Erste deutsch-französische Kabinettsklausur
Deutschland und Frankreich stehen fest an der Seite Israels und werden auch die Ukraine weiterhin bestmöglich unterstützen. Das sagte Bundeskanzler Scholz nach der deutsch-französischen Kabinettsklausur in Hamburg.
4 Min. Lesedauer
Nach zwei intensiven und arbeitsreichen Tagen hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein positives Fazit der ersten deutsch-französischen Kabinettsklausur gezogen. „Das Format hat funktioniert. Und wir werden und sollten es fortsetzen“, sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Hamburg. Die jahrhundertealte Hansestadt sei als „Tor zu Welt“ ein guter Veranstaltungsort gewesen.
Von Montagnachmittag bis Dienstagmittag hatten bei der erstmalig veranstalteten deutsch-französischen Kabinettsklausur neben den Gesprächen zwischen Scholz und Macron auch Gespräche der Ministerinnen und Minister beider Kabinette stattgefunden.
Die Klausur sei langfristig geplant worden, um die besondere Qualität und Verbundenheit der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland auszudrücken, so Scholz. Kurzfristig habe es sich auch als wichtiges Forum erwiesen, um aktuelle weltpolitische Fragen miteinander zu besprechen.
Fest an der Seite Israels
Entsprechend ging der Kanzler zunächst auf die Lage in Israel ein. In einer Telefonkonferenz PDF, 42 KB, barrierefrei am Montagabend mit Macron, US-Präsident Joe Biden, der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni und dem britischen Premierminister Rishi Sunak habe Einigkeit geherrscht: „Wir verurteilen die barbarischen Angriffe der Terroristen auf unschuldige israelische Zivilisten auf das Schärfste.“
Der Bundeskanzler betonte das Recht Israels, sich gegen die „menschenverachtenden Angriffe“ zu verteidigen. Er bekräftigte: „Wir stehen gemeinsam fest und unverbrüchlich an der Seite Israels.“ Zugleich müsse es jetzt darum gehen, eine regionale Eskalation zu vermeiden, mahnte Scholz.
Sozialen Zusammenhalt stärken
Anschließend blickte Scholz auf die Agenda der Klausur zurück. Ein zentrales Augenmerk der Diskussion lag auf der Frage, wie sich gesellschaftlicher Zusammenhalt in Phasen des Umbruchs organisieren lässt. Schließlich sei in vielen westlichen Demokratien schwindender Zusammenhalt und Zulauf für (rechts-)populistische Kräfte zu beobachten. „Als Vertreterinnen und Vertreter liberaler Demokratien kann uns diese Entwicklung nicht kalt lassen“, sagte Kanzler Scholz, der von vertrauensvollen und offenen Gesprächen berichtete.
Es habe sich gezeigt: „Unsere Länder und Gesellschaften stehen vor ganz ähnlichen Herausforderungen. Wir können sie meistern, weil wir starke und lebendige Demokratien sind, weil wir innovative und anpassungsfähige Volkswirtschaften sind. Daraus sollten wir Zuversicht und Selbstvertrauen schöpfen.“ Ein „starkes und souveränes Europa“ sei eine wichtige Voraussetzung, „damit wir bei all den globalen Veränderungen unseren Platz in der Welt sichern können“, sagte Scholz.
Zusammenarbeit bei KI ausbauen
Die Klausur habe sich auch der Frage gewidmet, wie die technologische Souveränität Europas weiter zu fördern und voranzubringen ist. Ein Schwerpunkt lag hier auf dem Bereich der Künstlichen Intelligenz.
Der Bundeskanzler sah viel Gemeinsamkeit: Deutschland und Frankreich seien einig beim Ziel, die Chancen des technologischen Fortschritts zu nutzen und die Zukunft mitzugestalten. Im Feld der KI habe man neben den Potenzialen auch die in Europa, in Deutschland und Frankreich vorhandenen Kompetenzen in Wissenschaft und Wirtschaft analysiert. „Da ist mehr möglich“, befand der Kanzler und kündigte an, die Zusammenarbeit noch weiter vorantreiben zu wollen.
Hilfe für Ukraine bleibt wichtig
Aus den bilateralen Gesprächen griff der Bundeskanzler drei weitere Aspekte heraus, die in der Klausur zur Sprache kamen.
- So bleibe die Unterstützung der Ukraine ein wichtiges Anliegen. Akut gehe es darum, im Herbst und Winter die Folgen des russischen Bombenterrors für die Zivilbevölkerung in der Ukraine so gering wie möglich zu halten. Scholz versicherte einmal mehr, dass Frankreich und Deutschland die Ukraine auch langfristig unterstützen werden: „Dazu werden gerade bilaterale Sicherheitszusagen mit der Ukraine verhandelt.“
- „Europa braucht Tempo.“ Mit diesen Worten verwies der Kanzler auf das Vorhaben, den „Dschungel an Paragrafen und Bürokratie“ in der Europäischen Union zu lichten. In Deutschland sei dies auch aus der nationalen Debatte bekannt: „Um die nötigen Veränderungen voranzubringen, um Wachstumskräfte und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu steigern, müssen wir die Bürokratie verringern“, bekräftigte Scholz.
- Auch im Bereich der Migration bestehe zwischen Deutschland und Frankreich eine sehr enge Zusammenarbeit. „Wir brauchen ein gemeinsames europäisches System, das Ordnung, klare Regeln und effektive Verfahren in die irreguläre Migration bringt – darin sind Emmanuel und ich uns einig“, so Scholz. Die Regierungen beider Länder werden die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems „kraftvoll vorantreiben“, so der Kanzler.
Intensiver Austausch zu Energie-Themen
Der Bundeskanzler und der französische Staatspräsident haben sich zudem intensiv über Energiethemen ausgetauscht: „Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, wie wir die Energiesysteme in Europa so gut zusammenbringen, dass wir daraus gute Wachstumsimpulse und geringe Strompreise generieren können. Auch dort sind wir sehr intensiv und sehr konstruktiv dabei, gemeinsame Lösungen zu entwickeln“, so Scholz.
Er betonte die Einigkeit beider Staaten und den Willen zu gemeinsamen Lösungen: „Wir sind in vielem einig – zum Beispiel, dass wir alles dafür tun wollen, dass Europa klimaneutral wirtschaften kann um die Mitte des Jahrhunderts. Die Wege dahin sind unterschiedlich, aber sie passen gut zusammen.“ Er bekräftigte, dass Deutschland in sehr großem Umfang auf den Ausbau Erneuerbarer Energien und den massiven Ausbau der Stromnetze setze - auch in Kooperation mit den Nachbarstaaten, zum Beispiel Frankreich. Auch wenn in Frankreich die Atomenergie eine größere Rolle spiele, sei das kein Anlass für Gegensätze, sondern einfach für unterschiedliche Entscheidungen. „Und wir müssen dafür sorgen, dass die Dinge gut zueinander passen. Unsere Perspektive bei der Frage des künftigen europäischen Strommarktdesigns ist, dass wir am besten dann erfolgreich sind, wenn es eine gemeinsame europäische Lösung gibt.“