DE19953975A1 - Knochenzement - Google Patents
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Abstract
Die Erfindung betrifft einen sogenannten Knochenzement, z. B. auf der Basis von Polymethylmethacrylat oder Polystyrol, mit einer globularen, vorzugsweise kugeligen Formgestaltung, der die pulverförmige Komponente bildenden Partikel z. B. aus Polymerisat, Additiven und/oder Röntgenkontrastmittel sowie ein vorteilhaftes Röntgenkontrastmittel selbst, wobei diese Partikel im wesentlichen relativ große, einheitliche Abmessungen aufweisen und in Mischung mit dem Monomer vorzugsweise eine hexagonal dichteste Kugelpackung bilden. Die entsprechenden Knochenzementmischungen sind problemlos und ohne die Gefahr von Lufteinschlüssen anmischbar, die erforderliche Menge an Monomer ist reduziert, die Wärmeabgabe und der Volumenschwund während der Polymerisation sind niedriger, die Biegezugfestigkeit des ausgehärteten Produkts mindestens gleich oder besser und die abrasive Wirkung vermindert. Daneben wird ein erniedrigter Restmonomergehalt erwartet. Die Bestandteile des erfindungsgemäßen Knochenzements sind wirtschaftlich und ohne technische Schwierigkeiten herstellbar. Damit kann die Erfindung in einem medizinischen Teilbereich einen Beitrag zur technischen Fortentwicklung zum Wohle des Patienten leisten.
Description
Die Erfindung betrifft einen sogenannten Knochenzement, welcher in der Humanmedizin
vor allem für die Verankerung von künstlichen Gelenken verwendet wird. Für den Laien
mag die Bezeichnung etwas irreführend wirken, da tatsächlich keine Verwandschaft mit
dem im Bauwesen üblichen Zement gegeben ist. Knochenzemente der genannten Art
bestehen vielmehr aus einem Kunststoff, in der Regel basierend auf Methylmethacrylat bzw.
verwandter Substanzen, teilweise unter Zusatz weiterer Ester der Acryl- oder Methacryl
säure. Es sind ferner Mischungen aus Methylmethacrylat und Styrol als sogenannte
Copolymere für den genannten Zweck in Verwendung. Häufig wird dabei die Kombi
nation Benzoylperoxid/Dimethyl-p-Toluidin als Katalysator, bzw. Hydrochinon als Stabi
lisator in dem flüssigen Monomer benutzt. Es ist üblich, Knochenzement aus im wesent
lichen zwei Komponenten anzumischen, wovon eine Komponente ein pulverförmiges
Polymerisat und die andere ein flüssiges Monomer ist. Dabei besteht das pulverförmige
Polymerisat gewöhnlich aus Partikeln in Kugelform, wobei deren Durchmesser zwischen
etwa 1 bis 200 Mikrometer verteilt sind. Bei den genannten Copolymeren besteht nur der
Anteil aus Polymethylmethacrylat aus globularen Partikeln, während der Anteil an Polystyrol
üblicherweise eine flockenförmige Gestalt besitzt.
Zur Kontrolle des Operationsergebnisses ist es in der Praxis erforderlich, den mit
Knochenzement ausgefüllten Bereich in der Röntgenaufnahme sichtbar zu machen. Da die
Röntgenabsorption bei der zuvor beschriebenen Zusammensetzung des Knochenzementes
für diesen Zweck zu niedrig liegt, ist es üblich, dem Knochenzement ein Röntgen
kontrastmittel zuzufügen. Bekannte Röntgenkontrastmittel sind Bariumsulfat und Zirkonium
dioxid. Die dem pulverförmigen Polymer zugemischten Gewichtsmengen variieren für
Bariumsulfat zwischen ca. 7 und 10%, bzw. für Zirkoniumdioxid zwischen ca. 10 und 15%.
Es ist auch bekannt, dem Knochenzement einen Farbstoff (z. B. Chlorophyll) in extrem
kleinen Dosierungen zuzusetzen, um einen farblichen Kontrast zum Knochen zu bewirken.
Obwohl derartige Knochenzemente bereits seit vielen Jahren Verwendung finden, sind sie
trotzdem noch mit verschiedenen Nachteilen behaftet. Ein generelles Problem besteht
darin, daß während des Polymerisationsvorgangs exotherme Wärme entsteht. Wenn die
dabei auftretende Temperatur über mehr als etwa 56°C ansteigt, werden die in Kontakt
befindlichen Körperzellen in Abhängigkeit von der Beanspruchungsdauer geschädigt.
Dadurch kann der Operationserfolg in Frage gestellt sein.
Es ist bekannt, daß die zur Polymerisation einer bestimmten Gewichtsmenge eines
Monomers freiwerdende thermische Energie einen in Joule pro Gramm definierten Wert
besitzt. Der Ablauf der Polymerisationsreaktion ist anhand einer Temperaturkurve ablesbar,
welche die Temperaturveränderung über die Zeit darstellt. Diese Kurve beginnt mit der
Umgebungstemperatur, steigt dann mit zunehmender Versteilung an, um nach dem
Durchlaufen eines Maximums wieder zum Wert der Umgebungstemperatur zurückzu
kehren. Die freigewordene Gesamtenergie wird durch das Integral der Kurve repräsen
tiert. Daraus folgt, daß bei einem sehr schnellen Reaktionsverlauf eine sehr hohe
Maximaltemperatur erreicht wird, bzw. umgekehrt ein sehr langsamer Reaktionsverlauf
eine entsprechend niedrigere Maximaltemperatur zur Folge hat. Im Hinblick auf die
Verwendung eines derartigen Kunststoffs als Knochenzement ließe sich daher das Problem
der Zellüberhitzung vermeiden, indem die Mischung auf einen relativ langsamen Reak
tionsablauf eingestellt würde. Diese Möglichkeit ist für die geschilderte Anwendung leider
nicht nutzbar, da während des Operationsablaufs nur wenig Zeit für die vollständige
Aushärtung das Knochenzements zur Verfügung steht. Die sonst nicht nutzbare Wartezeit
wäre nicht nur unrationell, sondern für den Patienten wegen der verlängerten Narkose
dauer und dem höheren Blutverlust nicht wünschenswert. Andererseits ließe sich diese
Wartezeit auch nicht umgehen, da ein frisch zementiertes Implantat vor der vollständigen
Aushärtung des Knochenzements auf keinen Fall bewegt oder sonstwie mechanisch bean
sprucht werden darf.
Die tatsächliche thermische Beanspruchung von Körperzeilen an der Kontaktzone zum
polymerisierenden Knochenzement ist nur mit großer Ungenauigkeit vorherzusagen. Sie
hängt z. B. von der Dicke der eingebrachten Schicht und der Wärmeableitung über
Prothesenkomponente und Knochen ab. Andere Einflußfaktoren sind z. B. der Grad der
Vorkühlung, die Intensität der Mischprozedur, die Höhe der Raumtemperatur und der
gleichen mehr. Laborversuche zeigen jedoch, daß unter bestimmten Bedingungen mit
handelsüblichen Knochenzementen während der Polymerisation Maximaltemperaturen von
knapp oberhalb 110°C auftreten können, sodaß hier noch Handlungsbedarf besteht.
Ein weiteres Problem der beschriebenen Knochenzemente hängt damit zusammen, daß mit
dem flüssigen Monomer unerwünschte Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind. In
diesem Zusammenhang wird unter anderem von Blutdruckabfall oder anderen kardio
vaskulären Reaktionen berichtet. In den Beipackzetteln wird darauf hingewiesen, daß die
Flüssigkeit eine Kontaktdermatitis auslösen kann, und die konzentrierten Dämpfe zu einer
Schädigung der Augen, der Atemwege und möglicherweise auch der Leber führen können.
Hierfür scheint vor allem die in der Flüssigkeit enthaltene Chemikalie N,N-Dimethyl-p-
toluidin verantwortlich zu sein. Das entsprechende Sicherheitsdatenblatt für diese Substanz
gibt neben der Einstufung in die Giftklasse 2 folgende Hinweise:
R 23 - Giftig beim Einatmen
R 24 - Giftig bei Berührung mit der Haut
R 25 - Giftig beim Verschlucken
R 33 - Gefahr kumulativer Wirkungen
R 24 - Giftig bei Berührung mit der Haut
R 25 - Giftig beim Verschlucken
R 33 - Gefahr kumulativer Wirkungen
Der ebenfalls in der Flüssigkeit enthaltene Stabilisator Hydrochinon ist in die Giftklasse 3
und bezüglich des Einatmens und Verschluckens als gesundheitsschädlich eingestuft.
Doch auch andere, zunächst unproblematisch erscheinende Zusatzstoffe des Knochen
zements wie die Röntgenkontrastmittel, sind bisher mit gewissen Unzulänglichkeiten be
haftet. Die beiden für diesen Zweck wahlweise zum Einsatz gelangenden Stoffe Bariumsul
fat bzw. Zirkoniumdioxid werden aus kristallinem Vormaterial durch Brechen und Mahlen
auf eine kleine Korngrösse gebracht. Dadurch liegen die entsprechenden Partikel als
scharfkantige Bruchstücke vor. Aus dieser Tatsache ergeben sich verschiedene Nachteile.
Wegen der nicht vernachlässigbaren Menge des Röntgenkontrastmittels sowie der Form
gestalt der einzelnen Partikel und der so gebildeten großen Oberfläche wird nämlich das
Knochenzementgemisch während der Anmischphase stark eingedickt. Dadurch ist es sehr
schwierig, eingerührte Luftblasen z. B. durch Beaufschlagung mit Vakuum zu entfernen.
Durch die Eindickung wird ferner die Penetration der Mischung in die knöcherne Kon
taktfläche behindert.
Der andere im Zusammenhang mit den bisher verwendeten Röntgenkontrastmitteln
stehende Nachteil betrifft das Auftreten von Gelenkfläehenverschleiß. Es ist allgemein
bekannt, daß die Qualität der Oberflächenbearbeitung von Hüftköpfen maßgeblich das
Auftreten von Polyäthylenabrieb und somit den Langzeiterfolg einer Prothese beeinflußt.
Gelangt Knochenzement in den Gelenkspalt, so besteht die Gefahr, daß die Oberfläche
des Hüftkopfes durch das im Knochenzement enthaltene Röntgenkontrastmittel verkratzt
wird. In der Literatur finden sich nun zwar Hinweise, daß Bariumsulfat weicher als
Zirkoniumdioxid und die gebildeten Bariumsulfatpartikel weniger scharfkantig seien,
andererseits ist jedoch bekannt, daß Bariumsulfat für massive Gewebe-Fremdkörper
reaktionen verantwortlich ist. Generell ließe sich das Problem des Gelenkflächenver
schleißes dadurch abschwächen, daß die Partikelgröße des Röntgenkontrastmittels noch
weiter herabgesetzt würde. Diese Vorgehensweise würde jedoch zwangsläufig mit einer
noch stärkeren Eindickung der Mischung einhergehen, welche gerade vermieden werden
soll.
Als weiterer Nachteil der bisher verwendeten Knochenzemente muß die Volumensreduktion
während des Polymerisationsvorgangs angesehen werden. Dieses Schrumpfverhalten im
Bereich von einigen Volumensprozenten ist deshalb unerwünscht, weil es zur partiellen Ab
lösung der Zementschicht von den kontaktierten Flächen führen kann.
Es bestand daher die Aufgabe zur Schaffung einer Knochenzementmischung, welche auf
grund ihrer Zusammensetzung die verschiedenen oben beschriebenen Nachteile vermeiden
oder wenigstens in ihrer nachteiligen Auswirkung abschwächen sollte. Ausgehend von der
Forderung nach mindestens gleichen oder verbesserten Festigkeitseigenschaften des Kno
chenzements sollte dabei die Polymerisationswärme reduziert und negative physiologische
Einflüsse vermindert sein. Die Mischung sollte während der Anmischphase eine gut
fließfähige Konsistenz aufweisen, um die Entfernung eingeschlossener Luftblasen z. B. durch
Aufbringung eines Vakuums zu erleichtern. Der Volumensschwund beim Polymerisieren
sollte kleiner ausfallen. Außerdem sollte die Gefahr des Gelenkflächenverschleißes durch
ungewollt in den Gelenkspalt gelangte Partikel der ausgehärteten Mischung möglichst
niedrig sein. Daneben war nicht nur eine entsprechende röntgenpositive Wirksamkeit,
sondern auch eine technische Verfügbarkeit zu akzeptablen Kosten gefordert.
Die Aufgabe wird nach der Erfindung durch die Heranziehung einer größenmäßigen
Selektion der Feststoffe auf eine relativ große und dabei möglichst gleiche Abmessung,
einer bevorzugten kugelförmigen Formgestalt der Feststoffpartikel, sowie der Verwendung
eines speziellen Röntgenkontrastmittels gelöst.
Danach besteht die erfinderische Grundidee zunächst darin, den Anteil der relativ
unproblematischen, je nach Material unter Umständen sogar völlig inerten Feststoffpartikel
in der Mischung zu erhöhen und so den problematischen Rest in Gestalt der Flüssigkeit -
diese kann ein "Kleber" bzw. ein Monomer sein - zu verringern. Wegen des
volumenspezifisch geringeren Anteils der Flüssigkeit am Knochenzement wird so die
physiologische Belastung entsprechend abgeschwächt. Gleichzeitig wird dadurch während
des Abbindens ein verringerter Volumensschrumpf zu verzeichnen sein. Ist die Flüssigkeit
eine exotherm reaktive Substanz, z. B. ein Monomer, so wird auch die Polymerisations
wärme in Bezug auf das Volumen insgesamt kleiner ausfallen, womit unter der
Voraussetzung sonst identischer Bedingungen eine Absenkung der auftretenden Maximal
temperatur verbunden ist.
Bei den bekannten Knochenzementen auf der Basis von Acrylaten ist ein Gewichtsverhältnis
zwischen dem pulverförmigen und dem flüssigen Anteil der Mischung von etwa 2 zu 1
üblich. Vereinfacht kann dieses Verhältnis auch bezüglich des Volumens angesetzt werden.
Von diesem Verhältnis kann in der Praxis nicht ohne weiteres abgewichen werden, weil ein
höherer Anteil des Pulvers zu einer starken Zunahme der Zähigkeit führt. Dadurch wird die
Mischbarkeit erschwert und die Endfestigkeit des ausgehärteten Zements vermindert. Der
Grund für dieses Verhalten liegt darin, daß bekanntlich die aus Polymerisat bestehenden
Feststoffpartikel derartiger Knochenzemente in Gestalt kleiner Kügelchen unterschiedlicher
Größe vorliegen (die Größenverteilung üblicher Kugeldurchmesser liegt zwischen etwa 1
bis 200 Mikrometer), sodaß eine optimal dichte Kugelpackung wegen der regellosen
Anordnung nicht erzielbar ist. Ausserdem zeigen diese Feststoffpartikel je nach Material ein
unterschiedliches Grenzflächenverhalten. Hier kommen verschiedene Phänomene der
Grenzflächenchemie bzw. -physik zum Tragen. Dabei spielt z. B. die Oberflächenspan
nung und -benetzung sowie die oberflächliche Anlösung durch das Monomer eine Rolle.
Nach den bekannten Modellen dichtester Kugelpackung, z. B. der hexagonal dichtesten
Kugelpackung, kann man den Volumenanteil der Kugeln an einem Raum berechnen.
Dabei ist das kubisch-volumetrische Inkrement einer derartigen dichtesten Kugelpackung:
IK = √32.r3
Demgegenüber beträgt das sphärisch-volumetrische Inkrement gemäß der bekannten
Formel zur Berechnung des Kugelvolumens:
Der prozentuale Füllgrad eines Raums für die hexagonal dichteste Kugelpackung berechnet
sich dann zu:
Aus dem berechneten volumetrischen Füllgrad der hexagonal dichtesten Kugelpackung von
rund 74% und einem Zwickelvolumen von rund 26% wäre im Falle des Knochenzements
ein gewichtsmäßiges Mischungsverhältnis von ca. 3 zu 1 für die Pulver- bzw. Flüssigkeits
komponente realisierbar, wobei wegen der geringeren Dichte der flüssigen Komponente
z. B. bei Polymethylmethacrylat die kugelförmigen Partikel vollständig benetzt und die
zwischen Ihnen befindlichen Zwickel vollständig ausgefüllt wären. Dies wäre gegenüber
den bekannten Mischungen eine hervorragende Verbesserung. Weil jedoch die angestrebte
optimale Kugelpackung der Pulverpartikel mit deren regelloser Größenverteilung nicht
erzielbar ist, wird als erster Schritt der Erfindung vorgeschlagen, die vorzugsweise
sphärischen Feststoffpartikel des Knochenzements sämtlich in der möglichst exakt gleichen
Abmessung zu verwenden. Beim Anmischen beider Komponenten wird die räumliche
Anordnung der sphärischen Partikel dem Modell zwar nicht vollständig entsprechen, einer
optimalen Kugelpackung jedoch sehr nahe kommen.
Die oben beschriebene Maßnahme reicht für sich allein zur Absenkung des Monomer
anteils an einer derartigen Mischung nicht aus. Es ist nämlich nicht gleichgültig, ob die
globularen, vorzugsweise sphärischen Partikel kleine, mittlere oder große Abmessungen
besitzen. Der Einfluß der Partikelgröße ist in diesem Zusammenhang bislang nicht erkannt
worden. Wie weiter oben bereits erwähnt wurde, müssen die an den Partikeln auftretenden
Oberflächeneffekte berücksichtigt werden. Wenn diese Partikel mit der Flüssigkeit in
Verbindung gebracht werden, tritt eine oberflächliche Benetzung ein, deren Ausbildung von
der Oberflächenspannung und dem Benetzungswinkel abhängt. Hier können ferner
Absorptions- bzw. Adsorptionsvorgänge eintreten, bzw. rein mechanische oder Kapillar
effekte, welche dazu führen, daß ein bestimmter Flüssigkeitsfilm an der jeweiligen
Partikeloberfläche festgehalten wird. Ist die Flüssigkeitskomponente der Mischung ein
Lösungsmittel für den pulverförmigen Anteil, wie es bei den üblichen Knochenzementen der
Fall ist, so wird die Außenfläche bis zu einer gewissen Tiefe hin angelöst. Auch dabei wird
ein Anteil der flüssigen Komponente verbraucht. Mittels eines Kugelschalenmodells ist
nachweisbar, daß bei gleicher Schichtstärke der am einzelnen Partikel gebundenen oder
verbrauchten Flüssigkeit ein drastisch erhöhter Flüssigkeitsbedarf entsteht, wenn die
Partikelgrösse verringert wird. Dies hängt damit zusammen, daß mit jeder Halbierung der
Partikelabmessung eine Verdopplung der Oberfläche eintritt.
Mit der Erfindung wird daher vorgeschlagen, die Grundidee der Verwendung von globu
laren, vorzugsweise sphärischen, Feststoffpartikeln gleicher Größe dadurch zu ergänzen,
daß diese mit möglichst grossen Abmessungen verwendet werden. Theoretisch wäre es
möglich, die zwischen diesen Partikeln gebildeten Zwickel mit einer zweiten, entsprechend
kleineren Partikelgrösse zu füllen, um den Feststoffanteil an der Mischung weiter zu
erhöhen und den Flüssigkeitsbedarf weiter abzusenken. Ein geometrisches Modell einer
derartigen Kugelpackung zeigt, daß der zweite Kugeldurchmesser 22,4744% des ersten
Kugeldurchmessers beträgt. Mittels dieser Zwickelfüllung wäre demgemäß lediglich eine
Steigerung des Anteils am Feststoffvolumen von ungefähr 1,68% möglich. Andererseits
würde wegen der relativ großen Oberfläche der kleineren Partikel wiederum eine ent
sprechende Menge der flüssigen Komponente gebunden, wodurch der theoretische Vorteil
praktisch aufgezehrt wird. Außerdem muß mit einer größeren Störung der optimal dichten
Kugelpackung gerechnet werden. Eine Füllung dieser Zwickel könnte allenfalls mit
sozusagen inerten Feststoffpartikeln ins Auge gefaßt werden, welche mit der Flüssigkeit
nicht reagieren, z. B. mit bestimmten Röntgenkontrastmitteln.
Die Festlegung der Partikelgröße zielt darauf ab, die größtmöglichen Abmessungen, bzw.
den größtmöglichen Durchmesser zu verwenden. Die entsprechende Dimensionierung
hängt von der kleinsten in der Praxis auftretenden Spaltweite zwischen einem Implantat und
der ossären Oberfläche ab, sowie von der erforderlichen Penetration in die ossäre Struktur.
Nach dem jetzigen Kenntnisstand ist z. B. bei sphärischen Partikeln ein Durchmesser von
etwa 60 µm problemlos anwendbar. Es wird vermutet, daß auch Partikelgrößen von bis zu
100 µm noch ohne Schwierigkeiten benutzt werden können. Die in Bezug auf die
Partikelvergrößerung bestehenden Grenzen werden zur Zeit noch erforscht.
Ein erfindungsgemäß zusammengesetzter Knochenzement ist wegen der "rolligen" Eigen
schaft der kugelförmigen Feststoffpartikel und deren relativ kleiner Oberfläche sehr gut
anmischbar und aufgrund der geringen Viskosität sehr einfach, z. B. mittels der üblichen
Vakuummethode, zu entgasen.
Zur Realisierung der erfinderischen Grundidee mit nur einer Partikelgrösse ist es dabei
unerheblich, welches Material für die einzelnen Feststoffpartikel verwendet wird. In der
einfachsten Ausführung können z. B. sämtliche Partikel aus identischem Material (z. B. einem
Polymerisat) bestehen. Andere Ausführungen können aus einer Mischung unterschiedlicher
Materialien (z. B. verschiedenen Polymerisaten oder Copolymerisaten) bestehen. Für rönt
genpositiven Zement wird die Möglichkeit angeboten, das Röntgenkontrastmittel mit
gleicher Abmessung zu verwenden. Die Bandbreite der Mischungsmöglichkeiten ist
dadurch erweiterbar, daß irgendwelche Additive in die Mischung mit eingebracht werden
können. Hier wird z. B. vorgeschlagen, geringere Anteile an Aramid (z. B. AKZO TWARON
5011) zuzufügen, um die Biegezugfestigkeit des Polymerisats zu steigern. Bezüglich
kleinerer Zumengungen an Antibiotika oder Katalysatoren bietet sich an, diese in sehr
feiner Pulverform mit einer Partikelgrösse unterhalb des zwickelfüllenden imaginären
Kugeldurchmessers von etwa 22% anzusiedeln oder als Kugelbeschichtung.
Nach weiterer Erfindung wird vorgeschlagen, als Röntgenkontrastmittel ein reines Metall
bzw. eine metallische Legierung mit globularer bzw. kugelförmiger Partikelgestalt
heranzuziehen. Hier wird vorzugsweise die Verwendung des Elements Niob sowie eine
Legierung zwischen Niob und Bor empfohlen. Von Niob ist bekannt, daß es inert und
physiologisch unbedenklich ist. Aufgrund seines Atomgewichts ist ferner von einer aus
reichenden Röntgenabsorption auszugehen. Außerdem ist es in reiner unlegierter Form
wesentlich weicher als die bisherigen kristallinen Röntgenkontrastmittel. Im Zusammen
hang mit seiner kugelförmigen Partikelgestalt ist so seine abrasive Wirkung herabgesetzt,
falls wirklich einmal Knochenzementfragmente in den Gelenkspalt gelangen sollten.
Zur Herstellung von Niob- und anderen Metallpulvern aus kugelförmigen Partikeln ent
sprechender Kleinheit stehen heute die sogenannten Gasverdüsungsverfahren zur Ver
fügung, welche über die Anpassung der Verdüsungsbedingungen die Einstellung der
Korngröße und der Korngrößenverteilung erlauben. Die genannten Verfahren sind heute
so weit entwickelt, daß die Herstellung derartiger Metallpulver auch wirtschaftlich ist.
Allerdings muß im Falle der Verdüsung von reinem Niob wegen des hohen Schmelzpunkts
von 2468°C doch mit einem höheren Aufwand gerechnet werden. Mit der Erfindung wird
vorgeschlagen, eine Legierung aus Niob und Bor als Röntgenkontrastmittel zu benutzen.
Eine Zulegierung von etwa 2 Gewichtsprozent Bor zu Niob bewirkt nämlich eine wirklich
unglaubliche Absenkung der Schmelztemperatur von über 800 K auf etwa 1600°C. Damit
sind weniger aufwendige Schmelz- und Verdüsungsanlagen verwendbar, was deutlich
niedrigere Herstellungskosten ermöglicht. Es wird vermutet, daß diese Legierung ebenso
wie reines Niob keine physiologischen Probleme bereitet.
Im Rahmen von Entwicklungsarbeiten wurden von den Anmeldern Versuche mit ver
schiedenen erfindungsgemäßen Knochenzementmischungen auf der Basis von Methyl
acrylat bzw. Methylmethacrylat durchgeführt. Als Pulverkomponente wurde ein kugeliges
Polymerisat mit einem mittleren Durchmesser von etwa 50 µm eingesetzt, welches durch
Windsichten aus einem Vorprodukt gewonnen worden war. Unter Zuhilfenahme
handelsüblicher Gerätschaften wurden jeweils Probemengen von etwa 60 bis 70 Gramm
Gesamtgewicht mit reduzierten Monomergehalten nach vorschriftsmäßiger Vorkühlung mit
der bekannten Vakuumtechnik angemischt und in kleine Spritzenkartuschen von je 10 ml
Volumen abgefüllt. Danach wurde mit der Aufzeichnung der im Kern auftretenden
Temperatur begonnen. Dabei konnten Absenkungen der maximalen Polymerisations
temperaturen in der Größenordnung von bis zu etwa 20 K gegenüber handelsüblichen
Mischungen bei sonst gleichen Versuchsbedingungen registriert werden.
Aus den gewonnenen zylinderförmigen Rohlingen mit einem Durchmesser von um die 16
Millimeter wurden Vierkantstäbe mit einem Querschnitt von 10 × 10 Millimeter durch
Fräsen und Schleifen hergestellt, um mittels des sogenannten Dreipunkt-Biegezugversuchs
Rückschlüsse über die Festigkeit der ausgehärteten Mischung ziehen zu können. Es zeigte
sich, daß die Zumischung von 7% eines Additivs aus Aramidpartikeln eine Steigerung der
Biegezugfestigkeit von etwa 110 auf 117 N/mm2 bewirkte. Bei einem anderen Prüfstab
konnte mit einer Zumischung von 6,7 Gewichtsanteilen aus Niob-Partikeln die Biegezug
festigkeit auf immerhin 125,6 N/mm2 gesteigert und dabei die Elastizität deutlich
verbessert werden. Ein weiterer Prüfstab mit 9,1 Gewichtsanteilen Niob wies eine Biegezug
festigkeit von 111,6 N/mm2 auf. Die bei der Amtlichen Materialprüfanstalt in Hannover
durchgeführten Messungen belegen, daß eine Festigkeitsabnahme der erfindungsgemäßen
Mischungen im Vergleich zu marktüblichen Produkten mit Sicherheit ausgeschlossen
werden kann.
Ähnlich positiv stellen sich die Erkenntnisse über die Verarbeitungseigenschaften dar.
Aufgrund der sehr gut fließfähigen Konsistenz konnte eine homogene Mischung sehr
schnell erzielt werden. Entsprechend problemlos ließen sich diese Mischungen durch
Anlegen eines Vakuums entgasen. Dabei kann die Erfindung allerdings in unterschiedlicher
Weise nutzbar gemacht werden. Es besteht nämlich einerseits die Möglichkeit, das
bisherige Mischungsverhältnis derartiger Zemente beizubehalten und nach dem Einfüllen
der Flüssigkeit das Pulver in den Mischbecher einzustreuen. Ein eigentliches Mischen und
anschließendes Entgasen durch Anlegen eines Vakuums ist dann überhaupt nicht
erforderlich, weil die Pulverkomponente von der Flüssigkeitskomponente selbsttätig voll
ständig benetzt wird. Dieser Effekt ist noch vorhanden, wenn der flüssige Anteil der
Mischung um einen gewissen Betrag reduziert wird. Dabei ist dieser Betrag von der
verwendeten Kugelgröße abhängig. Erst wenn die Mischung sich einer Zusammensetzung
von 74 Gewichtsanteilen des Pulvers und 26 Gewichtsanteilen der Flüssigkeit nähert, wird
ein mechanisches Durchmischen und eine Vakuum-Entgasung erforderlich. Es liegt dann
in der Hand des Anwenders für welche Variante er sich entscheidet.
Von der erfindungsgemäßen Mischung kann als weitere positive Eigenschaft die Abnahme
des Restmonomergehaltes erwartet werden. Wegen noch ausstehender Nachprüfungen
kann diese Vermutung zur Zeit noch nicht belegt werden.
Messungen der Röntgenextinktion von Zementproben mit reinem Niob als Kontrastmitte)
zeigen eine Übereinstimmung mit handelsüblichen Mischungen bei einem Gewichtsanteil
an Niob von 9 bis 10 Prozent. Aufgrund der Dichte von Niob von ca. 8,57 g/cm3
gegenüber z. B. der Dichte von Polymethylmethacrylat mit etwa 1,19 g/cm3 entspricht dies
etwa einem Volumenanteil von zwischen 1,25 und 1,4%. Somit wäre der Anteil an
Niobpartikeln bei entsprechender Kleinheit von unter 22,5% in Relation zu der Partikel
größe des im wesentlichen als hexagonal dichteste Kugelpackung vorliegenden Gerüsts
ohne weiteres in den gebildeten Zwickeln unterzubringen. Da Niob im Prinzip von den
üblichen für den Knochenzement verwendeten Monomeren nicht angelöst wird, wäre auch
die kleinere Partikelgrösse kein Nachteil. Demgemäss besteht diesbezüglich die
Wahlfreiheit, den Anteil an Niob, Nioblegierung oder entsprechend inerten Zusatzstoffen
in mit den übrigen Partikeln gleichen Abmessungen und/oder relativen Abmessungen von
gleich oder kleiner als etwa 22% in die Mischung einzubringen.
Abschließend kann festgestellt werden, daß mit der Erfindung verschiedene Knochen
zement-Mischungen zur Verfügung gestellt werden, deren Eigenschaften gegenüber den
zur Zeit auf dem Markt befindlichen Produkten merklich verbessert sind. Die Mischungen
sind problemlos und ohne die Gefahr von Lufteinschlüssen anmischbar, die erforderliche
Menge an Monomer ist reduziert, die Wärmeabgabe und der Volumensschwund während
der Polymerisation sind niedriger, die Biegezugfestigkeit des ausgehärteten Produkts
mindestens gleich oder besser, und die abrasive Wirkung vermindert. Daneben wird ein
vorteilhaft erniedrigter Restmonomergehalt erwartet. Die Bestandteile des erfindungs
gemäßen Knochenzements sind wirtschaftlich und ohne technische Schwierigkeiten
herstellbar. Damit kann die Erfindung in einem medizinischen Teilbereich einen Beitrag zur
technischen Fortentwicklung zum Wohle des Patienten leisten.
Claims (10)
1. Aushärtbare Masse zur vorzugsweisen medizintechnischen Anwendung z. B. als Füllstoff
in der Zahntechnik bzw. als sogenannter Knochenzement für die Ergänzung von
knöchernen Defiziten oder die Fixation von Implantaten, bestehend aus mindestens einem
Feststoff und einer zumischbaren pastösen bis flüssigen Komponente, wobei diese Kom
ponente wahlweise mit dem Feststoff und/oder durch äußere Einflüsse (z. B. Zufuhr von
Gas, Umgebungsluft, UV-Strahlen, Wärme oder dergleichen) zwecks Aushärtung reagiert
bzw. abbindet, dadurch gekennzeichnet, daß der Feststoffanteil der Mischung zu min
destens 95 Volumenprozent aus im wesentlichen globularen, vorzugsweise sphärischen,
Partikeln gleicher Größe gebildet ist.
2. Aushärtbare Masse zur vorzugsweisen medizintechnischen Anwendung z. B. als Füllstoff
in der Zahntechnik bzw. als sogenannter Knochenzement für die Ergänzung von
knöchernen Defiziten oder die Fixation von Implantaten, bestehend aus mindestens einem
Feststoff und einer zumischbaren pastösen bis flüssigen Komponente, wobei diese Kom
ponente wahlweise mit dem Feststoff und/oder durch äußere Einflüsse (z. B. Zufuhr von
Gas, Umgebungsluft, UV-Strahlen, Wärme oder dergleichen) zwecks Aushärtung reagiert
bzw. abbindet, dadurch gekennzeichnet, daß der Feststoffanteil der Mischung zu min
destens 95 Volumenprozent aus im wesentlichen globularen, vorzugsweise sphärischen,
Partikeln gebildet ist, deren Abmessungen in Bezug auf die Länge, Breite und Höhe, bzw.
den Durchmesser größer als 20 Mikrometer ausgewählt sind.
3. Aushärtbare Masse zur vorzugsweisen medizintechnischen Anwendung z. B. als Füllstoff
in der Zahntechnik bzw. als sogenannter Knochenzement für die Ergänzung von
knöchernen Defiziten oder die Fixation von Implantaten, bestehend aus mindestens einem
Feststoff und einer zumischbaren pastösen bis flüssigen Komponente, wobei diese Kom
ponente wahlweise mit dem Feststoff und/oder durch äußere Einflüsse (z. B. Zufuhr von
Gas, Umgebungsluft, UV-Strahlen, Wärme oder dergleichen) zwecks Aushärtung reagiert
bzw. abbindet, dadurch gekennzeichnet, daß der Feststoffanteil der Mischung zu min
destens 95 Volumenprozent aus im wesentlichen globularen, vorzugsweise sphärischen,
Partikeln gleicher Größe gebildet ist und deren Abmessungen in Bezug auf die Länge,
Breite und Höhe, bzw. den Durchmesser größer als 20 Mikrometer ausgewählt sind.
4. Knochenzement gemäß einem der Ansprüche 1 und 3, dadurch gekennzeichnet, daß
den die 95 Volumenprozent bildenden primären Feststoffpartikeln ein Volumenanteil von
höchstens 1,7 Prozent an sekundären Feststoffpartikeln zugemischt ist, deren Abmessungen
hinsichtlich der Länge, Breite und Höhe, bzw. des Durchmessers maximal 22,5 Prozent der
primären Feststoffpartikel betragen.
5. Knochenzement gemäß einem oder mehreren der vorgenannten Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, daß ein wesentlicher Anteil der Feststoffpartikel aus einem Polymerisat
besteht.
6. Knochenzement gemäß Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Polymer aus
einem Acrylat und/oder aus Polystyrol besteht.
7. Knochenzement gemäß einem oder mehreren der vorgenannten Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, daß ein Anteil aus der Familie der Aramide (z. B. AKZO "TWARON", DU
PONT "KEVLAR") beigemischt ist.
8. Knochenzement gemäß einem oder mehreren der vorgenannten Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, daß ein Anteil eines aus globularen, vorzugsweise sphärischen Partikeln
bestehenden Röntgenkontrastmittels beigemischt ist.
9. Knochenzement gemäß Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß als Röntgenkon
trastmittel ein Metall, vorzugsweise das Element Niob, verwendet ist.
10. Knochenzement gemäß Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß als Röntgenkon
trastmittel eine metallische Legierung, vorzugsweise eine Legierung aus Niob und Bor,
verwendet ist.
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