TV- Moderatorin Sandra Maischberger erhielt exklusiven Zugang zu Leni Riefenstahls Nachlass und führte eines der letzten Interviews mit der umstrittenen Regisseurin. Zusammen mit Filmemacher Andres Veiel zeichnet sie das Porträt einer Frau, die sich meisterhaft selbst inszenierte. Mit der „Krone“ sprachen sie über diesen Kraftakt – „Riefenstahl“ läuft ab Donnerstag im Kino.
Fotos und Dokumente aus dem Nachlass von Leni Riefenstahl sind die Basis der neuen Doku „Riefenstahl“ (ab Donnerstag im Kino). Die bekannte TV-Moderatorin Sandra Maischberger erhielt als Erste Zugriff darauf, sie führte auch eines der letzten Interviews mit der Regisseurin, die dem NS-Regime nahestand (s. Infokasten unten): „Ich habe einer Frau gegenüber gesessen, die sehr maskenhaft war, sehr alt, in einer gewissen Erstarrung, innerlich wie äußerlich, aber trotzdem wach. Ich hatte immer das Gefühl, dass das eine Fassade war.“
Bei der Sichtung des Materials haben sie und Regisseur Andres Veiel das Bild einer Frau gewonnen, die sich zu inszenieren wusste: „Sie hat einen unglaublichen Selbstdarstellungsdrang gehabt. Sie war auch eine Menschenfängerin auf ihre Art und Weise. Sie konnte unglaublich energetisch, überzeugend, mitreißend sein“, so Maischberger im „Krone“-Interview.
Das hat Filmemacher Veiel oft vor Probleme gestellt: „Ein wichtiges Thema war, dass Riefenstahl den Nachlass natürlich präpariert hat. Das finde ich auch legitim. Aber die Frage ist natürlich, wie misstrauisch werde ich? Wann glaube ich ihr? Wann glaube ich ihr nicht?“ Am Ende habe er gemerkt, dass sich Riefenstahl in ihrem Nachlass so oft widerspricht, dass sie sich dadurch ohnehin selbst belastet. Er lässt diese Widersprüche unkommentiert stehen – es offenbart sich das Trugbild, das Riefenstahl von sich geschaffen hat.
Leni Riefenstahl war eine deutsche Schauspielerin und Regisseurin. Sie hatte eine große Nähe zum NS-Regime und produzierte Propaganda für Adolf Hitler. Später leugnete sie, von den Verbrechen der Nazis gewusst zu haben und wurde auch offiziell als Mitläuferin eingestuft. Sie starb 2003 mit 101 Jahren.
„Riefenstahl“ trifft in politisch stürmischen Zeiten einen Nerv, wurde bereits in 20 Länder verkauft. Maischberger: „Es war mir wichtig, diese Geschichte zu erzählen, weil sie als Muster taugen kann für die Gegenwart. Es soll augenöffnend sein, es soll eine Warnung sein. Es soll Verführungskünste zeigen, damit wir ihnen eben nicht nochmal verfallen.“ Veiel ergänzt: „Es ist ein Film, um innezuhalten und aus der Vergangenheit in die Zukunft zu schauen.“
Lesen Sie untenstehend das ganze Interview mit Sandra Maischberger.
„Krone“: Die Basis des Films ist der Nachlass von Riefenstahl. Sie haben als Erste Zugang erhalten. Wie kam es dazu?
Sandra Maischberger: Ich habe als eine der Ersten erfahren, dass der Mann von Riefenstahl sehr plötzlich verstorben war. Und dann habe ich sofort angefangen, mich darum zu bemühen, weil ich früher schon für ein Interview in diesem Haus war und wusste, was da alles so drinnen ist. Ich habe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vorgeschlagen, ein Team zusammenzustellen und das zu sichten, zu katalogisieren, zu digitalisieren, auch für alle, die es danach nutzen wollen. Und dafür durften wir das für den Film verwenden.
Sie haben eines der letzten Interviews mit Leni Riefenstahl geführt. Was blieb Ihnen davon am stärksten in Erinnerung?
Das offene Fragezeichen. Man hat die Hoffnung, dass nach einem Interview Ausrufezeichen stehen. Aber stattdessen blieben viele Fragezeichen. Ich wollte wissen, wie sie tickt und habe das nicht erfahren. Ich habe einer Frau gegenüber gesessen, die sehr maskenhaft war, sehr alt, in einer gewissen Erstarrung, innerlich wie äußerlich, aber trotzdem wach. Ich hatte immer das Gefühl, dass das eine Fassade war. Das Gefühl, es wird mir da etwas gesagt, was nicht stimmen kann. Aber man kam ihr da nicht so richtig bei.
Warum war es Ihnen ein Herzensanliegen, das Bild von Leni Riefenstahl ein Stück weit zurechtzurücken?
Nicht zurechtzurücken, sondern noch mal für die Generation, die heute lebt, fassbar zu machen. Es ist kein historischer Film. Es ist ein Film über unsere Gegenwart. Unsere Grundfrage war: Wer war Leni Riefenstahl? Und was bedeutet sie heute? Es war mir wichtig, diese Geschichte zu erzählen, weil sie als Muster taugen kann für die Gegenwart, in der wir leben – und hoffentlich eben nicht für die Zukunft. Es soll augenöffnend sein, es soll eine Warnung sein. Es soll Verführungskünste zeigen, damit wir ihnen eben nicht nochmal verfallen.
Selbstdarstellung und Selbstinszenierung sind heute allgegenwärtig. Warum war Leni Riefenstahl damals schon so erfolgreich damit?
Sie hat einen unglaublichen Selbstdarstellungsdrang gehabt. So wie jeder, der heute auf Instagram jeden Fitzel seiner Existenz für so wichtig hält, dass er ihn teilen möchte. Sie war auch eine Menschenfängerin auf ihre Art und Weise. Sie konnte unglaublich energetisch, überzeugend, mitreißend sein. Sie kannte die Mechanismen von ästhetischer Verführung. Sie hat das wirklich kapiert, wie man ein Bild so in Szene setzt, dass es einfach unglaublich auf einen wirkt, auch emotional. All diese Fähigkeiten haben sie zu dieser erfolgreichen Propagandistin und Manipulatorin gemacht.
Das ist eine der Botschaften in diesem Film: Lass dich nicht so schnell einlullen. Suche eine zweite Quelle bei Fake News. Versuch, den Fakten auf den Grund zu gehen.
Denken Sie, dass sie dieses Bild von der ahnungslosen Künstlerin am Ende auch schon selbst geglaubt hat?
Nein. Das kann ich mir eigentlich nicht mehr vorstellen. Bis ins hohe Alter hat sie Korrespondenz mit Holocaustleugnern gehabt, wir hören auch in den Gesprächen, die sie aufgezeichnet hat, wie sehr sie selbst Teil dieser Ideologie ist. Sie ist nicht unpolitisch gewesen.
Warum war so jemand wie Riefenstahl im Regime der Nazis so bedeutend?
Goebbels sagt an einer Stelle in seinem Tagebuch: Sie ist die einzige von den Künstlern, die uns wirklich versteht. Was auch noch mal ein Beweis dafür ist, dass sie eben nicht nur weil es halt nicht anders ging, die Nähe gesucht hat, sondern weil sie dabei sein wollte. Und in ihren Bergsteigerfilmen steckt schon viel drin von diesem Heldenmythos, von dem Bezwingen der Natur, von diesem übermenschlich sein. Das hat sie für das Regime so wertvoll gemacht. Deswegen wollte Hitler, dass sie ihn auch so in Szene setzt, ein bisschen mystisch, als Heldengeschichte.
Wenn Sie heute die Riefenstahl Filme sehen, gibt es Aspekte davon, die Sie bei aller Ideologie auch wertschätzen können?
Es fällt mir zunehmend schwer. Je mehr man weiß über die Motive, desto schwerer fällt es einem, diesen unschuldigen Blick auf diese Filme zu behalten. Also am ehesten gelingt es mir bei „Olympia“, diese Sequenzen von diesen Turmspringern, oder wie sie die Leichtathleten inszeniert hat. Das ist natürlich nach wie vor unglaublich gut. Es ist irrsinnig modern. Und wir haben uns entschieden, dass wir dieser Kraft in dem Film auch Raum geben, weil man nur dann die Verführung auch merkt, man muss sie spüren, sonst ergibt das ja gar keinen Sinn, davor zu warnen. Aber ich kann es nicht mehr als als eigenständige Kunst bewundern, weil es eine Kunst ist, die im Auftrag der NSDAP entstanden ist.
Warum ist es für den Menschen so wichtig, was einmal von ihm in Erinnerung bleiben wird?
Weil wir alle an diesem Trugbild der Unsterblichkeit hängen. Wenn wir schon nicht mehr leben, soll doch von uns etwas bleiben und die Bewunderung für uns doch wenigstens überleben.
Riefenstahl hat daran geglaubt, dass der Tod eigentlich ein Irrtum ist, eine Krankheit, etwas, was man überwinden kann, wenn man bestimmte Mittel nimmt, bestimmte Regeln befolgt. Es gibt auch in diesem Nachlass Aufnahmen, die sie zeigen, wie sie sich Infusionen aus Sauerstoff legen lässt. Sie hat wirklich versucht, das Altwerden, das Schwächerwerden, den Verfall zu bekämpfen. Sie dachte, dass sie den Tod überwinden kann. Und in gewisser Weise hat sie das, denn sie hat uns Bildwelten und Ästhetik hinterlassen, die immer noch weiterlebt.
Vielen Dank!
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