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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Messsystem mit einem Messwerkzeug, welches einen Tastkörper und einen optischen Marker aufweist, mit einer Kamera zur Aufnahme von Bilddaten des Messwerkzeugs und mit einer Auswerte- und Steuereinheit, welche dazu eingerichtet ist, die von der Kamera aufgenommenen Bilddaten auszuwerten und daraus mit Hilfe des optischen Markers Positionsdaten des Tastkörpers zu bestimmen, welche die räumlichen Positionskoordinaten des Tastkörpers über die Zeit beschreiben.
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Ein gattungsgemäßes Messsystem ist bereits aus der
DE 10 2015 205 615 A1 bekannt. Ein weiteres gattungsgemäßes Messsystem ist aus der
WO 2016/073208 A1 bekannt.
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Die
WO 2016/073208 A1 zeigt ein dreidimensionales (3D) Koordinatenmesssystem mit einer Kommunikationsvorrichtung, einem Retroreflektor und einem Lasertracker. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst eine erste Lichtquelle und eine bedienergesteuerte Einheit, die die Emission von der ersten Lichtquelle steuert. Der Lasertracker umfasst eine Kamera mit großem Sichtfeld (FOV), eine zweite Lichtquelle, eine Kamera mit schmalem Sichtfeld neben der zweiten Lichtquelle und einen Prozessor. Mit Hilfe des Lasertrackers werden eine Entfernung und zwei Winkel gemessen, um 3D-Koordinaten des Retroreflektors zu erhalten.
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Messsysteme dieser Art dienen dazu, beispielsweise im Rahmen einer Qualitätssicherung, Werkstücke zu überprüfen oder die Geometrie eines Werkstücks vollständig im Rahmen eines sogenannten „Reverse Engineering“ zu ermitteln. Darüber hinaus sind vielfältige weitere Anwendungsmöglichkeiten denkbar, wie zum Beispiel prozesssteuernde Anwendungen, bei denen die Messtechnik direkt zur Online-Überwachung und - Regelung von Fertigungs- und Bearbeitungsprozessen angewendet wird. Ein häufiges Anwendungsbeispiel ist die Überprüfung von Fahrzeugkarosseriebauteilen auf eventuelle Fertigungsfehler. Grundsätzlich können derartige Messsysteme jedoch zur Vermessung jeglicher Art von Messobjekten verwendet werden.
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Messsysteme mit handgeführten Messwerkzeugen dienen als Alternative zu aufwendigeren Koordinatenmessgeräten, in denen die Werkstücke auf einer stationären bzw. fest installierten Maschine mit relativ komplexem Aufbau entweder optisch und/oder taktil vermessen werden.
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Aufgrund der mobilen Einsatzfähigkeit gewinnen Messsysteme mit handgeführten Messwerkzeugen zunehmend an Wichtigkeit, da diese das Einsatzspektrum im Vergleich zu stationären bzw. fest installierten Koordinatenmessgeräten allein aufgrund ihrer flexibleren Einsatzfähigkeit noch weiter ausdehnen würden. Gegen die Einsatzfähigkeit eines solchen mobilen Messsystems sprechen jedoch häufig die extrem hohen Anforderungen an die Messgenauigkeit, welche diese liefern sollen. Zwar existieren mittlerweile mannigfaltige digital-optische Möglichkeiten, insbesondere Softwareverfahren, um aus Bildern bzw. Filmen von Objekten bzw. Szenen auf die räumliche Struktur der abgebildeten Objekte in der Szene zu schließen. Grundsätzlich haben diese Verfahren aber einige Defizite, welche dazu führen, dass sie für viele hochgenaue Messungen derzeit noch nicht infrage kommen, sondern lediglich für Messungen verwendet werden, welche geringere Anforderungen an die Messgenauigkeit haben.
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Bei dem aus der
DE 10 2015 205 615 A1 bekannten Messsystem ist an einem von Hand tragbaren Messwerkzeug ein taktiler Tastkopf angeordnet, mit dem sich ein zu vermessendes Werkstück von Hand abtasten lässt. Des Weiteren sind an dem Griffteil des Messwerkzeugs mehrere optische Marker angeordnet, welche regelmäßig Infrarotstrahlen abstrahlen, die über ein Kamerasystem von außen erfasst werden. Die von dem Kamerasystem aufgenommenen Kamerabilder werden in einer Recheneinheit ausgewertet, wobei durch einen geeigneten Rechenalgorithmus die Position und Orientierung der Marker im Raum berechnet wird. Dies erfolgt meist anhand von optischen Triangulationsverfahren. Durch einen Kalibrierschritt kann die Lage und Position des Tastkopfs bzw. des Tastkörpers relativ zu den Markern bestimmt werden. Wenn ein Anwender das Messwerkzeug mit der Hand gegen ein Werkstück führt, so dass der Tastkörper das Werkstück berührt, kann damit ein Messpunkt auf dem Werkstück bestimmt werden. Form und Lage des Werkstücks relativ zu dem Kamerasystem ergeben sich letztendlich aus einer geeigneten Vielzahl solcher Messpunkte.
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Das aus der
DE 10 2015 205 615 A1 bekannte Messsystem hat jedoch zumindest zwei wesentliche Nachteile. Zum einen werden aktive Infrarotlichtquellen als Marker verwendet. Solche aktiven Marker, welche in das von Hand geführte Messwerkzeug integriert sind, haben den Nachteil, dass sie aufgrund der von ihnen verursachten Wärmeentwicklung Materialausdehnungen verursachen, welche zu Messfehlern führen können. In der optischen Messtechnik sind derartige Messfehler keineswegs zu vernachlässigen. Zum anderen muss der Anwender bei dem aus der
DE 10 2015 205 615 A1 bekannten System von Hand einen Knopf an einer Betätigungseinheit betätigen, um der Recheneinheit zu signalisieren, dass ein Messpunkt erfasst werden soll bzw. um einen momentan erfassten Messpunkt abzuspeichern. Da der Anwender hierzu zwangsläufig eine Kraft ausübt, deren Größe und Richtung unbekannt sind, kann es ohne Weiteres zu einer Verformung, einem Verwackeln oder Verrutschen des Tastkopfs kommen. Dadurch ergeben sich Messfehler, welche sich nicht ohne Weiteres ausgleichen lassen.
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Auch bei einem von der Firma Optinav unter dem Namen „OptiTrace“ vertriebenen System (https://optinav.pl/en/info/products/optitrace.html, aufgerufen am 22.12.2015) ergeben sich ähnliche Probleme. Zwar werden hier keine aktiven Marker an dem Messwerkzeug verwendet, jedoch muss auch hier ein Knopf an der Recheneinheit oder dem Messwerkzeug betätigt werden, um einen Messpunkt zu erfassen und abzuspeichern.
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In stationären bzw. fix installierten Koordinatenmessgeräten wird oben genanntes Problem der Übernahme eines Messpunkts, also der Erfassung und Abspeicherung des Messpunkts, häufig mittels extra Sensoren gelöst, die in den Tastkopf des Koordinatenmessgeräts integriert sind. Ein Beispiel für ein solches System ist aus der
WO 2006/114627 A1 bekannt. Hierbei ist der Tastkörper bzw. die Messspitze über Federn des Tastkopfes an die Pinole des Koordinatenmessgeräts gekoppelt. Mit einem separaten Messsystem wird die Bewegung des Tastkopfes relativ zur Pinole bestimmt. Derartige Tastköpfe werden auch als passiv messende Sensoren für Koordinatenmessgeräte bezeichnet.
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Eine ähnliche Messsonde mit einem darin integrierten Lastsensor, der die zwischen Tastkörper und Werkstück wirkende Kraft misst und die Messerfassung in Abhängigkeit des von dem Lastsensor erzeugten Signals steuert, ist aus der
EP 1 984 695 B1 bekannt.
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Zwar könnten derartige Sensoren auch in handgeführten Messsystemen eingesetzt werden, allerdings würde dies die Gesamtkomplexität des Messsystems deutlich erhöhen. Insbesondere wären durch die extra Sensoren weitere aktive Komponenten in das Messsystem aufgenommen, so dass eine zeitliche Synchronisierung der Sensorsignale mit den Signalen des optischen Tracking-Systems erforderlich wäre.
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Ein weiteres Beispiel für ein handgeführtes Koordinatenmessgerät ist aus der
EP 0 703 517 B1 bekannt. Abgesehen von der relativ hohen Komplexität dieses Systems ist die mobile Einsatzfähigkeit hier dadurch eingeschränkt, dass der Tastkopf über einen beweglich gelagerten Träger mit einer fix angebrachten Säule verbunden ist.
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Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein optisches Messsystem der oben genannten Art bereitzustellen, welches im Gegensatz zu den oben genannten Systemen aus dem Stand der Technik einfacher aufgebaut ist, möglichst ohne aktive Komponenten in dem Messwerkzeug auskommt und mit dem sich eine höhere Messgenauigkeit erzielen lässt. Dabei ist es insbesondere eine Aufgabe, ein Messsystem bereitzustellen, mit Hilfe dessen sich auf möglichst einfache Art und Weise ein Messpunkt erfasst und abgespeichert werden kann, ohne dass dies zusätzliche Sensoren erfordert oder hierdurch Messungenauigkeiten verursacht werden.
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Gemäß einem Aspekt der vorliegenden Erfindung wird diese Aufgabe durch ein Messsystem der eingangs genannten Art dadurch gelöst, dass die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet ist, aus den Positionsdaten des Tastkörpers Geschwindigkeitsdaten und/oder Beschleunigungsdaten des Tastkörpers zu berechnen und anhand der Geschwindigkeitsdaten und/oder Beschleunigungsdaten des Tastkörpers zu ermitteln, ob eine Antastung, bei der der Tastkörper während einer Vermessung eines Messobjekts zur Erfassung eines Messpunkts das Messobjekt kontaktiert, vorliegt oder nicht.
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Das erfindungsgemäße Messsystem zeichnet sich also insbesondere dadurch aus, dass das Vorliegen einer Antastung automatisch durch Auswertung der Kamerabilder ermittelt wird. Die Betätigung eines extra Knopfes zur Signalisierung einer Antastung, wie dies beispielsweise bei dem aus der
DE 10 2015 205 615 A1 bekannten Messsystem der Fall ist, ist bei dem erfindungsgemäßen Messsystem daher nicht notwendig. Die Gefahr, dass das Messwerkzeug durch Drücken eines solchen extra Knopfes während der Antastung verwackelt wird, ist bei dem erfindungsgemäßen Messsystem somit nicht gegeben. Dies ermöglicht genauere Messergebnisse im Vergleich zu den bisher aus dem Stand der Technik bekannten optischen Messsystemen mit handgeführten Messwerkzeugen.
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Im Übrigen kommt das erfindungsgemäße Messsystem ohne weitere Sensoren aus, welche ansonsten in das Messwerkzeug integriert werden müssten, um eine Antastung zu detektieren. Das erfindungsgemäße Messsystem ist somit vergleichsweise günstiger in der Herstellung. Da keine extra Sensoren in das Messwerkzeug integriert werden müssen, kommt es auch nicht zu einem zusätzlichen Wärmeeintrag, den solche Sensoren ansonsten produzieren würden. Auch dies wirkt sich positiv auf die Genauigkeit der Messergebnisse aus, welche mit dem erfindungsgemäßen Messsystem erzielbar sind.
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Es sei darauf hingewiesen, dass das Messwerkzeug des erfindungsgemäßen Messsystems nicht nur von Hand geführt werden kann, sondern auch in eine Maschine, beispielsweise einen Roboter eingespannt werden kann. Beispielsweise lässt sich das Messsystem auch in Werkstückbearbeitungsmaschinen einsetzten, wobei das Messwerkzeug in einer entsprechenden Einspannvorrichtung der Maschine eingespannt ist.
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Unabhängig von der Art der Anwendung des erfindungsgemäßen Messsystems geschieht die Auswertung prinzipiell jeweils folgendermaßen: Die Kamera des Messsystems, welche grundsätzlich als einzelne Kamera ausgestaltet sein kann, vorzugsweise jedoch mehrere Kameras aufweist, ist dazu eingerichtet, ein Bild bzw. eine Bildsequenz aufzunehmen, die das Messwerkzeug und dessen optischen Marker aufweist, um daraus entsprechende Bilddaten zu erzeugen. Die Auswerte- und Steuereinheit ist dazu eingerichtet, die von der Kamera aufgenommenen Bilddaten auszuwerten und daraus mit Hilfe des optischen Markers Positionsdaten des Tastkörpers des Messwerkzeugs zu bestimmen, welche die räumlichen Positionskoordinaten des Tastkörpers beinhalten. Die Positionsdaten des Tastkörpers werden indirekt bestimmt, indem zunächst durch Auswertung der Bilddaten die Position und Lage des optischen Markers bestimmt wird. Die Position und Lage des Tastkörpers relativ zu dem optischen Marker lässt sich beispielsweise in einem vorgelagerten Kalibrierschritt bestimmen. Der Tastkörper und der optische Marker sind vorzugsweise über einen starren Körper miteinander verbunden. Ist die Position und Lage des optischen Markers bekannt, so lässt sich aus dieser also auch die Position des Tastkörpers des Messwerkzeugs berechnen. Die Positionsdaten des Tastkörpers beinhalten die Positionskoordinaten des Tastkörpers in Abhängigkeit der Zeit. Je nach Abtastfrequenz der Bilddaten beinhalten die Positionsdaten somit eine Vielzahl dreidimensionaler Koordinaten, wobei jedes Koordinaten-Tripel (x, y, z) ∈ R3, das jeweils einen Messpunkt definiert, jeweils einem Messzeitpunkt ti zugeordnet ist. Durch Bildung der ersten bzw. zweiten Ableitung der Positionsdaten lassen sich die Geschwindigkeitsdaten bzw. Beschleunigungsdaten des Tastkörpers berechnen. Vorzugsweise ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu ausgestaltet, die Positionsdaten vor Berechnung der Geschwindigkeitsdaten und/oder Beschleunigungsdaten zu filtern, da es aufgrund von Rauschen ansonsten zu Fehlern kommen kann, sofern aus den ungefilterten Positionsdaten lediglich numerisch der Gradient gebildet wird. Letztlich ermittelt die Auswerte- und Steuereinheit das Vorliegen einer Antastung anhand der Geschwindigkeits- und/oder Beschleunigungsdaten des Tastkörpers. Eine derartige Detektierung einer Antastung basiert auf der Annahme, dass der Tastkörper des Messwerkzeugs bei einer Antastung, also einer Berührung mit einem Messobjekt, relativ abrupt abgebremst wird und daher eine eindeutig detektierbare Geschwindigkeitsänderung bzw. negative Beschleunigung (Verzögerung) erfährt.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet, aus den Positionsdaten des Tastkörpers Beschleunigungsdaten des Tastkörpers zu berechnen und eine Antastung als vorliegend zu ermitteln, wenn ein Betrag eines in den Beschleunigungsdaten enthaltenen ersten Beschleunigungswerts einen ersten Beschleunigungs-Schwellwert überschreitet.
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Vorzugsweise wird unter dem ersten Beschleunigungswert vorliegend beispielhaft ein Beschleunigungswert verstanden, der die Beschleunigung des Tastkörpers entlang aller drei Raumrichtungen kennzeichnet. Das Wort „Beschleunigungswert“ ist somit vorliegend nicht zwangsläufig wörtlich als ein einziger Wert zu verstehen. Vorzugsweise ist dieser Beschleunigungswert vektoriell ausgedrückt mit drei Komponenten (ax, ay, az). Der genannte Beschleunigungswert kennzeichnet somit die Gesamtbeschleunigung des Tastkörpers zu einem Messzeitpunkt tx.
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Anhand der oben genannten Überlegung, dass der Tastkörper bei einer Antastung abrupt abgebremst wird, lässt sich eine solche also anhand des zeitlichen Verlaufs der betragsmäßigen Beschleunigung des Tastkörpers ermitteln. Sobald der Betrag der Gesamtbeschleunigung des Tastkörpers nämlich einen gewissen Beschleunigungs-Schwellwert überschreitet, kann in erster Näherung von einer Antastung ausgegangen werden.
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Gemäß einer weiteren Ausgestaltung ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet, aus den Positionsdaten des Tastkörpers nicht nur die Beschleunigungsdaten, sondern auch die Geschwindigkeiten des Tastkörpers zu berechnen und eine Antastung als vorliegend zu ermitteln, wenn ein Betrag eines in den Beschleunigungsdaten enthaltenen ersten Beschleunigungswerts einen ersten Beschleunigungs-Schwellwert überschreitet und zeitlich danach (innerhalb eines vordefinierten Zeitintervalls nach Überschreiten des ersten Beschleunigungs-Schwellwerts) ein Betrag eines in den Geschwindigkeitsdaten enthaltenen Geschwindigkeitswerts einen Geschwindigkeits-Schwellwert unterschreitet.
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Auch hier wird unter dem Begriff „Geschwindigkeitswert“ die Gesamtgeschwindigkeit des Tastkörpers zu einem Messzeitpunkt tx verstanden, welche vektoriell ausgedrückt ist und somit nicht nur einen einzigen Wert, sondern vorzugsweise alle drei Raumkomponenten der Geschwindigkeit (vx vy vz) aufweist.
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Die zusätzliche Analyse der Geschwindigkeitsdaten neben der Analyse der Beschleunigungsdaten liefert den Vorteil, dass anhand dessen Antastungen relativ gut von unerwünschten Kollisionen unterschieden werden können. Bei einer unerwünschten Kollision des Messwerkzeugs mit einem Hindernis kommt es üblicherweise nämlich auch zu hohen Beschleunigungen des Tastkörpers. Sofern also nur die Beschleunigungsdaten berechnet werden und aus einer Überschreitung eines vordefinierten Beschleunigungs-Schwellwerts, welcher vorliegend als ersten Beschleunigungs-Schwellwert bezeichnet ist, auf das Vorliegen einer Antastung geschlossen, so kann dies zu Fehlern führen. Wird zudem jedoch geprüft, ob die Geschwindigkeitsdaten einen vordefinierten Geschwindigkeits-Schwellwert unterschreiten, und zwar innerhalb des gleichen Zeitintervalls in dem die Beschleunigungsdaten den ersten Beschleunigungs-Schwellwert überschreiten, so kann relativ einfach zwischen einer Antastung und einer Kollision des Messwerkzeugs oder sonstige Störungen unterschieden werden. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der Tastkörper bei einer Antastung oder zumindest kurze Zeit nach einem ersten Kontakt mit dem Messobjekt eine sehr geringe Geschwindigkeit, annähernd sogar nahe Null hat. In der Praxis wird diese Geschwindigkeit jedoch nicht ganz Null sein, da zumindest bei handgeführten Messwerkzeugen auch bei einer Antastung bzw. kurz danach noch kleinere Bewegungen detektierbar sein werden.
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Die zusätzliche Aufzeichnung bzw. Berechnung der Geschwindigkeitsdaten des Tastkörpers zusätzlich zu den Beschleunigungsdaten des Tastkörpers hat diverse weitere Vorteile. Zum Beispiel lässt sich jedem Messpunkt, der bei Vorliegen einer Antastung ermittelt wird, auch ein Geschwindigkeitsvektor zuordnen, aus dem sich die Antastrichtung, also die Richtung aus der das Messwerkzeug bzw. der Tastkörper auf das Messobjekt zubewegt wird, bestimmen. Da es sich bei dem Tastkörper vorzugsweise um eine Tastkugel handelt, lässt sich der Radius der Tastkugel bei bekannter Antastrichtung entsprechend mit in die Berechnung der Positionskoordinaten des Messpunkts mit einbeziehen. Bei mehreren Messpunkten, zu denen jeweils die Antastrichtung bekannt ist, lässt sich beispielsweise somit automatisch feststellen, ob das Messobjekt von innen oder von außen vermessen wird. Zudem ist dadurch bekannt, an welcher Stelle an der Tastkugel der Kontakt zwischen Tastkugel und Messobjekt zustande kommt.
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Gemäß einer Ausgestaltung weist das Messsystem eine Datenspeichereinheit auf, wobei die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet ist, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die räumlichen Positionskoordinaten des Tastkörpers als Messwert in der Datenspeichereinheit abzuspeichern.
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Eine Interaktion des Nutzers, beispielsweise das Drücken eines extra Knopfes, ist somit nicht notwendig, um einen Messpunkt zu übernehmen bzw. abzuspeichern. Der Nutzer kann das Messwerkzeug nacheinander relativ schnell an verschiedene Messpunkte auf der Oberfläche des Messobjekts heranführen, wobei jeweils automatisch eine Antastung erkannt wird und die jeweiligen Messpunkte auch automatisch in der Datenspeichereinheit abgespeichert werden. Dies ermöglicht einen für den Nutzer sehr einfach zu handhabenden und zeitsparenden Messvorgang, bei dem sich mehrere Messpunkte relativ schnell hintereinander erfassen und abspeichern lassen.
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Um die oben genannten zusätzlichen Vorteile erwirken zu können, welche sich aus einer Zuordnung der jeweiligen Geschwindigkeitsvektoren vor Antastung zu jedem Messpunkt ergeben, ist die Auswerte- und Steuereinheit gemäß einer weiteren Ausgestaltung dazu eingerichtet, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung einen aus den Geschwindigkeitsdaten ermittelbaren Geschwindigkeitsvektor, welcher die Bewegung des Tastkörpers unmittelbar vor einem Zeitpunkt der Antastung beschreibt, zusätzlich zu dem Messwert in der Datenspeichereinheit automatisch abzuspeichern.
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Gemäß einer weiteren Ausgestaltung ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die Antastung als gültig zu qualifizieren, wenn ein Betrag eines in den Beschleunigungsdaten enthaltenen zweiten Beschleunigungswerts, der innerhalb eines vordefinierten Zeitintervalls auf den ersten Beschleunigungswert zeitlich folgt, einen zweiten Beschleunigungs-Schwellwert nicht überschreitet, wobei der zweite Beschleunigungs-Schwellwert kleiner als der erste Beschleunigungs-Schwellwert ist.
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Auf diese Weise lässt sich nicht nur das Auftreten einer Antastung selbst automatisch detektieren, sondern auch die Qualität der Antastung auswerten. Zeigen die Beschleunigungsdaten beispielsweise zeitlich auf eine erste Beschleunigungsspitze (Beschleunigungs-Peak) folgend eine zweite Beschleunigungsspitze, so spricht dies nicht für eine hohe Qualität der Antastung, da der Tastkörper nach dem ersten Kontakt mit dem Messobjekt offenbar weiterbewegt wurde. Für eine qualitativ gute Messung bzw. Antastung spricht dagegen, wenn aus den Beschleunigungsdaten hervorgeht, dass nach einer ersten Beschleunigungsspitze, bei der der erste Beschleunigungs-Schwellwert überschritten wird, in einem darauffolgenden, vordefinierten Zeitintervall (beispielsweise 0,1 s) ein zweiter, geringerer Beschleunigungs-Schwellwert nicht mehr überschritten wird. Dieser zweite Beschleunigungs-Schwellwert ist vorzugsweise knapp oberhalb des zu erwartenden Rauschens gewählt.
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Die zusätzliche Auswertung der Qualität der Antastung bzw. die Auswertung, ob eine Antastung als gültig zu qualifizieren ist oder nicht, bietet diverse Vorteile. Beispielsweise kann die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet sein, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die räumlichen Positionskoordinaten des Tastkörpers nur dann als Messwert in der Datenspeichereinheit abzuspeichern, wenn die Antastung als gültig qualifiziert wird. Auf diese Weise werden lediglich „gültige“ Messwerte abgespeichert, wohingegen Messwerte, die aufgrund oben genannter Auswertung einen zu hohen zu erwartenden Fehler beinhalten, direkt verworfen werden und nicht in der Datenspeichereinheit abgespeichert werden.
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In einer weiteren Ausgestaltung weist das Messsystem ferner einen optischen, akustischen oder haptischen Aktor auf, wobei die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet ist, über den Aktor ein optisches, akustisches oder haptisches Signal zu erzeugen, wenn eine Antastung als gültig qualifiziert wird.
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Der Nutzer erhält somit also eine Rückmeldung über die Qualität der Antastung und kann sein Verhalten entsprechend darauf anpassen. Wird dies mit der zuvor genannten Ausgestaltung des automatischen Abspeicherns von Messwerten kombiniert, so erhält der Nutzer über das von dem Aktor erzeugte Signal eine Rückmeldung darüber, ob eine Antastung für gültig erachtet wurde und der entsprechende Messwert in der Datenspeichereinheit abgespeichert wurde oder nicht. Bei Ausbleiben des Signals kann der Nutzer also einfach die gleiche oder eine ähnliche Stelle auf dem Messobjekt nochmals antasten, bis ein gültiger Messwert ermittelt wird.
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Es versteht sich, dass je nach Einstellung des Messsystems die Auswerte- und Steuereinheit auch dazu eingerichtet sein kann, über den Aktor ein optisches, akustisches oder haptisches Signal zu erzeugen, wenn eine Antastung als ungültig qualifiziert wird. In diesem Fall wäre somit also „alles in Ordnung“, solange kein Signal erzeugt wird. Selbstverständlich lassen sich auch zwei unterschiedliche Signale erzeugen, ein erstes Signal für eine gültige Antastung und ein zweites Signal für eine ungültige Antastung.
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Die Qualitätsauswertung der Antastung lässt sich über diverse weitere Auswertungsmerkmale optimieren. Beispielsweise ist die Auswerte- und Steuereinheit gemäß einer weiteren Ausgestaltung dazu eingerichtet, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die Antastung als gültig zu qualifizieren, wenn der Betrag des in den Beschleunigungsdaten enthaltenen ersten Beschleunigungswerts einen dritten Beschleunigungs-Schwellwert nicht überschreitet, wobei der dritte Beschleunigungs-Schwellwert größer als der erste Beschleunigungs-Schwellwert ist.
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Eine Antastung wird somit also als gültig qualifiziert, wenn aus den Beschleunigungsdaten eine betragsmäßige Gesamtbeschleunigung des Tastkörpers hervorgeht, welche über einem vordefinierten ersten Beschleunigungs-Schwellwert und unter einem vordefinierten dritten Beschleunigungs-Schwellwert liegt. Diese Betrachtungsweise ist auf die Annahme gestützt, dass eine zu große Verzögerung (hoher Beschleunigungsbetrag) auf eine zu schnelle Annäherung des Tastkörpers an das zu vermessende Messobjekt schließen lässt. Derartige, zu schnelle Annäherungen zwischen Messwerkzeug und Messobjekt führen üblicherweise zu allzu abrupten Bewegungen, welche eine genaue Messung kaum möglich machen. Im Übrigen wirken dabei meist zu hohe Kräfte auf das Messwerkzeug ein, so dass es zu Verformungen des Messwerkzeugs kommen kann, die zu Messfehlern führen. Anders ausgedrückt, wird bei dieser Auswertungsvariante also ausgewertet, ob das Messwerkzeug mit genügend großer, aber nicht zu großer Kraft auf das Messobjekt gedrückt wird.
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Gemäß einer weiteren Ausgestaltung ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet, aus den von der Kamera aufgenommenen Bilddaten mit Hilfe des optischen Markers Lagedaten des Messwerkzeugs zu bestimmen, welche Informationen zu der räumlichen Orientierung des Messwerkzeugs beinhalten, wobei die Auswerte- und Steuereinheit ferner dazu eingerichtet ist, aus den Lagedaten des Messwerkzeugs Winkelbeschleunigungsdaten des Messwerkzeugs zu berechnen, um bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die Antastung als gültig zu qualifizieren, wenn ein Betrag eines in den Winkelbeschleunigungsdaten enthaltenen ersten Winkelbeschleunigungswerts einen ersten Winkelbeschleunigungs-Schwellwert überschreitet.
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Da der Tastkörper und der optische Marker vorzugsweise über einen starren, im Wesentlichen stabförmigen Körper miteinander verbunden sind, treten Winkelbeschleunigungen bei einer Antastung üblicherweise nur dann nicht auf, wenn das Messwerkzeug parallel bzw. in Richtung der Längsachse des im Wesentlichen stabförmigen, starren Körpers auf das Messobjekt zubewegt wird. Bei einer solchen senkrechten Antastung würde die zuletzt genannte Auswertung also nicht zur Detektierung einer gültigen Antastung führen.
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Es ist nämlich bevorzugt, dass der Nutzer das Messwerkzeug leicht schräg hält, während er es auf das Messobjekt zubewegt, bis es dieses mit dem Tastkörper kontaktiert. Grund dafür ist, dass ansonsten mit sogenanntem „Prellen“ zu rechnen ist, da der Tastkörper bei einer senkrechten Antastung durch den Impuls beim ersten Kontakt üblicherweise wieder zurückgeworfen wird. Dies mindert die Qualität der Antastung und damit die Genauigkeit der Messung. Wird das Messwerkzeug dagegen schräg gehalten, kommt es zu keinem oder zumindest zu einem vergleichsweise geringer ausgeprägten „Prellen“.
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Bei einer schrägen Antastung kommt es üblicherweise vor der Antastung zu keinen oder nur geringen Winkelbeschleunigungen. Dies ist zwar bei einer senkrechten Antastung gleich, aber ab dem Moment, in dem der Tastkörper das Messobjekt kontaktiert, kommt es aufgrund des auftretenden Kipp- bzw. Biegemoments bei der schrägen Antastung zu einem Verschwenken des Messwerkzeugs, das eine abrupte Lageänderung des optischen Markers hervorruft. Diese Lageänderung lässt sich anhand der Winkelbeschleunigungsdaten detektieren. Die Überschreitung des vordefinierten, ersten Winkelbeschleunigungs-Schwellwerts ist also ein Indiz dafür, dass das Messwerkzeug bei der Antastung schräg gehalten wurde, was aus oben genannten Gründen für eine verbesserte Qualität der Antastung spricht. Diese Auswertung der Winkelbeschleunigung lässt sich auch vorteilhaft mit dem oben genannten Kriterium der Unterschreitung eines Geschwindigkeits-Schwellwert kombinieren.
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Es versteht sich, dass sich die Winkelbeschleunigungen, ähnlich wie die (Translations-)Beschleunigungen aus der zweiten Ableitung der Winkel- bzw. Lagedaten bestimmen lassen.
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Gemäß einer weiteren Ausgestaltung ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die Antastung als gültig zu qualifizieren, wenn ein Betrag eines in den Winkelbeschleunigungsdaten enthaltenen zweiten Winkelbeschleunigungswerts, der innerhalb eines vordefinierten Zeitintervalls auf den ersten Winkelbeschleunigungswert zeitlich folgt, einen zweiten Winkelbeschleunigungs-Schwellwert nicht überschreitet, wobei der zweite Winkelbeschleunigungs-Schwellwert kleiner als der erste Winkelbeschleunigungs-Schwellwert ist.
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Eine Antastung wird also als „gültig“ oder „gut“ qualifiziert, wenn auf eine Spitze in der Winkelbeschleunigung (Winkelbeschleunigungs-Peak) die auf eine Antastung schließen lässt, zeitlich darauffolgend die Winkelbeschleunigungen relativ gering sind, so dass der zweite Winkelbeschleunigungs-Schwellwert nicht überschritten wird. Wie der oben genannte zweite Beschleunigungs-Schwellwert ist auch der zweite Winkelbeschleunigungs-Schwellwert vorzugsweise oberhalb der Rauschgrenze des Winkelbeschleunigungs-Signals zu wählen.
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Wenngleich die oben genannten Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Messsystems nicht auf spezielle Ausführungen des darin verwendeten Messwerkzeugs beschränkt sind, existieren erfindungsgemäß dennoch einige vorteilhafte Ausgestaltungen des Messwerkzeugs.
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Gemäß einer Ausgestaltung weist der optische Marker zumindest drei, an dem Messwerkzeug verteilt angeordnete, optische Markerelemente auf.
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Wenngleich grundsätzlich ein Markerelement ausreichend ist, lässt sich anhand dreier, verteilt angeordneter Markerelemente die Position und Lage noch einfach bestimmen als anhand nur eines optischen Markerelements. Die einzelnen Markerelemente können somit auch vergleichsweise einfacher ausgestaltet sein.
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Gemäß einer weiteren Ausgestaltung sind die Markerelemente passive, optische Markerelemente, die in einer gemeinsamen Ebene angeordnet sind.
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Dies hat den Vorteil, dass passive Markerelemente keinen Wärmeeintrag in die Messvorrichtung verursachen, der die Messgenauigkeit negativ beeinflussen könnte. Im Übrigen hat dies im Vergleich zu aktiven Markerelementen auch Vorteile bezüglich der Herstellkosten des Messwerkzeugs.
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Es versteht sich, dass die vorstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und werden in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine vereinfachte, schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Messsystems;
- 2 eine vereinfachte, schematische Darstellung eines ersten beispielhaften Antastvorgangs;
- 3 Schaubilder zur schematischen Veranschaulichung der Kinematik des ersten Antastvorgangs, wobei 3A den Betrag des Weges s über der Zeit t zeigt, 3B den Betrag der Geschwindigkeit v über der Zeit t zeigt, 3C den Betrag der Beschleunigung a über der Zeit zeigt und 3D den Betrag des Winkels φ über der Zeit t zeigt;
- 4 eine vereinfachte, schematische Darstellung eines zweiten beispielhaften Antastvorgangs;
- 5 Schaubilder zur schematischen Veranschaulichung der Kinematik des zweiten Antastvorgangs, wobei 5A den Betrag des Weges s über der Zeit t zeigt, 5B den Betrag der Geschwindigkeit v über der Zeit t zeigt, 5C den Betrag der Beschleunigung a über der Zeit t zeigt, und 5D den Betrag der Winkelbeschleunigung aφ über der Zeit t zeigt;
- 6 eine vereinfachte, schematische Darstellung zur Veranschaulichung eines ersten beispielhaften Kalibriervorgangs; und
- 7 eine vereinfachte, schematische Darstellung zur Veranschaulichung eines zweiten beispielhaften Kalibriervorgangs.
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1 zeigt eine vereinfachte Darstellung eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Messsystems. Das Messsystem ist darin in seiner Gesamtheit mit der Bezugsziffer 100 gekennzeichnet. Teil des Messsystems 100 ist ein Messwerkzeug, welches mit der Bezugsziffer 10 gekennzeichnet ist.
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Das Messsystem 100 umfasst neben dem Messwerkzeug 10 ein Kamerasystem 12, eine Auswerte- und Steuereinheit 14, einen Aktor 16 sowie eine Datenspeichereinheit 18. Während das Messwerkzeug 10, das Kamerasystem 12 und die Auswerte- und Steuereinheit 14 obligatorische Merkmale des Messsystems 100 sind, handelt es sich bei dem Aktor 16 und der Datenspeichereinheit 18 um fakultative Bauteile, welche nicht zwingend erforderlich sind.
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Das Messwerkzeug 10 dient zur taktilen Abtastung eines Werkstücks 20. Diese Abtastung kann manuell, also handgeführt, oder automatisch mit Hilfe einer geeigneten Maschine, zum Beispiel einem Roboter, erfolgen. Während der Abtastung des Werkstücks 20 wird die Position des Messwerkzeugs 10 mit Hilfe des aus Kamerasystem 12 und Auswerte- und Steuereinheit 14 bestehenden Tracking-Systems erfasst. Die Positionserfassung erfolgt vorzugsweise dauerhaft bzw. mit einer Abtastfrequenz, welche vorzugsweise 200 Hz oder größer ist. Die Positionserfassung erfolgt anhand der von dem Kamerasystem 12 aufgenommenen Kamerabilder innerhalb der Auswerte- und Steuereinheit 14 mit Hilfe bekannter Auswertungsalgorithmen, in denen üblicherweise Triangulationsverfahren angewendet werden. Die Detektierung des Messwerkzeugs 10 innerhalb der Kamerabilder wird vorliegend durch mehrere optische Markerelemente 22a-22c vereinfacht, die an dem Messwerkzeug 10 zu deren Identifikation, Positions- und Lagebestimmung angebracht sind. Die Markerelemente 22a-22c werden vorliegend gesamthaft als optischer Marker 24 bezeichnet.
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Bei dem Kamerasystem 12 handelt es sich vorliegend um ein aus drei Kameras 26a-26c bestehendes System. Grundsätzlich würde jedoch auch eine einzige Kamera genügen, um das hier beschriebene Verfahren auszuführen. Es versteht sich jedoch, dass auch mehr als drei Kameras eingesetzt werden können.
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Bei der Auswerte- und Steuereinheit 14 handelt es sich vorzugsweise um eine Recheneinheit, beispielsweise einen Computer, auf dem eine entsprechende Software installiert ist, mittels dessen die von dem Kamerasystem 12 gelieferten Bilder in entsprechender Art und Weise ausgewertet werden können, um die Position des Messwerkzeugs 10 als Koordinaten in einem beliebigen, ortsfesten Koordinatensystem ermitteln zu können.
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Die Verbindung 28 zwischen Kamerasystem 12 und Auswerte- und Steuereinheit 14 kann, wie in 1 dargestellt, über ein entsprechendes Kabel erfolgen. Alternativ dazu kann das Kamerasystem 12 jedoch auch über eine kabellose Verbindung mit der Auswerte- und Steuereinheit 14 verbunden sein. Ebenso wäre es möglich, das Kamerasystem 12 und die Auswerte- und Steuereinheit 14 in einem gemeinsamen Gehäuse unterzubringen, indem die Auswerte- und Steuereinheit 14 in Form eines Prozessor-Chips implementiert ist. Des Weiteren kann ein Bildschirm und eine entsprechende Eingabeeinheit (zum Beispiel eine Tastatur) zu dem Messsystem 100 gehören, um die Messergebnisse entsprechend grafisch darzustellen bzw. um Steuerbefehle eingeben zu können.
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Das Messwerkzeug 10 weist neben dem optischen Marker 24 (Markerelemente 22a-22c) einen Tastkörper 28 auf, welcher in dem vorliegenden Ausführungsbeispiel als Tastkugel ausgestaltet ist. Der Tastkörper 28 muss jedoch nicht zwingend notwendigerweise kugelförmig ausgestaltet sein. Je nach Messaufgabe kann der Tastkörper 28 auch beispielsweise als Messspitze ausgestaltet sein. Der Tastkörper 28 ist über einen starren Körper 30 mit dem optischen Marker 24 verbunden. Der starre Körper 30 ist vorliegend im Wesentlichen stabförmig ausgestaltet. Im Bereich eines ersten Endes des starren Körpers 30 sind die Markerelemente 22a-22c angeordnet. An dem gegenüberliegenden zweiten Ende des starren Körpers 30 ist der Tastkörper 28 angeordnet. Der starre Körper 30 dient jedoch nicht nur als starre Verbindung zwischen dem optischen Marker 24 und dem Tastkörper 28, sondern auch als Griffteil, an dem der Anwender das Messwerkzeug 10 von Hand festhalten kann. Grundsätzlich lässt sich dieses Griffteil auch in einer Maschine einspannen. Grundsätzlich ist es ebenso denkbar, dass unterschiedliche Arten von Tastkörpern 28 über einen entsprechenden Adapter und Verbindungsmechanismus mit dem starren Körper 30 verbunden werden.
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Die Markerelemente 22a-22c des optischen Markers 24 sind in 1 vereinfacht als kreisförmige Elemente dargestellt. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um ein Beispiel der Ausgestaltung der Markerelemente 22a-22c. Grundsätzlich können diese beliebige Formen aufweisen, welche sich mit Hilfe des Kamerasystems 12 eindeutig als Marker identifizieren lassen. Es handelt sich jedoch vorzugsweise um passive Markerelemente.
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Mit Hilfe des optischen Markers 24 lässt sich anhand der Kamerabilder die Position und Lage des Bereichs des starren Körpers 30 bestimmen, in dem die Markerelemente 22a-22c des optischen Markers 24 angeordnet sind. Mit Hilfe einer geeigneten, zuvor vorgenommenen Kalibrierung des Messwerkzeugs 10 ist bei bekannter Position und Lage des optischen Markers 24 somit auch die Position und Lage des Tastkörpers 28 bekannt. Die sich üblicherweise zeitlich verändernde Position und Lage des Tastkörpers 28 wird vorzugsweise mit Hilfe von räumlichen Positionskoordinaten (x, y, z) ausgedrückt. Die Gesamtheit der sich über die Zeit verändernden Positionskoordinaten des Tastkörpers 28 wird vorliegend allgemein als Positionsdaten des Tastkörpers 28 bezeichnet.
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Die
6 und
7 zeigen zwei beispielhafte Varianten zur Kalibrierung des Messwerkzeugs
10. Gemäß der in
6 gezeigten Kalibrierungsvariante wird ein sogenanntes Kugel-Tripel verwendet. Während der Kalibrierung wird der ebenfalls kugelförmige Tastkörper
28 mit den drei Testkugeln
32 des Kugel-Tripels in Kontakt gebracht und danach hin- und herbewegt. Während dieser Bewegung wird die Position der Markerelemente
22a-
22c des optischen Markers
24 mit Hilfe des Kamerasystems
12 und der Auswerte- und Steuereinheit
14 ermittelt. Die Positionskoordinaten lassen sich beispielsweise vektoriell mit drei translatorischen und drei rotatorischen Komponenten ausdrücken. Alternativ lassen sich die Positionskoordinaten auch als 4x4 Transformationsmatrix mit einer 3x3 orthogonal und orthonormal Rotations-Untermatrix oder als Positionsvektor und einer 3x3 Rotations-Matrix ausdrücken. Gemäß eines geeigneten mathematischen Modells wird die Position des Tastkörpers
28 während der Kalibrierung als Positionsvektor p wie folgt ausgedrückt
wobei p
s die Position des optischen Markers
24 in einem ortsfesten Koordinatensystem beschreibt, t den Vektor zwischen dem optischen Marker
24 und dem Tastkörper
28 vektoriell in einem mit dem Messwerkzeug
10 mitbewegten Koordinatensystem beschreibt, und wobei Ms die Transformationsmatrix zwischen dem ortsfesten Koordinatensystem und dem mit dem Messwerkzeug
10 mitbewegten Koordinatensystem beschreibt. p
s und M
s lassen sich also mit Hilfe des aus Kamera
12 und Auswerte- und Steuereinheit
14 bestehenden Tracking-Systems ermitteln. Da die Position des Tastkörpers
28 während der in
6 schematisch angedeuteten Kalibrierung aufgrund des Kugel-Tripels
32 im Gegensatz zu dem Rest des Messwerkzeugs
10 nicht bewegt wird, ist der Positionsvektor p des Tastkörpers
28 konstant. Anhand der oben genannten Gleichung lässt sich mit Hilfe mehrerer Testmessungen während der Kalibrierung somit die Unbekannte t lösen. Da auch der Positionsvektor p des Tastkörpers
28, welcher sich während der Kalibrierung nicht ändert, zunächst unbekannt ist, muss auch dieser bestimmt werden. Es ergibt sich somit ein Optimierungsproblem mit sechs Freiheitsgraden, wobei der Vektor t und die Position des Kugel-Tripels p
k mit jeweils 3 Freiheitsgraden gesucht sind.
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Alternativ zur Kalibrierung mit einem Kugel-Tripel 32, wie es in 6 gezeigt ist, kann auch eine Testkugel 34 verwendet werden, wie sie in der Messtechnik häufig für solche Kalibrierungen verwendet wird. Derartige Testkugeln, welche in der Koordinatenmesstechnik üblicherweise als Einmesskugeln bezeichnet werden, besitzen einen exakt bekannten Durchmesser. Auch bei dieser Kalibrierungsvariante mit der Testkugel 34 wird das Messwerkzeug 10 während der Kalibrierung verschwenkt, wobei der Kontakt zwischen dem Tastkörper 28 und der Testkugel 34 dauerhaft aufrecht erhalten bleibt oder das hier vorgestellte Verfahren zur Detektion von Einzelpunkten an einer Vielzahl von Punkten auf der Oberfläche der Kugel angewandt wird (siehe 7). Die Berechnung läuft dabei ähnlich ab wie oben bereits bezüglich der ersten, in 6 dargestellten Kalibrierungsvariante erläutert. Die oben genannte Formel kann auch hier angewendet werden, wobei der Positionsvektor p des Tastkörpers 28 nicht konstant ist. Hierdurch ergibt sich ein Freiheitsgrad mehr (insgesamt sieben Freiheitsgrade): Der Vektor t und die Kugelposition pk mit jeweils 3 Freiheitsgraden und der Radius der Tastkugel r.
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Für die Kalibrierrechnung werden sowohl für den Fall der Verwendung eines Kugel-Tripels als auch den Fall der Verwendung einer Einmesskugel n Messpunkte mit unterschiedlichen Markerpositionen p
s,i und Markerorientierungen M
s,i gesammelt. Zur Optimierung wird das übliche Verfahren der Minimierung der Fehlerquadrate vorgeschlagen. Es ergibt sich folgende Zielfunktion:
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Für das Kugel-Tripel vereinfacht sich dies: R+r kann auf Null gesetzt werden. Der Tasterradius r kann in diesem Fall nicht ermittelt werden, sondern muss in einem nachgelagerten Schritt kalibriert oder vom Anwender eingegeben werden.
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Bezüglich der Kalibrierung des Kamerasystems 12 und der Auswerte- und Steuereinheit 14 wird nachfolgend ebenfalls eine beispielhafte Möglichkeit der Kalibrierung beschrieben: Beispielsweise wir ein Kamerasystem 12 mit zwei Kameras verwendet. Als Marker 24 wird ein Marker bestehend aus 9 kreisförmigen Markerelementen verwendet, die auf einem quadratischen Raster mit bekanntem Abstand angeordnet sind und zusätzliche Identifikationsmerkmale zum Unterscheiden von 3 diskreten Kreisen (zum Beispiel Farben Blau, Rot, Grün) aufweisen. Der erste Kreis definiert den Ursprung des Marker-Koordinaten-systems (Position ps, siehe obige Gleichung). Die Richtung der Matrix M ergibt sich aus den anderen beiden Markierungen, z.B. Richtung für Matrix Ms x-Achse aus Richtung von Kreis 1 zu Kreis 2. Die Kameras werden im einfachsten Ansatz mit einem sog. Pinhole-Modell beschrieben. In https://docs.opencv.org/2.4/modules/calib3d/doc/camera_calibration_and_3d_reconstructio n.html ist ein solches Modell und eine Implementierung beschrieben. Zunächst wird für jede Kamera einzeln eine intrinsische Kamerakalibrierung durchgeführt. Dabei wird mindestens die Fokuslänge, allgemein eine Kameramatrix bestimmt. Dazu wird ein Kalibrierobjekt - eine Platte mit regelmäßig angeordneten Merkmalen mit bekanntem Abstand - verwendet. Von diesem Kalibrierobjekt werden Bilder in verschiedenen Abständen, Winkeln und Orientierungen gemacht. Danach wird eine sog. extrinsische Kalibrierung durchgeführt, bei der die Lage der Kameras zueinander (Winkel, Abstand) ermittelt werden. Nach dieser Prozedur kann dieses Stereokamerasystem prinzipiell aus jedem gleichzeitig aufgenommenen Bildpaar mit hinreichender Bildüberlappung und irgendeinem Bildinhalt ein 3D-Bild berechnen. Hierzu wird üblicherweise der so „blockmatching algorithmus“ verwendet. Dieser berechnet eine sog. „disparity map“. Disparität bedeutet dabei: Grösse der Verschiebung zwischen den beiden Kamera Bildern. Große Verschiebung bedeutet große Entfernung, kleine Verschiebung bedeutet kleine Entfernung. Mit dem Ergebnis von extrinsischer und intrinsischer Kalibrierung kann daraus der Abstand in metrischen Einheiten berechnet werden. Wenn die Marker wie hier angenommen kreisförmig sind, erscheinen sie in beiden Bildern zunächst als Ellipsen. Die Bildpaare können daher mit bekannten Algorithmen nach diesen Ellipsen durchsucht werden. In oben genanntem Beispiel mit 9 Markerelementen erhält man also 9 Positionspaare für die beiden Bilder. Damit kann die Disparität und damit die 3D Position jedes Kreismittelpunktes berechnet werden. Durch die Markierung von 3 der Markerelemente kann eindeutig ein Koordinatensystem aufgespannt werden (ps, Ms, siehe obige Gleichung).
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Es versteht sich, dass die oben genannte Kalibrierung üblicherweise lediglich einmalig im Vorfeld zu der eigentlichen Vermessung des Werkstücks 20 durchgeführt wird.
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Die Vermessung des Werkstücks
20 kann dann wie folgt ablaufen: Der Nutzer führt das Messwerkzeug
10 beispielsweise von Hand und bringt den Tastkörper
28 an einer gewünschten Stelle (Messpunkt) mit dem zu vermessenden Werkstück
20 in Kontakt. Das Kamerasystem
12 zeichnet währenddessen mehrere Kamerabilder auf, welche in der Auswerte- und Steuereinheit
14 ausgewertet werden, um daraus die Position und Lage des optischen Markers zu bestimmen und daraus wiederum die Positionskoordinaten des Tastkörpers
28 zu berechnen. Dies kann in ähnlicher Weise erfolgen, wie es bereits in der
DE 10 2015 205 615 A1 beschrieben wurde. Die Oberflächenkoordinaten des zu vermessenden Werkstücks
20 lassen sich somit bestimmen, indem der Nutzer bzw. Anwender des Messsystems das Messwerkzeug
10 mit dem Tastkörper
28 nach und nach an mehrere gewünschte Messpunkte auf der Oberfläche des Werkstücks
20 heranführt und das aus Kamerasystem
12 und Auswerte- und Steuereinheit
14 bestehende Tracking-System die Positionsdaten des Tastkörpers
28 währenddessen aufzeichnet.
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Im Gegensatz zu den bisher aus dem Stand der Technik bekannten, handgeführten Koordinatenmessgeräten dieser Art ist das vorliegende Messsystem 100 jedoch auch dazu in der Lage, eine Antastung, bei der der Tastkörper 28 zur Erfassung eines Messpunkts das Werkstück 20 kontaktiert, automatisch zu erkennen. Die Auswerte- und Steuereinheit 14 berechnet hierzu aus den ermittelten Positionsdaten des Tastkörpers 28 Geschwindigkeitsdaten und/oder Beschleunigungsdaten des Tastkörpers 28. Mit Hilfe dieser Geschwindigkeits- und/oder Beschleunigungsdaten des Tastkörpers 28 lässt sich eine Antastung detektieren, und zwar basierend auf der Annahme, dass der Tastkörper 28 des Messwerkzeugs 10 bei einer Antastung relativ abrupt abgebremst wird und daher eine eindeutig detektierbare Geschwindigkeitsänderung bzw. negative Beschleunigung (Verzögerung) erfährt. Die Auswerte- und Steuereinheit 14 ist beispielsweise dazu eingerichtet, eine Antastung als vorliegend zu ermitteln, wenn ein Betrag der Beschleunigung einen ersten Beschleunigungs-Schwellwert überschreitet.
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Ähnlich wie die Positionsdaten des Tastkörpers 28 werden auch die Geschwindigkeits- bzw. Beschleunigungsdaten des Tastkörpers 28 vorzugsweise vektoriell ausgedrückt. Als Charakteristikum für die Auswertung, ob eine Antastung vorliegt oder nicht, wird jedoch vorzugsweise der Betrag der Beschleunigung bzw. der Betrag der Geschwindigkeit ausgewertet.
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2 zeigt ein erstes Beispiel eines Antastvorgangs mit Hilfe des Messwerkzeugs 10. In diesem Beispiel wird das Messwerkzeug 10 senkrecht auf die Oberfläche des Werkstücks 20 zubewegt. Die 3A-3D zeigen schematisch die kinematischen Größen dieses Antastvorgangs. 3A zeigt den Betrag der Positionsdaten s über die Zeit t. 3B zeigt den Betrag der Geschwindigkeit v über die Zeit t. 3C zeigt den Betrag der Beschleunigung über die Zeit t und 3D zeigt den Betrag des Winkels φ, welcher die Lage des Messwerkzeugs 10 im Raum beschreibt. Der Zeitpunkt t1 markiert jeweils den Zeitpunkt des Kontaktes zwischen Tastkörper 28 und Werkstück 20. In dem dargestellten Beispiel wird davon ausgegangen, dass das Messwerk 10 vor diesem Kontaktzeitpunkt t1 mit im Wesentlichen konstanter Geschwindigkeit auf das zu vermessende Werkstück 20 zubewegt wird.
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Wie insbesondere aus 3C hervorgeht, kommt es in der Folge des Kontakts zwischen Tastkörper 28 und Werkstück 20 zu einer Beschleunigungsspitze, bei der der Betrag der Beschleunigung a einen ersten Schwellwert überschreitet, welcher als gestrichelte Linie angedeutet ist, die mit der Bezugsziffer 36 bezeichnet ist. Gleichzeitig nimmt die Geschwindigkeit rapide ab (siehe 3B). Aus den 3A-3C kann entnommen werden, dass es nach dem Antast-Zeitpunkt t1 dennoch zu kleineren Bewegungen des Tastkörpers 28 kommt. Zu diesen kleineren Bewegungen kommt es insbesondere dann, wenn das Messwerkzeug 10 von Hand geführt wird. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass ein Anwender des Messsystems 100 derart exakt führen kann, ohne dass es zu diesen kleineren Zitter- bzw. Rüttelbewegungen kommt.
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Die Auswerte- und Steuereinheit 14 ist daher vorzugsweise dazu eingerichtet, neben der Überschreitung des ersten Beschleunigungs-Schwellwerts 36 als weiteres Charakteristikum für die Detektierung einer Antastung zu untersuchen, ob der Betrag der Geschwindigkeit einen Geschwindigkeits-Schwellwert 38 unterschreitet. Vorzugsweise ist dieser Geschwindigkeits-Schwellwert 38 relativ klein, also nahe Null gewählt. Die (zusätzliche) Betrachtung der Geschwindigkeit hat den Vorteil, dass sich anhand dessen Antastungen relativ gut von unerwünschten Kollisionen des Messwerkzeugs 10 unterscheiden lassen. Bei einer Kollision des Messwerkzeugs 10 mit einem Hindernis kommt es üblicherweise nämlich auch zu hohen Beschleunigungen des Tastkörpers 28. Allerdings wird dabei üblicherweise auch der Geschwindigkeits-Schwellwert 38 überschritten.
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Durch oben erwähnte Auswertung der Geschwindigkeits- und/oder Beschleunigungsdaten des Tastkörpers 28 ist die Auswerte- und Steuereinheit 14 somit in der Lage, Antastungen automatisch zu detektieren. Diese Fähigkeit des Messsystems 100 eröffnet beispielsweise die Möglichkeit, die bei den Antastungen erfassten Messpunkte automatisch abzuspeichern. Die Auswerte- und Steuereinheit 14 ist demnach vorzugsweise dazu eingerichtet, bei Ermittlung des Vorliegens einer Antastung die räumlichen Positionskoordinaten des Tastkörpers 28 als Messwert bzw. Messpunkt in der Datenspeichereinheit 18 abzuspeichern. Oben genannte Auswertungskriterien zur Detektierung einer Antastung triggern in einem solchen Fall also ein direktes Abspeichern des jeweiligen Messpunkts. Zusätzlich zu den räumlichen Positionskoordinaten können die zu dem Antast-Zeitpunkt t1 vorliegenden Geschwindigkeitsdaten des Tastkörpers 28 ebenso in der Datenspeichereinheit 18 abgespeichert werden. Hieraus lässt sich später ermitteln, aus welcher Richtung der Tastkörper 28 auf das zu vermessende Werkstück 20 zubewegt wurde, so dass das Messsystem 100 beispielsweise selbst erkennen kann, ob eine Innenfläche bzw. ein Innendurchmesser oder eine Außenfläche bzw. Außendurchmesser vermessen wird.
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Neben der automatischen Detektierung eines Antastvorgangs lässt sich mit Hilfe des erfindungsgemäßen Messsystems auch eine Qualitätsauswertung des Antastvorgangs vornehmen. Hierzu sind verschiedene Qualitätskriterien denkbar. Beispielsweise ist die Auswerte- und Steuereinheit 14 dazu eingerichtet, zu untersuchen, ob der Betrag der Beschleunigung innerhalb eines vordefinierten Zeitintervalls nach Überschreiten des ersten Beschleunigungs-Schwellwerts 36 einen zweiten Beschleunigungs-Schwellwert 40 überschreitet, welcher kleiner ist als der erste Beschleunigungs-Schwellwert (siehe 3C). Wird dieser zweite Beschleunigungs-Schwellwert 40 nach Überschreiten des ersten Beschleunigungs-Schwellwerts 36 nicht mehr überschritten, so spricht dies für eine gute Qualität des Antastvorgangs, da hieraus entnommen werden kann, dass der Tastkörper 28 nach dem in Kontakt treten mit dem Werkstück 20 nicht mehr allzu stark bewegt wird. In 3C ist mit einer gestrichelten Linie 42 dagegen ein Beschleunigungssignal angedeutet, welches auf einen eher schlecht zu verwertenden Antastvorgang hinweist, da weder der erste Beschleunigungs-Schwellwert 36 überschritten wird noch in der Folge der zweite Beschleunigungs-Schwellwert 40 unterschritten wird.
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Ein weiteres Qualitätskriterium für eine erfolgreiche Antastung kann die Definition eines dritten Beschleunigungs-Schwellwerts sein, welcher in 3C mit der gestrichelten Linie 44 angedeutet ist. Dieser dritte Beschleunigungs-Schwellwert 44 ist größer als der erste Beschleunigungs-Schwellwert 36. Er sollte nicht überschritten werden, da ein Überschreiten des dritten Beschleunigungs-Schwellwerts 44 eher auf einen zu starken Aufprall des Tastkörpers 28 hinweist.
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Weitere Qualitätskriterien für eine Antastung, welche sich mit Hilfe des erfindungsgemäßen Messsystems 100 ermitteln lassen, werden nachfolgend anhand der 4 und 5 beschrieben. Die 4 und 5 zeigen ein zweites Beispiel eines Messvorgangs, bei dem das Messwerkzeug 10 im Gegensatz zu dem in den 2 und 3 dargestellten Messvorgang nicht senkrecht auf das zu vermessende Werkstück 20 zubewegt wird, sondern etwas schräg gehalten wird, während es auf das Werkstück 20 zubewegt wird. Bei einem derartigen Antastvorgang kommt es aufgrund der auftretenden Kipp- bzw. Biegemomente zum Antast-Zeitpunkt t1 üblicherweise zu einem Verschwenken des Messwerkzeugs 10, welches in 4 mit den gestrichelten Linien und dem dazwischen eingezeichneten Winkel φ schematisch angedeutet ist. Diese Lageänderung des Messwerkzeugs 10 während der Antastung lässt sich beispielsweise anhand der Auswertung der Winkelbeschleunigungsdaten aφ näher untersuchen. Wie insbesondere aus den 5C und 5D hervorgeht, lässt sich bei einem derartigen Antastvorgang nämlich nicht nur ein Peak in der Beschleunigung a, sondern auch ein Peak in der Winkelbeschleunigung aφ detektieren. Die Auswerte- und Steuereinheit 14 ist deshalb vorzugsweise dazu eingerichtet, neben den Geschwindigkeit- und Beschleunigungsdaten vorzugsweise auch die Winkelbeschleunigungsdaten zu untersuchen. Da eine derartige schräge Antastung, wie sie in 4 schematisch angedeutet ist, aus messtechnischen Gesichtspunkten erwünscht ist, ist die Auswerte- und Steuereinheit 14 vorzugsweise dazu eingerichtet, eine Antastung als gut bzw. gültig zu qualifizieren, wenn der Betrag der Winkelbeschleunigung aφ einen ersten Winkelbeschleunigungs-Schwellwert 46 überschreitet, da dies auf ein solches Schräghalten des Messwerkzeugs 10 hindeutet. Ähnlich wie bei der Betrachtung der Beschleunigung a ist es ferner bevorzugt, dass die Auswerte- und Steuereinheit 14 ferner auch untersucht, ob zeitlich darauffolgend ein zweiter Winkelbeschleunigungs-Schwellwert 48, der kleiner ist als der erste Winkelbeschleunigungs-Schwellwert 46, nicht mehr überschritten wird. Auch dies würde auf eine gute Qualität der Antastung hindeuten.
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Die Auswertung der Qualität bzw. Gültigkeit eines Antastvorgangs lässt sich auf verschiedene Art und Weise in dem erfindungsgemäßen Messsystem 100 nutzen. Beispielsweise ist die Auswerte- und Steuereinheit dazu eingerichtet, über den Aktor 16 ein optisches, akustisches und/oder haptisches Signal zu erzeugen, wenn eine Antastung als gültig qualifiziert wurde. Der Nutzer erhält somit ein direktes Feedback darüber, ob eine Antastung erfolgreich war oder nicht. Ferner kann die Auswerte- und Steuereinheit 14 dazu eingerichtet sein, die erfassten Positionskoordinaten des Tastkörpers 28 lediglich dann als Messwert in der Datenspeichereinheit 18 abzuspeichern, wenn die Antastung als gültig qualifiziert wurde. Dies gewährleistet, dass nur Messpunkte, welche mit ausreichender Genauigkeit gemessen wurden, abgespeichert werden.
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Es sei darauf hingewiesen, dass im Zuge der bisherigen Erläuterung der Erfindung immer von einem idealen starren Körper ausgegangen wird, welcher den optischen Marker
24 mit dem Tastkörper
28 verbindet. In der Praxis wird es aufgrund der bei der Antastung auftretenden Kräfte jedoch zu Verformungen innerhalb des Messwerkzeugs
10 und des zu vermessenden Werkstücks
20 kommen (z.B. bei der Vermessung von dünnem Blech oder Kunststoff). Diese beispielsweise aufgrund von Druck- oder Biegebeanspruchung auftretenden Verformungen werden vorliegend jedoch vernachlässigt. Sofern sich allerdings Kraftmessungs-Sensoren in das Messwerkzeug
10 integrieren ließen oder die auf den Tastkörper
28 wirkende Kraft auf andere Art und Weise berechnet werden kann, ließen sich ähnliche Korrekturberechnungsverfahren anwenden, wie sie in der
DE 10 2008 049 751 A1 und der
EP 2 172 735 B1 beschrieben sind. Zudem kann die Genauigkeit des erfindungsgemäßen Messsystems
100 dadurch erhöht werden, indem die Auswerte- und Steuereinheit
14 dazu eingerichtet ist, bei der jeweiligen Berechnung der Positionskoordinaten auf den exakten Antast-Zeitpunkt zurückzurechnen. Üblicherweise wird die Auswerte- und Steuereinheit
14 nämlich dazu neigen, als Messwerte Positionskoordinaten abzuspeichern, welche erst kurz nach dem Antast-Zeitpunkt
t1 erfasst werden. Hierdurch können ebenfalls Messungenauigkeiten auftreten. Die Auswerte- und Steuereinheit
14 kann daher dazu eingerichtet sein, auf die Positionskoordinaten zum Antast-Zeitpunkt anhand einer Extrapolation der Beschleunigungsdaten zurückzurechnen. Beispielsweise ließen sich die Messwerte kurz vor dem Zeitpunkt
t1 und die Messwerte nach den Zeitpunkt
t1 durch lineare Regression jeweils mit einer Annäherungsgeraden verbinden, so dass über den Schnittpunkt dieser beiden Annäherungsgeraden (vor
t1 und nach
t1 ) der Zeitpunkt
t1 abgeschätzt werden kann. Beispielhafte weitere Techniken dieser Art sind aus der
EP 0 753 717 A2 , der
EP 0 556 574 A2 und der
EP 0 599 513 A1 bekannt.