POLITIK: Medizinreport
Kardiologie: Wie ischämische Gewebe wieder belebt werden sollen
„Patientendialog mit
Herz“: Siegerbild des
Accu-Chek-Kunstwettbewerbs
Foto: Roche Diagnostics
in Chicago befassten sich mit der Transplantation von Zellen.
Nachdem die Pharmakotherapie über Jahre die Kardiologie bestimmt hat, dominiert derzeit die Grundlagenforschung. Vor allem zwei Bereiche stehen im Zentrum des wissenschaftlichen Austausches, wie sich beim Jahrestreffen der American Heart Association gezeigt hat. Zum einen die veränderte Auffassung der Atherosklerose als inflammatorisches Geschehen, zum anderen die Zelltransplantation zur Wiederbelebung ischämischer Gewebeareale.
Die autologe Transplantation von Skelettmuskelzellen oder Knochenmark (Stammzellen) in totes oder geschädigtes Herzgewebe stellt einen viel versprechenden Weg zur Behandlung von Patienten mit Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz dar. Eine kardiovaskuläre Forschergruppe am Arizona-Herz-Institut injizierte erstmals patienteneigene, noch unreife und im Labor vermehrte (dem Oberschenkel entnommene) Skelettmuskelzellen direkt in das geschädigte Herzareal. Die 16 Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie hatten eine stark reduzierte Herzleistung (Ejektionsfraktion unter 30 Prozent).
Die Applikation erfolgte während eines Bypass-Eingriffs (n = 11) beziehungsweise einer Schrittmacherimplantation (n = 5). Die transplantierten Myoblasten überlebten und gediehen erfolgreich, betonte der Direktor des Arizona Heart Institute, Dr. Nabil Dib. Das infarktgeschädigte Gewebe ließ Zeichen von Reparatur und Wiederbelebung erkennen; die linksventrikuläre Auswurfrate der Patienten besserte sich von im Mittel 22,7 vor der Behandlung auf 35,8 Prozent nach zwölf Wochen, was einer Zunahme um 58 Prozent entspricht.
Einen ähnlichen Therapieversuch unternahm eine polnische Forschergruppe. Zehn Postinfarkt-Patienten erhielten während einer Bypass-Operation eigene, in der Kultur ausgereifte Skelettmuskelzellen direkt in das kardiale Narbengewebe injiziert. Es wurden, wie Prof. Tomasz Siminiak (Poznan) berichtete, keine wesentlichen Komplikationen verzeichnet. Nach vier und acht Wochen konnte eine anhaltende Zunahme der Kontraktilität dokumentiert werden.
Eine englische Forschergruppe um Dr. Manuel Galinanes (Leicester) erzielte bei 14 Postinfarkt-Patienten, die einer Bypass-Operation unterzogen wurden, eine signifikante Verbesserung der Herztätigkeit (gemessen an Pumpleistung und Wandbewegung) durch direkte intrakardiale Injektion von autologem Knochenmark. Das Mark wurde zuvor dem Sternum entnommen und mit Eigenblut verdünnt. Der günstige Effekt war unverändert noch nach zehn Monaten Beobachtungszeit nachweisbar. „Die im Knochenmark enthaltenen Stammzellen differenzieren sich nicht nur zu Myokardzellen, sondern auch zu glatten Gefäßmuskel-, Bindegewebs- und anderen Zellen; auf diese Weise kann eine ganze Gewebestruktur wieder aufgebaut werden“, betonte Galinanes. Die Forscher gehen davon aus, dass die Applikation des Zelltransplantats in Zukunft nicht nur während eines chirurgischen Eingriffs möglich sein wird, sondern auch minimalinvasiv.
Wie die Versuche einer japanischen Forschergruppe zeigen, ist die Transplantation von Knochenmarkzellen auch zur Behandlung der peripher-arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) geeignet. Nach Implantation der Zellen in ischämisches peripheres Gewebe wurde eine gesteigerte Durchblutung dokumentiert, und Amputationen konnten verhindert werden. Prof. Hiroya Masaki von der Universität Osaka behandelte 45 Patienten mit fortgeschrittener ischämischer PAVK entweder mit eigenen mononuklären Knochenmarkzellen (Verum) oder Placebo. Unter Verum zeigte sich, sagte Masaki, eine „erstaunliche“ Formation neuer Kapillaren. Gleichzeitig ergab sich innerhalb von vier Wochen eine signifikante Zunahme des Indexes von Knöchel-Arm-Blutdruck (ankle-brachial pressure index, ABI) von 0,35 (Baseline) auf 0,42. Dieser Index wird zur Beurteilung der Ausprägung einer PAVK herangezogen. Er liegt üblicherweise zwischen 0,30 und 0,91; bei Personen mit kritischer Beinischämie ist er deutlich reduziert (unter 0,4). Die schmerzfreie Gehdauer (Ergometer) verbesserte sich bei den mit Knochenmarkzellen Behandelten von zuvor 1,3 auf 3,6 Minuten nach vier Wochen. 21 von 28 gangränösen Unterschenkeln wurden geheilt.
Masaki und Mitarbeiter wählten für diese neue Angiogenese-Therapie gezielt mononukleäre (CD34) Zellen des Knochenmarks, weil damit endotheliale Vorläuferzellen und vaskuläre Wachstumsfaktoren (VEGF) gleichzeitig verabreicht werden.
Nachwuchsforscher-Preisträger Dr. Jonathan M. Hill (Bethesda) wies auf die besondere Bedeutung von endothelialen Vorläufer-Zellen (endothelial progenitor cells, EPC) des Knochenmarks hin. Seinen Untersuchungen zufolge ist die endotheliale Dysfunktion ein Resultat reduzierter zirkulierender EPC. Verringerte EPC-Konzentrationen werden unter anderem dokumentiert bei Patienten mit erhöhtem Cholesterin-Spiegel, Diabetes oder Bluthochdruck. Diese Risikofaktoren beeinträchtigen bekanntlich die Funktion des Endothels und tragen erheblich zur Entwicklung und Progression der Atherosklerose bei. Die Fähigkeit eines Patienten zur Koloniebildung von EPC wird diesen Erkenntnissen zufolge als biologischer Surrogatmarker für die kumulative endotheliale Dysfunktion betrachtet und gilt folglich als neuer Prädiktor des zukünftigen kardiovaskulären Risikos eines Individuums.
Gefäß-„Verjüngung“ durch vaskuläre Vorläufer-Zellen
Mithilfe der Knochenmarktransplantation konnte im Tierexperiment erstmals der atherogene Prozess aufgehalten werden. Dr. Frederick M. Rauscher (Duke University Durham/North Carolina) berichtete über Versuche mit der Transplantation von aus Knochenmark isolierten vaskulären Vorläufer-Zellen (vascular progenitor cells, VPC). VPC sind notwendig für die Reparatur von geschädigten Blutgefäßen. Atherosklerotische Gefäße zeigen eine erhöhte Umwandlungsrate ihrer konstituierenden Zellen, begleitet von einer Verlagerung hin zu gealterten, dysfunktionellen und proinflammatorischen Phänotypen.
Bei zwölf mit VPC behandelten atherosklerotischen Mäusen wurde innerhalb von 14 Wochen eine signifikante Reduktion der atherosklerotischen Läsionen um 42 bis 69 Prozent (je nach Lokalisation) im gesamten Arterienbaum verzeichnet. Histologisch wurde Differenzierung der VPC in glatte Gefäßmuskel- und Endothelzellen bestätigt. Darüber hinaus beobachteten die Forscher eine Zunahme der Länge der Endothel-Telomere der Aorta, was eine „Verjüngung“ der Vaskulatur anzeige. Brigitte Richter, Tulsa (USA)