Vom Punkrocker zum SPD-Polarisierer
Sozialdemokrat Andreas Bovenschulte soll bald die erste rot-rot-grüne Landesregierung in Bremen anführen. Er gilt eher als pragmatisch denn ideologisch – auch wenn er zuspitzen kann bis an die Grenzen des Populismus.
Als Andreas Bovenschulte noch ein junger Mann war, ein Jugendlicher mit allen üblichen Flausen, da wollte er Rockstar werden. Mit Gitarre, Punkrock, Ska und vielen Fans. Daraus ist nichts geworden.
Er selbst hat mal zu Protokoll gegeben, dass es dazu bei ihm musikalisch „nicht mal ansatzweise“ gereicht hätte. Gitarre spielt er aber trotzdem noch. Und vielleicht, das werden die kommenden vier Jahre zeigen, wird er auch noch ein Star.
Nicht als Punkrocker, sondern als Politiker: Als Bremer Bürgermeister und Ministerpräsident des kleinsten Bundeslandes, auch als Sozialdemokrat. An diesem Samstag hat die Bremer SPD den 53-Jährigen bei einem Parteitag mit 96 Prozent der Stimmen nominiert.
Bovenschulte soll ab Mitte August als Nachfolger des glücklosen Carsten Sieling, Bremer Senatschef und Anführer der ersten rot-rot-grünen Koalition in den westdeutschen Bundesländern werden. Den dazugehörigen Koalitionsvertrag winkten die Genossen gleich mit durch.
Typen wie „Bovi“, wie sie den in Elze im Kreis Hildesheim geborenen Zwei-Meter-Mann hier nennen, werden ja auch gerade händeringend gesucht in der deutschen Sozialdemokratie. Ein Pragmatiker mit im Grunde linker Haltung, trotzdem kompromissbereit, nicht abgehoben, nicht so steif, nicht ideologisch, eher hemdsärmelig, humorbegabt, jederzeit bereit und in der Lage, auf die Menschen zuzugehen, auch rhetorisch gut drauf. Ein Hoffnungsträger.
Bovenschulte benötigt an diesem Sonnabend gerade mal eine zwanzigminütige Vorstellungsrede, um diesen Anforderungen erkennbar gerecht zu werden und der Bremer SPD den Staub aus den Kleidern zu klopfen; den roten Frust, die rote Niedergeschlagenheit zu vertreiben, die sich nach einer zähen Legislaturperiode, nach schlaffem Wahlkampf und bitterem Wahlausgang in der Partei ausgebreitet hatte.
Wirtschaftsfreundlichkeit, Bildung, Sicherheit wolle er zu Grundpfeilern einer Politik des „gesunden Menschenverstandes“ machen, sagt Bovenschulte und beschreibt dann einen dezidiert bürgernahen Weg, den er zum Markenzeichen der rot-grün-roten Koalition, vor allem aber der Bremer Sozialdemokratie machen will. „Nur da, wo wir vor Ort sind, können wir die Menschen verstehen“, sagt Bovenschulte, nur da könne die SPD „das Vertrauen der Menschen gewinnen“.
Ihm selbst ist das zumindest am Rand der Hansestadt bereits gelungen. Dort, in der Gemeinde Weyhe, hat Bovenschulte in den vergangenen fünf Jahren als Bürgermeister gearbeitet. Nach drei Jahren als Landesvorsitzender der Bremer SPD (2010 bis 2013) eigentlich eine Nummer zu klein für diesen Vollblut-Politiker, aber eben auch eine Art Intensivkurs in Sachen Bürgernähe.
An dessen Ende schwärmten selbst die örtlichen Christ- und Freidemokraten von Bovenschulte. Der künftige Senatschef, so das hohe Lob der politischen Konkurrenz, habe „wohltuend professionell“ gearbeitet, er sei ein Fachmann mit „hohem Verantwortungsbewusstsein“.
Bovenschulte zeigt zudem, anders als sein gelegentlich zimperlicher Vorgänger und Freund Sieling, wie selbstverständlich klare Kante. Er kann zuspitzen, polarisieren bis an die Grenzen des Populismus.
Der nächste Wahlkampf der Bremer SPD, so viel ist klar, wird mit Sicherheit nicht erst kurz vor knapp Fahrt aufnehmen. Im Grunde hat er an diesem Samstag bereits begonnen.