Ganzkörperkältetherapie

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Unter Ganzkörperkältetherapie (GKKT), einer speziellen Form der Kryotherapie, wird die kurzzeitige Anwendung extremer Kälte – typisch in Form von ruhender Luft – auf die ganze Körperoberfläche verstanden. GKKT ist eine passive physikalische Kurzzeittherapie mit systemischer Wirkung, deren Anwendung in einer Kältekammer (Ganzkörperkältetherapiekammer) stattfindet. In den meisten Studien ist die Rede von −110 °C, wobei von einer positiven Wirkung der Applikation ab −100 °C ausgegangen wird, obgleich manche Systeme deutlich tiefere Temperaturen erreichen. Kleinere, nach oben geöffnete Kammern für eine Person, werden auch als 1-Personen-Kältekammer bezeichnet.

Kälte als Therapieanwendung ist schon sehr lange bekannt und wurde u. a. im Corpus Hippocraticum (Hippokrates, 460–377 v. Chr.) erwähnt.[1] Bekanntester deutscher Vorläufer der GKKT ist wohl die Anwendung kurzer kalter Vollbäder nach Sebastian Kneipp (1821 bis 1897).[2] Die heutige GKKT wurde von dem Japaner T. Yamauchi 1980 zur Behandlung der Rheumatischen Arthritis eingeführt.[3] In Deutschland hielt die GKKT mit Reinhard Fricke 1984 zur Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen Einzug.[4]

Anwendung findet die GKKT in der Medizin, dem Sport und als Wellnessanwendung. Neben den seit 1984 veröffentlichten Studien, sind im medizinischen Bereich das zusammenfassende Buch von Winfried Papenfuß[5] und im sportlichen Bereich das investigative Buch von Sandra Ückert[6] zu erwähnen.

Eine Patientin (rechts) wartet auf Einlass in die Kältekammer

Die Anwendung erfolgt in Badekleidung mit geschlossenem Schuhwerk, Handschuhen und Stirnband (Akrenschutz) sowie einem Atemschutz.

Zur Akklimatisierung und Verdampfung der Restfeuchtigkeit auf der Haut erfolgen zunächst Kurzaufenthalte in den so genannten Vorkammern bei −10 °C und dann −60 °C. Der nachfolgende Aufenthalt in der eigentlichen Anwendungskammer bei −110 °C erfolgt in der Regel über bis zu drei Minuten. Es wird langsames Gehen im Kreis unter Vermeidung hektischer Bewegungen empfohlen. Unter anderem wegen der fehlenden Verdampfungskälte (Luftfeuchtigkeit annähernd 0 %, trockene Haut) wird die Temperatur nicht als so kalt wahrgenommen (gefühlte Temperatur). Im subjektiven Vergleich wird ein Bad im Tauchbecken nach der Sauna als kälter beschrieben.

Nach dem Verlassen verspürt man ein leichtes Kribbeln und hat eine leicht gerötete Haut. Im Anschluss entspannt man sich oder fährt gegebenenfalls mit einem individuellen Anwendungs- oder Therapie-Programm fort.

Wirkungskomponenten der Ganzkörperkältetherapie

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Die Wirkungskomponenten der GKKT umfassen Schmerzlinderung bzw. Schmerzaufhebung, Entzündungshemmung, Immunmodulation, Regulation des Muskeltonus, Verbesserung der Muskeldurchblutung, Ökonomisierung des Muskelstoffwechsels und Modifizierung der neuronalen Aktivierung, Funktionsverbesserung der Gelenke, Regulation des zentralen Aktivitätsniveaus, psychophysische Leistungsstimulierung, Förderung des Wohlbefindens und die Ökonomisierung im Herz-Kreislaufsystem und des Energiehaushalts.[5]

Das Anwendungsspektrum umfasst:

Kontraindikationen

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Die absoluten und relativen Kontraindikationen ähneln derer der normalen Sauna mit anschließendem Tauchbecken sehr.[7]

Absolute Kontraindikationen
sind unbehandelter Bluthochdruck mit Werten über 160/100 mm Hg, ein Herzinfarkt, der weniger als ein halbes Jahr zurückliegt, dekompensierte Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems, periphere Durchblutungsstörungen, instabile Angina Pectoris, Herzschrittmacher, abgelaufene Venenthrombosen, akute Venenentzündungen, akute Erkrankungen der Atemwege, akute Nieren-/Harnwegserkrankungen schwere Blutarmut, Kälteallergien, Tumorerkrankungen, Anfallsleiden und Hautinfektionen.
Relative Kontraindikationen
Herzrhythmusstörungen, Herzklappenfehler, Zustand nach Herzoperationen, ischämische Herzkrankheit, Raynaud-Syndrom, Polyneuropathien, Immunsuppression, Schwangerschaft (ab 4. Monat), Vaskulitden (Blutgefäßwandentzündungen) und Klaustrophobie.[5]

Anwendung im Sport

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Im Sport wird die GKKT zur Verkürzung der Rehabilitationszeiten, der Schmerzbehandlung (insbesondere bei älteren Leistungssportlern), Optimierung der Trainingsintervalle bzw. Vermeidung des Übertrainings und zur Leistungssteigerung eingesetzt.[8] Je nach Sportart stehen hierbei die Verbesserung motorischer und koordinativer Leistungen, sowie leistungsbezogen Schnelligkeit, Maximalkraft und Ausdauerleistung im Mittelpunkt. Die optimale Anwendungsdauer beträgt zwischen 2:00 und 2:30 Minuten.[6] Die prozentual erreichbare Leistungssteigerung, hängt dabei vom jeweiligen Leistungsniveau ab. Weniger Austrainierte erfahren eine prozentual höhere Steigerungsrate als durchtrainierte Profisportler.[9]

Anwendung im Spa

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Die Motive zum Einsatz von Ganzkörperkälteanwendungen im Wellnessbereich sind auf das Wohlbefinden und Krankheitsprävention gerichtet. Wellness verfolgt den Ansatz von Eigenverantwortung und aktiver Auseinandersetzung mit der eigenen Gesundheit, daher werden weitere Motive der Ganzkörperkälteanwendung von den medizinischen und sportlichen Zielsetzungen abgeleitet. Bislang gibt es allerdings nur wenige Thermalbäder und Hotels, die in eine Kältekammer investieren. Allerdings bieten einige Unternehmen in Studio-artigen Filialen einzelne Sitzungen in Kältekammern an.[10] Diese werden häufig als "Kältesaunen" oder "Eisboxen" bezeichnet. Eine rund fünfminütige Anwendung kostet meist zwischen 25 und 40 Euro.

  • B. Benkenstein: Die Ganzkörperkältetherapie der Rheumatoiden Arthritis bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität. Inaugural-Dissertation Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 2001.
  • H. E. Hirvonen, M. Mikkelsson, H. Kautiainen, T. H. Pohjolainen, M. Leirisalo-Repo: Effectivness of different cryotherapies on pain and disease activity in active rheumatoid arthritis. A randomised single blinded controlled trial. in: Clinical and Experimental Rheumatology. 24: 295–301, 2006.
  • B. Hollensteiner: Analgetische Wirkung einer Ganzkörperkältetherapie -110°C, 3 min. Inaugural-Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2003.
  • A. Kaminska-Staruch, J. Olszewski: Evaluation of effectiveness of whole-body cryo-therapy in patients with tinnitus. Otolaryngologia Polska 61(5) S. 801–804, 2007.
  • J. Leppäluoto, T. Westerlund, P. Huttunen, J. Oksa, J. Smolander, B. Dugue, M. Mikkelsson: Effects of long term whole-body cold exposures on plasma concentrations of ACTH, beta-endorphin, cortisol, catecholamines and cytokines in healthy females. Scandinavian J. of Clinical and Laboratory Investigation 68(2) S. 145–153, 2008.
  • A. Lubowska, B. Dolegowska, Z. Szygula, A Klimek: Activity of selected enzymes in Erythrocytes and level of plasma antioxidants in response to single whole-body cryo-stimulation in humans. Scandinavian J. of Clinical and Laboratory Investigation 69(3) S. 387–394, 2009.
  • E. Miller, M. Mrowicka, K. Malinowska, J. Mrowicki, J. Saluk-Juszczak, J. Kedziora: The effects of whole-body cryotherapy on oxidative stress in multiple sclerosis Patients. J. of Thermal Biology 35(8) S. 406–410, 2010.
  • H. Podbielska, W. Strek, G. J. Mueller, H. Podbielska, W. Strek, D. Bialy: Whole body cryotherapy and depressive symptoms. Kriotechnika Medyczna, Sp. 70.0., Poland 2006.
  • Winfried Papenfuß: Reduzierung des Arzneimittelverbrauchs nach Ganzkörperkältetherapie -110°C (GKKT), August 2010 (PDF; 9 KB).
  • S. Rudolf: Bestimmung des β-Endorphin-immunoreaktiven Materials (β-ED IRM) und des N-acetyl-β-Endorphin-IRM (NAC IRM) im Plasma bei gesunden Probandinnen nach einer einmaligen Ganzkörperkältetherapie (GKKT) bei -110°C über 3 Minuten. Inaugural-Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2005.
  • J. Rymaszewska, A. Tulczynski, Z. Zagrobelny, A. Kiejna, T Hadrys: Influence of whole body cryotherapy on depressive symptoms – preliminary report. Acta Neuropsychiatrica 15(3) S. 122–128, 2003.
  • I. B. Senne: Effekte der Ganzkörperkältekammer bei Patienten mit Spondylitis Ankylosans. Inaugural-Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2001.
  • J. Smolander, J. Leppäluoto, T. Westerlund, J. Oksa, B. Dugue: Effects of repeated whole-body cold exposures on serum concentrations of growth hormone, thyrotropin, prolactin and thyroid hormones in healthy women. Cryobiology 58(3) S. 275–278, 2009.
  • J. Smolander, T. Westerlund, A. Uusitalo, B. Dugue, J. Oksa, M. Mikkelsson: Lung function after acute and repeated exposure to extremely cold air (-110°C) during whole body cryotherapy. Clinical Physiology and Functional Imaging 26(4) S. 232–234, 2006.

Einzelnachweise

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  1. R. Kapferer (Hrsg.): Die Werke des Hippokrates. Band 1 (VIII/94), Anger-Verlag Eick, Anger, 1995.
  2. Maximilian Platen: Die Neue Heilmethode. Deutsches Verlagshaus Bong u.Co., Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, 1907, 1. Band.
  3. T. Yamauchi: Whole body Cryotherapy is a method of extreme cold -175°C treatment initially used for Rheumatoid Arthritis. Z.phys. Med.Klimatol. 15 (1986), S. 311.
  4. R. Fricke: Lokale Kryotherapie und Ganzkörperkältetherapie bei -110°C. Vortrag Deutsche Kälte-Klima-Tagung, 1993.
  5. a b c W. Papenfuß: Die Kraft aus der Kälte, Ganzkörperkältetherapie bei -110°C. Edition k, Regensburg, Wolfsegg, 2011, ISBN 978-3-938912-03-4.
  6. a b S. Ückert: Temperatur und sportliche Leistung. Meyer & Meyer Verlag, 2012, ISBN 978-3-89899-665-5.
  7. M. Buchta, D. Höper, A. Sönnichsen: Das zweite StEx, Basiswissen Klinische Medizin für Examen und Praxis. Springer-Verlag Heidelberg Berlin, 2. Auflage 2006, S. 1213 ISBN 3-540-20351-6.
  8. Bundesinstitut für Sportwissenschaft: Bundestrainerforum „DLV-Kältekonferenz“ 6./7. Dezember 2008 in Mainz, S. 67–71, ISBN 978-3-86884-496-2.
  9. Michael Wittershagen interviewt Helmut Hoffmann, in: Nachgefragt. Minus 110 Grad. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 8. Februar 2009, S. 20.
  10. [1] Artikel auf faz.net: Kältetherapie: Kann man sich schlank schlottern?