orpheusmythos: V. als »wild boy« Außenseiter in der intoleranten Südstaatenprovinz, L. als spät zu Liebe und Leben findende Frau; beide scheitern tragisch an der Umwelt, einer kleinbürgerlichen »Hölle« aus Klatsch, Cliquengeist, Materialismus, Diskriminierung, Brutalität. Kombination von Realismus (z.B. Milieu, Sprache) und Symbolik (z.B. V.s Schlangenhaut-Jacke und Gitarre). Durchgängige Motivkomplexe (Tod - Leben, Brand - Regen).
Buchausg. 1958. Film The Fugitive Kind von S. Lumet (1960). Übs. O. steigt herab von H. Sahl (1960).

 

 

1957 Grace Metalious: aE Peyton Place R., 3 Bücher.
»Peyton Place«, Provinzort in Neu-England der Gegenwart, »eine Stadt wie andere« mit Alltagssorgen und -freuden, Intrige, Klatsch und gelegentlichem Skandal (Vergewaltigung und Totschlag) und einer Reihe von Originalen. Hauptfigur ist die heranwachsende Allison MacKenzie, die Schriftstellerin wird. Konventionelle Erzählweise.
»Fiction«-Bestseller aller Zeiten bis 1970 in USA (Verkaufsziffer: 11 919 660). Film von M. Robinson (1957). Übs. Die Leute von Peyton Place von U. v. Wiese (1958). Die Fortsetzung Return to Peyton Place (1959) war ähnlich erfolgreich.

 

 

1957 Jack Kerouac: aE On the Road R., 5. Entst. 1951. Teilvorabdrucke in The Paris Review u. a.
Der Schriftsteller Sal Paradise schildert als Ich-Erzähler den Lebensabschnitt seiner Hinwendung zur »Beat Generation«, bes. die Freundschaft mit Dean Moriarty, einer vitalen, spontanen, enthusiastischen und ruhelosen Leitfigur.
Der R. der Straße, gegliedert nach den 5 Ferientrips 1947-50 von New York in den Westen (Denver, Kalifornien), dann den Süden (Mexiko als Kontrastland). Man sucht »kicks« (Sex, Rausch, Jazz) und das Milieu randständiger Typen (»hipsters«, »bums«, Mexikaner). Das Stadium des Vagabundenlebens als Protestgebärde gegen die Normen und Werte der bürgerlichen am. Gesellschaft. Autobiogr. Züge, einschließlich von Freundesporträts (D. geht auf N. Cassady zurück, Old Bull Lee auf W. Burroughs). Stil: improvisierte Passagen (Ansätze der »Spontaneous Prose«, ® The Subterraneans, 1958). Schlüsselwörter: »mad«, »beautiful«, »go«, »dig«. Verwendung der Umgangssprache. Einflüsse: Th. Wolfe, W.C. Williams, Jazz.
Große Wirkung als R. der »Beat Generation«. Übs. Unterwegs von G. Binzer (1959).

 

 

1957 William Faulkner: aE The Town R. als Fortsetzung von ® The Hamlet (1940) 2. Teil der Snopes-Trilogie.
Behandelt die Zeit von der Ankunft Flem Snopes in »Jefferson«, 1909, bis zu seinem Aufstieg zum Bankpräsidenten und Besitzer eines Herrenhauses, 1922. Nebengeschichten, die die Haupthdlg. kontrastierend begleiten, sind das Liebesverhältnis von Manfred De Spain mit F.s Frau Eula, die moralische Entwicklung des Rechtsanwalts Gavin Stevens und die Erziehung seines Neffen Charles Mallison. Das Thema der Trilogie, die soziale Umschichtung in den Südstaaten, wird aus 3 verschiedenen Erzählerperspektiven geboten: V. K. Ratliff, Gavin Stevens und Charles Mallison. Differenzierung der Erzählstile.
Übs. Die Stadt von E. Schnack (1958). Fortsetzung in ® The Mansion (1959).

 

 

1957 James Agee: aE A Death in the Family R., 3. Postum veröffentlicht. Einzelnes in The New Yorker u. a.
Knoxville, Tenn., zur Zeit des 1. Weltkriegs. Aus wechselnden Perspektiven werden die Auswirkungen eines tödlichen Autounfalls von Jay Follet auf seine Familie geschildert: die Angst und das Leiden seiner Frau Mary, die Ahnungslosigkeit seiner beiden kleinen Kinder Rufus und Catherine. Psychologische Analyse vermischt mit lyrischen Passagen. Die Harmonie und das Glück der Familie (I) kontrastiert mit deren Auflösung und Leid (II, III).
Pulitzer-Preis. Übs. Ein Schmetterling flog auf von G. v. Uslar (1962). Dramatisierung All the Way Home von T. Mosel (1960). Film All the Way Home von A. Segal (1963).

 

 

1958 Lawrence Ferlinghetti: aL A Coney Island of the Mind 49 Gedichte, 3 Teile. Einzelnes als Vorabdruck in The Evergreen Review u. a.
I. Titel-Zyklus: 29 Gedichte als eine Art »circus of the soul« (Titel zitiert H. Millers Into the Night Life...). II. »Oral Messages«: 7 für Jazzbegleitung konzipierte längere Gedichte (zentral das Selbstporträt Autobiography). III. Auswahl von 13 Gedichten aus dem Band Pictures of the Gone World (1955).
Impressionen aus San Francisco, persönliche Reminiszenzen, Reiseeindrücke, Momentaufnahmen, Meditationen über das Weltgeschehen, das am. Leben, Dichtung und Kunst, die Liebe. Tendenz zum Erzählgedicht. Zahlreiche Zitate und Anspielungen. In I, III graphisches Textarrangement. In II rhapsodischer Stil (Wiederholungen, Parallelismen, Variationen), Sprechrhythmik. Einflüsse: W. Whitman, W. B. Yeats, J. Joyce, E. Pound, H. Miller, Jazz.
Übs. Ein Coney Island des inneren Karussells von E. Gütermann (1962), Teilübs. von A. Schmitz (1972).

 

 

1958 Jack Kerouac: aE The Subterraneans R.
San Francisco, Sommer 1953. Der Erzähler Leo Percepied trifft in einer Beatnik-Gruppe aus Schriftstellern, Rauschgiftsüchtigen und Homosexuellen die Schwarze Mardou Fox. Sie beginnen ein Liebesverhältnis, das jedoch an den komplexen psychologischen Problemen beider zerbricht. Er flüchtet sich in den Alkohol, sie zum Psychiater.
Als Konfession des Erzählers eine Beschreibung einer zweimonatigen Liebesgeschichte im »Untergrund« von San Francisco mit Schwerpunkt auf psychologischen und existentiellen Problemen, die sich aus dieser Situation ergeben (Schlüsselwort »pain«). Improvisierende Erzählweise (»spontaneous prose«), die, ähnlich dem Jazz, eine komplizierte Rhythmik zu erzeugen sucht (Assoziationen, Unterbrechungen, Interjektionen, Zitate usw.). Verarbeitung von autobiogr. Elementen.
Übs. Be-Bop, Bars und weißes Pulver von H. Hermann 1980).

 

 

1959 Jack Gelber: aD The Connection Dr., 2, Auff. 15.6. The Living Theatre, New York.
I. New York, Gegenwart. Eine Gruppe Heroinsüchtiger wartet auf »Cowboy«, den »Verbindungsmann«. II. C. kommt. Im Fix finden sie z.T. momentane Erleichterung. Modellfall von Abhängigkeit, Entfremdung, Apathie. Konzentration auf das Verhalten und die fragmentarischen Bekenntnisse der Süchtigen. Zerstörung der Bühnenillusion durch 2 Photographen, die das Bühnengeschehen zugleich für einen Film auswerten, und wiederholte Diskussionen zw. den süchtigen Spielern und dem Autor »Jaybird«. Intendiert als »improvisiertes Theater«: das Geschehen wird zugleich von einem Jazz-Quartett interpretiert, die Figuren selbst improvisieren analog individuell über das gemeinsame Thema.
Buchausg. 1960. Film von Sh. Clarke (1960).

 

 

1959 Saul Bellow: aE Henderson the Rain King R. Teilvorabdrucke in The Hudson Review u. a.
Gegenwart. Eugene Henderson, 55, Millionär aus Connecticut, vital, impulsiv und egozentrisch, ist mit seinem Leben unzufrieden. Von einer vage, doch insistierenden inneren Stimme »I want« getrieben, verlässt er seine Familie und begibt sich - auf der Suche nach der Vorvergangenheit der Menschheit und der eigenen Identität - in die terra incognita Afrikas. Nach anfänglichen Misserfolgen bewährt er sich bei den Wariri und wird zum Regenkönig erhoben. Der befreundet Stammeskönig Dahfu lehrt ihn den vertrauten Umgang mit Löwen, befreit ihn von Zwängen und vermittelt ihm eine Einblick in die Möglichkeit menschlicher Größe. H. gewinnt so ein Selbstverständnis, das ihm mit dem EntSchluss, zu seiner Frau zurückzukehren und Medizin zu studieren, in eine harmonische und sinnvollere Zukunft blicken lässt.
H. als ein moderner Titan (im Gefolge von F. Nietzsches Übermenschen) auf der Suche nach mythischer Größe, zugleich eine Figur quijotesker Komik. Durchgängiger Kontrast zur am. Gegenwartswirklichkeit. Ich-Erzählung.
Übs. Der Regenkönig von H.A. Frenzel (1960).

 

 

1959 Robert Lowell: aL Life Studies 23 Gedichte und 1 Prosapassage in 4 Teilen. Teilvorabdrucke in Partisan Review u. a.
Nach einer klassizistischen und vorwiegend katholisch orientierten Frühlyrik (® Lord Weary's Castle, 1946, und The Mills of the Kavanaughs, 1951) versucht Lowell hier eine Analyse seiner Familie und seiner selbst. Strenger Aufbau: 4 Gedichte (als zeitgeschichtlicher polit. Rahmen), »91 Revere Street« (Prosapassage über die Kindheit in Boston), 4 Gedichte (als literarischer Hintergrund) und »Life Studies« (15 Gedichte über Großeltern, Eltern, seelische Krisen, Ehe und Selbstverachtung). Hauptthema, wie auch früher bei Lowell, ist die Wirkung der Toten auf die eigenen Gegenwart: Schuldgefühle, Angst, Entfremdung, aber auch eine neue Sicherheit und Ruhe. Prosanahe einfache Diktion und Syntax, freie, meist reimlose Verse. Einfluss von J. Berryman und J. Dickey.

 

 

1959 William Faulkner: aE The Mansion R., 3 Bücher. Teil III der Snopes-Trilogie (® The Hamlet, 1940, ® The Town, 1957).
I. »Mink«. 1923. Flem Snopes ist inzwischen Bank- und Herrenhausbesitzer in »Jefferson« und sorgt durch eine List dafür, dass sein Vetter Mink zusätzliche Jahre im Gefängnis absitzen muss, weil er dessen Rache fürchtet. II. »Linda«. Eula Snopes Tochter Linda heiratet einen Kommunisten und kommt verwitwet und taub aus dem Spanischen Bürgerkrieg zurück. Gavin Stevens, der Rechtsanwalt, nimmt sich ihrer an. III. »Flem«. 1948 wird Mink endlich freigelassen. Trotz vieler Hindernisse erreicht er Flem und erschießt ihn. Linda und Stevens verhelfen ihm zur Flucht.
Mit dem Herrenhaus erreicht Flem Snopes den Höhepunkt seiner Laufbahn. Er übernimmt durch Kapitaltransaktionen den Besitz der alten Familien des Südens, Sartoris (® Sartoris, 1929) und Compson (® The Sound and the Fury, 1929). Doch der Gegenspieler Mink, trotz hartnäckiger Arbeit immer wieder um seinen Besitz betrogen, holt ihn ein. Viele z.T. groteske-komische Episoden mit wechselnden persönlichen Erzählern. Konventionelles Spätwerk Faulkners.
Übs. Das Haus von E. Schnack (1960).

 

 

1959 William S. Burroughs: aE The Naked Lunch R.
Textsegmente über den utopischen Staat »Freeland« und seine Hauptstadt »Interzone«: Doc Benway terrorisiert seine Patienten, um sie über ihre Schuldgefühle zu kontrollieren. Hassan führt in seinem Haus homosexuelle Orgien auf. Durchschnittliche Bürger von Interzone geben Selbstdarstellungen. A. J. zeigt auf seiner Party Filme, die Sex mit dem rituellen Hängen von jungen Männern kombinieren usw. Diesen Figuren entsprechen die vier Parteien von Interzone: »Sender« (Sucht nach Macht und Kontrolle), »Liquefactionists« (Sucht nach Rauschgift und Homosexualität), »Divisionists« (Sucht, sich durch Ebenbilder und Konformismus zu bestätigen) und »Factualists« (Gegner aller Suchtformen). Zur letzten Gruppe rechnet sich auch der Erzähler Lee: »There is only one thing a writer can write about: what is in front of his senses at the moment of writing... I am a recording instrument... I do not presume to impose >story< >plot< >continuity<«. Thematische Einheit durch den Aspekt der Satire. Den von J. Kerouac vorgeschlagenen Titel erläutert Burroughs als »den gefrorenen Moment, wenn jeder sieht, was auf dem Ende jeder Gabel steckt.«
Montage von Erzählfragmenten, die parodistisch Techniken der wissenschaftlichen Abhandlung, des phantastischen Comic Strip, Groschen-R.s, der Pornographie usw. benutzen. Reicher Gebrauch von Slang, genaue Wiedergabe von am. Sprechweisen, Vielfalt von wechselnden Namen. Einflüsse: Anti-Utopie (H. G. Wells, G. Orwell), Surrealismus (automatische Schreibweise unter DrogenEinfluss), W. Reich.
1959 wegen Zensurschwierigkeiten in Paris erschienen. In den USA (1962) mit dem Nachwort »The Algebra of Need«, in England als Verschnitt mit der Trilogie (® 1962) unter dem Titel Dead Fingers Talk (1963). Übs. von K. und P. Behrens (1969).

 

 

1959 Louis Zukofsky: aL »A« 1-12 Gedichtsequenzen, 12 Teile. Entst. und z.T. veröffentlicht 1928-51 in Black Mountain Review u. a. Publikation in Japan.
Erste Teile einer poetischen Autobiogr., »aus hist. und zeitgenössischen Elementen«, aus Beobachtung und Meditation montiert. Privates (Frau Celia, Sohn Paul) und Politik (vom Spanien- bis zum Koreakrieg) wird zum Gegenstand der Reflexion. Weiter: Sprache und Dichtung (7), K. Marx' Definition der Arbeit (8). Verzicht auf Metapher und Symbolismus. Durchgehendes Leitmotiv: J. S. Bachs Passionen. Freie Verse, deren typographische Anordnung den natürlichen Sprechrhythmus ausdrücken soll. Eingearbeitet werden Zitate, Briefe, kurze Parodien regelmäßiger, gereimter Verse usw. Bemühung um klare und einfache Sprache. Einfluss von E. Pound und W. C. Williams.
Fortgesetzt in »A« 13-21 (1961), »A« 22 and 23 (1975), »A« -24 (1972). Slg. ®»A« (1978).

 

 

1959 Norman Mailer: a Advertisements for Myself 5teilige Slg. von Essays, R.-Fragmenten, Interviews, Gedichten etc.
Mailer stellt Proben seiner Arbeit für einen (nicht erschienenen) R., Advertisements for Myself on the Way Out, vor, darunter wichtige Essays und Interviews, die seine Neuorientierung an der Beat-Bewegung und der Psychologie von W. Reich (bes. Die Funktion des Orgasmus) verdeutlichen. The White Negro entwirft das Porträt des Hipsters als am. Existentialisten und »weißen Negers«, Notes toward a Psychology of the Orgy bringt Reich und Hipster-Rolle zusammen, Last Advertisement bekennt sich zu E. Hemingway als Vorbild, und The Time of Her Life erzählt von einer sexuellen Begegnung in der Form eines Stierkampfes, aus dem der Mann als siegreicher Torero hervorgeht. Weitere frühe Erzählungen sollen Mailers Entwicklung verdeutlichen. Mit seinem Männerbild provozierte Mailer die Frauenbewegung (Kate Milletts ® Sexual Politics, 1970).
Übs. Reklame für mich selbst von W. von Grünau und W. Sczepan (1986).

 

 

1959 José Antonio Villareal: aE Pocho R., 11.
Mexiko, Texas und Süd-Kalifornien, 1920-1941. Richard Rubio, Sohn eines geflüchteten Offiziers der mexikanischen Revolution, wächst in Santa Clara auf und erlebt die dreißiger Jahre: Arbeitslosigkeit, Streiks, mexikanische Wanderarbeiter, innere Ablösung von der Religiosität und den Geschlechterrollen seiner Eltern, zögernde Integration in eine Gruppe Jugendlicher engl., italienischer und japanischer Abstammung, Annäherung an die pachucos, eine rebellische Chicano-Jugendbande. 1941 tritt R. wie seine Freunde in die Armee ein und bricht mit seiner Familie.
Bildungs-R. eines jungen mexikanisch-am. Schriftstellers und seiner schwierigen Identitätsfindung zw. 2 Kulturen (pocho = abfällig für Mischbildung beider Sprachen), zw. Familie und Jugendbanden, die beide ihr Positives und Negatives haben. Zentralperspektive weitgehend bei R. mit seiner erhöhten Sensibilität für andere Minoritäten. Realistische Schreibweise. Beginn einer eigenständigen Chicano-Literatur in den 60er und 70er Jahren.
In The Plum Plum Pickers (1969) liefert Raymond Barrio ein proletarisches und sozialkritisches Gegenbild der Chicano-Landarbeiter im Santa Clara County.

 

 

1959 James Purdy: aE Malcolm R.
Der 15jährige Malcolm gerät auf der Suche nach seinem Vater an eine Reihe von exzentrischen Charakteren. Nach der Heirat mit der Schlagersängerin Melba erkennt er die Vergeblichkeit seiner Suche und stirbt. Groteske Allegorie der Glaubenssuche und des Glaubensverlustes. Schwarzer Humor und Zeitsatire. Einflüsse von N. West und J. D. Salinger.
Dramatisierung von E. Albee (1965). Übs. von E. Duncker (1963).

 

 

1960

Wright Morris:

aE Ceremony in Lone Tree

R., 3.


Lone Tree, Nebr., um 1950. Zum 90. Geburtstag von Urgroßvater Tom Scanlon kommen seine 3 verheirateten Töchter Lois, Edna und Maxine mit ihren Familien, ein ehemaliger Verehrer von Lois, Boyd, und der Westernautor Jennings. Am Ende einer spannungsvollen Nacht voller grotesker Ereignisse, die er verschlafen hatte, stirbt der alte S. an seinem Geburtstag, und Etoile, Maxines junge Tochter, heiratet ihren Freund Calvin.
Die Geburtstagsfeier führt die Familie und Freunde zurück nach Lone Tree (ehemaliges Indianergrab), den verlassenen Ort ihres Ursprungs. Sie demonstriert zugleich das Ende des alten Westens in diversen Gegenüberstellungen (Generationen, Geschlechter; Pfeil und Bogen, Revolver, Planwagen). Mit S., der noch Buffalo Bill gekannt hatte und bereits in Morris' The World in the Attic (1949) und The Field of Vision (1956) aufgetaucht war, geht dieser Westen endgültig unter; mit dem Widerschein der Atombombentests dämmert eine ungewisse Zukunft herauf. Multiperspektivisch, z.T. synchron geführte Erzählweise. Einfluss von W. Faulkner.
Übs. Unterwegs nach Lone Tree von H. Soellner (1963).

 

 

1960 Richard Eberhart: aL Collected Poems 170 Gedichte. Entst. 1930-1960.
Meist halten die kurzen Gedichte eine Emotion oder eine Wahrnehmung in präzisen Bildern oder Phrasierungen fest oder meditieren über sie. Der Tod ist ein häufiges Thema. Vielseitige, meist konventionelle Vers- und Strophenformen. Eberhart zählt mit Richard Wilbur, Karl Shapiro, Delmore Schwartz u. a. zur mittleren, oft »akademisch« genannten Generation zw. T.S. Eliot und E. Pound einerseits und den Beat-Autoren der 50er Jahre andererseits.
Erweiterte Ausg. (1976), Pulitzer-Preis.

 

 

1960 John Barth: aE The Sot-Weed Factor R., 3. Anregung durch das satirische Gedicht The Sot-Weed Factor (1708) von Ebenezer Cook(e), über den nichts weiter bekannt ist. Weitere Quelle: die Archive von Maryland.
I. London, 1694. Der junge Dichter Ebenezer Cooke wird von seinem Vater, der von dessen Umgang mit der Hure Joan in London gehört hat, auf seine Tabakplantage in Maryland geschickt. II. E. gerät auf der Reise in einen polit. Machtkampf um Maryland. Sein ehemaliger Erzieher Burlingame, der auf der Suche nach einem Manuskript über seine eigene Herkunft ist, versucht, E. der polit. Hintergrund zu erklären. Nach vielen Zwischenfällen landet E. in Maryland, verliert die väterliche Plantage und wird gezwungen, die inzwischen geschlechtskranke Joan zu heiraten. III. Maryland, 1695. B. und E. suchen E.s Zwillingsschwester Anna, die den beiden nachgereist ist. E. findet sie schließlich und auch den entscheidenden Teil des Manuskripts, das die Herkunft B.s enthüllt. Als er sich bereit zeigt, die Ehe mit der todkranken Joan zu vollziehen, wird ihm auch sein Erbe zugesprochen.
Ironischer Bildungsr. mit archaisierender Tendenz: Reise, Schiffbruch, Piraten, Eingeborene usw. (Züge des Abenteuer-R.s des 18. Jh.s). Parodistische, spielerische Verwendung von Erzählkonventionen, von Fiktion und hist. Material: »Farcenhafter Gegenrealismus«. E.s »innocence« wird kontrastiert in seinem allwissenden, nihilistischen Doppelgänger B. (»impotence«), der in verschiedenen Masken die Entwicklung E.s lenkt (Schlüsselwörter: »twin, twain«). Er-Erzähler, Perspektive E.s durchweg. Einfluss von V. Nabokov.
Rev. Ausg. 1967. Übs. Der Tabakhändler von Rademacher (1970).

 

 

1960 Charles Olson: aL The Maximus Poems Sequenz aus 37 Teilen. Teilvorabdruck in Black Mountain Review u. a.
In Form von Briefen, Liedern und Meditationen kontrastiert Maximus die Entstehung der Stadt Gloucester, Mass. (ca. 1622) kritisch mit ihrer Gegenwart: Ursprünglichkeit - Kapitalismus, Sprache - Sprachlosigkeit usw. Projektiver Vers (® Projective Verse, 1950). Zitatmontage aus Dokumenten, Briefen und Gesprächen. Einflüsse von E. Pound und W.C. Williams.
Teilübs. in Gedichte von K. Reichert (1965). Fortsetzungen (1968, 1975). Slg. (1983). Trotz Festhaltens am lokalen Detail Fortschreiten zu weltgeschichtlichen Zusammenhängen (Menschheitswanderungen). Die hist. Ausweitung auch als Vordringen ins Mythische und eigene Unbewusste. Weitgehend planlose Fortführung.

 

 

1960 John Updike: aE Rabbit, Run R.
Brewer, Pa., 1959. Der 26jährige Harry (»Rabbit«) Angstrom versucht, aus seiner Kleinstadtsituation (schwangere trunksüchtige Frau, Kind, Beruf als Vorführer von Küchenmaschinen) auszubrechen. Ein Verhältnis mit Ruth führt nicht weiter, seine Frau ertränkt im Rausch das neugeborene Kind. Ruth wird schwanger. A. läuft davon. Themas: die existentielle Krise des Anti-Helden A., die aus seiner Unfähigkeit, mit Frauen andere als sexuelle oder flüchtige Kontakte zu finden, rührt. Lyrisch-beschreibender Stil, innerer Monolog.
Übs. Hasenherz von M. Carlsson (1960). Fortsetzung in Rabbit Redux (1971) und Rabbit is Rich (1981). Pulitzer-Preis für Teil III.

 

 

1961 Joseph Heller: aE Catch-22 R.
Am. Bomberstaffel auf der italienischen Insel »Pianosa« während des 2. Weltkriegs. Der Pilot John Yossarian, ein Anti-Held, opponiert gegen das absurde, ominöse System der am. Kriegsmaschinerie, die nach dem alogischen Prinzip des »catch 22« funktioniert (eine Klausel dieses »Hakens« besagt: nur Verrückte können vom Einsatz befreit werden, doch wer die Befreiung vom Einsatz sucht, kann nicht verrückt sein). Y. versucht zu überleben (bes. durch vorgetäuschte Krankheit) und aus dieser verkehrten Welt auszubrechen (bes. nach den apokalyptischen Szenen im besetzten Rom), während seine Kameraden nacheinander fallen. Schluss: Flucht mit Ziel Schweden in der Hoffnung auf ein sinnvolleres Leben.
Neben Y. eine Vielzahl karikierter Figuren, wie der ehrgeizige Oberst Cathcart, der unablässig die Einsätze steigert, oder der mysteriöse Offizier Milo Minderbinder, der skrupellos zw. den Fronten Geschäfte macht. Struktur: lockere achronologische Folge meist kurzer Figurenporträts und Szenen in Y.s Perspektive. Leitmotiv des Todes. Makabre Farce mit grotesken Zügen, satirischen Tendenzen, paradoxer Formulierungen, gerichtet gegen den Wahnsinn der Kriegführenden und gegen die am. Gesellschaft, die sie hervorgebracht hat. Einfluss N. Mailers.
Bestseller. Übs. Der Iks-Haken von I. und G. Danehl (1964). Film von M. Nichols (1969).

 

 

1961 Allen Ginsberg: aL Kaddish and Other Poems Titelsequenz und 15 weitere Gedichte der Jahre 1958-60. Einzelnes in Vorabdrucken in The Evergreen Review u. a.
Themen: das eigene zwiespältige Ich, die Mutter, die Nation als Opfer der gefühllosen Zeit, des »gebrochenen Bewusstseins« der Jahrhundertmitte. Durchgängig als eschatologische Problem des Todes und die Suche nach dem Leben. Langes 6zeiliges Kaddish (jüdisches Totengebet) für die 1956 verstorbene Mutter: I. Proöm; II. »Erzählung« in Erinnerungsbildern; Lobpreisung; III. »Klage«; IV. »Litanei«; V. »Fuge«. Ferner: Impressionen aus Paris; Phantasien und Visionen, z.T. unter DrogenEinfluss. Tendenz zu Mystizismus. Rhapsodischer Stil.
Übs. Kaddish von A. Hollo (1962).

 

 

1961 Denise Levertov: aL The Jacob's Ladder 32 Gedichte und 9 Gedichtsequenzen, sowie 13 Gedichte aus der Slg. Overland to the Islands (1958).
Gedichte über persönliche und poetologische Themen (A Sequence, The Jacob's Ladder). Levertovs Mischung aus exakter Beschreibung und Reflexion, aus abstraktem und konkretem Vokabular wird bes. deutlich in During the Eichmann Trial: When We Look Up. Die Identität zw. der Außenwelt und der Psyche des Sprechers grundlegend für die meisten Texte. Freie, meist kurze Verse. Einflüsse von W.C. Williams, Ch. Olson und R. Creeley.
Teilübs. in Mit Augen an unserm Hinterkopf von E. Guetermann (1961).

 

 

1961 John Hawkes: aE The Lime Twig R.

1.-2. London, nach dem 2. Weltkrieg. Der kleinbürgerliche Michael Banks wird von seinem Untermieter überredet, sich mit einem gestohlenen Pferd an einem Rennen in Aldington zu beteiligen. 3.-7. B. gerät dabei in Verbrecherkreise und wird in Aldington in einen Mord und eine Orgie verwickelt, während seine Frau Margaret in einem nahe liegenden Hotel an der sadistischen Folter durch einen Gangster stirbt. 8-9. Als B. davon erfährt, wirft er sich während des Rennens vor das Pferd und verhindert durch seinen Tod dessen Sieg.
Hawkes benutzt die Konventionen einer Kriminalgeschichte, um eine alptraumartige Welt voller absurder Tode, pervertierter menschlicher Beziehungen und undurchsichtiger Motive zu schaffen. Symbolik (Pferd, Farben) und Leitmotivik (»lime«; »lime twig« = »Leimrute«). Einfluss von G. Greene.
Über. Die Leimrute von G. Weil (1964).

 

 

1961 Kurt Vonnegut: aE Mother Night The Confessions of Howard W. Campbell, Jr. R.
Howard W. Campbell legt im Gefängnis in Israel seine Lebensbeichte ab: C. lässt sich als am. Schriftsteller vor dem 2. Weltkrieg in Deutschland nieder und heiratet eine Deutsche. Ab 1939 arbeitet er im Auftrage eines am. Agenten als Rundfunk-Sprecher für die Nazis, um in den Propagandatexten kodierte Nachrichten für die Alliierten durchgeben zu können. Nach dem Krieg versteckt sich C., von den Amerikanern und Israelis als Verräter gehasst, in New York. Als C. merkt, dass er von russischen Agenten entführt werden soll, stellt er sich freiwillig den israelischen Gerichten.
Satire auf die Lebensbeichte eines Nazis (Parallelen zum Eichmann-Prozess): »We are what we pretend to be, so we must be careful about what we pretend to be.« Ein Schriftsteller wird nach seinen Worten, nicht nach seinen geheimen Intentionen beurteilt: Zentralproblem Fiktion - Realität, Rollenspiel - Identität. Titel ein Zitat aus Faust: Mephistopheles, der sich auf die »Mutter Nacht« bezieht (Parallele zum Erzähler, der mehrfach im R. als Teufel bezeichnet wird). Ich-Erzähler, Kontrast von Erzählergegenwart (Kapp. 1-4, 29, 45) und -vergangenheit. Karikaturen von Rassisten, Funktionären, Agenten, Neo-Faschisten usw. Szenisches Erzählen, meist Dialoge, die die Absurdität der Figuren enthüllen. 45 kurze Kapp. (lockere Folge von relativ selbständigen Episoden), Einlagen fiktiver Dokumente, Briefe usw. Vorgeschalteter fiktiver Hg. Einflüsse von N. West und V. Nabokov.

 

 

1961 Robert A. Heinlein: aE Stranger in a Strange Land R.
Die Konfrontierung eines auf dem Mars aufgewachsenen und erzogenen Menschen mit dem Leben in den USA der Zukunft dient der Relativierung von am. Sprache, Religion, Sexualmoral und Staat. Der Martianer wird gesteinigt, sein Opfertod hat eine religionsstiftende Wirkung. Heinlein knüpft an die »Science Fiction«-Tradition seit ®H. G. Wells' The Time Machine (1895) an. Neben den traditionellen Motiven gewinnt nach dem 2. Weltkrieg das Motiv der drohenden Weltzerstörung an Bedeutung.
Bes. Erfolg durch die kultischen Züge. Mit A. C. Clarke, A. E. van Vogt und I. Asimov gehört Heinlein zu den bekanntesten »Science Fiction«-Autoren der Gegenwart. Übs. Ein Mann in einer fremden Welt von W. H. Bergner (1970).

 

 

1961 J. D. Salinger: aE Franny and Zooey 2 Geschichten. Einzeln in The New Yorker (1955, 1957) veröffentlicht.
Franny. Die 20jährige Studentin Franny Glass entdeckt bei einem »date« den selbstzufriedenen Egoismus ihres Freundes Lande Coutell, der ihre mystische Suche nach Christus nicht versteht, und erleidet eine Nervenkrise. Zooey. Auf Aufforderung von Mrs. Glass zeigt Zooey seiner kranken Schwester, dass Christus nicht im Gebet und introvertierter Mystik, sondern in aktiver Nächstenliebe ist.
Das existentielle Thema wird durch kontrastierende Strukturen und Symbole in beiden Teilen getragen. Mischung von Zen-Buddhismus und Christlichem.
Bestseller. Die geplante Chronik der sensiblen jüdischen Familie Glass (seit Nine Stories, 1953) fortgesetzt in Raise High the Roofbeam, Carpenters and Seymour: An Introduction (1963) und Hapworth 16, 1924 (1965). Übs. F. und Z. von A. und H. Böll (1963).

 

 

1961 William S. Burroughs: aE The Soft Machine R. 1. Teil einer Trilogie mit ® The Ticket That Exploded (1962), ® Nova Express (1964).
17 Erzählsegmente: von New York Flucht nach Lexington und Mexiko; visionäre Versetzung ins Maya-Reich, Zerstörung der Kontrollsysteme der Mayas; Suche nach Yage-Wurzel (Droge); pornographische Filme über das Hängen junger Männer; Zeit- und Identitätswechsel in Minraud, dem Insektenreich; Untersuchungen durch Polizei; homosexuelle Orgien in Panama; Trak-trak,trak, eine Verkaufsorganisation, die von der Konsumsucht ihrer Kunden lebt; Krieg gegen Kontrollinstanzen; Kampf der Geschlechter auf dem »Baby Market«; Erinnerungen an St. Louis; Flucht durch eine Graslandschaft voller Primitiver und Affen.
Satirische Passagen über Sucht und Drogen, Sex, Konsum, Macht, »The Soft Machine« ist der zerstörbare menschliche Körper. Verwendung der »cut-up«-Methode: geradlinige Erzählpassagen alternieren mit Passagen, die deren Wörter in neue Kontexte und Arrangements stellen. Bourroughs versucht hier, eine »Mythology of the space age« zu schaffen. Thematisch korrespondieren das Zerbrechen von Satzzusammenhängen und das Durchbrechen der Zeit- und Raumkoordinaten sowie die häufigen Identitätswechsel: Bill = Carl = Jonny, K9 = Clem Snide = Joe Brundige usw. Benutzung von autobiogr. Material aus Junkie (1953) und The Yage Letters (1963).
1968 rev. Fassung. Übs. von P. Behrens (1971).

 

 

1962 Edward Albee: aD Who's Afraid of Virginia Woolf? Dr., 3, Auff. 13.10. Billy Rose Theatre, New York.
Party zweier Dozenten-Ehepaare eines kleinen College in Neu-England, Gegenwart. Im Zentrum der Historiker George und seine Frau Martha (durch Kinderlosigkeit und beruflichen Misserfolg frustriert), als jüngeres Parallel- und Kontrastpaar der Biologe Nick und seine Frau Honey. Im Kampf der Geschlechter steigern sich G. und M. zum »totalen Krieg« und beziehen zunehmend die Gäste mit ein. Die Gehässigkeitsrituale in »Fun and Games« (I) führen über die Konfusion (Rausch, Sex) der »Walpurgisnacht« (II) zur entscheidenden Aktion G.s: er erklärt im »Exorzismus« (III) den fiktiven Sohn für tot und bringt durch diese Zerstörung der Illusion alle zur Erkenntnis der Realität (Sterilität, Flucht, Konformismus). Die Einsicht in die gemeinsame »Angst vor einem illusionslosen Leben« (dies der Sinn des leitmotivischen Titel-Slogans) bringt M. und G. einander wieder näher. Darüber hinaus offener Schluss.
Ausweitung der Privatsphäre durch Verweise auf die am. Gesellschaft bzw. das Weltgeschehen: Namensymbolik (z.B. Schauplatz »New Carthage«), Typisierung (N. als Verkörperung des »American Dream«, M. als verhinderte »mom«), Reflexionen über Geschichte und Zukunft. Genaue Nachzeichnung der Umgangssprache. Satirische Tendenzen. Einflüsse: A. Strindberg, E. O'Neill, S. Beckett.
Übs. Wer hat Angst vor Virginia Woolf? von P. Braun (1963). Film von M. Nichols (1965).

 

 

1962 Ken Kesey: aE One Flew Over the Cuckoo's Nest R., 4.
Oregon, Gegenwart. Der Halbindianer Broom Bromden, langjähriger Insasse einer Heilanstalt, berichtet aus seiner Sicht über die zunehmende Insubordination des Patienten McMurphy gegen die »Big Nurse« Ratched und die wachsende Solidarität der anderen Patienten mit M. Der Aufstand gipfelt in einem tätlichen Angriff auf R. und einer Gehirnoperation, die M. zu einem willenlosen Objekt macht. B., der unter dem Einfluss von M. seine jahrelange Verstellung als Taubstummer aufgegeben hat, befreit sich und flieht.
Parabel über Macht (»control«) und Selbstbehauptung. Konditionierung der Insassen durch Drogen, Elektroschocks, Lobotomie. Irrer Erzähler dient zur Erweiterung der Wahrnehmung, Erzeugung von grotesker Komik. Dialoge voller Slang (»cuckoo« = »verrückt«; Titel zitiert Kindervers). Umgangssprachliche Beschreibungen. Autobiogr. Züge.
Film von M. Forman (1975). Übs. Einer flog über das Kuckucksnest von H. Hermann (1983).

 

 

1962 Robert Creeley: aL For Love Poems 1950-1960 135 Gedichte in 3 Teilen. Einzelnes in Black Mountain Review u. a.
Fast alle Gedichte der Slg. sind persönlichen Charakters: Liebe, Freundschaft, Ehe, Dichtung und deren Gefährdung sind die Hauptthemen. Die Sprechsituation bleibt meist implizit: unbestimmte Pronomina, Konjunktive, Bedingungssätze, Abstrakta, allgemeine Verben (»to be«, »to do«, »to look«) usw. Die häufig abstrakten Titel bleiben in vager Beziehung zum Text (The Innocence, The Way, The Business). Wechsel von Slang und abstrakter Sprechweise, z.T. humorvolle und ironische Sprecherhaltungen. Freier, an Satz- und Bildstruktur orientierter Versbau, meist reimlos (® Ch. Olson, Projective Verse, 1950). Ausgeprägt reduktive Lyrik. Einflüsse von E.E. Cummings und W.C. Williams.
Teilübs. in Gedichte von K. Reichert (1967).

 

 

1962 Vladimir Nabokov: aE Pale Fire R., 2.
I. »Pale Firme. A Poem in Four Cantos«. Fiktives autobiogr. Gedicht in »Popeschen Reimpaaren« von John Francis Shade 1898-1959), herausgegeben durch Charles Kinbote. II. »Commentary«. In einem Kommentar, der den vierfachen Umfang des Gedichtes hat, erläutert K. das Gedicht auf eigenwillige Weise und erzählt dabei seine eigene phantastische Lebensgeschichte: nach einer glücklichen Kindheit als Königssohn in Nova Zembla flieht K. vor der Oktoberrevolution 1917 über Umwege in die USA, wo er sich mit S. anfreundet. Eine russische Untergrundbewegung beauftragt ihren Agenten Gradus, K. zu töten. Gradus verfehlt jedoch K. und erschießt S. K. flieht mit S.s Pale Fire-Manuskript.
Der Titel aus W. Shakespeares Timon of Athens (»the moon's an arrant thief... her pale fire she snatches from the sun« verweist auf das Verhältnis von K. zu S. Der als Parodie kommentierter Textausgg. (vgl. Nabokovs Ausg. von Eugene Onegin, 1964) angelegte R. wird zum Doppelgänger-Thema ausgebaut, das erlaubt, eine komplizierte Spiegelung von Dichter und Plagiator, Gedicht und Kommentar, Amerika und Russland, Realismus und Märchen usw. aufzubauen. Dichtes Geflecht von Anspielungen, Querverweisen, Namenspielen, Wortspielen (»shade«, »gradual«, »glass«,) und Symbolen) »sun« - »moon«, »mirrors«, »butterflies«, »gray«). Höhepunkt des Doppelgänger-Themas in Nabokovs Werk ) (vgl. Laughter in the Dark, 1938; The Real Life of Sebastian Knight, 1941; ® Lolita, 1955 u. a.). Einflüsse von A. Pope, L. Sterne und J. Joyce.
Übs. Fahles Feuer von U. Friesel (1968).

 

 

1962 Katherine Anne Porter: aE Ship of Fools R., 3. Entst. 1940-61.
Eine Schiffsreise von Veracruz nach Bremerhaven im Jahre 1931 als Anlass einer Gesellschaftssatire anhand von vielen typisierten Figuren: Egoismus, Hass, Ehrgeiz, Unwissenheit und vor allem der bereits offene Faschismus der deutschen Reisenden. Konventioneller ironischer Erzähler. Satirische Tradition des Narrenschiffes (vgl. S. Brant). Verarbeitung autobiogr. Elemente.
Bestseller. Übs. Das Narrenschiff von S. Rademacher (1963). Film von S. Kramer (1964).

 

 

1962 William S. Burroughs: aE The Ticket That Exploded R.
20 Erzählsegmente, die die »Weltraum-Mythologie« von ® The Soft Machine (1961) weiterführen. Bradley zerstört die »Gardens of Delight«, wo unter konstanten sexuellen Stimuli Männer von Automaten »gemolken« werden. Raumfahrer werden auf der Venus von grünen Fischjungen verführt. Das »Reality Studio« kontrolliert durch seine Filme die Realität. Ein Mönch kopuliert mit seinem eigenen Schatten, kontrolliert durch Schlagermusik. Eine multimediale Ausstellung mit verschiedenen Kontrollinstrumenten. Kriege zwischen Nova-Mob und Nova-Polizei, zwischen Apomorphin-Truppen und Insekten-Menschen von Minraud. Invasion parasitärer Lebensformen, wie der »Sex-Skin«, die die Menschen umhüllt. Verdoppelung und Verschmelzung von Figuren wie Lykin - Bradley, Bill - John.
Die Thematik der totalen Kontrolle des Menschen bes. durch polit. Macht, Sexualität, Rauschgift und Sprache wird hier mit neuen Medien erweitert. Die Realität selbst ist ein Film, der durch das »Reality Studio« kontrolliert wird: Nicht nur Sprache, sondern auch Sehgewohnheiten sind parasitäre Lebensformen, die den Menschen kontrollieren (Bewusstseinsindustrie). Dagegen hilft nur die »Operation Rewrite« (»cut-up«, »rub-out«, d.h. zerstörerisch-schöpferisches Kombinationsspiel mit konventionellen Wort- und Bildzusammenhängen). Der Titel verweist auf den Doppelaspekt von Konvention (»Ticket«) und Zerstörung (»Exploded«).
Rev. Fassung 1967.

 

 

1962 James Baldwin: aE Another Country R., 3 Bücher.
New York, Gegenwart. Anhand von 4 Paaren und deren wechselseitigen Beziehungen wird ein Bild der am. Gesellschaft entworfen und mit Europa kontrastiert (Titel): die weiße Südstaatlerin Leona und der im Selbstmord endende schwarze Schlagzeuger Rufus Scott; Cass Silenski aus Neu-England und ihr Mann Richard, ein Erfolgsschriftsteller polnischer Abstammung; Vivaldo Moore, ein homosexueller ir. Bohemien aus Brooklyn und die Sängerin Ida, Rufus' Schwester; der aus Frankreich zurückkehrende homosexuelle Schauspieler Eric Jones und dessen Freund Yves. Zentral die ethnischen Gegensätze, sexuelle Probleme, Identitätsfragen. Realismus und Symbolik. Konventionelles Erzählen in Multiperspektive. Einflüsse: H. James, J. Dos Passos.
Bestseller. Übs. Eine andere Welt von H. Wollschläger (1965).

 

 

1962 William Faulkner: aE The Reivers A Reminiscence R.
1.-5. »Jefferson«, 1905. Die Eltern des 11jährigen Lucius Priest müssen über das Wochenende zu einer Beerdigung und lassen L. mit dem autobesessenen Boon Hogganbeck zurück. B. überredet L. zu einem heimlichen Wochenendausflug nach Memphis mit dem Auto des Großvaters. Der Neger Ned McCaslin schließt sich an. Nach einigen Hindernissen gelangen sie in ein Bordell in Memphis, wo B. seine Freundin Corrie besuchen will. 6.-13. Ned hat das Auto heimlich gegen ein Pferd getauscht, mit dem er im Norden ein Rennen gewinnen will. Alles hängt nur von dem Rennen in »Parsham« ab, bei dem L. den Jockey spielen soll. Corrie muss sich prostituieren, damit das Rennen stattfinden kann, das sie tatsächlich gewinnen. L.s Großvater holt L. zurück. L. wird mit dem Schuldgefühl aufwachsen, nicht wie ein Gentleman gehandelt zu haben.
Das Thema des Betrugs (»reivers« = »Gauner«) wird humorvoll durch alle Episoden variiert (Autoentführung, »Zoll«-Zahlungen, Pferdetausch, Diebstahl eines Goldzahns, Beschlagnahme des Pferdes, Betrug beim Rennen und Wetten usw.). Im nostalgischen Rückblick erzählt der 60jährige L., als Gentleman erzogen, seine Initiation in die Welt der Gauner. Die alte Welt des Südens (Großvater, Pferde) kontrastiert mit der neuen (B., Autos). Pointierte Kapp. mit Geheimnisstruktur: die Aufklärung der Verwicklungen geschieht erst im letzten Kap. Konventionelle Erzähltechnik. Faulkner verarbeitet in seinem letzten R. Materialien aus früheren Werken: ® The Unvanquished (1938), ® The Hamlet (1940), ® Go Down, Moses (1942).
Pulitzer-Preis. Übs. Die Spitzbuben von E. Schnack (1963). Film von M. Rydell (1969).

 

 

1963 Thomas Pynchon: aE V. R.
2 Hauptfiguren in komplexer Hdlg.: Benny Profane, ein Gelegenheitsarbeiter, »Schlemihl« und »menschlicher Yoyo«, der sich treiben lässt und keine Erfahrungen macht, und Herbert Stencil, ein imaginativer intellektueller »Abenteurer«, der von der Suche nach der mysteriösen Frau V. aus der Agenten-Welt seines Vaters besessen ist und überall Hinweise auf sie vermutet. Die Verbindung zw. beiden bildet die »Whole Sick Crew«, eine lockere Gruppe partyfreudiger Bohemiens in New York. P. begleitet St. auf V.s »Spuren« nach Malta, wo sich beide schließlich trennen. Offener Schluss: St.s Suche geht weiter.
P. - St. als Doppelgänger: Gegenwartsbezug - Vergangenheitsbezug, Richtungslosigkeit - Zielstrebigkeit, Beschränkung auf die Realitätssphäre - Einbeziehung des Bizarr-Phantastischen. Zentrale Probleme: die moderne »Entropie« (vgl. Kurzgeschichte gleichen Titels, 1960) und Enthumanisierung (Mechanisierung, Entwicklung zu Chaos und Stillstand, »Annihilation«); Realität - Fiktion, Kohärenz - Inkohärenz der Geschichte; Kommunikation; Identität und Rollenspiel. Das V-Motiv auch in der Struktur (von graphischen Effekten bis zum Handlungsgefüge). Aufbau: 12 Kapp. über die Gegenwart (1955/56) mit allmählicher Zusammenführung von P. und St., 4 (ohne chronologische oder kausale Verknüpfung) interpolierte Kapp. und ein Epilog über (mit V. verbundene) hist. Episoden (seit 1898) an verschiedenen Orten (bes. in Mittelmeerländern). Vielzahl der Figuren, Schauplätze, Motive, Details (vgl. die kuriosen V. Manifestationen wie die Frauen- und Ortsnamen mit der Initiale V, die Ratte Veronica, das Jazz-Lokal V-Note, das Phantasieland Vheissu usw.). Einbeziehung verschiedenster Genres, Erzähltechniken, Stile, teils mit parodistischer Tendenz, Evokation von Autoren wie H. Adams, L. Wittgenstein, J. Conrad, J. Joyce, D. Hammett, L. Durrell, V. Nabokov, J. Kerouac, J. L. Borges.
Übs. V. von D. Stössel (1968).

 

 

1964 James Baldwin: aD Blues for Mister Charlie Dr., 3. Auff. 23.4. ANTA Theatre, New York. Anregung durch den Fall Emmett Till in Mississippi (1955).
Südstaatenort, in 2 Lager gespalten: Whitetown, Blacktown. Der arme weiße Ladenbesitzer Lyle hat den militanten jungen Schwarzen Richard ermordet und wird freigesprochen (wie schon einmal). An diesem Fall werden das Rassenproblem und die unterschiedlichen Meinungen, Verhaltensweisen und Entwicklungen typischer Repräsentanten in beiden Lagern in der Gegenwartshdlg., Rückblenden, Selbstbekenntnissen und chorischen Kommentaren dargestellt (»Mister Charlie«: ein Spottname für den Weißen).
Übs. Blues für Mister Charlie von K. Molvig (1971).

 

 

1964 Arthur Miller: AD After the Fall Dr., 2. Auff. 23.1. ANTA-Washington Square Theatre, New York.
Der Anwalt Quentin lässt, vor erneuter Bindung - mit der Deutschen Holga - verunsichert, sein Leben Revue passieren (Rahmen-Hdlg.): I. jüdische Familie in New York, Ruin des Vaters durch die Wirtschaftskrise, auf den Sohn verlagerte Ambitionen der Mutter, scheiternde Ehe mit der konventionellen Louise, Verteidigung des Ex-Kommunisten Lou vor dem McCarthy-Tribunal; II. Ehe mit der Schlagersängerin Maggie, die zum neurotischen Opfer des Starrummels wird und nach der Trennung Selbstmord begeht. H. begegnet Qu. - aufgrund ihrer leidgeprüften Erfarungen in Nazi-Deutschland - mit gelassener Heiterkeit.
Zentral das Problem der Selbstzerstörung des Menschen, der seine Unschuld verloren hat (vgl. biblischen Titel), bes. unter dem Eindruck des Holocaust, der McCarthy-Ära und persönlicher Erfahrungen. Fiktionalisierung autobiogr. Materials (z.B. Maggie = Marilyn Monroe). Selbstkritische Zwischenbilanz mit positivem Schluss. Form des Bewusstseinsdramas: Geschehen im Kopf des Helden, der in der Gegenwart monologisiert, Episoden seiner Vergangenheit assoziiert und einen fiktiven Zuhörer (alter ego ) anspricht; Bühnenbild mit 3 Ebenen, Kurzauftritte, Dialogüberblendungen zeigen das fluktuierende Bewusstsein im Versuch der Selbstergründung, KZ-Wachturm als symbolisches Requisit.
Übs. Nach dem Sündenfall von K. Janecke (1982).

 

 

1964 Lorraine Hansberry: aD The Sign in Sidney Brustein's Window Dr., 3. Auff. 15.10. Longacre Theatre, New York.
I.-II. New Yorker Bohème, Gegenwart. Der liberale Intellektuelle Sidney Brustein lässt sich von seiner allgemeinen Resignation abbringen und für Wally O'Haras Wahlkampf einspannen (Plakat im Fenster usw.), muss aber nach dem Wahlsieg erkennen, dass er von einem Opportunisten missbraucht wurde. Zugleich verlässt ihn seine Frau Iris, der Bevormundung durch ihn überdrüssig. I.s Schwester Gloria begeht Selbstmord, als der Schwarze Alton sich wegen ihrer Call-Girl-Vergangenheit von ihr trennt. III. Die Ereignisse machen S. die Notwendigkeit elementaren Mitgefühls und polit. Engagements (»sommitment«) bewusst: aus der durch Gefühlsintensität gewonnenen Energie heraus will er Wallys »Maschine« bekämpfen.
Zentral die Kritik an den liberalen Attitüden des Illusionismus, Skeptizismus, Verbalismus sowie der Zusammenhang von Privatleben und Politik. Häufung aktueller Probleme: Minoritäten (S. als Jude, Alton, Gloria, der Homosexuelle David), Konformismus (Mavis als »Mother Middleclass«), Korruption (z.B. Wally), Vereinsamung und Drogensucht (z.B. Gloria) , Kunst und Kommerz (I. als Schauspielerin) bzw. Publikum (David als Dramatiker), Stadt-Land-Gegensatz (S.-I.). Struktur: Entwicklung zu den Katastrophen (I-II), Wandlung und Neuansatz S.S (III). Einbeziehung von Traumsequenzen, Liedern und Zitaten.
Buchausg. 1965.

 

 

1964 LeRoi Jones: aD The Slave A Fable in a Prologue and Two Acts Dr., 2, Auff. 16.12. St. Mark's Playhouse, New York.
I. Am. Campus, Gegenwart. Walker Vessels, Führer der »schwarzen Befreiungsbewegung«, sucht während eines bewaffneten Aufstandes seine ehemalige, weiße Frau Grace und deren Mann, Prof. Bradford Easley, auf, um sich seine beiden Kinder zu holen. Dies führt zu einer heftigen Auseinandersetzung über W.s Entwicklung vom integrationsbedachten Intellektuellen zum rassistischen Revolutionär sowie über G.s und E.s Versagen als realitätsfremde Liberale. II. W. erschießt in einem Handgemenge E., G. fällt einer Bombe zum Opfer. Beider Tod rechtfertigt W. mit der »Sache« (»cause«). Während Kindergeschrei ertünt, verlässt er den Schauplatz, zurückverwandelt in den alten »Feldsklaven«, als der er bereits im Prolog die hist. Dimension des Geschehens angedeutet hat.
Zentral das Problem des Rassenkampfes als Konsequenz einer Radikalisierung, die auf die Enttäuschung über die Liberalen zurückgeht. Die Bewusstwerdung des Sklaven führt zur militanten Rebellion gegen die weißen Herrscher und zum Postulat der eigenen Machtübernahme, impliziert aber keine Kritik an der Struktur des Gesellschaftssystems. Typisierung der Figuren. Negative Züge bes. bei den Weißen, doch z.T. auch bei W. (z.B. Selbstgerechtigkeit, Globalanspruch). Das Schreien der unschuldigen Kinder als Rahmenmotiv.
Buchausg. mit dem Dr. Dutchman (1964): Konfrontation des schwarzen Intellektuellen Clay mit der lasziven Liberalen Lula, die ihn schließlich tötet und sich ein neues Opfer sucht.

 

 

1964 Edward Albee: aD Tiny Alice Dr., 3, Auff. 29.12. Billy Rose Theatre, New York.
Der Laienbruder Julian verhandelt im Auftrag des Kardinals mit der attraktiven Gönnerin Miss Alice in ihrem Schloss, lässt sich von ihr verführen und heiratet sie. Als er sich nicht in ihrer »winzigen« Welt einschließen lassen will, wird er vom Anwalt des Kardinals erschossen. Eine Art »metaphysical dream play«, das untersucht, »wieviel falsche Illusion wir brauchen, um durchs Leben zu kommen«. J. zw. sexueller Hysterie und religiöser Ekstase, personifiziertem und abstraktem Gott, Selbstlosigkeit und Märtyrerglorie. Symbolik.
Übs. Winzige Alice von P. Braun (1967).

 

 

1964 Saul Bellow: aE Herzog R. Teilvorabdrucke in Esquire u. a.
Gegenwart. Moses E. Herzog, 47, jüdischer Historiker, introvertiert und unsicher, gerät nach dem Scheitern seiner 2. Ehe mit der kapriziösen Madeleine in eine Krise. Minimale äußere Hdlg. während einer Woche: H. in New York (zwiespältiges Verhältnis zur Geliebten Romana), Besuch der Tochter in Chicago, Zurückgezogenheit auf seinem Landsitz in Massachusetts. Im Vordergrund seine retrospektiven Monologe, die häufig die Form von (nicht abgeschickten bzw. nur gedachten) Briefen an Verwandte, Bekannte, Wissenschaftler, Staatsmänner, Tote usw. annehmen. Reflexionen über das persönlcihe Schicksal und das Weltgeschehen wechseln und beziehen sich aufeinander: Jugend, Karriere, Ehen mit Daisy und M., Kinder Marco und Junie, Geliebte, Freunde; die moderne Welt der Unsicherheit, Manipulation, Vermassung, Mechanisierung, Desintegration. In seinem Versuch einer Selbstorientierung und seiner Suche nach einem »sinnvollen Leben« erhält er Auftrieb durch das harmoniserende Naturerlebnis während seines Landaufenthaltes (Symbolik von Haus und Pastoralszenerie). Offener Schluss: momentanes Glücksgefühl oder Übergang zu einem weniger problematisierten Leben in der Gesellschaft.
Der R. enthält eine Fülle von Gedanken zu den verschiedensten Problem vom Standtpunkt des liberalen Intellektuellen; z.T. fungiert H. als Sprachrohr des Autors. Die egozentrische Perspektive modifiziert durch wechselnde Sprech- und Erzählhaltungen und Selbstironie. Assoziationstechnik. Kultivierter Reflexionsstil mit zahlreichen Anspielungen und Aperçus. Einbeziehung von umgangssprachlichen und jiddischen Wendungen.
Bestseller. Übs. von W. Hasenclever (1965).

 

 

1964 James Purdy: aE Cabot Wright Begins R.
Gegenwart. 2 Hdlgg. mit Korrespondenzen. 1. Literatursatire, bs. als überproportionierter Rahmen: Bernie Gladhart und Zoe Bickle auf der Suche nach Cabot Wright, ihre Versuche, seine Biographie zu schreiben und zu veröffentlichen. 2. Gesellschaftssatire: C. W.s Fall und Entwicklung: als Wall Street-Makler ständigen Beeinflussungen ausgesetzt, flüchtet er sich in Apathie, verfällt nach psychiatrischer Behandlung in atavistische Vitalität und »vergewaltigt« über 300 (willfährige) Frauen, wird im Gefängnis davon »geheilt« und gewinnt über dem Biographieprojekt Einsicht in seine Situation und die Absurdität der am. Gesellschaft. seine Fähigkeit, darüber zu lachen, hat eine befreiende Wirkung. Schluss: er macht sich auf die Suche nach seiner Identität.
Das Titelmotiv des Beginns verweist auf die verschiedenen Anfänge und Neuanstäze (Vitalperiode, Bewusstwerdung - Retrospektive, Identitäsuche). C. W. kontrastiert mit einer Reihe von Fristrierten, Versagern, Selbstmördern. Zahlreiche Seitenhiebe gegen Mechanisierung, Kontrollsysteme, Leistungs- und Konsumzwang, Rollenverhalten usw. Grotesk-komische Züge.
Übs. C. W. legt los von G. Stege (1967).

 

 

1964 Hubert Selby: aE Last exit to Brooklyn Slg. von Kurzgeschichten und Erzählungen in 5 Teilen und einer »Coda«. Teilvorabdrucke in Black Mountain Review u. a.
Sozialpsychologische Studien randständiger Existenzen der trostlosen Brooklyner Alltagswelt der 50er Jahre in naturalistischer Erzählweise, Beschreibung der in Brutalität umschlagenden Langeweile einer jugendlichen Gang, der Gruppenrivalitäten bei einer Transvestiten-Party, des Aufstiegs und Falls einer Prostituierten, der Entwicklung eines Gewerkschaftsfunktionärs zu offener Homosexualität während eines langwierigen Streiks, des Tagesablaufs der Bewohner einer Mietskaserne.
Zentrale Themen: Sexualität und Gewalttätigkeit, »Kontrollverlust«, Titel mehrdeutig: »letzte Ausfahrt« (vom highway), »letzte Station, letzter Ausbruch, letzter Abgang« (= Tod). Schockfunktion eines ausschließich negativen Blickwinkels, in dem Perversität, Kriminalität, Betrug, Isolation, Frustration und Aggressivität vorherrschen und der Tod als letzte Konsequenz kommt. Motiv »emotionaler Erfahrung« im Spannungsfeld zw. Illusion und Realität. Ausweitung des Milieu-Ausschnitts durch Verweise auf allgemeine gesellschaftliche Normen, allmähliche Erweiterung des Personenkreises und Kontrastierung der Geschichten mit Bibel-Motti. Struktur: I-V verknüpft durch die als Treffpunkt fungierende Cafeteria »The Greeks« und wiederkehrende Figuren. »Coda«: Montage von 5 alternierenden, Einzelpersonen bzw. Ehepaaren gewidmeten Erzählsträngen, 2 interpolierten Kindergruppen- und »Frauenchor«-Serien sowie Einzeleinlagen. Figurensprache: genaue Wiedergabe des Gossen-Slang. Erzählstil: vorwiegend lapidar, perspektivisch, mit Tendenz zu suggestiv syndetischer Reihung für Übergangssituationen (mit unvermittelter Einmischung der Figurensprache). Einfluss I. Babels.
Übs. Letzte Ausfahrt Brooklyn von K. Molvig (1968).

 

 

1964 Robert Duncan: aL Roots and Branches 32 Geichts, 11 Sequenzen und 1 Dr. Slg. in 2 Teilen. Einhelnes in The Evergreen Review u. a.
Beide Teile (»Rots and Branches 1959-60«, »Windings 1961-63«) zeigen gleiche Themen und Formen: mystische Erlebnisse und Doktrinen in Form von Variationen literarischer, theosophischer, hermetischer Vorlagen. Sprachreflexion. Collage-Technik: Prosa-Vers und verschiedene freie oder regelmäßige Verse. Einflüsse von E. Pound, W. C. Williams, G. Stein, Ch. Olson.

 

 

1964 John Berryman: aL 77 Dream Songs Entst. und z.T. veröffentlicht seit 1959 in Partisan Review u. a.
Die Songs (3 Strophen zu je 6 Versen mit wechselnden Reimen und Längen) handeln in traumartig verzerrter Weise von Henry, einem sensiblen »weißen Amerikaner mittleren Alters« und seiner sozialen, erotischen, polit. und dichterischen Entfremdung von der Umwelt. Wechselnde Sprecherhaltung (Personalpronomina) und Stilebenen (versteckte Zitate, negroide Sprechweisen, syntaktische Umstellungen). Einflüsse von T. S. Eliot, E. Pound und R. Lowell.
Die Slg. bildet zusammen mit His Toy, His Dream, His Rest: 308 Dream Songs (1968) das Werk The Dram Songs (1969). Pulitzer-Preis. Nachgelassene »Traumlieder«, in Henry's Fate (1977).

 

 

1964 Robert Lowell: aL For the Union Dead 35 Gedichte.
2 Themenkreise: die Kontrastierung der am. Vergangenheit mit der Gegenwart (For the Union Dead, Jonathan Edwards in Western Massachusetts, Hawthorne) und die Registrierung einer Entfremdung von Dichter und Umwelt (Water, Middle Age). Die theologischen Fragestellungen, dramatischen Masken und klassischen Versformen der frühen Lyrik sind hier psychologischer Selbstanalyse, persönlichen Sprechweisen und freieren Versformen in meist reimlosen Strophen gewichen. Anspielungen, Zitate, Symbole sind in einer prosanahen Sprache integriert.
Übs. Für die Toten der Union von C. Meyer-Clason (1969).

 

 

1964 Ezra Pound: aL The Cantos 109 Cantos (120 geplant). Entst. seit 1917. A Draft of XXX Cantos (1930), Eleven New Cantos (1934), The Fifth Decad of Cantos (1937), Cantos LII-LXXI (1940), The Pisan Cantos (1948), Section: Rock-Drill 85-95 de los cantares (1955), Thrones 96-109 de los cantares (1959).
Versuch eines modernen lyrischen Epos, das Teile der Weltgeschichte - an einzelnen Figuren fragmentarisch dargestellt - zu einer komplexen Einheit zu verbinden trachtet. 1.-30. In kontrastiver Folge werden die Hauptepochen eingeführt: die Antike (Epos, Mythos: 1, 17, 23), die Renaissance (Malatesta-Cantos: 8-11), China (Konfuzius: 13) und die Gegenwart (Höllen-Cantos: 14-16). 31.-41. »Jefferson. Nuevo Mundo«. Die Zeit um 1800 (Thomas Jefferson in USA und Europa) kontrastiert mit Renaissance (36) und Gegenwart (38). 42.-51. »Siena. The Leopoldine Reforms«. Die Finanzpolitik des Großherzogs Leopoldo von Siena, das Gegenbeispiel der Bank von England und ihrer Auswirkungen (Usura-Cantos: 45, 51). 52.-71. Einerseits die chinesischen Dynastien von 800 v. Chr. bis ins 18. Jh. (52-61), andererseits die Regierungszeit von John Adams (Präsident der USA 1797-1801). 74.-84. »The Pisan Cantos«. Im Gefangenenlager in Pisa rekapituliert Pound Themen der vorhergehenden Teile und seine eigene Vergangenheit. 85.-95. (»Section: Rock-Drill«) und 96.-109. (»Thrones«) fassen die behandelten Themen und Epochen zusammen und führen zunehmend ins Reich des ewigen Lichts: »Ropck-Drill« konfrontiert noch einmal »einhämmernd« die spaltenden hist. Kräfte mit einenden Persönlichkeiten, »Thrones« erhöht 3 Schriftsteller aus Byzanz, China und Renaissance-England, die über eine gerechte polit. Ordnung schrieben.
In Pounds schwieriges Hauptwerk gehen seine Lektüre und seine Wandlungen ein. Banale Zufälligkeiten, hist. Wiederholungen und Ewiges durchmischen sich. Dennoch lässt sich ein Hauptthema erkennen: die Reflexion über den Zusammenhang von Kunst (Literatur, Malerei, Architektur, Musik) und Gesellschaft (Politik, Ökonomie, Moral, Philosophie) andhand von großen beispielhaften Figuren (Malatesta, Jefferson, Mussolini, Konfuzius, Adams). Zentrale Vorstellung einer gerechten Ordnung (Schlüsselbegriff), beruhend auf einer Reform des Geld- und Kreditwesens (C. H. Douglas, S. Gesell). Konservative didaktische Intention. Versuch, eine neue kulturelle Tradition und neue lyrische Sprache zu entwickeln. 3teilige Struktur ungefähr nach Dantes Divina Commedia, die von der Hölle (Menschen, die von ihren Emotionen beherrscht werden) über das Fegefeuer (die Reformer) zum Paradies (Inthronisierung der Weisen im Licht) führt. Drehpunkt um Canto 50 (ursprünglich auf 100 geplant). Stilistisch eine Montage von Textsequenzen (Prosa, Vers, Ideogramm), großenteils kryptischen Zitaten aller Stilebenen und vieler Sprachen sowie disparaten Details und obskuren Anspielungen. Suche nach dem treffenden Wort (Klangmalerei, Rhythmus, Bedeutung). Ungereimte und ungleichmäßig lange Verse in rhythmische Spracheinheiten zerlegt.
Fortführung in Drafts & Fragments of Cantos CX-CXVII (1969), integriert in die Gesamtausg. 1970. Die offen faschistischen Cantos 72 und 73 (auf italienisch) erst in Ausgg. seit 1987. Teilübs. in Dichtung und Prosa (1953), Die Pisaner Gesänge (1959) u. a. von E. Hesse.

 

 

1964 Frank O'Hara: aL Lunch Poems 37 Gedichte. Entst. 1953-64.
Impressionen aus dem New Yorker Alltag, häufig in der Lunch-Pause geschrieben (A Step Away from Them, Music). Weitere Gedichte über die Jazzsängerin Billie Holiday (»Lady Day«), die Filmschauspielerin Lana Turner, den Maler Michael Goldberg, den Dichter Pierre Reverdy usw. Verzicht auf Symbolik und poetische Konventionen. Prosanahe Verse, die sich ganz auf die Beschreibung des Oberflächlichen konzentrieren. Optimistische Sprechhaltung. Nähe zur Pop-Art. O'Hara gehört mit K. Koch und J. Ashbery zur Gruppe der sog. »New York Poets«.
Übs. Lunch Poems und andere Gedichte von R. D. Brinkmann (1969). Collected Poems (1971).

 

 

1964 William S. Burroughs: aE Nova Express R.
8 Erzählsegmente: 1. Warnung Hassans an die Herrscher des »Control Board«, der »Nova Mob« dringt auf die Erde, um den Planeten in eine Nova zu verwandeln. 2. Der Nova Mob flieht; Beschreibung seiner Technik, an Rauschgift zu kommen. 3. Der Erzähler Lee, Mitglied der »Nova Polizei«, verhört den Chemiker Winkhorst über Apomorphin, ein Antinarkotikum. Kampf gegen den Nova Mob. 4. Der Agent K9 analysiert die Kontrollstrukturen in Minraud, um sie zu zerstören. 5. Lee erwacht nach seiner Raumschiff-Bruchlandung und besichtigt die »Black Lagoons« und die Lemuren. 6. Explosion des Schiffes »America«. 7. In den »Biological Courts« werden parasitäre Lebensformen studiert. 8. Wort- und Tonmontage (Tonband) als Kampfmittel gegen Kontrolle.
Weiterer Ausbau der »WeltraumMythologie«, die in ® The Ticket That Exploded (1962) entwickelt worden war. Sucht und Kontrolle als intergalaktische Kämpfe, Parasitismus, Invasionen, Vireninfektion. Konventionelle Sprache und Erzählfolgen als ein Mittel der Kontrolle von Gedanken und Vorstellungen, die durch »cut-up«-Methode (gedruckter Text) und »rub-out«-Methode (gesprochene Texte, Tonband) zerstört werden muss. Der Titel verweist auf den doppelten Aspekt von Zerstörung (»Nova«) und Konvention (»Express«).
Übs. von P. Behrens (1970).

 

 

1964 John Hawkes: aE Second Skin R.
Der Erzähler Skipper berichtet in 12 achronologisch geordneten Kapp. über seine Vergangenheit: den Selbstmord seines Vaters und seiner Frau, die gescheiterte Ehe seiner Tochter Cassandra und eine Meuterei auf seinem Schiff »Starfish« während des 2. Weltkrieges. 1945 findet S. seinen Schwiegersohn Fernandez ermordet in einer Absteige in New York. Er reist mit C. auf eine unwirtliche Insel im Atlantik. Als C. merkt, dass sie wieder schwanger ist, nimmt sie sich das Leben. S. verbringt sein Lebensende mit der Eingeborenen Kate auf einer schwimmenden Insel.
Motivische und thematische Entsprechungen zwischen den 3 wichtigsten Schauplätzen: USA, Mirandas Insel (Tod, Unfruchtbarkeit, Kälte, schützende Kleidung) und Kates Insel (Leben, Fruchtbarkeit, Wärme, Nacktheit). Durchgehende Symbolik (vgl. Titel) der Kleidung und der Haut, die die Flucht des Erzählers vor seiner Vergangenheit in eine irreale Idylle »außerhalb von Ort und Zeit« verdeutlicht. Grotesk-komische und alptraumartige Situationen (Tätowierung, Meuterei, Autojagd am Strand, Wettkampf des »belly-bumping«). Mythische Parallelen u. a. zur Odyssee und zu W. Shakespeares The Tempest.
Übs. Die zweite Haut von W. Hasenclever (1971).

 

 

1965 Truman Capote aE In Cold Blood A True Account of a Multiple Murder and Its Consequences Prosatext, 4. Serieller Vorabdruck in The New Yorker.
Der als neuartige Mischform »non-fiction novel« intendierte Tatsachenbericht schildert Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des Mordes an 4 Mitgliedern der Clutter-Familie in Holcomb, Kans., am 15.11.1959 durch Richard Hickock und Perry Smith. Kaltblütig nicht nur die Mörder, sondern auch die Gesellschaft, die die Mörder hervorgebracht hat (Umwelt), verurteilt (Nichtbeachtung einer differenzierteren Psychiatrie) und hinrichtet. Lückenlose, detaillierte Rekonstruktion unter kommentarloser Verarbeitung von dokumentarischem Material und Interviews mit beteiligten Personen (6000 Seiten Notizen). Erzählerische Darbietung in alternierender Perspektive und dosierter Erhellung der Vorgänge erhält die Spannung aufrecht und suggeriert die allmähliche Wahrheitsfindung, die psychische Komplexität der Mörder und die Zusammenhänge zw. den Extremen der am. Gesellschaft. Indirekter Versuch, Verständnis und Mitleid für die Mörder zu erwecken (vgl. Villon-Motto). Sachlich-deskriptiver Stil.
Bestseller. Übs. Kaltblütig von K. H. Hansen (1966). Film von R. Brooks (1967).

 

 

1965 Norman Mailer: aE An American Dream R. Serieller Vorabdruck in Esquire.
New York, Gegenwart. Stephen Rojack, ehemaliger Kriegsheld und Politiker, Psychologiedozent, erwürgt seine Frau Deborah und gewinnt dadurch magische Kräfte. Durch die leidenschaftliche Liebe zu der Sängerin Cherry gerät er in die Unterwlet. In einer Konfrontation mit dem Einflussreichen Schwiegervater Kelly gelingt es ihm, um die Brüstung von dessen Apartment zu gehen (symbolischer Akt), Ch. fällt einem Mord zum Opfer. R. macht sich nach Mittelamerika auf.
Das Geschehen bei allem Detailrealismus alptraumhaft-parabolisch. Das Problem der konzentrierten »Exstase und Gewalt« des am. »dream life« (vgl. Titel-Ironie) in Politik und Sex, auf verschiedenen sozialen Ebenen. Das Identitätsproblem des Ich-Erzählers R. zw. Gut und Böse.
Übs. Der Alptraum von P. Baudisch (1965). Film von R. Gist (1966; in GB als See You in Hell, Darling).

 

 

1965 Sylvia Plath: aL Ariel 40 Gedichte. Entst. 1963 vor Plaths Selbstmord. Postum veröffentlicht.
Geburt, Tod, bes. der Freitod sind die zentralen Themen. Plath verwandelt persönliche Probleme in distanzierte, selbstanalytische dramatische Monologe, die die Neurosen der Spreher auf die Gesellschaft beziehen, die diese hervorgerufen hat (Daddy, Lady Lazarus, Morning Song): Faschismus, Gleichgültigkeit, Grausamkeit. Die häufig kurzen Verse sind wie im Titelgedicht den emotionalen und gedanklichen Entwicklungen angepasst und ahmen sie rhythmisch nach. Elliptische, ironisch implizierende Sprechweise. Plaths Leiden an der ihr von der Gesellschaft zugewiesenen Rolle als Tochter, Ehefrau und Mutter sowie ihre poetische Verarbeitung machen sie zur Vorläuferin einer feministisch engagierten Lyrik.
Übs. von E. Fried (1974).

 

 

1965 Malcolm X: a The Atuobiography of Malcolm X Autobiogr. mit Hilfe von Alex Haley verfasst.
In schonungsloser Offenheit legt Malcom X sein Leben seit seiner Geburt 1925 in Omaha, Nebr., dar: zerbrochene Familienverhältnisse, Jugendverwahranstalt, Aufstieg zum Drogenhändler und Zuhälter in Boston und New York. Seine eigene Drogenabhängigkeit führt zu einer Einbrecherkarriere und Gefängnisaufenthalt. In der Norfolk Prison Colony, Mass., einem Rehabilitationszentrum, lernt er 1948 die Lehren der Black Muslims kennen, bekehrt sich und wird nach seiner Freilassung auf Bewährung zum Prediger für die Sekte. Sein Rednertalent und seine Weiterentwicklung bringen ihn in Konflikt mit der Führung der Black Muslims und zu einer Mekka-Reise. Bei dieser gewinnt Malcom X kurz vor seiner Ermordung (1965) ein tieferes polit. Verständnis von Unterdrückung und internationaler Solidarität, das zu seiner Formulierung einer »Black-Power«-Politik und zur polit. Organisation führt.
Die Autogiogr. führt unmissverständlich den Zusammenhang von weißem Rassismus, Weltentfremdung und Scheinintegration, Gettoisierung und schwarzer Kriminalität, Nationalismus und falschem Bewusstsein vor, ebenso wie die Möglichkeit, sich durch internationale Solidarität und polit. Bewusstmachung davon zu befreien. Gleichzeitig Durcharbeiten einer starken Mutter- und Vaterbindung (die er zeitweise auf Elijah Muhammad überträgt). Genaue Beschreibung der diskriminierenden Praktiken einer sich liberal gebenden weißen Vorherrschaft. Das X steht für den unbekannten afrikanischen Namen, der durch die Namensgebung der Sklavenhalter unterdrückt wurde. Didaktische Absicht, früheres falsches Bewusstsein durchschaubar zu machen. Großer Einfluss auf die schwarze Literatur der 60er und 70er Jarhe und Modell für zahlreiche Autobiographien aus anderen Minoritäten.
Übs. Der schwarze Tribun von G. Danehl (1966).

 

 

1965 Tom Wolfe: a The Kandy-Kolored Tangerine Flake Streamline Baby 16 Reportagen und 6 Skizzenfolgen aus Esquire, Herald Tribune u. a.
Die Reportagen, die Wolfe »stories« nennt, gehen um die neue populäre Kultur der 60er Jahre: Pkw-Rennen, Autobastler, Karambolage-Rennen, Teenager-Stars, Gary Grant, Cassius Clay, den Herausgeber von Confidential, Berühmtheiten der Tage und - als Sinnbild dieser neuen Kultur - Las Vegas: ein Gemisch aus Neon, Mafia und psychiatrischer Abteilung. Ergänzt werden die Reportagen durch Karikaturen von New Yorker Typen aus diversen Milieus. Wolfe macht schlagartig den »New Journalism« mit dieser Slg. bekannt: Mischung aus Reportage und den fiktionalen Techniken des Realismus (Dialog, Erzählweise, Handlungsstruktur). Der Stil nähert sich seinem Gegenstand soweit wie möglich: laut, salopp, marktschreierisch, improvisierend. Wolfe versucht, hinter den Symbolen der Popkultur eine nationale Mythologie zu entdecken. Der neue Journalismus, der sich gleichzeitig im Fernsehen durchsetzt, vermischt Nachricht und Unterhaltung, zunehmend zugunsten des zweiten.
Übs. Das bombon farbene tangerin-rot-gespritzte Stromlinienbaby von L. Picard (1968).

 

 

1965 Stanley Elkin: aE Criers & Kibitzers Kibitzers & Criers 9 Kurzgeschichten. Einzelnes vorab in Accent, Chicago Review, Esquire etc.
Todesfälle, Arbeitslosigkeit, ein Einbruch etc. reißen die Hauptfiguren der Geschichten aus ihren Zuschauerrollen (Titel) und konfrontieren sie mit sich selbst, ihrer Entfremdung von anderen, ihrer gesellschaftlichen Außenseiter- und Sündenbockexistenz. Schwarzer Humor durch Verkehrung der Intentionen in ihr Gegenteil. Jüdisch-am. Thematik. Die leztte Geschichte Perlmutter at the East Pole deutet eine mögliche Aufhebung der Entfremdung an.

 

 

1965 James Dickey: aL Buckdancer's Choice 22 Gedichte in 4 Teilen. Einzelnes in The New Yorker u. a.
Erinnerungen an Krieg, Krankenhaus, Kindheit und bes. die toten Eltern bilden den Hauptteil der Slg. Das Titelgedicht beruht auf einer Kindheitserinnerung an die kranke schwache Mutter, die im Bett ein altes kraftvolles Negertanzlied (= Buckdancer's Choice) pfeift. Der Einfluss der Vergangenheit auf die Lebenden auch in Pusuit from Under, Faces Seen Once, The Firebombing usw. wie das Thema vom Sieg über den Tod. Durchweg reimlose, z.T. freie Verse. Strophischer oder freier Aufbau der Gedichte. Einflüsse von R. Frost und R. Lowell.

 

 

1966 Bernard Malamud: aE The Fixer R. Anlehnung an den Fall des Mendel Beilis in Kiew (1911-13).
1911. Der unorthodoxe Jude Yakov Bok, der mit Gelegenheitsreparaturen (als »fixer«) wenig verdient, verlässt sein Dorf, um der Schande seiner gescheiterten Ehe mit der kinderlosen, untreuen Raisl zu entfliehen und im nahen Kiew sein Glück zu machen. Dort jedoch wird er zufälliges Opfer antisemitischer Hetze: man beschuldigt ihn des Ritualmordes an einem russischen Knaben. Er wartet 2 Jahre lang im Gefängnis auf die Gerichtsverhandlung, endlosen physischen und psychischen Schikanen und juristischen Manipulationen ausgesetzt, in völliger Ungewissheit und Einsamkeit (bes. nach der Ausschaltung des progressiven Untersuchungsrichters Bibikov), an den Rand des Selbstmodes getrieben, doch schließlich mit erbittertem Trotz beispielhaft um sein Recht und für die Freiheit kämpfend. Schluss: Fahrt zur Verhandlung.
Zentral Y.s Entwicklung vom unpolit., naiven, ichbezogenen »Freidenker« zum verantwortungsbewussten, opferbereiten, polit. Menschen (Versöhnung mit Raisl, Solidarisierung mit den Juden, persönliches Leiden als sinnvolle Aktion). Einbeziehung der Geschichte und Zukunft Russlands in den Gesprächen Y.s mit B. und Y.s Schlussvision (Mord am Zaren). Darüber hinaus ein Bild des Antisemitismus und der Unterdrückungsmechanismen überhaupt und Versuch einer »Mythologisierung« des Falles (z.B. Christusparallele, Symbolik).
Bestseller, Pulitzer-Preis. Übs. Der Fixer von H. Haas (1968). Film von J. Frankenheimer (1968).

 

 

1966 Harry Mathews: aE Tlooth R., 4.
Von Russland über Afghanistan, Indien, Marokko bis nach Italien, verfolgt die Erzählerin Mary ihre Gegenspielerin Evelyn Roakum, um sich an ihr wegen einer Fingeroperation, die M.s Karriere als Violinistin zerstört hat, zu rächen. Dabei spielen Zahnweh, ein Orakel und Seuchen eine zentrale Rolle. M. wird schließlich Zahnärztin und stellt E., die sich mit Pocken angesteckt hat.
Skurril symbolistische Suche nach Wahrheit (»Tlooth« ist »Truth« mit einer Zahnlücke), die spielerisch mit theologischen und esoterischen Traditionen angereichert wird. Mystifizierende Dokumente, Sprachspiele, Doppelgängerin-Motiv machen allen realistischen Erzählkonventionen ironisch den Garaus. Einfluss von V. Nabokov.
Slg. (1975) mit The Conversions (1962) und The Sinking of the Odradek Stadium (1971/72). Kultartiger Erfolg.

 

 

1966 LeRoi Jones: aE The System of Dante's Hell R.
Die autobiogr. Prosaskizzen verfolgen Kindheit, Schulzeit, College, Wehrdienst des mittelständischen Negers aus Newark. Die Hölle des Bewusstseins (»Hell in the head«) wird in den einzelnen Sektionen jeweils auf einen Höllenkreis Dantes bezogen. Die Struktur signalisiert zugleich die aus der Konfrontation mit der Realität resultierende »schwarze« Bewusstwerdung: Der extrem elliptische Stil mit kryptischen persönlichen »Assoziations-Komplexen«, Bilderhäufung, Variationen verdichtet sich im letzten Dritten zu konkreter handlungsbezogener Erzählung, Montagetechnik. Einbeziehung lyrischer Passagen, dramatischer Szenen, graphischer Effekte. Einflüsse: J. Joyce, W. Burroughs, A. Ginsberg, Jazz.
Übs. Dantes System der Hölle von K. Hofmann (1966).

 

 

1966 Theodore Roethke: aL The Collected Poems 151 Gedichte und 7 Gedichtsequenzen. Veröffentlicht 1941-64.
Neben persönlichen Gedichten, in denen Roethke sein »Leben umzuformen und zu läutern versucht« (Liebesgedichte, Gedichte an Freunde und Verwandte usw.), Kinder- und Unsinnsgedichte und die lange meditative Sequenz The Far Field (1964). Grundthemen bleiben Angst und Ekel vor dem Leben, transzendente Zugänge. Neben W. Blake und D. Thomas durchgehend starker Einfluss von W. B. Yeats.

 

 

1966 John Barth: aE Giles Goat-Boy or, The Revised New Syllabus R., 2 Bde.
Umfangreiche Satire: die Welt als Universität (USA als »New Tammany College«, Neues Testament als »New Syllabus« usw.). Der Bildungsweg des unter Ziegen aufgewachsenen Helden Giles Goat-Boy in New -Tammany College bis zum »Grand Tutor« führt zu seiner Erkenntnis der Identität von Erfolg und Misserfolg, der zyklischen Wiederkerh des Immergleichen. Biblische Parallelen. Bildungsr. als allegorische Satire auf Erfolgsstreben, Kalten Krieg, Technologie, Religion, am. Sexualverhalten usw. Zugleich Prototyp des »Campus Novel«. Barth führt sein Spiel mit Realität und Fiktion (® The Sot-Weed Factor, 1960) weiter.

 

 

1966 Thomas Pynchon: aE The Crying of Lot 49 R.
Kalifornien, 1965. Oedipa Maas gerät durch die Erfüllung des mysteriösen Testaments ihres ehemaligen Liebhabers Pierce Inverarity aus ihrem normalen Tagesablauf in eine Suche, die für sie immer mehr die Züge einer Paranoia annimmt. Durch eine Reihe kryptisch-suggestiver Zeichen wie Knochen, ein Posthorn mit Dämpfer, eine jakobinische Rachetragödie und geheimnisvolle Briefträger entdeckt O. ein illegales Postsystem, »Tristero«, das seit mehreren Jahrhunderten die offiziellen Postsysteme bekämpft. Als sie schließlich einer Versteigerung der Slg. 49 (Titel) beiwohnt, einer Briefmarkenslg. von Tristero-Fälschungen, weiß sie nicht mehr, ob ihre Entdeckung eine ihrem Hirn entsprungene Phantasie, eine Täuschung durch Pierce Inverarity oder Realität ist.
Ein grotesk-komischer »Sucher«-Roman, der unter dem geordneten Kommunikationssystem (»Information«) ein subversives, zerstörerisches (»Entropy«) entdeckt, durch »W.A.S.T.E.«, »Silence«, »Night« charakterisiert. Die gleiche Doppeldeutigkeit ergreift die Psyche der Figuren im R. (Mucho Maas, Hilarius, Driblette) wie deren Namen: Manny Di Presso (manisch-depressiv), Koteks (Taschentuch), Thoth (ägyptischer Gott), Emory Bortz (Nagelfeile) usw. Fortführung der Thematik von ® V. (1963).
Übs. Die Versteigerung von No. 49 von W. Teichmann (1973).

 

 

1966 William H. Bass: aE Omensetter's Luck R., 3.
Als um 1880 Omensetter und seine Familie sich in Gilean, Ohio, niederlassen, bringen sein legendäres Glück und seine Lebensfreude ominöse Verwirrung unter die Dorfbewohner. O.s Vermieter Henry Pimper erhängt sich, als er durch O. sein eigenes sinnleeres Leben erkennt, der von sexuellen Obsessionen gepeinigte Pfarrer Jethro Furber wird wahnsinnig. O. verlässt das Dorf und zieht weiter. In 3 Teilen wird O. aus verschiedenen Perspektiven der Dorfbewohner beschrieben, so dass deren Mangel an O.s Eigenschaften (Vitalität, Lebensfreude, Unschuld) deutlich wird. Technik des inneren Monologs und symbolischer Verweise. Stil zw. Poesie und Prosa, selbstreflexiv und durch Negationen und Auslassungen gekennzeichnet. Abstimmung der Sprache auf die wechselnden Perspektiven. Einfluss von W. Faulkner.

 

 

1967 William Styron: aE The Confessions of Nat Turner R., 4. Verarbeitung dokumentarischen Materials, bes. der von Nat Turner hinterlassen Confessions.
Virginia, 1931. Retrospektive des zum Tode verurteilten N. T., eines schwarzen Baptistenpredigers, der einen Aufstand angeführt hatte: die Entwicklung vom Sklaven bzw. Privilegierten der Weißen zum erbitterten Freiheitskämpfer. Das Porträt erstellt durch Kombination von Fakten und intuitiv rekonstruierten Motivationen. Darüber hinaus ein Bild der sozioökonomischen Verhältnisse der Zeit. Doch weniger ein hist. R. als eine »meditation on history« mit Gegenwartsbezug: Versuch, das komplexe Rassenproblem von seiner hist. Dimension her zu beleuchten. Die Diskrepanz zw. lang genährter Hoffnung und verzögerter Verwirklichung mit der Konsequenz der Gewalttätigkeit dekuvriert als negative Konstante.
Bestseller. Übs. Die Bekenntnisse des N. T. von N. v. Wölfl (1968).

 

 

1967 Ishmael Reed: aE The Free-Lance Pall Bearers R.
»Harry Sam« (= Newark, N. J.) ist von der Insel des Diktators Sam (= Manhattan) durch eine schwarze Bucht voller mörderischer Fische getrennt. Dem naiven Erzähler Bukka Doopeyduck gelingt es nach einigen Lernprozessen, die ihn seine unterwürfige Liebesreligion der Nazarener ablegen und zum kommerziellen Protest-Star aufsteigen lassen, die Bucht zu durchschwimmen, die Einwohner des Gettos Soulsville und die revolutionäre Gruppe »Free-Lance Pall Bearers« (etwa: »freiberufliche Sargträger«) zum Aufstand zu führen, um den Diktator zu stürzen.
Anlässlich des schwarzen Getto-Aufstandes in Newark (1967) satirisiert Reed die polit. Verhältnisse zw. Schwarz und Weiß in diversen Lebensbereichen: Religion, Universität, Protesttheater, Massenmedien usw. Die Parabel voller grotesker und sprachlich virtuoser Züge ist gleichzeitig eine Parodie auf den schwarzen Bildungsr. mit messianischen Zügen.

 

 

1967 Robert Bly: aL The Light around the Body 43 Gedichte in 5 Gruppen.
Im Mittelpunkt (Teil III) steht die Anklage gegen den Vietnam-Krieg und seine heuchlerische Rechtfertigung: »We make war/like a man anointing himself« (At a March against the Vietnam War) . Die Motti aus mystischen Texten von Jacob Boehme vor den anderen Teilen verdeutlichen das übergreifende Thema: der Krieg geht letztlich auf ein falsches Verständnis von Rationalität (The Great Society), eine Verdrängung der eigenen Gefühle (Three Presidents) und die Entfremdung vom eigenen Körper (Looking into a Face) zurück.
Bly vertritt die Richtung Tiefenbildlichkeit (»deep image«) in der zeitgenössischen am. Lyrik. Durch traumartig gewonnene Bilder soll der Zugang zu vorbewussten und verdrängten Gefühlen gewonnen werden, der zu einem neuen Selbstverständnis führt. Wahrnehmung und Körperlichkeit sind die wichtigsten semantischen Felder der Slg.

 

 

1967 Piri Thomas: aE Down These Mean Streets R.
1.-16. Harlem, 1940er Jahre. Der halbwüchsige Piri lebt als schwarzer Puertoricaner im »barrio«: der Vater ist arbeitslos und aggressiv; die Mutter sehnt sich in die Heimat zurück; er selbst sucht Zuflucht bei der Straßenbande, widersetzt sich der Schule, arbeitet als Schuhputzer und begeht Diebereien. Nach dem Umzug ins vorstädtische Long Island erfährt P. die Diskriminierung als »Nigger«, versucht sich als Puertoricaner von Schwarzen wie Weißen abzusetzen, scheitert bei der Jobsuche und verlegt sich auf den Drogenhandel. 17.-24. Eine Reise in den Süden verdeutlicht ihm die Zugehörigkeit zu den Schwarzen. Es kommt zum Bruch mit der Familie und erneutem Drogenhandel. 25.-36. Während einer Gefängnisstrafe behauptet P. sich bei Machtkämpfen der Insassen. er besinnt und bildet sich und gewinnt über den Glauben ein neues Selbstbewusstsein. Mit Distanz zum früheren »hustling, whoring und hating« kehrt P. zuversichtlich zurück.
Puertoricanische Variante der fiktionalisierten Harlemer Autobiogr.: Problem der Identitätsfindung als doppelt Diskriminierter im Gegensatz zur dominanten am. Gesellschaft wie anderen Minoritätengruppen; das »barrio« als ein einschränkendes Getto und Gemeinschaftsgefühl vermittelnde Fluchtburg; Generationenkonflikte der Einwandererfamilie; Einzelkämpfer-Held mit Kodex der Straße. Kritik an Institutionen wie dem Strafvollzug als krassem Spiegel des sozialen Systems: Hass, Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Gewalt. Verbindung von Ich-Erzählung, Dialogen und inneren Monologen. Slanghafte, spanisch eingefärbte Ausdrucksweise. Stilistische Vorliebe für Übertreibung, klangbetonte Wendungen, Ironie.
Fortsetzung in Savior, Savior, Hold My Hand (1972) mit der positiveren Perspektive des Sozialarbeiters, Ehemanns und Erweckungspredigers. Seven Long Times (1974) bringt eine erweiterte Darstellung der Haftzeit.

 

 

1967 Richard Brautigan: aE Trout Fishing in America R. Einzelnes als Vorabdruck in The Evergreen Review u. a.
Gegenwart. Der anonyme, vorwiegend in San Francisco lebende Ich-Erzähler berichtet von der passionierten Suche nach guten Fanggründen für Forellen (durchgängiges Vordergrundgeschehen). Zugleich verfremdet er das Motiv durch Übertragung auf ganz andere Bereiche (z.B. »Forellenfischen« als Person, Slogan, Hotel), verunsichert total die Unterscheidung zw. Realität und Fiktion und kontrastiert die idyllischen Implikationen zunehmend mit negativen Aspekten der gegenwärtigen Gesellschaft (Gewalttätigkeit, Mechanisierung, Kommerzialisierung, Frustration).
Erzählminiaturen mit permanenter Leser-Irritation (Verschiebung, Verkehrung, Verrätselung). Tendenz zu skurrilen Arabesken, surrealistischen Bildern, grotesker Übertreibung, Geschichten ohne Pointe, parodistischen Effekten. Spiel mit dem Buch als Buch (einschließlich Umschlag und Typographie). Einfluss H. Melvilles und E. Hemingways (Essay Trout Fishing in Europe).
Übs. Forellenfischen in Amerika von C. und H. Bastian (1971).

 

 

1968 Jean-Claude van Itallie: aD The Serpent A Ceremony Dr. Entst. in Zusammenarbeit mit J. Chaikins »The Open Theater«, Auff. 2.5. Teatro del Arte, Rom, durch die gleiche Gruppe.
Auf 2 Gegenwartsszenen (Gehirnchirurgie-Demonstration, Attentate auf J. F. Kennedy und M. L. King) folgen Genesis-Episoden (Adam und Eva, Kain und Abel) im Wechsel mit allgemeinen Gegenwarts-»Statements« eines Frauen-Chors. Schluss: Rezitation des 1. Geschlechtsregisters simultan mit pantomimischer Kopulation, Geburt und dem Altern der Nachfahren.
Versuch, den Mythos des Anfangs dialektisch mit der Gegenwart in Beziehung zu setzen. Gliederung in 14 Sektionen mit »rhythmischen Übergängen«. Stilisierung (bes. Ritualisierung) durch verschiedenartigste Darbietungsformen: Pantomime, Chor, Sprechgesang, Lied, Filmtechniken (Zeitlupe, Rücklauf, Montage, »freeze«), fragmentarisierte und nichtsprachliche Verlautbarungen, Repetitionseffekte usw. Die Schauspieler als Individuen und Priester in unmittelbarem Kontakt mit dem Publikum. Raum für Improvisationen.
Buchausg. 1969.

 

 

1968 Ed Bullins: aD Goin’a Buffalo A Tragifantasy Dr., 3. Auff. 6.6. American Place Theatre, San Francisco.
Los Angeles, um 1960. I. Der Traum des vorbestraften Zuhälters und Drogenschiebers Curt, nach Buffalo, N. Y., zu gehen und reich zu werden, hängt von einem letzten »Geschäft« ab. II. Seine Frau Pandora verliert ihren Job als Striptease-Tänzerin, weil die Bar schließen muss. III. C. wird gefasst, sein »Freund« Art übernimmt P., das Geld und eine weiße Hure Mamma Too Tight, um mit ihnen nach Buffalo zu gehen.
Parabel über den schwarzen am. Traum vom Erfolg im kriminellen Milieu. Die Korruption aller menschlichen Beziehungen durch Tausch und Gewalt wird in Pandoras Büchse (Drogen, Pistole, Geld) und dem Schachspiel zw. Schwarz und Weiß symbolisiert. Zugleich deutet das Dr. im Strip Club (II) die weißen Rahmenbedingungen für dieses randständige Milieu an. Bullins’ naturalistische Versuche, ein schwarzes Theater für ein schwarzes Publikum bes. in den Gettos zu schaffen, das sich auf der Bühne wiedererkennen kann, beruht auf einer genauen Kenntnis der geschilderten Verhältnisse und der Sprechweisen der Betroffenen. Einfluss von LeRoi Jones.
Buchausg. in Five Plays (1969). In the Wine Time behandelt die Straßenkultur des Gettos. die beiden Einakter A Son, Come Home und The Electronic Nigger. A Tragi-Comedy drehen sich satirisch um eine Mutter-Sohn-Beziehung und den Unterricht für angehende Schriftsteller. Der letzte Einakter Clara’s Ole Man. A Play of Lost Innocence behandelt Probleme einer Jugendgruppe im Slum von Philadelphia in den 50er Jahren.

 

 

1968 Norman Mailer: aE The Armies of the Night Kombination von autobiogr. R. und Zeitgeschichte in 2 Büchern. Augenzeugenbericht über die Vietnam-Demonstration am 21.-22.10.1967 in Washington, D. C.
Behandelt deren Voraussetzungen, Vorbereitung, Verlauf, Implikationen und Konsequenzen im Wechsel mit Selbstdarstellung und Digressionen über zahlreiche Aspekte der am. Gesellschaft vom Standpunkt eines »Links-Konservativen« (am. Traditionen, Technokratie, Massenmedien, Establishment, Anti-Kommunismus, die »neue Linke«, die Schwarzen) und enthält Reflexionen über Methoden und Grenzen der Wahrheitsfindung. Titel: Anspielung auf den Schluss von M. Arnolds Dover Beach; die nächtliche Konfrontation der Demonstranten und Truppen vor dem Pentagon als erste »symbolische« Schlacht eines langwierigen Kampfes.
I. »History as a Novel«: Geschichte in romanhafter Einkleidung (erzählerische Dokumentation seiner »persönlichen Geschichte«). II. »The Novel as History«: R. in historiographischer Stilisierung (perspektivische Ausweitung, Deutungsversuch), übergehend in den »kollektiven R.« (Spekulation über irrationale Aspekte). Vermeidung von Schwarz-Weiß-Malerei. Distanzierte autobiogr. Er-Erzählung. Stil: wechselnd dokumentarisch, analytisch, geistreich, provokativ, satirisch, mystisch.
Pulitzer-Preis. Übs. Heere aus der Nacht von M. Büttner (1968).

 

 

1968 Allen Ginsberg: aL Planet News 41 Gedichte der Jahre 1961-67. Einzelnes als Vorabdruck in Fuck You, The Yale Literary Magazine, The Evergreen Review, Paris Review, Playboy u. a.
»Nachrichten vom Planeten Erde«, die - den Standort New York ausgenommen - größtenteils auf Reiseeindrücken beruhen (Mittelmeerraum, Südostasien, Ostblock, England, USA). Selbstdarstellung wechselt mit allgemeinen Meditationen und Lamentationen. Kritische Auseinandersetzung mit der »Paranoia« der modernen Welt, den globalen polit. Konstellationen (Kalter Krieg, Dritte Welt) und bes. der polit. Situation in den USA (Vietnam, Monopolkapital, Kontrollmechanismen, Massenmedien). Ginsbergs Gegenposition zielt auf »humanity«, »kindness«, »sex«, Vitalität Friedfertigkeit, (östliche) Religiosität. The Change: Kyoto-Tokyo-Express markiert Ginsbergs Abkehr von Versuchen einer nach außen gerichteten Bewusstseinserweiterung, Hinwendung zum »Herzen«. Körper, Rückwendung zum Hier und Jetzt des Ichs »wie es ist«. Die Entwicklung zu diesem Wendepunkt bes. unter dem Eindruck des langen Indienaufenthaltes: vgl. Indian Journals (1970). Wichita Vortex Sutra (»Leitfaden« über die Stadt in Kansas als ein Zentrum des »Strudels« von Angst, Hass, Gewalttätigkeit): Teil eines entstehenden längeren Gedichtes (® The Fall of America, 1972).
Der Stil überwiegend »messianisch-rhapsodisch«, z.T. halluzinatorisch-visionär (unter DrogenEinfluss). Montagetechnik. Zahlreiche Anspielungen. Einbeziehung von Slang. Syntaktische Lockerung bis zur Auflösung.
Übs. Planet News (Auswahl) von H. Bastian (1969).

 

 

1968 Jerzy Kosinski: aE Steps R.
Zentral das Problem der Kontrolle: ohne Kontrolle kein Friede und Glück (Bhagavadgita-Motto), doch Kontrolle als Macht über andere verhängnisvoll, wie in modellhaften und extremen zwischenmenschlichen Verhaltensweisen gezeigt wird. Ein anonymer Ich-Erzähler verfolgt unsystematisch in Episodenserien die »Stufen« (Titel) seines Lebens (Kindheit, Armee, Universität in einem Ostblockland, Neuanfang in den USA; autobiogr. Züge). Erlebnisse, Beobachtungen, Phantasien, konzentriert auf Sexualität, Perversion, Brutalität, Ausweitung des Persönlichen in den gesellschaftlichen Bereich. Indirekte Kritik an der Unterdrückung individueller Freiheit in Ost und West vom Standpunkt des Außenseiters. Als Rahmen der Episodengruppen häufig kurze Dialoge mit einer Frau. Die lockere Struktur und die moralische Doppeldeutigkeit als Material für die je persönliche Leseerfahrung intendiert. Konzis-deskriptiver Stil.
Übs. Aus den Feuern von M. Büttner (1970).

 

 

1968 Eldridge Cleaver: a Soul on Ice Slg. von Briefen und Essays, 4 Teile. Im Gefängnis verfasst mit dem Ziel der Bewusstwerdung und moralischen Besinnung.
I. »Letters From Prison«: Schilderung seines Werdegangs und des Gefängnislebens. II. »Blood of the Beast«: Essays über die Rassendiskriminierung in ihrer hist. Entwicklung und den gegenwärtigen weltpolit. Implikationen (Kapitalismus, Kolonialismus, Vietnam), die Bürgerrechtsbewegung in ihren Phasen sowie Charakteristiken zweier schwarzer »Unterhalter« (C. Clay, J. Baldwin). III. »Prelude to Love - Three Letters«: Briefwechsel mit seiner Rechtsanwältin B. Axelrod. IV. »White Woman, Black Man«: Darstellung der Rollenverteilung in der weißen Hierarchie und der daraus resultierenden zwischengeschlechtlichen Beziehungen beider Rassen, Schluss: Ausblick auf Gesundung der Nation und Hymnus auf die schwarzen Frauen.
Verbindung von Autobiogr. und Zeitgeschichte. Der Titel bezieht sich auf die 8 Gefängnisjahre vor Cleavers Liebe zu B. Axelrod, die ihn »wiederbelebt« und zu sich selbst zurückbringt (Sexualmystik als Rahmen- und Leitmotiv). Angedeutet ist damit zugleich die Situation der Schwarzen überhaupt, wie auch das Gefängnis als Symbol der allgemeinen Unterdrückung gesehen wird. Durchgängig von konkreten Beobachtungen ausgehende Analyse und Infragestellung der repressiven Normen der am. Gesellschaft und Hoffnung auf die revolutionäre junge Generation. Vorwiegend sachlicher Stil sowie allegorische und mystische Züge. Einfluss von Malcolm X.
Große Wirkung auf die Black Power-Bewegung. Bestseller. Übs. Seele auf Eis von C. und H. Bastian (1969).

 

 

1968 N. Scott Momaday: aE House Made of Dawn R., 4 Einzelnes in Southern Review, New Mexico Quarterly u. a.
Kalifornien, 1945-52. Abel kehrt tief verstört und teilweise unter Gedächtnisverlust in das Reservat zurück, hat eine Liebschaft mit einer Weißen und tötet einen Albino, eine Art Doppelgänger. In Los Angeles, durch Verzweiflung und Alkohol am Tiefpunkt angelangt, beginnt er sich mit Hilfe von Reverend John Big Bluff Tosamah an seine indianischen Wurzeln zu erinnern, darunter auch an das Nachtlied vom »Haus aus Morgenröte«. Er kehrt erneut in das Reservat zurück, beerdigt seinen Großvater Francisco nach altem Brauch und läuft in die Morgenröte hinaus.
Der 2. Weltkrieg, die Relokations- und Terminationspolitik der 50er Jahre bilden den Hintergrund für Abels psychischen Tod und seine Wiedergeburt durch Erinnerung. Reservat/Stadt, weißes/indianisches Bewusstsein sind die Haupt-Oppositionen. Zyklische Struktur (Anfang/Ende, Tag/Nacht usw.). Zunehmend die Perspektive von Abel in der Erzählweise, die von Fragmentarisierung zu größerer Kohärenz fortschreitet. Beginn der neueren indianischen Erzählkunst, die modernistische Technik mit traditionellen Mythen zu verbinden sucht.
Pulitzer-Preis. Übs. Haus aus Dämmerung von J. Ebner (1971).

 

 

1968 Donald Barthelme: aE Unspeakable Practices, Unnatural Acts 15 Kurzprosa-Texte. Vorabdruck meist in The New Yorker.
Typisch für die Slg. sind Texte, die absonderliche Vorgänge beschreiben und heterogene Ereignisse vermischen. In The Indian Uprising, ist ein Komantschenaufstand als hist. Vorfall und Verfilmung mit persönlichen Kommunikationssituationen des Erzählers (Freundin, psychoanalytische Lehrerin, Touristin) verschränkt. In The Balloon überrascht ein Mann New York mit einem ganze Straßenzüge einnehmenden, kunstvoll gestalteten Ballon und animiert so die Bürger zu kontroversen Reaktionen. In Robert Kennedy Saved from Drowning werden in Momentbildern und Stellungnahmen Einblicke in das öffentliche wie private Leben von »K.« gewährt. In Alice bedenkt ein verheirateter Mann, der mit der verheirateten A. »Unzucht« begehen möchte, die zu erwartenden grotesken Komplikationen.
Barthelme reflektiert die soziale und psychische Desintegration in der sinnentleerten Welt der technologisch-urbanen Massengesellschaft mit ihrer medienbestimmten Realität und ihren Sprache und Kultur erfassenden Verschleißprozessen. Die Texte, meist Ich-Erzählungen, sind durch entsprechende Verfremdungseffekte gekennzeichnet: diskontinuierliche Struktur oft fragmentarischer Segmente, irritierende Nebeneinanderstellung und abstruse Verknüpfung von Motiven, enzyklopädische Anspielungen, ironische Inversionen, Sprachparodien (bes. von Ausdrucksklischees, logischem Diskurs). Tendenz zur Meta-Story in Texten, die parabolisch die Situation des Künstlers implizieren. Poetologische Basis: Partikularisierung und Neuanordnung von Erfahrungsmomenten in einer Verbindung aus kritischem Ernst und Spiel mit dem Zufall, der Vermischung von Alltagsrealität und quasi-mythischer Phantastik. Einflüsse: J. Joyce, S. Beckett, G. Stein. Nähe zu zeitgenössischen am. Kunstbewegungen (Action Painting, Happenings).
Übs. Unsägliche Praktiken, unnatürliche Akte von H. und A. Muschg (1969).

 

 

1968 Mario Puzo: aE The Godfather R., 9.
New York, Sizilien, Las Vegas, 1946-47. Dem Bandenkrieg der 5 New Yorker Mafia-Familien setzt der »Pate« Don Vito Corleone durch eine nationale Kartellabsprache ein Ende. Sein Sohn und Nachfolger Michael rächt sich an den Gegnern und verlegt das Geschäft der Corleone-Bande nach Las Vegas.
Puzo verknüpft die Erfolgsrezepte von Familien- und Kriminalr. (bes. Generationskonflikte, Rivalitäten zw. Geschwistern; Milieuschilderungen, Wechsel von Szenen der Gewalt und Sexualität) zu einem spannenden, auf Tatsachen beruhenden Bestseller (über 12 Mill.), der vorhergehende Spitzenreiter wie G. Metalious’ ® Peyton Place (1957) oder J. Susanns Valley of the Dolls (1966) weit hinter sich lässt.
Übs. Der Pate von G. Stege (1969). Film von F. Coppola 1972, ebenfalls ein Kassenschlager.

 

 

1968 Gary Snyder: aL The Back Country 104 Gedichte in 5 Teilen. Einzelnes in Poetry, Evergreen Review u. a.
I. »Far West«. Gedichte über das Arbeiten und Wandern in den Bergen der Westküste der USA. II. »Far East«. Japanische Impressionen: Wandern, Zen-Studien, Jahreszeiten. III. »Kali«. Frauen in verschiedenen Sehweisen: Geliebte, Mutter, Zerstörerin, Wiedergebärende. IV. »Back«. Zurück in den USA, östliche Erfahrungen überlagern die Beschreibung von Land und Leuten. V. »Miyazawa Kenji«. Übss. des japanischen Dichters (1896-1933).
Die Durchdringung östlicher und westlicher Sehweisen vertieft und bereichert den zugrundeliegenden Gegensatz von Zivilisation und Natur: Menschen zerstören ihre Umwelt (A Berry Feast) und unterdrücken das Natürliche an sich selbst (The Manichaeans). Unsentimentale realistische Naturbeschreibung (A Walk) wird mit Assoziationen indischer, japanischer und indianischer Mythologie verbunden: »Back Country« heißt Hinterland, unterentwickeltes und unbewusstes Land zugleich, als positiver Gegenpol zu den Städten, Technologien und christlichen Traditionen der USA und Europas (»For the West«). Kurzgedichte im freien Vers vorherrschend, teils tagebuchartig, teils haiku-artig implizierend. Nähe zur San Franciscoer Gruppe der Beat Generation.

 

 

1968 John Barth: aE Lost in the Funhouse Fiction for Print, Tape, Live Voice Sequenz aus 14 Texten. Entst. und z.T. veröffentlicht 1966-68.
Die chronologisch geordnete Sequenz zeigt den Erzähler in einer Reihe von modernen und klassischen Masken. Seine Entwicklung durch verschiedene Altersstufen begleitet eine zunehmende Komplizierung und Relativierung nicht nur der Erzählkonventionen (realistische Geschichte, Beckett-Monologe, Kafka-Parabel, Epenburleske), sondern auch des Erzählmediums (Buch, Tonband, Vortrag). Die Sequenz führt folgerichtig die Auflösung realistischer Erzählweisen (® The Sot-Weed Factor, 1960; ® Gildes Goat-Boy, 1966) durch die Auflösung des R.s und des Erzählers selbst fort.
Übs. Ambrose im Juxhaus von S. Rademacher (1973).

 

 

1969 Joyce Carol Oates: aE Them R.
Detroit u. a. Orte, 1937-67. Die Hdlg. um Loretta Wendall, ihren Sohn Jules und ihre Tochter Maureen verwickelt die 3 in Mord, Ehe und Prostitution (M.) sowie Zuhälterei und Teilnahme am Gettoaufstand 1967 in Detroit (J.). Schließlich rettet sich J. in den Westen, und M. heiratet einen Englischlehrer.
Hist. R. einer Familie mit genauer soziologischer Zeichnung des Lebens in der unteren Mittelschicht und der Rolle von Gewalt zw. den Geschlechtern. Mehrsträngige und multiperspektivische Erzählweise in der 3. Person mit gelegentlichen Briefeinlagen. Realistisch-dokumentarische Beschreibung von Detroit. Großer Erfolg.
Übs. Jene von I. Nadolny (1969).

 

 

1969 Arthur Kopit: aD Indians Dr., 13 Szenen. Auff. 6.5. Arena Stage, Washington, D.C. 2. überarbeitete Fassung.
Das fragwürdige Vorgehen bei der Kolonisation des am. Westens wird an hist. Vorkommnissen um den legendären Helden Buffalo Bill demonstriert, der als ambivalenter »Träumer« vermittelnder Freund der Indianer zu sein versucht, sich aber als naives Werkzeug ihrer Ausrottung erweist. Um den Handlungsstrang der Untersuchung der »Standing Rock Reservation« durch eine Senatskommission (1986) und des Massakers an Sitting Bulls Stamm (1890) eine Vielzahl von hist. Figuren, Episoden, Details, die diese Entwicklung verdeutlichen.
Der moralisch bemäntelte Kampf gegen »minderwertige « Gruppen als kontinuierliches Moment der am. Geschichte bis zum Vietnam-Krieg. Die Verwischung der Diskrepanzen zw. Realität und Mythos als fataler Faktor des am. Selbstverständnisses. Das Stück weniger hist. Dr. als grotesker »Alptraum«: achronologische Folge wechselweise ernster und komischer Episoden im Rahmen der Wild-West-Show. Satire und Parodie (z.B. Western-Konventionen, »dime novel«- und Melodramenstil von N. Buntline, polit. Statement).
Übs. Indianer von H. Sahl (1970). Film Buffalo Bill von R. Altman (1984).

 

 

1969 The Performance Group: aD Dionysus in 69 Happening nach The Baccae von Euripides (engl. Übs.). Auff. 2.6. in einer Garage, Wooster St., New York.
Weniger eine Bearbeitung von Euripides’ Dr. (nur 600 der 1300 Verse wurden benutzt, zumeist die Chor-Partien) als ein kollektives psychodramatisches Ritual, das das neue Lebensgefühl der 60er Jahre ausdrücken soll: orgiastische Einheit von Körper und Seele, Befreiung des Unbewussten, Aufhebung der Entfremdung durch Nacktheit und Körperkontakt sowie durch Bloßlegung des Rollenspiels aller. Damit auch Einbeziehung des Publikums, das in dieses neue Lebensgefühl initiiert werden soll. Der Konflikt zw. Ich (Pentheus) und Es (Dionysus) ist auch der zw. Autorität und Freiheit. Entsprechende Praktiken: Zerschreien und Zerdehnen des Textes, Körperrituale, Aus-der-Rolle-Treten der Schauspieler, offenes Ende des Stückes (die Schauspieler des Kollektivs entkommen dem Stück auf die Straße). Zugleich Vorstellung eines Guerilla-Theaters, das die neuen Lebensformen nach außen trägt. Einfluss des polnischen Theatermachers Jerzy Grotowski und seinerseits Vorbild für zahlreiche Versuche kollektiven Performance-Theaters in den 70er Jahren.

 

 

1969 Saul Bellow: aE Mosby’s Memoirs and Other Stories Slg. von 6 Geschichten, einzeln 1951-68 in Zeitschriften erschienen
Titelgeschichte: der am. Ex-Diplomat Dr. Willis Mosby schreibt in Mexiko seine Memoiren und erinnert sich - um einer komischen Digression willen - an die Bekanntschaft mit Hyman Lustgarten, einem donquijotesken Spekulanten des Nachkriegseuropa, der schließlich im Familienleben aufgeht; M.s ironisch-distanzierte Reminiszenz wird durch die eigene Todesvision bei einer Tempelbesichtigung relativiert. Die Kontraste Gojim - Juden, Amerika - Europa, Kapitalismus - Sozialismus, Leben - Tod spielen z.T. auch in den anderen Geschichten eine Rolle.
Übs. Mosbys Memoiren von W. Hasenclever (1973).

 

 

1969 Bernard Malamud: aE Pictures of Fidelman An Exhibition R. Teilvorabdrucke in Partisan Review u. a.
Gegenwart. Der am. Jude Arthur Fidelman versucht sich in Italien nacheinander als Kunsthistoriker (1), Imitator (2), Fälscher (3), nachschaffender Künstler (4), scheitert jedoch an seinem mangelnden Talent und gerät in die Hände von Parasiten, in Abhängigkeit von einer frigiden Frau, wird zum Dieb und Zuhälter. Allmählich erkennt er die Anmaßung seiner egozentrischen Suche nach der Perfektion von Leben und Kunst (vgl. Motti): er entdeckt seine Bisexualität und wird Glasbläser. So gewandelt kehrt er in die USA zurück (6).
F. rekapituliert die Erfahrungen am. Künstler in Europa, die verschiedensten Kunstauffassungen von der Antike bis zur Pop Art (zahlreiche Anspielungen, entsprechende Schauplätze Rom, Mailand, Florenz, Venedig), die wechselseitigen Beziehungen zw. Kunst und Leben, Realität und Imagination, Tradition und Originalität, Kunst und Kunstgewerbe. Mehrdeutiger Titel: 1. Ausstellung von F.s Bildern; 2. Die Folge der (in sich geschlossenen) Kapp. als eine Ausstellung von Künstlerporträts bzw. als Exhibition seiner Entwicklung. Komische Züge. Flexibler Stil. Einbeziehung einer Traumsequenz (5).
Übs. Bilder einer Ausstellung von A. Hegemann (1975).

 

 

1969 Philip Roth: aE Portnoy’s Complaint R. Teilvorabdrucke in Esquire u. a.
Erzählsituation: Alexander Portnoys assoziativ-monologische Lebensbeichte auf der Couch des Psychoanalytikers Dr. Spielvogel. Im Zentrum der retrospektiven Selbsterforschung das Problem des ungelösten Konfliktes zw. moralischen Impulsen und sexuellen Obsessionen. Doppeldeutiger Titel: 1. parodistische Krankheitsbezeichnung, 2. Wehklage. Die eigene Entwicklung ist durchweg in ihrer sozialen Bedingtheit gesehen (repressive Normen der Familie, Gegensatz Juden - Gojim). Tabulose Offenheit. Mischung aus Selbstmitleid und Selbstironie. Tendenz zu grotesk-komischer Übertreibung. Einfluss S. Bellows.
Bestseller. Übs. Portnoys Beschwerden von K. Molvig (1970). Film von E. Lehman (1971).

 

 

1969 Kurt Vonnegut: aE Slaughterhouse-Five The Children’s Crusade R.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermischen sich im Bericht des Protagonisten Billy Pilgrim: 1944 gerät P. als naiver Mann in deutsche Gefangenschaft und erlebt in »Schlachthaus 5« (Adresse) in Dresden die Vernichtung der Stadt. 1950-67 lebt P. verheiratet als Optometriker in Ilium, N. Y. 1967 wird er von einem UFO des Planeten Tralfamadore entführt und in einem Zoo ausgestellt.
Die Auswirkungen des Dresden-Erlebnisses auf P. bilden das Thema des R.s: P.s Fatalismus (Leitmotiv »So it goes«) zeigt seine Hilflosigkeit gegenüber dem absurden Geschehen. Gleichzeitig ein Appell (vor dem Hintergrund des Vietnam-Krieges) gegen alle Kriege. Vonnegut verwendet Figuren aus seinen anderen Rr. The Sirens of Titan (1959), ® Mother Night (1961), God Bless You, Mr. Rosewater (1965). Autobiogr. Züge.
Übs. Schlachthof 5 von K. Wagenseil (1970). Film von R. Hill (1972). Dramatisierung von P. Cudden und U. Foxall (1989).

 

 

1969 Robert Coover: aE Pricksongs and Descants 12 Kurzgeschichten. Einzelnes vorab in Evergreen Review, Playboy etc.
Diese experimentellen Erzählungen, die sich zumeist um sexuelle Phantasien und Geschlechterrollen drehen (der Titel, der auf elisabethanische Liedtraditionen verweist, enthält zwei obszöne Wortspiele), dekonstruieren und serialisieren realistische Erzählverfahren. In The Hat Act führen die endlosen Hut-Tricks eines Zauberers und seiner Assistentin zu mehr und mehr unmöglichen Verwandlungen, Mord und Totschlag. The Babysitter präsentiert eine Mord- und Vergewaltigungsphantasie in verschiedenen gleichmöglichen Varianten. Andere Texte variieren Märchenstoffe zu absurden Parabeln über die Initiation in Sexualität und Tod (The Door, The Gingerbread House, The Magic Poker). Zerlegung des Erzähltextes in kleinste Segmente, Wiederholung und Variation, gleichberechtigte, aber verschiedene Fassungen ein und desselben Erzählvorgangs sind hier Hauptverfahren, die realistischen Konventionen zu durchbrechen.

 

 

1969 Robert Lowell: aL Notebook 1967-1968 Gedichtsequenz aus 274 Sektionen. Geplant als Notebook of a Year.
Ein poetisches Tagebuch für den Zeitraum 1967-68 in »Sektionen von 14 reimlosen Blankversen« (Sonettzyklus-Tradition). Zufällige Tagesanlässe (Familiäres und Politik: Che Guevara, R. Kennedy, Pentagon-Protestmarsch) und Erinnerungen an Freunde und Verwandte (E. Bishop, A. Tate, J. Barryman) werden in den Zyklus der Jahreszeiten integriert. Lowell führt hier die Entwicklung von Selbstanalyse als Gesellschaftsanalyse und von prosanahen Sprechweisen (® Life Studies, 1959) konsequent weiter: die freien Pentameter wirken wie Prosa. Elliptisch-hermetischer Stil voller privater Anspielungen, versteckter Zitate, Revisionen eigener Gedichte usw. Einfluss von J. Berryman.
2. rev. Auflage im gleichen Jahr. 3. erweiterte und rev. Fassung 1970. Weitere Verarbeitung in History (1973) und For Lizzie and Harriet (1937). Auswahl-Übs. Gedichte von M. Pfister (1982).

 

 

1969 Elizabeth Bishop: aL The Complete Poems 76 Gedichte und 2 Sequenzen. Entst. und z.T. veröffentlicht 1933-69.
Detaillierte präzise Beschreibungen von Landschaften, Tieren und Artefakten meist mit anthropomorphen Zügen sind charakteristisch für alle Teile der Slg. (Cape Breton, The Fish, The Map). Thema häufig das Problem der Wahrnehmung und der Erkenntnis. Traditionelle Formen. Strophen nach Silbenmaß, auch vereinzelt freie Verse. Halbreime oder reimlos. Einflüsse von W. Stevens, M. Moore und dem Imagismus.

 

 

1969 Vladimir Nabokov: aE Ada Or Ardor: A Family Chronicle R., 5.
I. 1987. In »Ardis Hall« trifft der Erzähler Van Veen zum erstenmal seine jugendliche Kusine Ada. Beide verlieben sich leidenschaftlich ineinander und treffen sich auch unter den schwierigsten Umständen. Vor allem Lucette, A.s jüngere Schwester, wacht eifersüchtig über die beiden. Ein Jahr später, beim 3. Aufenthalt in Ardis Hall, findet der eifersüchtige V. eine Filmgesellschaft und einige Nebenbuhler vor. Er reist enttäuscht ab nach Paris. II. 1888-92: V. und A. korrespondieren. V. veröffentlicht sein erstes Buch (Letters from Terra), A. ist Filmschauspielerin geworden. Beide treffen sich 1892, wieder mit Lucette, in New York. Nach einer Liebesorgie zu dritt reist V. überstürzt ab: Sein Vater Demon hat ihm erklärt, dass A. seine Halbschwester ist. III. 1892-1905. Lucette stellt V., der durch Europa reist, nach. Als V. nicht mit ihr schlafen will, stürzt sich Lucette auf der Rückreise in die USA vom Schiff. Demon stirbt bei einem Flugzeugabsturz. V. und A., die inzwischen verheiratet ist, treffen sich kurz in der Schweiz. IV. 1922. V. schreibt an einem Essay (The Textures of Time) und trifft sich mit der gealterten A. Sie beschließen, gemeinsam ein Buch über ihr Leben zu schreiben.
Ironische Familienchronik, die Zeit (durchgezogene Anachronismen) und Ort (Ardis Hall in USA oder Russland?) spielerisch auflöst. Beide Auflösungen werden in V.s Werken reflektiert und zum eigentlichen Thema des R.s erhoben. Verdoppelung und Spiegelung als Haupttechnik: Figuren (Vorfahren, Ada - Lucette), Episoden (die 4 Haupt-Begegnungen von V. und A.), Schauplätze (USA, Europa), Symbolik (Zwillinge, Doppelgänger, Spiegel usw.). Sprechende Namen: Aqua-Marina und Ada (Ardor)-Lucette, mit der entsprechenden Wasser- und Feuersymbolik verknüpft. Souveränes Spiel mit Erzählkonventionen. Fülle von parodistischen Einlagen und literarischen Anspielungen (Fußnotenapparat). Unterlegt ist der Mythos vom Garten Eden (Ardis): Van und Ada sind Anspielungen auf Adam und Eva. Einflüsse von M. Proust und J. Joyce.
Übs. Ada oder das Verlangen von U. Friesel und M. Therstappen (1974).

 

 

1970

Donald Barthelme:

aE City Life

14 Kurzprosa-Texte, Vorabdruck meist in The New Yorker.


In der Titelgeschichte ziehen 2 Frauen in die Metropole, erleben bei mehrfachen Männerbeziehungen eine Jungfrauengeburt und können im vertrackten »Mist« der Stadt und des Bewusstseins nur einen Protestsänger als Lichtblick erkennen. At the Tolstoy Museum ist eine Satire auf den Personenkult in der Kunst und verschränkt intertextuell das demontierte Vorbild mit dem eigenen Erzählansatz. In The Glass Mountain erklettert ein Mann einen tückischen Glasberg in Manhattan, um das »Symbol« auf dessen Spitze zu entzaubern, das sich jedoch als eine Prinzessin erweist, die er der sensationslüsternen Menge überlässt.
Die Slg. setzt die Thematik und Formprinzipien von ® Unspeakable Practices, Unnatural Acts (1968) fort, treibt die experimentelle Tendenz jedoch weiter bis zur multimedialen Collage von Text und Bild (Einbeziehung von Grafiken, z.T. in Fotomontage, sowie diverser typographischer Effekte) und der noch konsequenteren Auflösung von Sprache und Erzählung bis zum amorphen Monolog in zerschnittenen Texten und elliptischer Syntax (Bone Bubbles).
Übs. City Life/Stadtleben von M. Frisch (1972). Die Slg. Sixty Stories (1981) enthält eine Auswahl von Barthelmes 1. Bd. Come Back, Dr. Caligari (1964) bis zu Great Days (1979).

 

 

1970 Joyce Carol Oates: aE The Wheel of Love and other Stories 21 Geschichten. Einzelnes in The Atlantic Monthly, Esquire, Tri-Quarterly etc.
Es geht um meist gestörte Liebesbeziehungen zw. Frauen und Männern (aus beiden Perspektiven), wobei die Liebe wie »das Rad der Folter« (Titel) für die Beteiligten wirkt. Der verwitwete Dozent, dessen Frau sich umgebracht hat (The Wheel of Love), die jüngferliche Kunsterzieherin, die von einem Mann verfolgt wird, der sich vor ihren Augen ersticht (Bodies), eine eifersüchtige Hausfrau, die ihren Geliebten ganz für sich haben will (I was in Love), eine Fünfzehnjährige, die den bedrohlichen Werbungen eines seltsamen Mannes erliegt (Where are you Going, Where have you Been?), sie alle erleiden die Liebe als Schmerz. How I contemplated the World from the Detroit House of Correction and Began My Life Over Again ist der Versuch einer Fünfzehnjährigen, sich über ihre traumatische Initiation in die Unterwelt Detroits (Drogen, Prostitution, Gefängnis) und ihre emotionale Bindung an den Zuhälter Simon klarzuwerden. Manchmal zeigen sich Personen unfähig, auf die Liebe anderer einzugehen: die Nonne in In the Region of Ice, der Priester in Shame usw. Oft sind es Vater- oder Mutterbindungen, die die erwachsenen Liebesbeziehungen stören.
Subtiler psychologischer Realismus in wechselnden Darstellungstechniken: Dialoge, Briefe, Schulaufsatz, innere Monologe, Wachträume, Katechismus, Nachzeichnung von Verdrängungen und scheinbar trivialen Fehlleistungen. Teils experimentelle Zeitsprünge, Brüche der Hdlg. und offene Schlüsse.
Übs. Das Rad der Liebe von B. v. Bechtholshein u. B. Henninges (1988).

 

 

1970 Nikki Giovanni: aL Black Feeling Black Talk 26 Gedichte.
Polit. Agitationslyrik aus den Jahren 1967-68: an Mitstreiter und andere Lyriker gerichtete Texte (Our Detroit Conferene), Programmatisches (Black Separatism, Black Power) und Liebesgedichte wie Seduction zeigen eine stolze schwarze Frau, die sich den Männern der »Black Power« ebenbürtig weiß. Knappe Verse, lautlich zum Vortrag bestimmt. Mit Don L. Lee, Sonia Sanchez, Mari Evans u. a. vertritt N. Giovanni die kämpferische afro-am. Lyrik der 60er Jahre.

 

 

1970 Kate Millett: a Sexual Politics Essays.
Diese »Notizen zu einer Theorie des Patriarchats«, der Vorherrschaft der Männer über die Frauen, kritisieren Werke von D. H. Lawrence, H. Miller und N. Mailer als Teil einer Gegenrevolution (1930-1960), die auf die »sexuelle Revolution« der Frauenbewegung reagiert. Millett zeigt, wie Unterwerfung, Erniedrigung und Unterdrückung von Frauen eine zentrale Rolle im Erzählwerk der 3 Autoren einnehmen.
Das Buch, auf das N. Mailer mit The Prisoner of Sex (1971) antwortete, leitete eine Wende in der Literaturkritik ein, und trug dazu bei, Frauenstudien und eine frauenzentrierte Neulektüre von Klassikern auch in der Literaturwissenschaft zu etablieren.
Übs. Sexus und Herrschaft von E. Schlant (1983).

 

 

1971 David Rabe: aE Sticks and Bones Dr., 2. Auff. 7.11., New York Shakespeare Festival Public Theater.
I. David kehrt traumatisiert und blind aus Vietnam zurück. Die Eltern Ozzie und Harriet sowie sein Bruder Rick versuchen ihn abzulenken, aufzuheitern oder sein Leid zu ignorieren. II. Die Eltern setzen Polizei und Priester vergeblich gegen D. ein. Mit Rick überreden sie D. zum Selbstmord vor ihren Augen.
Rabe nutzt die Konventionen des Heimkehrer-Dr.s zur Entlarvung der gestauten Aggressionen einer Familie, die nur durch das gegenseitige Ignorieren ihrer Probleme zusammengehalten wird. Nur D. spricht seinen Hass und sein Leid offen aus und gewinnt dadurch an Stärke. Durch dauerndes Verbalisieren und dauerndes Weghören der anderen entsteht ein absurder Kommunikationszusammenhang, der die Konventionen des psycho-realistischen Theaters (Schweigen, Gestik) unterhöhlt. Schwarzer Humor. Einfluss von E. O'Neill und E. Albee.
Buchausg. (1973) mit The Basic Training of Pavlo Hummel (1971), dem Teil I einer geplanten Trilogie über den Vietnam-Krieg.

 

 

1971 Peter Taylor: aE The Collected Stories 21 Kurzgeschichten. Einzelnes seit 1940 in The New Yorker, Southern Review, Kenyon Review u. a.
Geschichten über Professoren, Senatoren, junge Bräute und alte Damen aus den Südstaaten, die an ihrer Liebesunfähigkeit (Dean of Men), Haltlosigkeit (First Heat), Egozentrik (Reservations) oder Arroganz (Mrs. Billingsby's Wine) scheitern und vereinsamen. Unterschwellig oft der Rassismus der Südstaatengesellschaft (A Spingster's Tale, Miss Leonora When Last Seen). Persönlich, oft mündlich gehaltene Erzählerrollen. Psychologischer Realismus. Vertreter der »Südstaaten-Renaissance«. Einfluss von H. James.

 

 

1971 James Wright: aL Collected Poems 209 Gedichte, incl. 29 Übss. aus dem Spanischen und Deutschen.
Die Slg. reicht von frühen Slgg. (1957, 1959) über Shall We Gather at the River (1968) bis zu noch ungesammelten Gedichten zw. 1968 und 1970 und verdeutlicht Wrights Entwicklung von realistisch-konversationellen Gedichten in metrischen Formen zu Freivers-Formen mit der surrealistischen Technik der Tiefenbildlichkeit (»deep image«), die im Gegensatz zur objektivistischen Lyrik von W. C. Williams oder L. Zukofsky unbewusste oder begrifflich nicht zu fassende Vorgänge zur Sprache bringt: A Dream of Burial, Twilights oder Two Hangovers sind bekannte Beispiele für diese Technik. Themen sind der Mittelwesten, Einsamkeit und Entfremdung, Verzweiflung, das an den Indianern begangene Unrecht. Einfluss von R. Bly.
Pulitzer-Preis.

 

 

1971 Ted Joans: aL A Black Manifesto in Jazz Poetry and Prose 38 Gedichte, 2 Prosastücke.
Eingeleitet von Proposition for a Black Power Manifesto, einem Aufruf zu schwarzer polit. Macht/Gewalt, und Jazz Expo '67, einem lyrischen Tagebuch über das Newport Jazz Festival in Europa, Gedichte über Africa, Jazz (Jazz is...), Sklaverei (1619) und revolutionäre Poesie (The Correct World). Teils jazz-orientierte, teils dissonant-zerhackte Verse, zum Vortrag bestimmt. Ausdruck eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins der Black Power-Bewegung.

 

 

1971 John Hawkes: aE The Blood Oranges R. Teilweise in Tri-Quarterly, Works in Progress u. a. erschienen.
Illyrien (= östlicher Teil der Adria-Küste), Gegenwart. Der Erzähler Cyril, ein alternder am. Sensualist und Ästhet, rekapituliert den Versuch, mit seiner Frau Fiona und dem befreundeten am. Ehepaar Hugh und Catherine eine arkadische Idylle völliger erotischer Freiheit zu schaffen. Der Versuch scheitert an H.s Selbstmord aus Eifersucht.
Die erotischen Relationen der 4 Hauptfiguren werden begleitet durch ein Geflecht dichter Symbolik (Farben, Früchte, Keuschheitsgürtel, dunkle Unterwelt). Lyrische Prosa voller visueller, taktiler und gustativer Details. Wechsel von Erzählergegenwart und -vergangenheit. Fortführung der Thematik von ® Second Skin (1964): Idylle als Gegenwelt der alptraumartigen Wirklichkeit.
Bildet zusammen mit Death, Sleep & the Traveler (1974) und Travesty (1976) eine Art Trilogie.

 

 

1972 Sam Shepard: aD The Tooth of Crime Spiel mit Musik, 2. Auff. 17.7. Open Space, London.
Am. Westen, Gegenwart, aber nicht näher bestimmt. Hoss, eine Kombination von Rock-Star, Sportler und Mafia-Boss, muss seine Herrschaft verteidigen, die von alten Konkurrenten und Missachtung der »Spielregeln« untergraben wird. Sein Horoskop verheißt ihm aber keinen Erfolg. Crow, ein »gypsy«, der sich grundsätzlich nicht an die Spielregeln hält, dringt in Hoss' burgartig befestigtes Haus ein und besiegt ihn in einem Rededuell. Hoss kann sich nicht an die Regellosigkeit der »gypsies« anpassen und erschießt sich. Crows Herrschaft beginnt.
Die nicht-realistische Hdlg. des Stücks lebt aus Anspielungen auf Sprache und Vorstellungswelt von Western, Science Fiction, Gangsterfilm, Sport, Rockmusik, Fernsehen usw. Virtuose Verwendung der verschiedenen Idiome: dynamische Sprache: Bilderdichte, zwanghafter Rhythmus, Stilwechsel. Zentrale Themen wie in Shepards früheren Stücken: Herrschaftsstreben, Maskierung und Demaskierung in zwischenmenschlichen Beziehungen, gestörte Familienverhältnisse, Kommerzialisierung der Kunst, Mechanisierung Amerikas, Einbeziehung von 8 Songs als »emotionalen Kommentaren« zum jeweiligen Handlungsstand. Einfluss von B. Brechts Verfremdungstechnik. Titel aus Mallarmés Sonett Angoisse: »A heart that the tooth of crime cannot wound«.
Übs. Rhythm & Bluad oder der Zahn der Zeit von P. Jacobi (1975).

 

 

1972 John Barth: aE Chimera R., 3. Teile vorher in Harper's und Esquire.
Dunyazadiad: Dunyazade, Schwester von Scheherazade, erzählt Shah Zaman, dem Bruder von Sharyar, dass Sch. dem Sharyar die Märchen aus 1001 erzählte, um ihn anschließend zu töten. D. will das gleiche mit Z. tun. Die 4 lieben sich statt dessen. Perseid: Perseus rekapituliert als Erzählender und Handelnder im Alter seine mythologischen Abenteuer bis zur entscheidenden Begegnung mit der Medusa, die ihn unsterblich macht. Bellerophoniad: Bellerophon, Vetter des Perseus, erlebt seine Abenteuer mit der Sibylle, Melanippe und Chimäre noch einmal, indem er sie seiner Familie erzählt. B.s Abenteuer imitieren z.T. die des Perseus.
Das Thema der problematisch gewordenen Beziehung zum sich emanzipativ verstehenden weiblichen Geschlecht in mythisch-märchenhaftem Gewand ist gleichzeitig ein selbstironisches Spiel mit den Möglichkeiten und Grenzen der Erzählkunst und ihrer Analyse (»Der Schlüssel zum Schatz ist der Schatz«). Verdoppelung, Einschachtelung, Wiederholung, Kommentierung auf mehreren Ebenen sind durchgehende Kompositionsprinzipien der einzelnen Teile und des Ganzen. Chimäre: 1. Fabeltier aus drei verschiedenen Teilen, 2. Hirngespinst. Satirische Bezüge zur strukturalen Mythenanalyse in der Nachfolge von C. Lévi-Strauss, Travestiezüge durch am. Umgangssprache in Dialogen und auf den verschiedenen Erzählerebenen. Barth setzt hier die literarische Selbstparodie und -auflösung von ® Lost in the Funhouse (1968) fort.

 

 

1972 Jack Kerouac: aE Visions of Cody Prosatext, 4. Entst. 1951-52.
I. Jack (Kerouac) denkt während diverser Streifzüge durch die New Yorker Szene an Cody (= Neal Cassady). II. Nachzeichnung von C.s Jugend in den Spielhallen von Denver. J.s Reise nach San Francisco zum Treffen mit C. III. Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs von J. und C. unter DrogenEinfluss über C.s Tramper-Erlebnisse und assoziativer Gedankenaustausch. IV. In »Nachahmung« des Tonbands Erinnerungen und Phantasien J.s, die dem eigenen Werdegang und der Beziehung zum Freund gelten. Erlebnisse während gemeinsamer Überlandfahrten.
Kerouac experimentiert hier mit einer neuen Unmittelbarkeit der literarischen Umsetzung von Eindrücken, Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken - bis hin zum unredigierten Protokoll rauschhafter Einfälle - und kommt damit seinem Konzept der »spontanen Prosa« nahe, die zur kinetischen Beat-Existenz auf den Straßen des urbanen Amerika und seinen subkulturellen Zentren ein stilistisches Pendant bildet: Impressionen mit scharfen Umweltdetails, improvisatorisches Rhapsodieren, slanghaftes Idiom mit gelockerter Syntax, rhythmische Periodenbildung, sprachspielerische Pointen. Mischung von Ich- und Er-Erzählung. Parodistische Neigung (bes. in IV).

 

 

1972 Ishmael Reed: aE Mumbo Jumbo R. Einzelnes vorab in Amistad.
USA, 20er Jahre. In der Voodoo-Kirche Mumbo Jumbo, die in New Orleans von PaPa LaBas geleitet wird, entsteht eine Tanzseuche namens Jes Grew, die sich in Windeseile über die ganze USA ausbreitet. Vergebens kämpfen der Wallflower-Orden und die Atonist-Bewegung unter Hinckle Von Vampton gegen den ekstatischen Tanz: seine Wurzeln gehen über den Voodoo-Kult bis nach Afrika zurück, und schon Set in Ägypten und Moses in Palästina sind n dem Versuch gescheitert, ihn zu unterdrücken. Auch die Präsidenten Harding und »Heeber« (= Hoover) scheitern: Ihre Versuche enden mit Tod und der Großen Depression.
Phantastisch verzerrtes Porträt des »Jazz Age« der 20er Jahre als Parabel der vitalen schwarzen Kultur im Kampf gegen ihre Unterdrückung durch weißen Puritanismus. Deutliche Parallelen zu den 60er Jahren. Zugleich eine Satire auf S. Freuds These, Kultur sei nur durch Triebunterdrückung zu leisten. Sprachlich virtuos und satirisch als buntes Gemisch verschiedenster Aspekte am. Kultur. Antirealistische Collage aus Zitaten, Bildern und verschiedenen Typographien.

 

 

1972 Allen Ginsberg aL The Fall of America Poems of these States, 1965-1971 62 Gedichte in 5 Teilen. Einzelnes in Evergreen Review, Partisan Review u. a. Fortsetzung von ® Planet News (1968).
Um die Elegien auf Neal Cassady, die 1968 verstorbene Schlüsselfigur der Beat-Bewegung, im Mittelteil gruppieren sich die Beschreibungen der Reisen von Küste zu Küste der USA (I und II) und die »Ecologues« (ökologische Eklogen) der Staaten mit einem Ausblick auf Asien (Teile IV und V). Die Umweltzerstörung in den USA und der Krieg in Vietnam bilden das thematische Zentrum einer (an)klagenden Bestandsaufnahme der Jahre 1965-71. Autogedichte (beim Fahren diktiert), Elegien, mantrische Gesänge, Reflexionen, Notizen im Flugzeug verbinden sich zu einem epischen Gedicht des Untergangs (Herbst, Sündenfall) der Vereinigten Staaten. Leitmotive »stars« und »snake«. W. Whitman gewidmet.
Übs. Einzelnes in Jukebox Elegien von B. Samland (1981).

 

 

1972 A. R. Ammons: aL Collected Poems 1951-1971 361 Gedichte. Einzelnes in Harper's, The Hudson Review, The Nation u. a.
Die überwiegende Mehrzahl der meist kurzen Gedichte beschreiben oder reflektieren die Natur: »Birds are flowers flying/and flowers perched birds.« (Mirrorment). Gleichzeitig steht oft die Identität des lyrischen Ichs zur Diskussion: Look for My White Self, Identity, Concerning the Exclusions of the Object. Im dem längeren Gedicht Essay on Poetics meditiert Ammons über den Zusammenhang von konkretem Naturdetail und angestrebter Synthese, Ordnung, Ganzheit, wie sie vorbildlich im Meer verkörpert ist: »Gedichte sind verbale Symbole für solche natürlichen Organisationen.« Bekannte Beispiele für solche wechselseitige Erhellung von Detail und natürlicher Ordnung sind die Gedichte Coon Song, Corsons Inlet, Plunder. Früher Einfluss von E. Pound und Ch. Olson.
National Book Award.

 

 

1972 John Ashbery: aL Three Poems 3 lange Prosatexte
»The New Spirit« meditiert in unregelmäßig paragraphierten Teilen und 6 eingelegten »Gedichten« über das momentane Glück einer Zweierbeziehung und das Zurückfallen in Alltäglichkeit. »The System« verallgemeinert die gemachte Erfahrung: neben dem Alltag verläuft eine andere Ebene der »phantastischen Reflexionen«. »The Recital« wägt rückblickend noch einmal Glück und Schmerz, Vergangenheit und Gegenwart, Prozess und Stillstand gegeneinander ab.
Die 3 Teile nähern sich zunehmend den Konventionen der Paragraphierung von Prosa. Glücksmoment, Erinnerung und Identität des reflektierenden Selbst begründen sich gegenseitig und bleiben gefährdet. Die rätselhaft einfache Sprache bleibt jenseits geschlossener Hdlg., Argumentation oder Symbolkonstruktion und verweigert sich dem »Raster der Alltagssprache». auf den sie jedoch dekonstruktiv bezogen bleibt.

 

 

1973 Thomas Pynchon: aE Gravitiy's Rainbow R., 4.
I. »Beyond the Zero«. London, 1944/45. Der am. Leutnant Tyrone Slothrop ist während des Blitzkrieges für eine Aufklärungsabteilung tätig. Eine abnorme Responsfähigkeit (V2-Treffer antiziperende Erektionen) hat ihn für die Weiße Visitation interessant gemacht, die von einer Nervenklinik aus im Dienst einer ominösen weltweiten Macht (»Firm«, »Them«) steht. Er fürchtet die »Annullierung« durch die V2. II. »Un Perm' au Casino Hermann Goering«. Riviera, Schweiz. In einem ehemaligen Nazi-Nachtclub stationiert, verwickelt sich S. in eine Beziehung mit der Doppelagentin Katje. Zunehmend paranoid geht er Indizien einer Konspiration um die V2 nach (Schwarzgerät). III. »In the Zone«. Die Suche nach der Rakete bringt S. im besetzten Deutschland nach Nordhausen (unterirdische Raketenwerke, Basis der Schwarzkommandos), Berlin (alte Filmmetropole, Schwarzmarkt usw.) und schließlich Cuxhaven. IV. »The Counterforce«. Peenemünde, London. S. ist in eine Anti-Paranoia verfallen und weiß am Ziel nicht mehr, wonach er suchen soll. Der ehemalige Kollege Roger Mexico hat sich der »Gegenmacht« angeschlossen, sucht S. aber vergeblich.
An ® V. (1963) anknüpfend (wiederkehrende Nebenfiguren) verbindet Pynchon mit dem Handlungsstrang der Suche ein kompliziertes Netz realer und irrealer Geschehnisse und weitet die Thematik ins Enzyklopädische aus: über 300 Figuren aus aller Welt (von Argentinien bis Japan); hist. Rückblicke (koloniales Neu-England) und utopische Visionen (»Raketenstadt« des Raumzeitalters); die Phänomene moderner Zivilisation (rapide Technologisierung, globaler Monopolkapitalismus, überlagerte Kontrollsysteme); die Unbestimmtheitsfaktoren des durch die Relativitätstheorie und Quantentheorie veränderten Wirklichkeitsbildes; die gegensätzlichen Komplexe Macht/Ohnmacht, Kontrolle/Freiheit, Leben bzw. Liebe/Tod, Ordnung/Chaos, hist. Kohärenz/Inkohärenz, Realität/Fiktion und die korrespondierende Symbolik von Schwarz/Weiß, Nord/Süd, oben/unten usw. Vielzahl von Zitaten und Anspielungen (Wagner, Einstein, Whitehead, M. Weber, Rilke, N. O. Brown usw.), Mythenparallelen (von Orpheus bis King Kong), Symbolik aus der Physik, Psychologie, Kabbala und anderen Bereichen. Der Titel verweist auf die Ambivalenz der Raketen-Parabel (Aufstieg/Abstieg als Rahmenmotiv des R.s; in die Zukunft weisende/katastrophale Erfindung der Menschheit). Wiedergabe unterschiedlicher Sprechweisen. Die Erzählung unterbrochen von Rückblenden, Liedeinlagen, Einschüben. Kompositionelle Symmetrien. Tendenz zu filmartigen Bildsequenzen. Durchgängig bizarre Komik und Suggestivität, bes. in den Korrespondenzen bis hin zu Sprach- und Zeichenspielen (z.B. SS = Schutzstaffel, Doppelintegral, Tunnelform des Raketenwerks).
Übs. Die Enden der Parabel von E. Jelinek (1978).

 

 

1973 Philip Roth: aE The Great American Novel R.
Der Erzähler Word Smith, ein 87jähriger Sportjournalist, will den großen am. R. schreiben, indem er die Wahrheit über das Ruppert Mundy Baseball Team im Jahre 1943 enthüllt: Die Mannschaft von exzentrischen Außenseitern und Krüppeln irrte heimatlos und von der Patriot League ausgebeutet durch die USA.
Die paranoiden Phantasien des »Wortschmiedes« ergeben eine satirische Parabel über die USA, in der das Team für das Volk und die Patriot League für die Regierung stehen. Deutliche Parallelen zu Our Gang (1971), einer Satire auf die Nixon-Regierung. Zugleich Versuch einer Demythologisierung der am. Gesellschaft im Sinnbild des Baseball-Spieles. Ferner Parodie auf die Erwartungshaltung gegenüber dem »großen am. R.«.

 

 

1973 Stanley Elkin: aE Searches and Seizures 3 Kurz-Rr. Einzelnes vorab in Tri-Quarterly und Works in Progress.
The Bailbondsman. Der hartgesottene Kautionssteller Alexander Main erfreut sich der Kontrolle, die er über seine Klienten hat. Ein Traum jedoch von 2 Angeklagten, die ihm mit der Kaution entkamen, bringt seine latente Existenzkrise zum Ausbruch. The Making of Ashenden. Auf der lebenslangen Suche nach einer geeigneten Frau gerät der fast 40jährige Millionär Brewster Ashenden in die groteske Umarmung einer brünstigen Bärin. The Condominium. Beim Tode seines Vaters erbt Marshall Preminger nicht nur dessen Eigentumswohnung, sondern auch die komplexen Verpflichtungen, die dieser in einem Hochhaus für ältere Leute eingegangen ist. M. stürzt sich vom Balkon.
In allen drei Kurz-Rr. führt die Suche zur Besessenheit durch das Gefundene: die drei Junggesellen im mittleren Alter werden dabei krisenartig mit sich selbst und dem Tod konfrontiert. Thematische Progression und Detailverknüpfung zw. den drei Rr. Virtuose Sprachkomik in den Parodistisch überzeichneten am. Sprechweisen der Erzähler und in den Dialogen. Wortspiele (Titel) vertiefen die Komik hintergründig. Elkin führt hier Techniken und Themen seiner Rr. The Dick Gibson Show (1971) und A Bad Man (1967) fort.
Engl. Ausgg. unter den Titeln Eligible Men (1974) und Alex and the Gypsy (1977). Film Alex and the Gipsy (1977).

 

 

1974 Grace Paley: aE Enormous Changes at the Last Minute Slg. von 17 Kurzgeschichten. Vorabdruck in The Atlantic, Esquire u. a.
Die Titelgeschichte beschreibt die Liebesbeziehung zw. einer jüdischen Intellektuellen und einem ir. Taxifahrer bzw. Pop-Poeten aus einer Hippie-Kommune. Andere Geschichten skizzieren die zufällige Wiederbegegnung eines geschiedenen Paares (Wants), eine Gemeinschaftsaktion von Müttern als »Gesang« vor den Behörden (Politics), den gewalttätigen Konflikt zw. ir.-italienischen Nachbarpaaren um die »Bürde« des Geldverdienens, Vorurteile, Schuldgefühle und sexuelle Wünsche (The Burdened Man) oder die Rückkehr einer Dauerläuferin in ihr »verwildertes« Wohnviertel (The Long-Distance Runner).
Wie bereits in The Little Disturbances of Man (1959) und wieder in Later the Same Day (1985) ist die linksliberale jüdische Village-Autorin Faith eine wiederkehrende Hauptfigur (mit autobiogr. Zügen des Familienhintergrunds). Wechsel von Ich-Erzählung und personaler Erzählsituation. Paley entwirft durchweg ironisch-parabelhafte, bizarre Miniaturbilder vom zwischenmenschlichen Alltag der ethnischen Minoritäten in der Metropole anhand typischer, meist negativ sich entwickelnder Situationen und Schicksale. Pointiert-parataktischer Stil mit lapidaren Understatements und Verknappung der Texte bis zur short short story. Verbindung von Lakonie und Empathie (vgl. Poetik in A Conversation With My Father).
Übs. der gesammelten Geschichten als Adieu und viel Glück von H. Muschg, F. Frisch und J. Laederach (1987).

 

 

1974 Tillie Olsen: aE Yonnondio From the Thirties R.-Fragment. Entst. 1932-1937 und als Manuskript liegengeblieben.
Bergwerkstadt in Wyoming während der 20er Jahre. Am Überlebenskampf der Arbeiterfamilie, vor allem aus der Perspektive der Tochter Mazie erzählt, in Bergwerk, Pachtfarm und Schlachthof werden die unmenschlichen Ausbeutungsverhältnisse angeprangert. Teils realistische, teils expressionistisch verzerrende Erzählweise. Titel nach W. Whitmans »Yonnondio! - Unbesungen gehen sie unter« (über Indianer). Züge des proletarischen R.s.
Durch die Frauenbewegung wiederentdeckt. Übs. von S. Koch-Grünberg (1979).

 

 

1974 Gary Snyder: aL Turtle Island 58 Gedichte, 5 Prosatexte, Holzschnitt-Symbole von M. Corr.
Der Titelverweis auf die wiederentdeckte »Schildkröteninsel« (= Bild der Ureinwohner für Nordamerika und in weltweiten Schöpfungsmythen für die Erde) appelliert an ein Umweltbewusstsein der unmittelbaren Naturbetrachtung, der mystischen Erfahrung ganzheitlicher Lebensenergie, des Überblicks über die erdgeschichtliche Entwicklung und an die Solidarität aller Menschen. Snyder verbindet Eindrücke urtümlicher Landschaften, bes. des am. Nordwestens, mit Vorstellungen und Ausdrucksweisen des Zen-Buddhismus, bezieht anthropologische und ökologische Erkenntnisse mit ein und gibt sein persönliches Engagement zu erkennen. Er spiritualisiert das aktuelle Thema der Suche nach alternativen Energiequellen durch die Wiederbelebung eines Weltbildes östlicher und »primitiver« Kulturen, in dem der Mensch noch Teil größerer kosmischer Zusammenhänge ist.

 

 

1975 Ed Bullins: aD The Taking of Miss Janie Dr., 1, Auff. 4.5. Mitzi E. Newhouse Theater, New York.
Kalifornien, 60er Jahre. Auf einer Party vergewaltigt der schwarze Student Monty seine langjährige blonde Freundin Janie. Die Vergewaltigung wird Anlass zur Erinnerung und Selbstdarstellung der Party-Teilnehmer: Richt, der schwarze Kultur-Nationalist; Mort Silberstein, der jüdische Hippie; Lonnie, der weiße Jazzmusiker usw.
Die Party verdeutlicht das Scheitern des schwarz-weißen Bündnisses der Bürgerrechts-Bewegung an Rassismus und Sexismus. Rückblenden, freie Übergänge in Zeit und Raum (Hell-Dunkel der Bühne). Teil von Bullins' Twentieth Century-Sequenz von Stücken (insbes. Fortsetzung von The Pig Pen, 1970), die einem afro-am. Publikum seine eigenen Probleme und spezifische Geschichte realistisch vor Augen führen will. Einfluss von L. Jones (Amiri Baraka).

 

 

1975 William Gaddis: aE J R R. Einzelnes vorab in Harper's, Antaeus u. a.
Long Island, New York. Gegenwart. Durch eine umstrittene Erbschaft wird der junge Komponist und Musiklehrer Edward Bast in die finanziellen Pläne seines ehrgeizigen Schülers J R verwickelt. Mit verstellter Stimme vom Telefon aus oder durch B. als Geschäftsvertreter baut J R aus zweifelhaften Transaktionen und Verlustabschreibungen in kurzer Zeit ein fast undurchschaubares Konglomerat von Gesellschaften auf, mit dem er Wall Street bis zum unvermeidlichen Zusammenbruch in Atem hält. In J Rs Machenschaften geraten u. a. die Schriftsteller Jack Gibbs und John Eigen, das Verteidigungsministerium und ein Indianerreservat.
Groteske Satire auf den alle Ebenen der am. Gesellschaft (von der Schule bis zum Altersheim, vom Staat bis zu den persönlichen Beziehungen) durchdringenden Kapitalismus, dessen Werte J R in kindlicher Einfalt verkörpert. Der Konflikt zw. Ordnung und Entropie auf allen Ebenen, auch im künstlerischen Schaffensprozess (Bast, Gibbs). Fast ausnahmslos dialogisiert, ohne Sprecherangaben und ohne Unterteilung setzt der R. sich aus chaotischen Gesprächen, hektischen Telefonaten und eingeblendeten Textbruchstücken aus Massenmedien zu einem komplexen Beziehungsgefüge von über 50 Figuren und Institutionen zusammen. Stilistisch eine tour de force durch die verschiedenen Sprechweisen schnoddriger Börsenmakler, gewissenloser Reklameagenten, existentialistischer Intellektueller, sentimentaler Erzieherinnen, ausgeflippter Hippies usw. J R verbindet die lange Reihe von jugendlichen Protagonisten seit Huckleberry Finn, die am. Unschuld und Einfalt verkörpern, mit der ebenso langen Reihe von Betrügern und Hochstaplern (® The Confidence Man, 1875) im am. R. Einfluss der Marx Brothers-Filme.

 

 

1975 E. L. Doctorow: aE Ragtime R., 4. Vorbild H. v. Kleists Michael Kohlhaas.
New Rochelle, N. Y., 1906-14. Eine breit angelegte und mehrsträngige Hdlg. bringt hist. Personen wie den Verwandlungskünstler Houdini, die Anarchistin Emma Goldman und den Monopolkapitalisten Henry Morgan mit fiktiven Figuren zusammen: bes. der gutsituierten Familie Flaggenmacher, dem sozialistischen Immigranten Tateh samt seiner Tochter Little Girl und dem schwarzen Ragtime-Pianisten Coalhouse Walker Jr. Als W.s Auto mutwillig von der Feuerwehr beschädigt und ihm sein Recht als Schwarzer verwehrt wird, sprengt er die Feuerwehr in die Luft, besetzt die Morgan-Bibliothek mit Geiseln und verlangt sein Recht. Er wird erschossen.
Hist. R. über die USA während der »Ragtime-Ära« im Übergang zur Moderne: Rassismus, Sexismus, Monopolkapitalismus und auf der einen Seite, Anarchismus, Sozialismus und Feminismus auf der anderen. Gleichzeitig die Entwicklung neuer Technologien wie Film, Auto, Flugzeug etc. Persönlicher Erzähler, der sich auf Quellen (Tagebücher, Aufzeichnungen) beruft. Kurze, abgerissene Sätze im Ragtime-Stil, die als Kompositionselemente erst durch die vielen Querverweise wirksam werden. Doctorow entwickelt die von J. Dos Passos in den USA eingeführten Innovationen des hist. R.s weiter. Großer Erfolg.
Übs. von A. Praesent (1982). Film von M. Forman (1981).

 

 

1975 Walter Abish: aE In the Future Perfect 7 Erzählungen, Einzelnes in Fiction, Transatlantic Review, New Directions in Prose and Poetry etc.
Abish experimentiert mit verschiedenen Formen nicht-realistischen Erzählens: The English Garden entwirft ein Kinder-Malbuch-Deutschland mit Nazi-Vergangenheit; Ardor/Awe/Atrocity zerlegt eine Mordgeschichte in 78 arrangierte Segmente, die durch alphabetisch angeordnete und numerierte Schlüsselwörter betitelt sind; In So Many Words zerlegt die Segmente eines sinnleeren Alltagsablaufs einer Büroangestellten jeweils alphabetisch in vorangestellten Listen etc. Die banalen oder absurden Erzählanlässe dienen der sprachlichen Dekonstruktion des Erzählvorganges selbst. Einflüsse der Textverarbeitungsprogramme für Computer.
Übs. Quer durch das große Nichts von J. Laederach (1982).

 

 

1975 Ernest Callenbach: aE Ecotopia The Notebooks and Reports of William Weston R.
Der Journalist Weston besucht Ecotopia im am. Nordwesten, der 1980 aus den Vereinigten Staaten von Amerika ausgetreten war, und findet dort: Arbeiterselbstverwaltung, dezentrale Vernetzung, saubere Energieversorgung, sanfte Technologien, rituelle Aggressionsabfuhr in Spielen, Gleichberechtigung der Frauen usw. Über eine Bewusstseinskrise (Wiedergeburt) findet W. zu Marissa Brightcloud und der neuen Welt. Die Utopie enthält zahllose konkrete Vorschläge zu alternativen Technologien und sozialen Beziehungen.
Populärer Erfolg. Fortsetzung in Ecotopia Emerging (1981). Übs. Ökotopie von U. Clemeur und R. Merker (1978).

 

 

1975 John Ashbery: aL Self-Portrait in a Convex Mirror 35 Gedichte, z.T. vorher in The New Yorker, Poetry u. a.
In seinem 15. Gedichtband seit 1953 vereint Ashbery längere Meditationen über sich selbst (Grand Galop, Titelgedicht), Oden und Episteln an Freunde (Ode to Bill, Tenth Symphony) mit kurzen Gedichten, die versuchen, ein Bild, ein Gefühl oder eine Idee präzise festzuhalten (Forties Flick, Fear of Death, City Afternoon). Thematisch dominiert das Problem der künstlerischen Wahrnehmung und deren adäquater Wiedergabe. Das Titelgedicht meditiert anhand von Parmigianinos (1503-40) manieristischem Selbstportrait über den Zusammenhang von Widerspiegelung (Konvex-Spiegel), Abbildung (Gemälde), Realität (Selbst) und Traum (des Bildbetrachters). Ästhetische Wahrnehmung ist immer von vorgefertigten Sehweisen (De Imagine Mundi) oder dem Vergessen (Mixed Feelings) bedroht. Sie muss deshalb privat (The One Thing That Can Save America) und offen (Tenth Symphony) sein.
Prosanahe Sprechweisen in rhythmisch freien Versen, die sich oft zu frei variierenden reimlosen Strophen zusammenschließen. Überraschende Mischung von Abstrakta und visuell-konkretem Detail, von gehobenem Ton und Umgangssprache. Abwendung von der hermetisch-privaten Sprechhaltung früherer Slgg.
Pulitzer-Preis. Übs. Selbstportrait im konvexen Spiegel von Ch. Cooper und J. Sartorius (1980).

 

 

1975 Adrienne Rich: aL Poems Selected and New, 1950-1974 144 Gedichte. Entst. 1950-74 und z.T. in früheren Slgg. veröffentlicht.
Dominantes Thema ist die Selbstbestimmung als Frau. Die Slg. dokumentiert Richs persönliche, poetische Entwicklung in drei Phasen: 1950 bis 1958. Analyse der Aufspaltung des weiblichen Selbst in Öffentliches und Privates, in äußere Anpassung oder Verweigerung und innere Rebellion (Aunt Jennifer's Tigers, The Insomniacs). Parabeln, Wir-Sprechhaltung, geschlossene Vers- und Strophenformen herrschen vor. 1958-68. Protest gegen Unterdrückung der Frau und Neubestimmung der eigenen Sexualität (Snapshots of a Daughter-in-Law, Two Songs). Ich-Sprecher mit Du-Adressate, Sprünge in Satzbau, Vers und Bilderfolge. 1968-74. Denunzierung des »nackten und unverschämten Versagens patriarchalischer Politik und patriarchalischer Zivilisation« aus einem gestärkten und feministischen Selbstvertrauen heraus (Tear Gas, When We Dead Awaken; Diving into the Wreck, From an Old House in America). Frühe Einflüsse von W. H. Auden, D. Thomas, R. Frost.

 

 

1976 The San Francisco Mime Troup: aD False Promises Nos Engañaron Dr., 3. Auff. 4.7. Dolores Park, San Francisco. Kollektive Produktion aufgrund einer Skriptvorlage von Joan Holden. Das Stück basiert auf Recherchen über den Kuba-Krieg und die Geschichte der Western Federation of Miners.
USA, Puerto Rico, 1896-99. Die Wahl McKinleys zum Präsidenten und die rassistische Einschränkung des Wahlrechts im Süden - ein Schwarzer namens Washington Jefferson wird abgewiesen - sowie die Kriege der USA um Kuba, Puerto Rico und die Philippinen bilden den Hintergrund für die Arbeitskämpfe der Bergarbeiter in Copper City, Col., bei denen sich die Solidarität zw. Mexikanern und U.S.-Amerikanern, zw. Frauen und Männern bewähren muss. Der Streik endet durch einen Verrat.
Das Stück zur 200-Jahr-Feier der USA (Uraufführung am Unabhängigkeitstag) prangert die falschen Versprechungen der Unabhängigkeitserklärung an: statt Gleichheit und Freiheit aller Inselimperialismus und Unterdrückung von Arbeitern, Minoritäten und Frauen im eigenen Lande. Als Straßentheater konzipiert und aufgeführt, verwendet das Stück Elemente aus der Commedia dell'Arte, dem Vaudeville und dem Musical. Typisierung der Figuren als gesellschaftliche Kräfte. Hdlg. der Kollektive ohne Heldin oder Helden. Song-Einlagen auf Engl. und Spanisch.
Buchausg. 1980.

 

 

1976 Marge Piercy: aE Woman at the Edge of Time R.
New York, Gegenwart und Mattapoisett, Mass., im Jahre 2137. Consuelo (»Connie«) Ramos flieht aus dem unmenschlichen Alltag einer Nervenheilanstalt in die Zukunft: eine ökologische Gemeinde in Massachusetts, wo zw. Frauen und Männern, Kindern und Erwachsenen, Natur und Menschen ein gleichberechtigtes Zusammenleben existiert. Luciente, ihre Kontaktperson in der Zukunft, führt sie in die neue Gesellschaft ein und macht ihr klar, dass diese auch von C.s Verhalten in der Anstalt abhängt. Als C. dort für Experimente mit Kopfoperationen ausgesucht wird und ihre Fluchtversuche aus der Anstalt scheitern, vergiftet sie die Leiter des Experiments.
Utopischer R., der durch die Zeitreise Gegenwart und Zukunft durchgängig miteinander kontrastiert und aus der Perspektive einer Chicana Lernprozesse über eine bessere Welt schrittweise vermittelt: Kerngruppen statt Familie, Co-Mütter statt Mutter, Brüter statt Schwangerschaft, Gruppentherapie statt Gerichtsverfahren usw. Trotz aller Probleme (Tod, Zwist, Krieg) erweist sich die neue Welt als eine, für die zu kämpfen es sich lohnt. Realistische Schreibweise und feministische Sicht.
Übs. Die Frau am Abgrund der Zeit von N. Werner und H. Zidek (1986). Weitere feministische Utopien der 70er Jahre sind u. a. Joanna Russ, The Female Man (1975), Ursula LeGuin, The Dispossessed (1974), Marion Zimmer Bradley, The Shattered Chain (1976), Suzy McKee Charnas, Motherlines (1979).

 

 

1976 Alice Walker: aE Meridian R., 3.
Georgia in der 60er und 70er Jahren. »Meridian«. Die junge Schwarze Meridian wird durch die Bürgerrechtsbewegung polit. bewusst und aktiv. »Truman Held«. Während M. durch eine Abtreibung kränkelnd an ihrer Bürgerrechtstätigkeit festhält, heiratet ihr ehemaliger Geliebter Truman Held Lynne, eine weiße Frau, und gibt seinen Kampf auf. »Ending«. T. scheitert in seiner Ehe, M. tröstet ihn, hat aber neuen Halt in sich selbst gefunden.
Teilweise autobiogr. R. über die Konflikte zw. Weiß und Schwarz sowie Mann und Frau in der am. Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre. Die doppelte Diskriminierung als Frau und Schwarze führt bei M. zu einer anderen Politisierung und spirituellen Einsicht als bei T. und teilweise zu Solidarität zw. Lynne und M. Fragmentarisierte gleichnishafte Erzählstruktur voller Rückblenden und Zeitsprünge (der Baum aus der Sklavenzeit, die heilige Schlange der Cherokees usw.). Vorwiegend weibliche Perspektive, bei der Außen- und Innensicht von M. wechselnd. »Meridian« heißt Höhepunkt, Mittag, Süden u. a. mehr und geht auf ein Motiv bei J. Toomer (Thema des ganzheitlichen Menschen) zurück.
Übs. Meridian von Th. Lundquist (1984).

 

 

1976 Walter Abish: aE How German Is It R.
»Brumholdstein«, Bundesrepublik, Gegenwart. Als der Schriftsteller Ulrich (von) Hargenau in seine Heimatstadt zurückkehrt, sieht er sich zunehmend mit der nationalen und seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert: Brumholdstein ist auf den Resten des ehemaligen NS-Arbeitslagers Durst erbaut, U.s philosophischer Lehrer Brumhold, der sich bei jedem metaphysischen Problem die Frage stellt, »Wie deutsch ist es?«, hat eine Nazi-Vergangenheit, seine Familie, seine Beteiligung an einer anarchistischen Gruppe, die Pünktlichkeit der deutschen Züge, die Vorliebe der Deutschen für Sauberkeit und schwarze Lederjacken, alles dies hat seine Vorläufer in der kollektiv verdrängten Vergangenheit der Bundesrepublik. Unter ärztlicher Hypnose erhebt sich U.s Arm schließlich zum Hitlergruß.
Satirisch-experimenteller R., der in der Wahrheitssuche seines Helden die eigenen und fremden Stereotypen über die Deutschen nach 1945 zu einer scheinbar realistischen Sicht (»haargenauer« Photorealismus) kombiniert; das »typisch Deutsche« bleibt in einer unbehaglichen Zwischenstellung zw. Grauen und Gelächter. Zurückführung dieser Sehweise bis in sprachliche Klischees und die Verantwortung von Schriftstellern und Philosophen für diese Klischees: Brumhold ist ein satirisches Porträt von M. Heidegger. Mechanisch-zerlegende Erzählweise (Katechismus, Selbstaufrufe) mit Aufbrechung der realistischen Erzählkonventionen.
Übs. Wie deutsch ist es von R. Herms (1982).

 

 

1976 Raymond Federman: aE Take It or Leave It an exaggerated second-hand tale to be read aloud either standing or sitting R. Einzelnes in Partisan Review, Chicago Review etc.
North Carolina und New York, 1951. Vor seinem Einsatz in Korea nimmt sich der junge G.I. Raymond Federman 30 Tage Urlaub zu einer Reise in den am. Westen. Er landet statt dessen unsanft mit seinem Fallschirm bei einer erzwungenen Übung und bricht beide Beine. Wie die immer wieder erträumte Entdeckung des am. Westens wird auch die zu erzählenden Geschichte durch immer neue Digressionen, Reflexionen, Erinnerungen, Gefühlsausbrüche und Zuhörerbeschimpfungen des Erzählers unterbrochen und letztlich verhindert. Durch dessen Narzissmus werden fast sämtliche realistische Erzählverfahren grotesk und wortschwallartig dekonstruiert und ad absurdum geführt. Einfluss des französischen Poststrukturalismus, bes. P. Sollers.
Übs. Alles oder nichts von P. Torberg (1986).

 

 

1976 Maxine Hong Kingston: aE The Woman Warrior Memoirs of a Girlhood Among Ghosts R.
Erinnerungen von Maxine an die eigenen Kindheit und Jugend im chinesischen Einwanderermilieu des kleinstädtischen Kalifornien wechseln mit Frauenporträts aus dem weiteren Familienkreis sowie der chinesischen Mythenüberlieferung. Hauptproblem der Identitätsfindung der doppelt diskriminierten chinesischen Frau. Orientierungsfiguren: in China die sozial geächtete nonkonforme Frau (»No Name Woman«), die legendäre Schwertkämpferin als Familienrächerin (»White Tigers«); in USA die zw. chinesischem Erbe und am. Gegenwart widersprüchlich vermittelnde Mutter (»Shaman«), die vom Kulturschock zerrüttete Immigrantin (»At the Western Palace«), schließlich das Leitbild der entwurzelten chinesischen Künstlerin, die sich unterschiedlichen Welten gleichermaßen mitteilen kann (»A Song for a Barbarian Reed Pipe«).
Entlarvung stereotyper Rollenmuster in China wie Amerika und Postulat eines eigenständigen gemischten chinesisch-am. Bewusstseins. Formal Verbindung von Realismus (autobiogr. Erfahrung, exemplarische Familienchronik, hist. Dokumentation) und Phantastik (imaginative Ausmalung der verhüllten Vergangenheit, stilisierte Verarbeitung der minoritäten-spezifischen Folklore anekdotischer bis mythopoetischer »talk-stories«). Dosiertes Sprachkolorit, teils verfremdeter Art (Schlüsselwort ghost).
Das komplementäre Folgebuch China Men (1980) präsentiert die männliche Seite der chinesisch-am. Minoritätenerfahrung und behandelt grundsätzlicher sowie hist. weiter ausgreifend die Immigrationsproblematik: von den Vorväterschicksalen aus der Pionierzeit des 19. Jh.s bis zum Bruder im Vietnam-Krieg bleibt das Ziel die Beanspruchung Amerikas (»claiming the Gold Mountain«). Übs. Die Schwertkämpferin von G. Stege (1982).

 

 

1977 David Mamet: aD American Buffalo Dr., 2, Auff. 16.2. Ehtel Barrymore Theatre. New York.
Chicago, Don's Gebrauchtwarenladen. I. Donny Dubrow, sein junger Gehilfe Bobby und ein Freund namens Walter Cole, genannt »Teach«, unterhalten sich im Laden über das gestrige Kartenspiel, eine für 90 Dollar verkaufte alte 5 Cent-Münze mit einem Buffalo-Aufdruck und planen einen Einbruch bei dem Käufer der Münze. T. überredet Don, B. nicht teilnehmen zu lassen. II. Spät abends warten Don und T. vergeblich auf Fletch, der bei dem Einbruch mitmachen soll. B., der den beiden vorher eine weitere Münze zum Kauf angeboten hatte, taucht wieder auf und berichtet, Fletch sei zusammengeschlagen worden und im Krankenhaus. Erregt schlägt T. B. nieder, Don stellt sich auf B.s Seite und gegen T. Beide zusammen bringen den verletzten B. ebenfalls ins Krankenhaus. Tragikomische Parabel vom Scheitern des am. Traumes von Geld und Erfolg, unterlegt mit den psychologischen Folgen des Scheiterns bei den Hauptfiguren: Aggression, Rivalität und latente Homosexualität. Die Sprachlosigkeit (Fluchwörter, Füllsel, Klischees) der Figuren verhindert ein Verständnis ihrer Situation und hält sie in ihrer Routine gefangen. Einsilbige Dialoge, die den Handlungsverlauf eher verdecken als erschließen. Einfluss von H. Pinter.

 

 

1977 Toni Morrison: aE Song of Solomon R.
1931-63, Michigan, Pennsylvania und Virginia. Ein altes Lied west-afrikanischen Ursprungs (Titel) und eine Schatzsuche führen Macon Dead III, genannt Milkman, über Pennsylvania nach Shalimar, Va., wo er statt des gesuchten Schatzes sich selbst, die Ursprünge seiner Familie und seiner Kultur entdeckt. Mentor seiner Suche ist M.s Tante Pilate, deren Enkelin Hagar sich aus Liebeskummer über M. das Leben nimmt.
Der R. kontrastiert die sterile Welt der urbanisierten schwarzen Mittelklasse des Nordens mit der lebendigen Gemeinschaft und Kultur ländlicher Afro-Amerikaner im Süden. Die verschiedenen Frauenfiguren des R.s illustrieren problematisch gewordene Geschlechterbeziehungen über mehrere Generationen. Doppelgängerthematik (Guitar), Namenssymbolik. Mischung von realistischen und mythischen Elementen (Motiv des Fliegens, Odysseus-Parallelen). Eingelegte Erzählungen anderer Figuren ergänzen und korrigieren die dominierende Perspektive M.s.
Übs. Solomons Lied von A. Praesent (1979).

 

 

1977 Robert Coover: aE The Public Burning R., 4 mit Intermezzi, Pro- und Epilog.
17.-19.6.1953. Die hist. Vorgänge um die Hinrichtung von Ethel und Julius Rosenberg, die der Atomspionage angeklagt wurden, entwickelt der R. zu einem grotesken kollektiven Ritual, in dem Uncle Sam, Eisenhower und Nixon als Vertreter des Kalten Krieges mit Vertretern des Gesetzes wie dem Obersten Richter William O. Douglas und einem Teil der Öffentlichkeit konfrontiert werden. Phantastik und Historie durchdringen sich ebenso wie Satire und Tr., Gegenwart und Vergangenheit, Puritanismus und Fernsehen, Verfassung und Watergate. Scharfe Abrechnung mit der Rhetorik des Amerikanischen Traums.
Übs. Die öffentliche Verbrennung von einer Arbeitsgruppe (1983).

 

 

1977 Michael Herr: a Dispatches Depeschen aus Vietnam, zuerst in Esquire.
Der Korrespondent Herr beschreibt einerseits seine traumatischen Eindrücke und verschiedene Formen der (Nicht-)Verarbeitung (Breathing In), das Leiden und Sterben der Soldaten, ihre Abgebrühtheit (Khe San) und die zweifelhafte Rolle der Reporter als Parasiten des Grauens (Colleagues). Die Beschreibungsversuche thematisieren immer wieder die Unzulänglichkeit realistischer Konventionen und die Lügen offizieller Propaganda angesichts der Unmenschlichkeit des Krieges. Fragmentarische Nahaufnahme mischen sich mit Reflexionen über Empfindung und Wahrnehmung.
Übs. An die Hölle verraten von B. Schwarz (1987).

 

 

1977 Philip Caputo: aE A Rumor of War Autobiogr. Bericht, 3.
I. »The Splendid Little War«. P. Caputo meldet sich freiwillig zu den Marines, erhält eine Offiziersausbildung und 1965 einen Zug, der vor Danang (Vietnam) stationiert ist. Erste Schusswechsel mit den Vietkong wecken Mordlust in den 19jährigen Rekruten. II. »The Officer in Charge of the Dead«. C. wird ins Hauptquartier versetzt und muss dort die Totenlisten führen. Ab 1966 steigen die am. Verluste und die psychische Belastung. III. »In Death's Grey Land«. Aus Langeweile, Angst vor dem Wahnsinn und Hass lässt sich C. an die Front versetzen, macht mehrere Angriffe auf Vietkong-Dörfer mit, lässt dort 2 vietnamesische Zivilisten ermorden und kommt vor ein Kriegsgericht. Er und seine Gruppe werden freigesprochen. »Epilogue«. Über die letzten Minuten in Saigon vor der Evakuierung und die endgültige am. Niederlage (1975).
Ein Versuch, die Ambivalenz des subjektiven Kriegserlebnisses zw. erregender Feuertaufe, Initiation und brutalisierender Entmenschlischung ohne Beschönigung zu erfassen. Gleichzeitig in den 3 Phasen/Teilen der Verlust der am. Ideale (Kennedy, Heldentum, Mission der USA) und Unschuld. Titel (Matthäus 24.6) gibt dem Ganzen apokalyptische Züge. Detailliert realistische Nachzeichnung der Schauplätze, Hdlgg. (meist gefährliche Patrouillen) und Emotionen. Resignative Grundhaltung zum Krieg: jeder muss die Erfahrung wieder neu machen. Der Bericht hat mehr als die zahlreichen Vietnam-Rr. einen bleibenden Eindruck auf das am. Publikum gemacht und sein Bild vom Vietnam-Krieg geprägt.

 

 

1977 Leslie Marmon Silko: aE Ceremony R.
Laguna-Reservat bei Albuquerque, N.M., nach dem 2. Weltkrieg. Der Laguna-Indianer Tayo ist durch das Kriegserlebnis traumatisiert und seinem Stamm entfremdet. Erst wiederholte Zeremonien, zuletzt beim alten Betonie in Gallup, und die Liebe zu Ts'eh erlauben ihm, Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden: die Traditionen seines Volkes wiederaufzunehmen und sich dem Problem, das die Uranvorkommen in dem Reservat für die Lagunas bedeuten, zu stellen.
Das Thema der Bewahrung und Erneuerung indianischer Traditionen wird formal durch den Wechsel von indianischen Mythen und Liedern mit modernen psychologisierend-realistischen Erzählweisen wiedergegeben. Zeremonie als uralter Stammesbrauch und moderne Psychotherapie zugleich. Komplexe Spiegelung verschiedener Erzähl- und Handlungsebenen. Reiche Tier- und Pflanzensymbolik. Mit ® S. Momaday begründet Silko die neue indianische Erzählliteratur.
Übs. Gestohlenes Land wird ihre Herzen fressen von A. M. Brock (1981).

 

 

1978 Sam Shepard: aD Buried Child Dr., 3, Auff. 27.6. Magic Theatre, San Francisco.
Farm in Illinois. I. Der alternde Farmer Didge und seine Frau Halie leben mit ihren behinderten Söhnen Tilden und Bradley zusammen. Ein 3. Sohn, Ansel, ist tot. II. T.s Sohn Vince und seine Freundin Shelly kommen unerwartet zu Besuch und werden in die Machtkämpfe der Familie verwickelt. T. erzählt Shelly, D. habe ein Baby ermordet und vergraben. III. Halie will Ansel ein Denkmal setzen und wird Zeuge, wie D. Shelly den Mord an Halies unehelichem Baby gesteht. D. stirbt und überlässt die Farm Vince. T. erscheint mit dem Kadaver das Babys, das er wieder ausgegraben hat und zu Halie bringt.
Familien-Dr., das mit dem Motiv des verlorenen Sohnes in vielfacher Variation spielt (T., Bradley, Ansel, Vince, Baby). Weniger eine realistische Tr. als ein Spiel mit den analytischen Konventionen des am. Dr.s in der Nachfolge von Ibsen: Lebenslüge, Geschlechterkampf, Generationenkonflikte werden mit Anklängen an Stücke um verlorene Söhne von E. O'Neill, A. Miller, E. Albee u. a. versehen. Absurde Zuspitzung der Konflikte und Enthüllungen bis ins Groteske (Holzbein, Fruchtbarkeitssymbolik, Erkennung usw.). Rituelle Interaktionen, die auch das verschüttete Kind in den Erwachsenen wieder freilegen. Melodramatisch übersteigerte Sprache. Shepard setzt sein in Curse of the Starving Class (1978) begonnene Dekonstruktion des bürgerlichen Familiendr.s fort.
Pulitzer-Preis. Übs. Vergrabenes Kind von J. van Dyck und J. Drew Lucas (1977).

 

 

1978 Adrienne Rich: aL The Dream of a Common Language Poems 1974-1977 40 Gedichte in 3 Teilen. Einzelnes in Amazon Quarterly, Chrysalis, College English u. a.
»Power«. 8 Gedichte über die Kraft von Frauen, die sie aus sich selbst oder aus der Schwesterlichkeit mit anderen Frauen ziehen. in Origins and History of Consciousness bestimmt die Poetin den wahren Kern der Dichtung als »den Trieb zu verbinden, den Traum einer gemeinsamen Sprache«. »Twenty-One Love Poems«. Zärtliche, leidenschaftliche und nachdenkliche Liebesgedichte, die eine weibliche Paarbeziehung in eine problematische städtische Umwelt stellen. »Not Somewhere Else, But Here«. Texte, die Krankheit und Tod, aber auch Mutterschaft und Freundschaft zw. Frauen realistisch thematisieren. Die Slg. beschließt eine »Transcendental Etude«, eine Meditation über das poetische Ich.
Poesie als eine Quelle weiblicher Stärke und Solidarität, die allerdings das Erfinden einer nicht-sexistischen Sprache voraussetzt, einer Sprache, die Emotionalität mit schlichter und direkter Benennung verbindet. Prosanahe Sprechweise mit Symbolen aus alltäglicher, meist städtischer Lebensweise. Feministisches Engagement.
Übs. Der Traum einer gemeinsamen Sprache: Gedichte; 1974-1977 von V. Stefan und G. Meixner (1982).

 

 

1978 John Cheever: aE The Stories 61 Kurzgeschichten. Entst. 1947-75, erschienen in The New Yorker und früheren Slgg.
Diese für Leserschaft und Stil der urbanen Zeitschrift The New Yorker typischen Kurzgeschichten drehen sich meist um Personen, oft Ehepaare, deren oberen Mittelschicht, die in der Umgebung von New York wohnen und deren respektable Fassade durch Statusverlust (Torch Song), Ehebruch (The Bus to St. James) oder durch einen plötzlichen Moment der Wahrheit (A Vision of the World, The Swimmer) zusammenbricht und die dahinter liegenden Kompromisse und Gewohnheiten bloßlegt. Im Mittelpunkt stehen entfremdete persönliche Beziehungen zw. Ehepaaren, Eltern und Kindern, Nachbarn, die sich und ihre Illusionen durch Dialoge, Gesten und Verhalten enthüllen. Anekdotische beiläufige Erzählweise. Ironisch-überlegener Erzähler, der derselben Gesellschaftsschicht wie seine Figuren angehört und bei aller satirischen Distanz häufig mit ihnen sympathisiert. Ironische Reverenzen an H. James (z.B. The Bella Lingua oder Another Story) verweisen auf die Tradition der »novel of manners«, der dieser Typ Kurzgeschichte viel verdankt. Einfluss von J. O'Hara.
Pulitzer-Preis. Bestseller.

 

 

1978 John Irvin aE The World According to Garp R.
Neu-England. Die Lebensgeschichte des R.-Schriftstellers T. S. Garp (Schulzeit, Wien, Ehe mit Helen, Freundschaft mit Roberta Muldoon, schließlich Tod durch das Attentat einer Leserin), bes. seine literarische Karriere: 2 Rr., Blockierung beim Schreiben, Entwicklung einer persönlichen Weltanschauung (Titel). Grotesk-komische Szenen um Sex, Gewalt, Ringen und einen Bären. Bildungs-R. Witzig anekdotischer Stil. Einfluss von K. Vonnegut.
Großer populärer Erfolg. Übs. Garp und wie er die Welt sah von J. Abel (1982).

 

 

1978 Susan Sontag: aE I, etcetera 8 Geschichten. Einzelnes in The New Yorker, Partisan Review u. a.
Zentrales Thema: Selbstverlust und Selbsterforschung. Vaterbindung und eine Reise nach China, der Freitod einer Freundin, das sexuelle Erwachen einer Hausfrau, Gespräche beim Psychiater, Doppelgänger-Begegnungen oder eine Europa-Reise sind die Anlässe. Experimentelle Erzählformen von Parabel, Katalog bis zu geschlechtsneutralen Erzählerrollen bei skeptischer Auflösung von Hdlg. oder Sprache (Unguided Tours, Debriefing).
Übs. Ich, etc. von M. Frisch und H. M. Ledig-Rowohlt (1979).

 

 

1978 Louis Jukofsky: aL »A« 24 Teile. Entst. seit 1928.
1.-12. (® »A 1-12«, 1959) Die Grundlagen dieser eigenwilligen Autobiogr. sind Shakespeare und Bach als Modelle einer Poesie zw. Sprache und Musik, Marx und Spinoza als die eines materialistischen Weltverständnisses. Kontrapunktik in Musik und Literatur (Gegen  und Neben-Hdlg. bei Shakespeare) entsprechen sich wie Dialektik in Geschichte und Philosophie. 13.-24. Wechsel zw. Musik und Sprache: von Partita (13) über Coronal (17) bis hin zur 5aktigen Kom. Rudens nach Plautus (23) und einem mehrstimmigen kontrapunktischen Maskenspiel (24). Das Ganze zugleich Biographie der Familie (Frau Celia, Sohn Paul) und kritisches Zeitbild der am. Gesellschaft von 1928 bis 1974: Große Depression, Faschismus und Nationalsozialismus, Korea  und Vietnam-Krieg, Ermordung von J.F. Kennedy u. a. Dialektik und Kontrapunktik bis in Laut, Vers, Sprachregister und komplexe Bedeutungsspiele. Zitate, Elliptik und Leitmotive (z.B. »horse«). Zugleich ein kritisches Gegenstück zu E. Pounds ® The Cantos (1964) und deren z.T. offen faschistisch und antisemitischen Züge. Einfluss von W.C. Williams und den Objektivisten.

 

 

1979 Norman Mailer: aE The Executioner's Song R. 2. Entst. seit 1976 mit Hilfe anderer und anhand von Interviews nach einem Kriminalfall konzipiert.
Utah, 1975-1977. »Western Voices«. Gary Gilmore kommt auf Bewährung zu seinem Onkel, zieht mit einer jungen Frau zusammen und ermordet kurz darauf kaltblütig zwei Männer, um an Kleingeld zu kommen. Er wird zum Tode verurteilt. »Eastern Voices«. G. lehnt Revision und Begnadigung ab und besteht auf seiner Hinrichtung trotz des Engagements von Bürgerrechtsgruppen, Presse und des teilnehmenden Interesses einer breiten Öffentlichkeit. Er wird erschossen. Wie in Th. Dreisers ® An American Tragedy (1925) wird der Kriminalfall zu einer vielstimmig arrangierten Dokumentierung (Zwischentitel) der am. Gesellschaft und ihrer Mitverantwortung für die drei Tode: G. ist Opfer und Täter zugleich. Von der Familie bis zur Presse, von der Schule bis zum Gefängnis werden die Gegensatzpaare von Liebe/Hass und Freundlichkeit/Grausamkeit an G. wie an seiner Umgebung thematisiert. Breite stilistische Orchestrierung (unter Benutzung der Dokumente) verschiedener Schreib  und Sprechweisen: Erzählende Passagen wechseln mit Briefen, Interviews, Zeitungsausschnitten, Gedichten, juristischen Dokumenten etc. Versuch, die naturalistische Erzähltradition zu erneuern.
Pulitzer-Preis. Übs. Gnadenlos. Das Lied vom Henker von E. Walker und L. Strassl (1979).

 

 

1979 Kurt Vonnegut: aE Jailbird R.
New York, 1977. Seine Freilassung aus dem Gefängnis, in das er wegen seiner Verwicklung in die Watergate-Affäre Präsident Nixons gekommen war, ermöglicht Walter F. Starbuck ein Überdenken seiner Vergangenheit: sein Engagement für den Arbeiteranwalt »Kenneth Whistler« (= Powers Hapgood) in den 30er Jahren, seine Liebe zu Ruth, Übersetzerin beim Nürnberger Prozess 1946, sein erster Kontakt mit Nixon, seine Aussagen gegen ehemalige kommunistische Freunde während des Kalten Krieges usw. St. stößt in New York auf die kommunistische Jugendfreunding Kathleen O'Looney, die als Betlerin verkleidet in Wirklichkeit eine der größten Firmen der USA kontrolliert. Bei ihrem Tod überlässt sie heimlich St. die Kontrolle, die ihn erneut in Gefängnis bringt.
Sts. Doppelrolle als Verräter und Sündenbock für andere wird satirisch in einen polit. Zusammenhang gestellt, der von dem fiktiven Cuyahoga-Massaker (1894) an Arbeitern über den Sacco-Vanzetti-Justizmord (1927) bis hin zu Watergate (1974) reicht. Verrat in allen Spielarten wird zum beherrschenden Thema. Fragmentarische Erzählweise mit vielen Zeitsprüngen und Verweisen auf frühere Rr. von Vonnegut.
Übs. Galgenvogel von K. Hoffer (1980).

 

 

1979 Philip Roth: aE The Ghost Writer R., 4.
Der junge Schriftsteller Nathan Zuckermann besucht ein von ihm verehrtes Vorbild, Emanuel Isidore Lonoff, in den Berkshire-Bergen Neu-Englands, um dessen Förderung zu erlangen. Nach langen Gesprächen über jüdisch-am. Literatur dringt Z. unwillentlich in L.s Privatleben (zw. seiner eifersüchtigen Frau Hope und der Verehrerin Amy Bellette, die sich L. zuliebe für Anne Frank hält) ein und macht daraus Notizen für diesen R., der wiederum fatal einer Geschichte von H. James - The Middle Years - ähnelt, die Z. in L.s Schreibzimmer gefunden hat...
Realistischer Künstler-R., der seine eigenen Konventionen durch ständige Vermischung von Literatur und Leben in Frage stellt: Amy und Z. verhalten sich wie fiktive Figuren ihres verehrten Meisters L., dessen Werk ähnelt wieder verblüffend dem Isaac Babels und H. James' usw. Gleichzeitig eine ödipal strukturierte Auseinandersetzung mit der jüdisch-am. R.-Tradition. Ironisch-naiver Ich-Erzähler bei z.T. grotesker Situationskomik.
Fortsetzungen in Zuckerman Unbound (1981) und (als Trilogie) Zuckerman Bound (1985). Übs. Der Ghostwriter von W. Peterich u. a. (1986).

 

 

1979 John Barth: aE Letters R., 7 Teile mit 88 Briefen.
Maryland, März-Sept. 1969. Der Autor John Barth korrespondiert mit Lady Amherst und fünf R.-Figuren aus seinen früheren Werken, um sie zur Mitarbeit an seinem neuen R. zu bewegen. A. beichtet ihm eine literarische Liebschaft mit Ambrose Mensch, der sich durch Wiederholung von einer früheren 7stufigen Beziehung befreien will...
Der Titel verweist in seiner Dreideutigkeit auf Thema und Bauprinzip des R.s: Briefe/Buchstaben/Literatur. Der Brief-R. wiederholt in seinen 7 Teilen die 7 Buchstaben des Titels, in den 88 Briefen die 88 Buchstaben des langen Untertitels: »An old epistolary novel by seven fictitious drolls & dreamers each of which imagines himself factual«. Das Spiel mit Realität und Fiktion in mehrfacher Schachtelung (Fiktion in der Fiktion), als Wiederholung von Leben in Literatur, von Literatur in Literatur und gleichzeitig als Befreiung von der Literatur in der Liebe. Zentral wie bereits bes. in ® Chimera (1972) das Bild des Zyklus in der Wiederholung und Wiederverwendung (»re-cycling«). Virtuos in Erzählweise und Stilwechsel. Einfluss des französischen Poststrukturalismus und von Textverarbeitungsprogrammen moderner Computer.

 

 

1980

Sam Shepard:

aD True West

Dr., 2. Auff. 10.7. Magic Theatre, San Francisco.


Vorort, östlich von Los Angeles an der Grenze zur Wüste. I. Die Brüder Austin und Lee quartieren sich im Hause ihrer abwesenden Mutter ein: A., um fern seiner Familie ein Filmskript zu schreiben, L., um seinem einsamen Leben in der Wüste zu entgehen. L. versucht, A. zu beherrschen und mit ihm zu konkurrieren. II. L. erreicht, dass seine Idee eines »wahren Westerns« statt A.s Skript angenommen wird, und zwingt A., das neue Skript zu schreiben. Als die Mutter zurückkommt, findet sie das Haus verwahrlost und ihre Söhne im offenen Streit. A. will in die Wüste gehen, L. will ihn nicht mitnehmen.
Shepard spielt ironisch mit der alten Grundstruktur des Westerns von der Grenze zw. Zivilisation (A.) und Wildheit (L.), zw. Stadt und Wüste, wobei die klassische Ambivalenz des Westerns im allmählichen Rollentausch der beiden Brüder zum Ausdruck kommt: L. wird zivilisierter, A. wilder, beide gehören unauflöslich zusammen. Rituell absurde Dialogspiele mit hintergründiger Bedrohung durch Gewalt. Einfluss von H. Pinter.

 

 

1980 John K. Toole: aE A Confederacy of Dunces R., 13. Zu Lebzeiten unveröffentlicht, entst. vor 1969.
New Orleans. Der katholische Ignatius J. Reilly, der die Reformation für den Beginn der modernen Dekadenz der Welt hält, macht sich auf Drängen seiner Mutter Irene auf Arbeitssuche. Nach einer kurzen Anstellung bei Levy Pants verdient er sich sein Geld als Würstchenverkäufer in den Straßen von New Orleans, wo er gegen Sünde, Homosexuelle und moderne Kunst wettert. Seine Verwicklung in einen Pornographie-Ring führt zum Bruch mit der Mutter. R. flieht mit einer radikalen Freundin nach New York.
Groteske Komödie mit satirischen Zügen um den donquichottischen Idealisten Ignatius und die »konföderierten Dummköpfe« des Südens, die ihn in ihre Machenschaften verstricken: die Mutter und der anti-kommunistische Claude Robichaux, der tölpelhafte Polizist Angelo Mancuso, Roberta A. Lee, Barbesitzerin und Pornoproduzenten, das Unternehmerehepaar Levy und Einfluss von J. Purdy.
Pulitzer-Preis. Übs. Ignaz oder die Verschwörung der Idioten von P. Marginter (1982).

 

 

1980 Eudora Welty: aE Collected Stories 41 Kurzgeschichten.
Die Slg. vereint die früheren Bände A Curtain of Green and Other Stories (1941), The Wilde Net and Other Stories (1943), The Golden Apples (1949), The Bride of the Innisfallen and Other Stories (1955) und 2 ungesammelte Geschichten. Weltys Entwicklung von eher satirisch-grotesken Erzählweisen (Petrified Man, A Visit of Charity) über mythologisch-allegorische Reisen und Tableaus um den Natchez Trace, einen alten Indianerpfad (A Worn Path, A Still Moment), oder Gespenstergeschichten (The Purple Hat) zu den zusammenhängenden, vermischt mythologisch-realistischen Erzählungen in The Golden Apples um diverse Familien durch mehrer Generationen im fiktiven »Morgana«, Miss., die deutlich den Einfluss von W. Faulkner zeigen. Zentrales Thema bleiben der Süden, die Liebe und der Tod. Hauptfiguren sind alte vereinsamte Menschen, meist Frauen, dem Tode nahe und ihren Erinnerungen und Phantasien verhaftet. Psychologischer Realismus in Dialogen und Erzählweisen und symbolisch indirekte Darstellungsweise wechseln einander ab.
Teilübss. Einzelnes in Ein Wohltätigkeitsbesuch von S. Schaup (1983) und Der purpurrote Hut von K. Hutten (1986).

 

 

1980 Marge Piercy: aE Braided Lives R.
Ann Arbor, 1953-57. An Studium, Männerbeziehungen und polit. Aktivitäten von Donna und Jill Stuart (Erzählerin), deren Biographien miteinander verflochten werden, zeichnet der R. die Situation von 2 Frauen während des Kalten Krieges: Schwierigkeiten der individuellen Emanzipation, zugleich weibliche Solidarität gegen eine von Männern beherrschte Gesellschaft (Vergewaltigung, Abtreibung, Ehe, Schriftstellerei). D. stirbt verheiratet an einem Abtreibungsversuch, J. wird Dichterin. Autobiogr. Züge. Realistische-sozialkritische Schreibweise.

 

 

1980 Studs Terkel: a American Dreams Lost and Found 100 Interviewtexte, 2. Aufgenommen zw. 1963 und 1980
Terkel interviewt Bürger aus fast allen Teilen und Gruppen der USA zum »Amerikanischen Traum« und ihren Erfahrungen damit. Soziale Mobilität, die Hoffnungen der Einwanderer, ländliche und städtische Varianten des Traums, öffentliche und private, sowie die Hoffnungen der jungen Generation kommen zur Sprache. Weniger Wahrheitsfindung, Konsens oder statistische Repräsentivität sind beabsichtigt als eine kollektive musikalische Improvisation über ein zentrales Thema der Mythologie und Ideologie in den USA, das sich von den agrarischen Siedlerträumen von dem Garten Eden oder der Stadt in der Wildnis im 17. Jh. zu den eher industriellen Varianten des individuellen Aufstiegs vom Angestellten zum Unternehmer des 19. Jh.s entwickelt. Diese Varianten werden bei Terkels Informanten um neuere Vorstellungen von individueller Selbstverwirklichung durch Konsum (20. Jh.) ergänzt. Das Verfahren einer mündlichen Geschichtsbewältigung des Alltags im Kollektiv (»oral history«) wird von Terkel auch in anderen Büchern dieser Art verfolgt, von Division Street: America (1966) mit Bewohnern einer Chicagoer Straße bis zu The Great Divide: America in the Eighties (1988) mit Betroffenen der Reagan-Ära jeweils als Zeitzeugen.
Übs. Amerikanische Träume von A. Hamburger und W. Heuss (1981).

 

 

1982 Robert Wilson: aD The Golden Windows Dr., 3., Auff. 29.4. Münchener Kammerspiele
Ein Gazevorhang mit der goldgesticketen Aufschrift »Die goldenen Fenster« gibt den Blick frei auf ein Haus, das während der 3 Akte »Early Evening«, »Midnight« und »Early Morning« auf der Bühne von rechts nach links wandert, in verschiedenen Beleuchtungen erscheint, umgeben von 2 Männern und 2 Frauen in wechselnden Konstellationen und räumlichen Anordnungen und geheimnisvollen Stimmen und Hintergrundgeräuschen (vom Band). Dazu äußern die 4 Figuren unzusammenhängende Texte über Liebe und Tod, Banales und Katastrophen. Im Mittelteil zerreißt ein Erdbeben die Bühne. Dekonstruktion des Sprech-Dr.s und seine radikale Reduzierung auf die raum-zeitlichen Beziehungen seiner Figuren und wenige Requisiten (Seil, Bank, Mond). Thematisiert wird die perspektivische Wahrnehmung der Zuschauer selbst und ihrer Versuche, dramatische Zusammenhänge zw. Figuren, Bild und Ton, Szenen und Akten herzustellen. Die Offenheit der Interpretation als Provokation des Zuschauers zu frischem Sehen gedacht. Traumartige Suggestivität des multimedialen und bes. visuellen Gesamteindrucks. Der Titel entstammt einer Märchen-Slg., spielt aber auch auf den Goldenen Schnitt an, der vielen Bühnenbildern zugrunde liegt. Wilson ist mit R. Foreman ein Hauptvertreter des postmodernen am. Dr.s experimenteller Ausrichtung.

 

 

1982 Sam Shepard: aE Motel Chronicles 69 Prosatexte und Gedichte.
Texas und Kalifornien zw. August 1978 und Mai 1982. Nicht-chronologisch angeordnete Notizen, Erinnerungen, Erzählungen und Gedichte, in der 1. und 3. Person geschrieben, ergeben eine Chronik rastloser Reisen, oft in Motels verbrachter Nächte und wechselnder Stimmungen. Die unzusammenhängenden Fragmente finden möglicherweise ihre Erklärung in dem Verlust einer geliebten Frau nach einer Gehirnoperation. Vergangenheit und Gegenwart fügen sich nicht zusammen, die Entfremdung des Protagonisten, seine Ängste und Obsessionen bleiben rätselhaft. Lakonische, distanzierte Sprechhaltung, die Betroffenheit verbergen soll. Tagebuchartige Einträge wechseln mit Kurzgeschichten offener Deutbarkeit.
Übs. Motel-Blues von U. Gnade und W. Winkler (1986). Vorlage zum Film Paris-Texas von W. Wenders (1986).

 

 

1982 Galway Kinnell: aL Selected Poems 50 Gedichte.
Die Slg. zeigt seit seinen frühen Gedichtbänden Kinnells beharrliches Festhalten an den Themen Gewalt und Tod, Wildnis und Zivilisation, dargestellt anhand der genauen Beschreibung von Dingen, Tieren und Pflanzen: The Avenue Bearing the Initial of Christ into the New World, The Bear, The Porcupine, Flower Herding on Mount Monadnock. Entwicklung von traditionellen Versmaßen und Strophen zu freien Versen und prosanahen Sprechweisen. Zentralen Symbole: Feuer und Dunkelheit. Realistisch-naturalistische Schreibweise. Einfluss von W. Whitman.
Pulitzer-Preis.

 

 

1982 Alurista: aL Return Poems Collected and New 157 Gedichte.
Seit Floricanto en Aztlán (1971) bemüht sich Alurista in seinen Gedichten um den Aufbau einer poetischen Mythologie um Aztlán, das sagenhafte Heimatland der Chicanos. Er mischt Amerikanisch, Mexikanisch und Nahuatl, bezieht Symbole aus der Religion der Azteken ein und übernimmt eine ethnopoetische Rolle als Schamane für die Chicano-Ritualen, den Floricanto (»Blumen und Gesang«)-Festivals verankert, und weitgehend für den mündlichen Vortrag bestimmt. Der Bd. vereint die Slg. nationchild plumaroja (1969-72) mit der neuen Slg. dawn’s eye (1979-81). Breite Variation der Versformen, jedoch meist Freivers. Einflüsse von A. Ginsberg.

 

 

1983 David Mamet: aD Glengarry Glen Ross Dr., 2, Auff. 21.9. The Cottesloe Theatre, London.
Florida. I. In einem chinesischen Restaurant kämpfen vier Angestellte eines Maklerbüros um neue Aufträge und Kunden: Levene bittet seinen Vorgesetzten um eine neue Chance und lässt sich von diesem um Prozente erpressen, Moss erpresst seinen Kollegen Aaronson, die Kundenkartei zu stehlen, um damit zur Konkurrenz überzugehen, und Roma stürzt sich auf ein neues Opfer. II. Am nächsten Morgen herrscht Chaos im Büro: alle Angestellten werden wegen des Einbruches von einem Detektiv verhört, Romas Kunde will sein Geld zurück trotz aller Finten des Verkäufers, und Levene verrät sich unwillentlich als der eigentliche Anstifter des Einbruchs.
Wie A. Miller in ® Death of a Salesman (1949) zeichnet Mamet hier das Ende des am. Yankee als gerissenen Verkäufer in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf aller Angestellten gegen alle (die Chefs treten niemals auf). Hinter den schnoddrigen und obszön-aggressiven Phrasen der Verkäufer, die in ebenso phrasenhaften Herzlichkeit umschlagen, wenn ein Kunde naht, werden die Ängste, Abhängigkeiten und Hilflosigkeiten dieser reinen Männerwelt sichtbar. Extrem realistische und schnelle Dialogführung (teilweise mit Gleichzeitigkeit des Sprechens).
Pulitzer-Preis. US-Auff. 6.2.1984 Arts Institute, Chicago.

 

 

1983 Alice Walker: aE The Color Purple R.
USA seit 1910. Die beiden Schwestern Celie und Nettie wachsen in Georgia bei einem brutalen Stiefvater auf, der C. vergewaltigt, die gemeinsamen Kinder fortgibt und sie schließlich an Albert, der gerade eine Liebschaft mit der Bluessängerin Shug Avery beendet hat, verheiratet. N. entkommt den Nachstellungen ihres Stiefvaters und geht mit Samuel, dessen Frau und C.s Kindern nach Afrika, um die Olinkas zu missionieren. C. befreit sich mit Hilfe von Shug, die sie liebt, von Alberts Unterdrückung, geht mit ihr nach Memphis und macht sich selbständig. N. heiratet Samuel nach dessen Verwitwung und kehrt bei Ausbruch des 2. Weltkrieges zurück. C. kann ihre Kinder und Schwester nach jahrzehntelanger Trennung in die Arme schließen.
Brief-R. über die Bewusstwerdung und Emanzipation zweier schwarzer Frauen, die durch ihre harten Lebenserfahrungen gestärkt und nicht gebrochen werden: C. lernt, gegen die männliche Vorherrschaft und das brutalisierende Farmleben ihren Traum (die Farbe Lila) festzuhalten und durchzusetzen, N. lernt den Zusammenhang zw. ihrer Missionarstätigkeit und der Ausbeutung von afrikanischen Stämmen zu durchschauen. Großes Netz von Familienbeziehungen, in denen bes. die Solidarität zw. Frauen eine große Rolle spielt. C. als Haupterzählerin schreibt im schwarzen Amerikanisch der gesprochenen Sprache, voller Expressivität, Präzision und suggestiver Kraft. N. nähert sich in ihren Afrika-Briefen weißer Literatursprache an.
Pulitzer-Preis. Übs. Die Farbe Lila von H. Pfetsch (1984). Film von St. Spielberg (1986).

 

 

1983 Raymond Carver: aE Cathedral 12 Erzählungen. Einzelnes in The Atlantic, Esquire, The North American Review u. a.
Durch einen abrupten Wandel werden die Figuren dieser Geschichten aus ihrer alltäglichen Routine gerissen: der Verlust einer Wohnung (Chef’s House), Arbeitslosigkeit (Preservation, Vitamins, The Bridle), der Verlust eines Kindes (A Small, Good Thing ) oder der Eherfrau (Careful, Fever) decken die Sinnlosigkeit eines oft entfremdeten Lebens, das seine Zuflucht in Alkohol, Drogen oder Krankheit nimmt, auf. In der Titelgeschichte versucht ein Junge, einem Blinden eine Kathedrale im Fernsehen zu erklären.
Mit minimalen Darstellungsmitteln zeichnet Carver ein Milieu der »kleinen Leute« und ihrer hilflosen Leiden. Lakonische, parataktische Erzählweise in kurzen Sätzen, die den Leser dazu zwingt, die Sinnzusammenhänge selbst herzustellen. Teils parallel spiegelnde Nebenhdlg. Minuziös realistische Details. Einfluss von E. Hemingway.
Übs. Kathedrale von K. Hoffer (1985).

 

 

1983 Ron Silliman: aL ABC 3 Texte. Beginn eines längeren geplanten Werkes The Alphabet.
»Albany«. Fragmentarische Sätze, durcheinander gemischt, über Familie, Politik, Verbrechen, Kultur. »Blue«. Sätze aus realistischen Erzählzusammenhängen, die trotz gewisser Wiederholungen keinen Kontext mehr ergeben. »Carbon«. 7 Teile voller Wortspiele und Zitate über das Schreiben und Erzählen. Sprachspiel mit verschiedenen Schreibkonventionen (autobiogr. Text, realistischer R., literaturkritischer Essay), die um das zentrale Problem der literarischen Abbildung von Wirklichkeit kreisen. Die Ablösung vom Gegenstand erlaubt eine Hinwendung auf die problematische Anordnung von Sätzen in Paragraphen und auf die innere Struktur von Sätzen. Einfluss von G. Stein.
Fortsetzung Paradise (1985).

 

 

1984 Arthur Kopit: aD End of the World Dr., 3, Auff. 28.3. Kennedy Center, Washington, D.C.
I. »The Commission«. Detektiv und Stückeschreiber Michael Trent erhält von Philip Stone den Auftrag, ein Dr. über den nuklearen Holocaust zu schreiben. II. »The Investigation«. Bei seinen Voruntersuchungen in Washington, D.C., findet T. deprimierende Einzelheiten über das nuklear-strategische Denken in Regierungskreisen heraus. III. Er entdeckt, dass niemand an Abschreckung glaubt, aber alle aus Neugier, was wohl passieren könnte, weitermachen.
Hintergründige Farce im Stil von The Maltese Falcon, einem Kriminal-R. von D. Hammett und der entsprechenden Verfilmung mit H. Bogart, über die wahnwitzige Entfremdung von Nuklearstrategen, die phantastisch anmutende Irrealität ihrer Vorstellung und das Versagen der Literatur vor ihnen. Faust-Parallele. Einfluss der Friedensbewegung.

 

 

1984 Jayne Anne Phillips: aE Machine Dreams R.
»Bellington« (=Buckhannon), W.V., 1923-72. Nach schweren Jahren der Wirtschaftsdepression und dem 2. Weltkrieg, in dem Mitch Hampson auf Neuguinea dient, lernen sich Jean und Mitch auf einer Veteranenparty kennen und heiraten. Während ihre beiden Kinder Danner und Billy in der Kleinstadt aufwachsen, entfremden sich M. und J. voneinander. In den 60er Jahren machen D. und B. ihre ersten sexuellen Erfahrungen und beginnen ein Studium. 1969 wird B. eingezogen. Trotz aller Bitten von D. entzieht er sich nicht und wird 1970 nach einem Hubschraubereinsatz in Vietnam vermisst.
Die »Maschinenträume« des Fahrens und Fliegens von B. und M. führen beide in Kriege, die letztlich die Familie zerstören. Die Frauen (J. und D.) sind bodenständiger und um liebevolle Kontakte bemüht. Autos, Maschinen und Flugzeuge beherrschen jedoch einen Großteil des Lebens aller. Zw. den 4 Hauptfiguren wechselnde Erzählerrolle (persönlicher Bericht, Briefe) und Erzählstandpunkte (Wechsel von 1. und 3. Person). Breites soziales Panorama einer Kleinstadt im Süden und ihrer Rituale (Neujahr, Parade, Unabhängigkeitstag usw.), in dem sich Erinnerung, Traum und biogr. Rekonstruktion mischen (Stimmenvielfalt über die 4 Hauptfiguren hinaus durch Dialoge und Kommentierungen). Im Hintergrund die militärischen Verwicklungen der USA (Weltkrieg, Korea, Kuba, Vietnam) und ihre Auswirkungen auf »Ballington«, Hauptsymbole: Flugzeug, Pferd, Schuhe. Einfluss von W. Faulkner und T. Capote.
Übs. Maschinenträume von K. Graf (1985).

 

 

1984 Thomas Pynchon: aE Slow Learner 5 Kurzgeschichten. Entst. 1958-64.
Frühe Kurzgeschichten, die z. T. Übungen für den R.® V. (1963) darstellen. Lowlands führt die Figur Pig Bodine ein. Entropy allegorisiert den 2. thermodynamischen Satz, Under the Rose, ein Pastiche engl. Spionage-Rr., geht überarbeitet in V. ein. The Secret Integration thematisiert weißen Rassismus und schwarzes Leid. In der Einleitung reflektiert Pynchon kritisch seinen Lernprozess als Schriftsteller, die Einflüsse der Beat-Generation, die teilweise sexistischen Züge seines Frühwerkes.

 

 

1984 Jane Cooper: aL Scaffolding New and Selected Poems 62 Gedichte, z.T. aus früheren Slgg. (1969, 1979). Entst. 1947-83.
In chronologischer Anordnung von den frühen Familiengedichten über die zentrale Sequenz March (1967) bis hin zu den späteren Texten in The Flashboat (1975-83) wechseln Liebes- und (Anti )Kriegs Gedichte miteinander und erhellen sich gegenseitig: die Verpflichtung den Kindern gegenüber (For a Boy Born in Wartime), das beginnende Frühjahr und der Krieg in Vietnam (March), Rosa Luxemburgs liebevolle »Fäden« aus der Gefängniszelle (1917) zu allen Lebewesen draußen (Threads). Weiter ökologische und feministische Gedichte. In dem längeren autobiogr. In Nothing Has Been Used in the Manufacture of this Poetry That Could Have Been Used in the Manufacture of Bread (1974) legt Cooper Rechenschaft aus feministischer Sicht über ihre poetische Entwicklung ab. Knappe präzise Bilder. Früher Einfluss von W. H. Auden, später auch von W. C. Williams.

 

 

1984 Louise Erdrich: aE Love Medicine R., 14 Segmente. Einzelnes in Atlantic Monthly, Kenyon Review, North American Review u. a.
North Dakota, 1934-84. Die verwickelten Liebesbeziehungen dreier Generationen der Chippewa-Familie Kashpaw mit den Lamartines (Nector zw. Marie und Lulu, June zw. Gordon und Gerry, Albertine und Henry Lamartine Jr.) entrollen ein hist. Panorama zw. Anpassung und Widerstand angesichts der das Reservat umgebenden und zerstörenden weißen Kultur: Klosterschule, Polizei, Bars. Es sind vor allem die Frauen, die aus ihren Erfahrungen lernen und ihre gefährdeten Männer (Alkohol, Vietnam, Polizei), das Land und die indianischen Traditionen zu bewahren suchen. Lipsha Morrissey, der sich durch sein Bemühen um einen Liebeszauber (Titel) als der wahre Erbe der indianischen Kultur erweist, verhilft seinem Vater, dem Aktivisten Gerry Nanapush, zur Flucht vor der Polizei.
Fragmentarische Erzählstruktur mit symbolischen Querverweisen (Wasser, Auto, Gänse) und allmählicher Enthüllung der wahren Familienbeziehungen und Loyalitäten. Innerhalb des Rahmens (Gegenwart) chronologisch angeordnete Episoden. Multiperspektivisch-ironische Erzählweise, die den Konflikt und die multikulturelle Durchdringung weißer und indianischer Werte zum Ausdruck bringt. Einfluss von W. Faulkner.
Übs. Liebeszauber von H. Pfetsch (1986). 1. Teil einer geplanten Sequenz von 4 Rr. mit den Folgebänden The Beet Queen (1986), Trades (1988).

 

 

1985 Lanford Wilson: aD Talley & Son Dr., 2, Auff. 2.7., Little Theatre, Saratoga, Frühere Fassung (1980).
Lebanon, Mo., Unabhängigkeitstag 1944. I. Das Familientreffen führt die Kinder und Enkel des Patriarchen Calvin Talley, Besitzer der Kleiderfabrik Talley & Son, auf ihrem Familiensitz zusammen. Die Nachricht vom Tod des Enkels Timmy im Pazifik trifft ein. II. Streitereien um die Kontrolle der Fabrik und um Sohn Eldons uneheliche Tochter mit der Waschfrau brechen aus.
Zerfall einer Familie an ihren zahlreichen Spannungen zw. und innerhalb der Generationen. Konventionen des realistische Familien-Dr.s. Kontrastierende Handlungsführung. Einfluss von L. Hellmann und T. Williams.
Mit 5th of July (1978), Talley’s Folly (1979), das ebenfalls am 4. Juli 1944 spielt, u. a. Teil einer 5teiligen Serie über die Familie Talley.

 

 

1985 William Gaddis: aE Carpenter’s Gothic R., 7.
Hudson-Tal, N.Y. In einem gemieteten Haus der Holzgotik-Bauweise wird Liz Booth abwechselnd von ihrem Hippie-Bruder Billy, ihrem hektischen Mann Paul und dem Vermieter Mcandles heimgesucht. P. betreibt eine Werbekampagne für eine missionseifrige Medienkirche der Neuen Rechten, McCandles hat für den CIA Bodenschürfungen in Afrika betrieben, Liz und ihr Bruder warten auf ihre Erbschaft. Allmählich enthüllt sich, dass die 3 Hdlgg. durch die Firma von Liz’ Vater, die die Mission für ihre Schürfrechte nutzt, verbunden sind. Liz und ihr Bruder fallen den Machenschaften zum Opfer, P. tröstet sich mit einer reichen Freundin von Liz.
In der Art einer gotischen Romanze, in der Liz die empfindsame Heldin, ihre Umgebung die Geister und das Schauerschloss spielen, satirisiert Gaddis wie in ® JR (1975) die Kommerzialisierung und die Entfremdung des Alltagslebens durch einen alles verwertenden Kapitalismus. Bes. eine Satire auf die scheinheiligen Fernsehkirchen der Neuen Rechten und die Reagan-Zeit. Hektische Dialoge und Betriebsamkeit (Telefon und Briefkasten als Quälgeister) mit konplexer, ein Mosaik zusammenfügender Motivstruktur. Virtuoser Wechsel in Sprech- und Schreibweisen. Groteske Situationskomik um Ordnung/Chaos voll schwarzen Humors.
Übs. Der Erlöser von K. Modick und M. Hielscher (1988).

 

 

1985 Don DeLillo: aE White Noise R., 3.
»Blacksmith« im Mittelwesten. I. Jack Gladney, Leiter der Hitler-Studien am lokalen College, sorgt sich um seine Familie. Babette und die halbwüchsigen Kinder haben Angst vor dem Tod und der Vergiftung durch die Umwelt. II. Eine entweichende Giftgaswolke zwingt »Blacksmith« zur fluchtartige Evakuierung. III. Zurückgekehrt entdeckt J., dass B. wegen ihrer Angstzustände sich zu einem Drogenexperiment bereit erklärt hat und ein Verhältnis mit Willie Mink, dem Leiter des Experiments, eingegangen ist. Er schießt Mink nieder.
Das »weiße Geräusch« (Titel) ist der allgegenwärtige Tod, der von einer außer Kontrolle geratenen Warenkultur ausgeht (Umweltverschmutzung, Medikamente, Essen, Fernsehen, Radio). Reflexionen des Ich-Erzählers J. darüber im Supermarkt mit seinem Kollegen Murray Siskind. Erzählweise des schwarzen Humors, die Randzonen der Realitätserfahrung aufspürt. Ironische Unterlegung des Orestie-Mythos.
Übs. Weißes Rauschen von H. Pfetsch (1987).

 

 

1985 John Ashbery: aL Selected Poems 139 Gedichte aus früheren Slgg.
Diese Auswahl zeigt Ashberys Entwicklung von den frühen experimentellen Texten aus Some Trees (1960) und The Tennis Court Oath (1962), in denen eine scheinbar einfache prosanahe Sprechweise semantisch oder syntaktisch so zerlegt und aufgebrochen wird, dass nur noch gelegentlich und eher flüchtig sich ein Sinn des Ganzen einstellt, über ® Three Poems (1965) und ® Self-Portrait in a Convex Mirror (1968) bis hin zu den späteren Bänden Shadow Train (1981) und A Wave (1984), in denen die Selbstreflexionen und Sprachexperimente sich wieder weitgehend sinnvollen Erfahrungskontexten einfügen.
Durchgehend arbeitet Ashbery seit seinen ersten Gedichten an der Veränderung der Realitätserfahrung des poetischen Ichs und damit an der für ihn zentralen Frage der Wahrnehmung, die es aus vorgefassten, meist sprachlich gesteuerten Rastern zu befreien gilt. Durchgehend auch der intime Gesprächston, der gelegentlich durch surreal anmutende Wortcollagen unterbrochen wird. Die Verunsicherung des Lesers ist auch eine Befreiung von konventionell vorgegebenem Sinn.

 

 

1985 Louise Glück: aL The Triumph of Achilles 26 Gedichte. Einzelnes in The New Yorker, The New Republic, Pequod.
I. Gedichte über den Tod: Achilles’ Trauer über den Verlust von Patroklus (Titelgedicht), den Tod des eigenen Vaters (Metamorphosis), den Tod der Schönheit (Hyacinth). II. Eheliches Liebesglück (The Embrace, Marathon). III. Verschiedenes: Legenden, Parabeln, Übss. usw. Versuch eines klaren, direkten, dabei unsentimentalen Aussprechens von Emotionen bei gleichzeitiger Universalisierung des Privaten durch mythologische Anspielungen und klassische Parallelen. Klangvolle, frei variierende Verse. Einfluss der am. »Confessional Poets«.

 

 

1985 Amy Clampitt: aL What the Light was Like 40 Gedichte. Einzelnes in Antaeus, Grand Street, The New Yorker u. a.
Neuenglands Küste, die Grenze zw. Land und Wasser bilden das verbindende Thema dieser Naturgedichte in 5 Teilen: »The Shore«, »The Hinterland«, »Voyages to John Keats«, »The Metropolis«, »Written in Water«. Auch die Verbindung von J. Keats mit H. Crane im biographischen Mittelteil dreht sich um beider poetisches Verhältnis zum Meer. Präzise detaillierte Naturbeschreibungen mischen sich mit literarischen Reminiszenzen von Homer bis zu E. Pound, von Sappho bis zu W.C. Williams. Strenger architektonischer Aufbau der Slg. Hart gefügte, konsonantenreiche Verse mit stauenden rhythmischen Effekten. Traditionellen Formen (Blankvers, Elegie) im Wechsel mit modernem Freivers. Einfluss von R. Frost.

 

 

1986 Ana Castillo: aE The Mixquiahuala Letter R.
USA und Mexiko, Gegenwart. In der Reihe von Briefen an ihre künstlerische Freundin Alicia berichtet und rekapituliert die Lyrikerin Teresa Episoden aus ihrem Leben: San Francisco, Mexico City, Acapulco, New York bringen Männer- und Frauenbeziehungen, eine Abtreibung, eine Trennung, eine Geburt usw. Je nach Reihenfolge der Briefe bei der Lektüre, für die die Autorin 3 alternative Vorschläge - eine konformistische, eine zynische, eine donquichottische Lesart - macht, ergeben sich verschiedene Zusammenhänge der Hdlg. für die Episoden.
Auf der Suche nach Aztlán, dem mythischen Heimatland der Chicanas/os (Míxquiahuala ist ein mexikanisches Dorf mit toltekischen Ruinen) finden die beiden Frauen es überall, wo Chicanas/os leben. Zugleich ein feministischer R., der die Geschlechterrollen vonMännern und Frauen und die Körperlichkeit als unterdrückt/befreit thematisiert. Ich-Erzählerin, die durchweg realistisch ihre Erfahrungen und Gefühle beschreibt.

 

 

1986 Ron Silliman (Hg.): aL In the American Tree
Diese Anthologie stellt neue Lyriker wie Charles Bernstein, Robert Grenier, Bernadette Mayer vor, die in Zeitschriften wie This, Hills, Roof, L-A-N-G-U-A-G-E etc. veröffentlichen und einen Bruch mit der Freivers und Sprechrhythmus verbindenden Poetik von E. Pound bis zu Ch. Olson vollziehen. Sie stellen die Beziehung Schreiben/Lesen und die Sprache selbst, um ihren Bezug auf die Realität beraubt, in den Vordergrund. Die programmatischen Manifeste in Teil II fordern eine referenzfreie, selbstreflexive Sprachpoesie, die Sprache als Instrument (Silliman), Ware (B. Watten), Prozess (Grenier) oder Multi-Diskurs (Bernstein) versteht. Postmoderne Dichtergeneration. Einfluss von J. Ashbery und G. Stein.

 

 

1987 Paul Auster: aE In the Country of Last Things R. einzelnes in The Paris Review.
In einer Stadt der »letzten Dinge« in vager Zukunft sucht Anna Blume nach ihrem Bruder William. Der Tod ist allgegenwärtig: Mord-Clubs durchziehen die Stadt, überfüllte Euthanasie-Kliniken, Selbstmord-Jogger, Fäkalisten etc. Apokalyptische Endzeitstimmung einer total entfremdeten Welt. Als Tagebuch und Bericht A.s verfasst. Einfluss von J. G. Ballard.

 

 

1987 Toni Morrison: aE Beloved R. Angeregt durch einen hist. Vorfall.
Cincinnati, 1873. 3 Generationen schwarzer Frauen, Großmutter Baby Suggs, Tochter Sethe und Enkelin Denver, leben schlecht und recht mit dem Geist von S.s. ermordeter Tochter »Dearly Beloved« (1855-57) zusammen und versuchen, die daraus entstehenden Probleme zu lösen. Der hist. R. dramatisiert den Übergang von der Sklaverei zur Emanzipation und dessen Auswirkung auf die neue Rolle der Frau. Realistische Behandlung der Gespenstergeschichte.

 

 

1987 Gloria Anzaldúa: a Borderlands/La Frontera The New Mestiza Textcollage aus Prosastücken und Gedichten. Einzelnes in Conditions Six, Labyris, IKON.
Grenzgebiet im am. Südwesten. I. »Atravesando Fronteras/Crossing Borders« umreißt das mythische Heimatland der Cochise (Vorfahren der Azteken), das durch die Grenze zw. USA und Mexiko zerschnitten wird und zugleich im Bild der Schlange die grenzüberschreitende, zw. beiden Kulturen angesiedelte Identität der Chicanos/as hervorbringt. II. »Un Agitado Viento/Ehécatl, The Wind«. Momente aus dem harten Arbeitsleben der Chicanos und der doppelten Ausbeutung der Chicanas als Minderheitenangehörige und Frauen, aber auch Momente des Glücks lesbischer Liebe.
Hist., mythologische und autobiogr. Prosatexte (I) kontrastieren mit dramatischen oder lyrischen Gedichten (II) und machen zugleich die widersprüchliche Einheit des äußeren und inneren Grenzlands (Titel) deutlich. Proklamierung einer bewussten Zwischenstellung (Mestizin, Lesbierin, Wanderin) und pol. Vereinigung mit anderen nordam. Minoritäten. Grenzüberschreitung auch in der Sprache (Zweisprachigkeit) und den literarischen Genres.

 

 

1987 Jayne Anne Phillips: aE Fast Lanes 7 Kurzgeschichten. Einzelnes in Esquire, Rolling Stone u. a.
Neben 2 Geschichten aus dem Umkreis von ® Machine Dreams (1984) über Danners Liebe zu ihrem Bruder Billy (Blue Moon) und die Liebe von Bess für ihren Bruder Warwick (Bess) weitere Geschichten über den jungen Punker Mickey, der in einem furiosen Monolog sein Leben rekapituliert (How Mickey Made It), eine Mutter, die ihre Ehe aufkündigt, als ihr Mann der gemeinsamen Tochter Angela einen Diamantring zum 16. Geburtstag schenkt (Something That Happened), und vor allem über Thurmans und Kates lange und schwierige Heimfahrt zu ihren Eltern im Süden (Titelgeschichte). Gestörte Familienbeziehungen, Entwurzelung und die Suche nach einem Halt durchziehen alle Geschichten. Meist charakterisierende Ich-Erzählungen mit entsprechend stilistischer Variation. Oft aus erinnernder Sicht.

 

 

1987 Joseph McElroy: aE Women and Men R.
In den parallel verlaufenden Lebenswegen des Journalisten James Mayn aus Windrow, N.J., und Grace Kimball, Feministin, die in New York eine erotische Selbsterfahrungsgruppe namens Body-Self Workshop leitet, geraten Geschlechterrollen und Subjektivität heillos in Fließen. Beide sind geschieden und entwickeln komplizierte Verhältnisse zu Müttern, Liebespartnern (G. ist bisexuell) und ihren Kindern. Indianische Vorfahren und Legenden spielen ebenfalls in die Gegenwart mit hinein. G.s und J.s Leben berühren sich durch weitere Paare, die das Thema der problematisch gewordenen Geschlechterbeziehungen spiegeln und differenzieren. Zusätzliche Schwierigkeiten entstehen durch den Erzählerdiskurs, der in durchgehender Kommentierung jede lineare Hdlg. durchbricht, Identitäten verschwimmen lässt und sich in einem die Leser einschließenden »wir« den Figuren nähert und ihnen wieder ausweicht. Postmoderner R. antirealistischer Art.

 

 

1988 John Updike: aE S. R.
In ihren Briefen an Ehemann Charles, ihre Mutter, Tochter Pearl, eine Freundin und ihren Bankier enthüllt Sarah Worth ihre anfängliche Begeisterung und plötzliche Enttäuschung von einer Yoga-Sekte, deren Guru sich als ein gewisser Art Steinmetz aus Watertown in Neu-England entpuppt. Satire auf den kommerziellen Sektenkult der 70er Jahre. Ironische Parallelen zu N. Hawthornes ® The Scarlet Letter (1850).
Übs. von H. Adler (1989).

 

 

1988

Raymond Carver: aE Elephant and Other Stories 7 Geschichten. Einzelnes in The New Yorker, Esquire.
Umzug und beginnender Wahnsinn der Mutter (Boxes), Arbeitslosigkeit und Verschuldung des Bruders (Titelgeschichte), Wiederbegegnung mit der betrogenen Ehefrau (Intimacies), und der Tod Tschechows (Errand): Carver bleibt seinen Themen von Verlust und Entfremdung sowie seiner persönlichen Erzählweise minimaler Andeutungen auch in seinen späten Erzählungen treu.

 

 

1988

Lynne Alexander:

aE Resonating Bodies

R., 2, mit einem Zwischenspiel.
Kontrapunktisch angelegte Serie von Erzählungen und Ansprachen, wechselnd zw. dem Konzertvirtuosen Nicholas Jordan und seiner viola da gamba, liebevoll Rose genannt, über N.s Nachfolgerin und Konkurrentin Lucy während eines Konzertes in Versailles. Musikalisch thematisierte und durchgeführte Komposition. »Meister« und Instrument sind sich gegenseitig erotischer Klangkörper. Reiche sprachliche Modulation der einzelnen Passagen.

 

 

1988

Harold Brodkey: aE Stories in an Almost Classical Mode 34 Erzählungen. Entst. seit 1967. Einzelnes in American Review u. a.
Neben frühen Geschichten (The Abundant Dreamer, Bookkeeping) vor allem Fragmente aus dem lang angesagten und unveröffentlichten R. Party of Animals: über den Reifungs- und Sozialisationsprozess des Erzählers Wiley Silenowicz aus St. Louis, Mo., seine Adoption mit 2 Jahren (A Story in an Almost Classical Mode), seine Kindheit (Play), seine sexuellen (Innocence) und religiösen Erfahrungen (Angel). Extrem vielschichtiger Detailrealismus und experimentelle Zeitdehnung von einzelnen Abschnitten der Hdlg. Teilweise autobiogr. Rekonstruktion mit psychorealistischen Zügen. Einfluss von M. Proust.

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