"Wir sind kostenlos im Zeitalter von Abo-Diensten und wir sind linear im Zeitalter von On-Demand." Mit dieser Feststellung beschrieb Jeff Shultz, Chief Business Officer von Pluto TV, auf einer Konferenz in Los Angeles den vermeintlichen Exotenstatus seiner Streaming-Plattform. 2014 im US-Markt gestartet, verbreitet das Unternehmen dort mit seinem OTT-Angebot über hundert Free-TV-Kanäle und zählt nach eigenen Angaben mehr als zehn Millionen Nutzer pro Monat. Im Zuge einer zweiten Venture-Capital-Finanzierungsrunde investierten 2016 auch die europäischen Sendergruppen ProSiebenSat.1 und Sky in Pluto TV.
Die Expansion nach Europa war insofern nur eine Frage der Zeit. Ab sofort ist Pluto TV auch in Deutschland und Österreich verfügbar – zunächst allerdings einige Nummern kleiner als im Heimatmarkt. 15 lineare Kanäle sind zum Start im Angebot, vier davon in deutscher Sprache, der Rest in Englisch. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus so genannten "kuratierten Pluto TV Original Channels" und lizenzierten Sendermarken. Mit anderen Worten: Für erstere werden einzelne Programminhalte eingekauft, für letztere der ganze Kanal. Frisch und eigens für Pluto TV produzierte Inhalte sind vorerst nicht geplant.
"Wir bieten eine kostenlose Alternative zur wachsenden Zahl der Abo-TV-Verträge und ermöglichen dem Zuschauer dabei ein komfortables Lean-Back-Erlebnis", sagt Pluto-TV-Europachef Olivier Jollet im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Unzählige Programme und Genres, vor allem für Nischeninteressen, sind aus dem klassischen Fernsehen verschwunden – diese Lücke wollen wir bedienen. Produzenten und Rechteinhaber sitzen auf Unmengen attraktiver Programme." Für Pluto TV History hat Jollet historische Dokumentationen eingekauft, für Pluto TV Inside Dokus über Mythen und Naturphänomene, für Pluto TV Animals Tierfilme oder für Pluto TV Kids Cartoons und Kinderfilme.
Weitere Eigenmarken sind Pluto TV Explore mit Sendungen über unbekannte Regionen der Erde, Pluto TV Sports mit Sportlerporträts, aktuellen News und historischen Highlights, Pluto TV Action Sports mit Snowboard- und Extremski-Bildern sowie Pluto TV Fight mit Kickboxen und Mixed Martial Arts. Unter den lizenzierten Sendern finden sich Angebote von Ligabetreibern wie Glory Kickboxing oder World Poker Tour, von Gaming- und E-Sports-Veranstaltern wie IGN oder MinecrafTV sowie von YouTube-Videoproduzenten wie FailArmy oder The Pet Collective. Die verfügbaren Inhalte reichen also tief in die Nische hinein. Im Gegensatz zur US-Version von Pluto TV sind hierzulande keine bekannten TV-Sender wie CBS News, CNBC, Sky News, Fox Sports oder Food TV mit an Bord.
Und noch ein Handicap im Vergleich zum Heimatmarkt schränkt die Reichweite des Angebots bis auf weiteres stark ein: Während Pluto TV in den USA ohne jegliche Anmeldung via Webbrowser und als App auf allen relevanten Plattformen wie Apple TV, Amazon FireTV, Chromecast, Samsung- oder Sony-Smart-TVs funktioniert, gibt es in Deutschland und Österreich zum Start nur einen einzigen Weg – den TV-Stick von Sky Ticket. Zwar mag es praktisch sein, auf die Technik eines Investors zu setzen. Freilich konterkariert man damit das so stark betonte Bild vom Free-TV. Denn um den Stick zu bekommen, müssen Nutzer erst einmal für mindestens 14,99 Euro Sky Ticket abonnieren.
Als Managing Director Europe leitet er von Berlin aus die weitere Expansion. Vor dem jetzigen Deutschland-Launch war Pluto TV im Oktober in Großbritannien gestartet, dort auf der Now-TV-Plattform von Sky. Zur Europa-Mannschaft gehören Ex-Discovery-Manager Paul Edwards als Director of Content Partnerships und Ex-Viacom-Mann David Kwok als Director of Programming. Um die Werbevermarktung im deutschsprachigen Raum kümmert sich das Springer-Viacom-Joint-Venture Visoon Video Impact. Laut Jollet fällt das erste Feedback von Werbungtreibenden und Media-Agenturen positiv aus: "Der Bedarf an zusätzlichem TV-Inventar ist groß, seitdem immer mehr hochwertige Programme in werbefreien Bezahlangeboten verschwinden." Man wolle den Werbemarkt mit dem "Besten aus beiden Welten" überzeugen: digital aussteuerbares Inventar mit umfangreichen Targeting-Möglichkeiten – aber in Gestalt klassischer TV-Werbeblöcke im Stream, denen kein Adblocker etwas anhaben könne.