Die Farbe Milka

Von Lina Panitz
Veröffentlicht am 11.10.2005Lesedauer: 6 Minuten

Farbmarken als Unterscheidungsmerkmale werden für Unternehmen immer wichtiger. Das US-Unternehmen Pantone beherrscht das Geschäft mit dem richtigen Ton

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Lebensgefühl aus Herzogenaurach ist rot und hat den Code 486c. Aber erst seit knapp zwei Jahren. Davor war Lebensgefühl aus Herzogenaurach schwarz, weiß und silbern. Dann kamen die Farbspezialisten aus den USA und verpaßten dem Sportartikelhersteller Puma das Rot, das immer doppelt gedruckt wird und darum besonders intensiv glüht. Puma, damals auf dem Weg vom Einkleider für Sportler zu einer Modemarke, hatte die falschen Farben. Schwarz, Weiß und Silber, das möge ja dezent, praktisch und auch sportlich wirken. Puma aber fühlt sich heute cool, dynamisch und modern und wollte eine passende "Corporate Identity". Außerdem wollen sich die Lifestyle-Spezialisten deutlicher vom Herzogenauracher Konkurrenten Adidas absetzen. 486c wurde im Oktober 2003 Pumas neue Unternehmensfarbe, entwickelt von dem US-Unternehmen Pantone, Weltmarktführer auf dem Gebiet der sogenannten Farbsysteme.

Das Familienunternehmen sorgt seit über 40 Jahren dafür, daß gedruckte Farben überall auf der Welt gleich aussehen. Das ist besonders wichtig für weltweit agierende Marken wie Coca-Cola oder Lufthansa. Für die Konzerne ist es bares Geld wert, wenn sie jeder Asiate genauso schnell wie jeder Amerikaner schon an der Farbe erkennt. Branchenexperten schätzen, daß Milka allein 50 Mio. Euro jährlich für Werbung und Schutz der Farbe Lila ausgibt. Damit weltweit immer der richtige Ton getroffen wird, ordnet das Unternehmen aus Carlstadt (New Jersey) jeder Farbe einen Zahlencode zu. Lufthansa-Gelb hat beispielsweise die Pantone-Nummer 1235c.

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Pantones Hauptprodukt ist eine Art Farben-Duden. Mit dem Farbfächer macht die Farbenfamilie 40 Prozent ihres geschätzten Jahresumsatzes von 100 Mio. Dollar. 15 Prozent davon kommen als Lizenzgebühren von Druckereien, damit diese Pantones Sonderfarben drucken dürfen.

Der Farbenfächer entwickelt sich weiter, jedes Jahr werden ein paar Töne ausgetauscht. Das erste Farblehrenbuch der Amerikaner aus den 1960ern wurde längst von der Mode überholt. Das Unternehmen hat seinen Erfolg Lawrence Herbert zu verdanken. 1956 war er eingestiegen. Pantone fabrizierte damals Farbtafeln für die Kosmetik- und Modeindustrie. 1962 übernahm er die Firma. Herbert schuf dann ein System, mit dem sich Farben universal beschrieben ließen. 1963 entwickelte er aus 14 Grundtönen insgesamt 500 Varianten. Von denen ließ er Muster mitsamt einer codierten Mixtur drucken, was jede einzelne exakt reproduzierbar machte.

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Der Pantone-Farbfächer von heute, ein Stapel zusammengehefteter Farbkarten, definiert 1114 Nuancen. Grafiker, Designer, Verlage, Druckereien, die Lackindustrie benutzen diese Bücher als Anleitung für den richtigen Ton.

Immer mehr Konzerne entdecken den Geld- und Markenwert einer weltweit einheitlichen "Corporate Color". Daher wird die Beratung für Farbmarken neben dem Farbfächer ein immer wichtigeres Thema für das Familienunternehmen. Richard Herbert, Sohn von Lawrence und Leiter des laufenden Geschäftes, und seine rund 170 Mitarbeiter geben dann Antworten auf Fragen wie: Welche Farbe paßt zum Unternehmen? Welche Farbe hat den größten Werbe- und Wiedererkennungswert?

Für Erfolge gibt es viele Beispiele. Das pinkfarbene Barbielogo ist überall auf der Welt gleich knallig. Der Pantone-Code 820c sorgt dafür, daß unterschiedliche Materialen von Verpackungen oder Magazinen das Barbie-Pink nicht verfälschen. Auch die internationale Modemarke Gap legt wert darauf, daß ihr Blau nur mit dem Code 655c gedruckt wird. Bei den überall auf der Welt gleich gestalteten Shops der Kaffee-Kette Starbucks wundert es keinen, daß vom Pantone-Grün 3425c nicht abgewichen werden darf. Selbst eine eher unbeliebte Farbe wie Braun kann mit der richtigen Kampagne den Unternehmenswert erhöhen. UPS hat es mit dem Slogan "what can brown do for you?" erfolgreich etabliert. "Es geht nicht immer darum, etwas Neues zu schaffen", weiß Pantone-Präsident Richard Herbert. "Das Wichtigste ist, daß die Farbe nicht zu verwechseln ist".

Die Lieblingsfarbe des Familienoberhauptes ist übrigens Pantone Reflex Blue C. Mit Deutschland assoziiert er vor allem die Farbe Silber. "Weil die Autos in der Werbung immer silberfarben sind".

Ab und zu müssen die Farbspezialisten von Pantone neuerdings auch als Schiedsrichter in Farbstreits einspringen. Erkennt ein Unternehmen den Wert einer Farbe für sein Image, ist es häufig auch bereit vor Gericht zu ziehen, um diese zu schützen. Deutschlands bekanntestes Beispiel für einen - gewonnen - Farbstreit ist das Milka-Lila für Schokoladenprodukte von Kraft Foods. Die Bremer verklagten die Verdener Keksfabrik Hans Freitag, weil sie bei Aldi lilafarbene Schokowaffeln verkauft hatte.

Der Bundesgerichtshof gab Milka im Oktober vergangenes Jahr Recht. "Die Farbe Lila darf bei der Verpackung von Schokoladenwaren weiter nur für die Produkte von Milka verwendet werden." Sonst bestehe Verwechslungsgefahr. Kein Wunder: Rund 90 Prozent der Verbraucher ordnen Lila der "zartesten Versuchung zu".

Doch insgesamt sind die Hürden zum Schutz einer abstrakten Farbmarke weiterhin hoch. Lila war nach Kraft-Angaben die erste abstrakte Farbmarke, die 1995 im weitesten Sinn europaweit geschützt wurde. Das Milka-Lila ist eine Pantone Farbe - eine Sonderfarbe die zwischen zwei Nummern liegt. Um eine Farbe wie Lila zu schützen, muß ein Unternehmen erst mal das Deutsche Marken- und Patentamt überzeugen. "Wir untersuchen, ob die Farbe rein theoretisch als Marke wirken kann, oder ob sie der Markt braucht", sagt Beate Schmidt, Leiterin der Abteilung Marken. Blau für Wasser und Himmel oder Rot für die Liebe dürften dem Markt nicht genommen werden.

Ist das Amt erst mal überzeugt, ist die Registrierung fürs Inland relativ günstig. Sie kostest etwa 500 Euro und gilt für zehn Jahre. Danach kann verlängert werden. Nur 20 "Farbmarken" sind bisher beim Deutschen Patentamt eingetragen.

Krafts Schokoladenlila ist auch beim Europäischen Markenamt geschützt. Das sitzt in Alicante und bietet den Schutz einer Gemeinschaftsmarke für die gesamte EU. Die Anmeldegebühr hier liegt wesentlich höher und variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Um das Milka-Lila nahezu weltweit zu schützen, hat Kraft Foods zusätzlich eine internationale Registrierung bei der WIPO in Genf (World Intelectual Property Organisation). Auch der Deutschen Telekom war ihr Magenta den Gang vors Gericht wert. Im Jahr 2003 gab ihr der Bundesgerichtshof Recht, nachdem die Telekom gegen einen Konkurrenten geklagt hatte: Mobilcom hatte 1999 in Zeitungsanzeigen mit großen magentafarbene Lettern geworben. Für Magenta hatte sich die Deutsche Telekom nach der Postreform 1989 entschieden, als eine neue Farbe her mußte, weil die Post das Gelb behielt. Magenta scheint ein Glücksgriff für das Bonner Unternehmen zu sein. Nach dem Gerichtsurteil spekulierten mehrere Zeitungen, daß das Telekommagenta bis zu 20 Mrd. Euro wert sei.

Damit sich künftig auch in Europa mehr Unternehmen für Pantone entscheiden, wollen die Amerikaner hier offensiver werben. "Europa ist die größte Herausforderung", meint Chef Herbert. Mit Helmut Eifert hat Pantone erstmals einen Europa-Chef. Dessen Budget soll sich innerhalb der kommenden drei Jahre verdoppeln. Wieviel das ist, wird nicht gesagt. Soviel bei Pantone kommuniziert wird - Zahlen bleiben außen vor.


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