Fachthemen
DOI: 10.1002/best.200800637
Jan Knippers
Mohamed Hwash
Umgelenkte Lamellen aus kohlefaserverstärktem
Kunststoff für freistehende Spannglieder
im Konstruktiven Ingenieurbau
Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) besitzt eine Reihe
von ausgezeichneten Eigenschaften mit weitreichenden Anwendungsmöglichkeiten im konstruktiven Ingenieurbau. So werden
schon seit einigen Jahren CFK-Lamellen für die Instandsetzung
und nachträgliche Verstärkung von Bauteilen aus Stahlbeton eingesetzt.
Solche Lamellen könnten auch als freie Spannglieder, z. B.
für extern vorgespannte Stahlbetonbrücken oder für unterspannte Decken im Hochbau, Verwendung finden. Die Empfindlichkeit
von Kohlestofffaserverstärktem Kunststoff für Beanspruchungen
durch Querpressungen macht jedoch die konstruktive Gestaltung
der Endverankerung und der Umlenkung auf einem Sattel
schwierig.
Für die Endverankerung liegen bereits Ansätze von verschiedenen Forschungseinrichtungen vor. In diesem Aufsatz werden die Ergebnisse von Versuchen zur Ermittlung des Einflusses
einer Umlenkung auf die Bruchlast von CFK-Lamellen veröffentlicht.
Behaviour of Deviated CFRP-Strips
Carbon fiber reinforced plastic (CFRP) has a number of excellent
properties with a wide range of application possibilities in structural engineering. In the last two decades, the use of CFRP-Strips
as a reinforcement for concrete members has emerged as one of
the most exciting and promising technologies in structural engineering.
These strips could also be used for external prestressing of
bridges or for unstrained ceilings in high building structures.
Therefore the problematic of the end-anchorage and the deviation of the strips, due to the sensitivity of the carbon fibers to
transverse loads, has to be solved.
Several research institutions have already suggested solutions for CFRP-strip anchorage. In this paper the results of an
experimental program of deviated CFRP-strips at deviation saddle
are introduced. The effects of the different parameters on the
load bearing capacity, strain responses up to failure and the
failure mode of the CFRP-strip at the deviation saddle are investigated.
1 Einleitung
Extrem leichte, nicht korrodierende Kohlefaserlamellen
bieten seit Mitte der 1990er Jahre die idealen Materialeigenschaften, um Bauteile zu verstärken. Die Lamellen
werden mit Breiten zwischen 50 mm und 120 mm und
Dicken von 1,2 mm und 1,4 mm im Pultrusionsverfahren
682
(Strangziehverfahren) hergestellt. Sie haben nicht nur
eine hohe Steifigkeit und Zugfestigkeit, sondern sind zudem wegen ihres geringen Gewichts und ihrer Flexibilität
sehr gut auf der Baustelle handhabbar.
Nach erfolgreichen Versuchen der EMPA Zürich mit
CFK-Lamellen [1], [2] sowie Versuchen und Gutachten
der TU Braunschweig kam es ab 1995 zur ersten Verstärkung mit Carbo-Dur-Lamellen an Loggia-Platten in
Magdeburg. Im November 1997 wurde die erste ,,Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung“ in Deutschland für
Kohlefaserlamellen erteilt [3], [4]. Nach der Zulassung
folgten vielfältige Ertüchtigungen im Hoch- und Brückenbau. Die Lamellen werden i. d. R. mit einem Epoxidharzmörtel schlaff auf die Stahlbetonkonstruktion aufgeklebt.
In diesem Fall können etwa 12 % der Zugkraft der Lamelle ausgenutzt werden [5]. Aufgrund der immer noch hohen
Kosten für CFK-Material bedeutet dies eine spürbare Einschränkung der Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens.
Inzwischen konzentrieren sich die Entwicklungen darauf, die Lamellen unter Vorspannung auf die Stahlbetonkonstruktion aufzukleben, um ihre hohe Grenzdehnung und Festigkeit effektiver auszunutzen. Die Rissbildung
kann vermindert und die Verformungen des Stahlbetonbauwerks damit reduziert werden. Dazu werden jedoch
Endverankerungen benötigt, die die Vorspannkräfte am Lamellenende örtlich konzentriert mit Klemmen im Bauteil
verankern. Wegen der Empfindlichkeit der Kohlefasern auf
Querpressung ist dies nicht einfach. Derzeit wird an verschiedenen Hochschulen an parallelen Entwicklungen für
Klemmverankerungen von CFK-Lamellen gearbeitet.
Der Gedanke liegt nahe, CFK nicht nur für die Verstärkung von Betonbauteilen, sondern auch als freies und
externes Zugglied zu verwenden, zumal Kohlenstofffasern
nahezu dauerschwingfest sind und einen erheblich besseren Ermüdungswiderstand aufweisen als alle metallischen
Werkstoffe. Für solche Anwendungen kommen grundsätzlich auch CFK-Paralleldrahtbündel in Frage, wie sie in [6]
schon verwendet wurden. Allerdings ist die Produktion
der unidirektional verstärkten Lamellen im Pultrusionsverfahren einfacher. Außerdem reduziert der flache Querschnitt die Querpressungen und ermöglicht eine Schichtung mehrerer Lamellen an der Umlenkung. Die geringe
Lamellenstärke erlaubt zudem enge Umlenkradien, wie sie
zwar weniger bei extern vorgespannten Hohlkastenträgern, aber bei unterspannten Decken im Hochbau häufig
erforderlich sind.
© 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 10
J. Knippers/M. Hwash · Umgelenkte Lamellen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff für freistehende Spannglieder im Konstruktiven Ingenieurbau
Um CFK-Lamellen als externe Spannglieder einsetzen zu können, muss der Einfluss der Umlenkung auf die
Bruchkraft bekannt sein. In diesem Aufsatz werden die
Ergebnisse von Zugversuchen an umgelenkten Lamellen
vorgestellt.
2 Kohlenstofffasern
Kohlenstofffasern werden aus Polyacrylnitrilfasern (PAN)
durch Verkokung bis 1.600 oC hergestellt. Durch mechanisches Strecken bei einer Temperatur bis 3.000 oC bildet
sich eine ausgeprägte längsgerichtete Struktur. Kohlenstofffasern sind erhältlich mit E-Moduli zwischen 200 und
800 Gpa und Festigkeiten zwischen 2.000 und 8.000 Mpa
bei einer Dichte von 1,8 g/cm3 [7].
Kohlenstofffasern sind deutlich steifer als andere Verstärkungsfasern, wie Glas- oder Aramidfasern. Sie werden
in Abhängigkeit von ihren Festigkeits- und Steifigkeitsverhältnissen in verschiedene Typen eingeteilt: StandardModul-Fasern (HT), Intermediat-E-Modul-Fasern (IM)
und Hoch-Modul-Fasern (HM). Die hochfesten Fasern
(HT) decken 90 % des Bedarfs an Kohlenstofffasern im
Bauwesen.
Alle Verstärkungsfasern verhalten sich bis zum Bruch
linearelastisch. Kohlenstofffasern haben dabei den größten Elastizitätsmodul, während Glas- und Aramidfasern
höhere Bruchdehnungen als CFK aufweisen (Bild 1) [8].
Tabelle 1 stellt die Materialeigenschaften von Kohlenstofffasern dar [9]. HT-Fasern werden i. d. R. mit einer
Zugfestigkeit von 3.500 N/mm2 und einem Elastizitätsmodul von 230.000 N/mm2 hergestellt. Es kann eine
Bruchdehnung bis zu 2 % erreicht werden. Hingegen besitzen die HM-Fasern einen hohen Elastizitätsmodul von
i. d. R. 700.000 N/mm2, jedoch niedrigere Festigkeiten
Bild 1. Spannungs-Dehnungslinien der Fasern [8]
Fig. 1. Stress- Strain curves of the fibres [8]
von 3.000 N/mm2. Ihre Bruchdehnung liegt bei nur etwa
0,8 %.
Kohlenstofffasern sind anisotrop. In Faserquerrichtung weisen sie geringere E-Moduli bis etwa
20.000 N/mm2 auf. Die Anisotropie betrifft auch den
Wärmeausdehnungskoeffizienten, der in Faserrichtung
negativ ist. Quer zur Faser liegt er bei ca. 7.10–6 · K–1. Kohlenstofffasern sind spröde und knickempfindlich, weshalb
sie einen Oberflächenschutz mit einem Epoxidharzgemisch erhalten.
Für die Anwendungen im Bauwesen sind Kohlenstofffasern in Drähten, Litzen, Lamellen oder Matten erhältlich. Die Kohlenstofffaser-Lamellen (CFK-Lamellen)
werden vorwiegend als Verstärkungselement für Betonbauwerke verwendet (Bild 2). Sie sind meist als Ergänzung zur vorhandenen Stahlbewehrung im Bereich der
Zugzone von biegebeanspruchten Bauteile vorgesehen.
Tabelle 1. Materialeigenschaften von Kohlenstofffasern [9]
Table 1. Material properties of Carbon fibre composites [9]
Physikalische Eigenschaften
Einheit
Kohlenstofffasern auf PAN-Basis
HT
HS
IM
HM
HMS
Durchmesser
d
[µm]
7–8
7
7
5–7
5
Dichte
ρ
[g/cm3]
1,75
1,8
1,8
1,7
1,9
1,8
1,95
1,85
Zugfestigkeit
fcf,t,K
[N/mm2]
2.700
5.000
3.900
7.000
3.400
5.900
2.800
3.000
3.600
Druckfestigkeit
fcf,c,K
[N/mm2]
2.500
–
4.200
1.500
1.800
E-Modul (Zug)
Ecf,t
[N/mm2]
200.000
240.000
230.000
270.000
280.000
400.000
350.000
800.000
400.000
500.000
Bruchdehnung
εu
[%]
1,2
2,0
2
1,0
1,9
0,4
0,8
0,6
0,8
Wärmeausdehnung
αT,axi
[10–6 K–1]
–0,7 bis –0,5
–0,7 bis –0,5
–0,7 bis –0,5
–0,7 bis –0,5
–0,7 bis –0,5
Wärmeausdehnung
αT,rad
[10–6 K–1]
7–10
7–10
7–10
7–10
7–10
Reißlänge (min)
fcf,t,K/ρg [km]
150
220
180
140
120
Dehnlänge (min)
Ecf,t/ρg [km]
12.000
13.000
15.000
18.000
22.000
Einsatztemperatur
TE,lang [°C]
500
500
500
500
500
Sublimationspunkt
TS
3.600
3.600
3.600
3.600
3.600
[°C]
Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 10
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Bild 2. Einsatz von kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK)
in Lamellenform zur Bauwerksertüchtigung, Firma Sika AG
[7]
Fig. 2. Usage of CFRP-Strips for strengthening and rehabilitation of structures [7]
Eine Lamelle von 50 mm Breite und 1,2 mm Dicke
besteht aus 1,2 Millionen Kohlenstofffasern mit einem
Durchmesser von 1/6.000 Millimeter. Die Lamellen werden im Pultrusionsverfahren mit einem Fasergehalt von
70 Vol % hergestellt, die Fasern sind unidirektional angeordnet [7].
3 Versuche zur Umlenkung von CFK-Lamellen
Mit den im Folgenden dargestellten Versuchen sollten die
Bruchlasten umgelenkter CFK-Lamellen ermittelt werden,
um ihre grundsätzliche Brauchbarkeit als externes Spannglied zu beurteilen. Es wurden Versuche mit verschiedenen Umlenkwinkeln und Umlenkradien durchgeführt, um
den Einfluss dieser Parameter auf die Bruchlast zu erfassen. Laut Herstellerangaben beträgt für die CFK-Lamelle
Sika CarboDur V914 der E-Modul 160 kN/mm2 und die
Zugfestigkeit mindestens 2.900 N/mm2. Die Bruchdehnung liegt zwischen 1,7 bis 2 %. Bild 3 stellt den Versuchsaufbau für den Umlenkwinkel 110° beispielhaft dar.
Die Umlenkwinkel betragen 0°, 30° und 110° und
der Radius der Umlenkung 150 mm. Damit war das Verhältnis von Umlenkradius zu Lamellendicke 107 und somit erheblich größer als 30, wie er beispielsweise als
Mindestwert für die Umlenkung von Spiralseilen in der
DIN 18800 definiert wird. Zunächst wurde eine glatte
Oberfläche aus Stahl mit Grundierungsbeschichtung als
Kontaktfläche zwischen CFK-Lamelle und Sattel eingesetzt.
Bild 3. Versuchsaufbau umgelenkte Lamelle bei Umlenkwinkel 110°
Fig. 3. Test set-up for deviated CFRP-Strip at 110° angle
müssen die hohen Vorspannkräfte von der Lamelle auf
die Endverankerung, andererseits von der Endverankerung in den Konstruktionsbeton übertragen werden. Es
wurden in der Baupraxis mehrere Vorspannsysteme für
CFK-Lamellen eingesetzt, wobei man zwischen aktiven
und passiven Anpressdruckankern und Gradientenverankerung unterscheiden kann [8], [10], [11]. Das System
Leoba CarboDur LC-II ist bisher das einzige Spannverfahren, das die Forderung der ‚Guidelines for European Technical Approvals of Post-Tensioning Kits’ (ETAG 013) nach
„Spanngliedbruch vor Verankerungsbruch“ erfüllt. Das
System wurde erstmals im September 2001 bei der Koppelfugensanierung an der Körschtalbrücke bei Stuttgart
erfolgreich eingesetzt (Bild 4)[10].
3.1 Angewendete Endverankerungen
Aufgrund der Querdruckempfindlichkeit der CFK-Lamellen stellt die Konstruktion der Endverankerung die größte
Herausforderung bei der Weiterentwicklung dieser Bauweise zum Einsatz vorgespannter Lamellen dar. Einerseits
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Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 10
Bild 4. Verankerungsdetail System LC-II; Aushärtungsphase
(mittlere Lamelle) und vorgespannte Lamellen (äußere
Lamellen) bei Körschtalbrücke Stuttgart [10]
Fig. 4. Anchoring details for system LC-II; hardening process
and prestressing process at „Körschtalbrücke“ Stuttgart [10]
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Dadurch wird eine Vergleichmäßigung der Schubspannungen erreicht. Die optimierte Geometrie, die querdruckverteilenden Traversen sowie die Verklebung der Klemmflächen mit den Ankerplatten steigern die aufnehmbare Ankerkraft über die Bruchlast der CFK-Lamelle hinaus.
Die Dehnungen während der Aushärtungszeit der
permanenten Anker sind in Bild 7 dargestellt. Man kann
erkennen, dass kein Spannungsverlust in der CFK-Lamelle bis Ende der Vorspannphase auftritt. Die konstanten
Dehnungswerte deuten darauf hin, dass es keinen Schlupf
zwischen der Lamelle und der Verankerung gibt.
3.2 Vorversuch
Die angewendete Verankerung basiert auf den
Grundprinzipien von LC-II.
Die Verankerung wurde beidseits gelenkig an dem
Rahmen der Prüfeinrichtung befestigt, so dass sie unter
Last rotieren kann, ohne dass Knickstellen in der Lamelle
auftreten (Bild 5).
Bild 6 zeigt die Dehnungen der CFK-Lamelle bis zum
Anfang der Aushärtungszeit der Permanentenanker. Der
Vorspannvorgang ist wie folgt:
− der Klebstoff-Mix wird auf die Grundplatte und auf beide Oberflächen der Lamelle aufgetragen, die temporären und permanenten Anker lose angebracht und der
erste Höckersteg vorgespannt
− nach Vorspannung jedes der vier Höckerstege bei Schrittweise erhöhter Lamellenkraft, wird diese 24 Stunden
konstant gehalten, bis der Kleber ausgehärtet ist
− nach Aushärten des Klebers wird der permanente Anker
vorgespannt
− durch Entfernen der temporären Anker wird die Vorspannkraft auf den permanenten Anker verlagert
DMS 2
DMS 3
DMS 4
Vorspann
Stufe 1
400
DMS 4
8
12
16
20
Zeit (h)
Bild 7. Vorspannkraft der CFK-Lamelle während der Aushärtungszeit der permanenten Anker
Fig. 7. Prestressing of the CFRP-Strip during the hardening
process
F [kN]
200
DMS 2
DMS 3
300
Auftragen des Klebstoffs,
Installation Höckersteg 1
0
4
DMS 1
400
Dehnung [%]
DMS 1
0
Vorspann
Stufe 4
Installation
Höckersteg 4
Dehnung [%]
Bild 5. Verankerung der CFK-Lamelle
Fig. 5. CFRP-Strip Anchorage
Um die Traglast der umgelenkten CFK-Lamelle zu beurteilen, wurde ein erster Test mit einer CFK-Lamelle
90 × 1,4 mm und einer Umlenkung von 110° durchgeführt.
Nach der Aushärtungsphase wurde die Lamelle auf verschiedenen Laststufen be- und entlastet bis etwa 55 % der
Traglast der Lamelle erreicht wurde.
Die Dehnung der Lamelle wurde an verschiedenen
Stellen gemessen (Bild 3), um Reibungsverluste durch die
Umlenkung im Sattel zu erfassen. Bild 8 stellt das LastDehnungsdiagramm dar. Es ist deutlich zu erkennen, dass
die maximale Dehnung bei DMS 2 auftritt. Dieser befindet
600
200
100
800
1000
1200
Zeit (sek.)
Bild 6. Dehnungen der CFK-Lamelle während des Vorspannens bis zum Anfang der Aushärtungszeit der permanenten
Anker
Fig. 6. Gradual prestressing of the CFRP-Strip until the hardening process of the permanent Anchor
DMS 1
DMS 2
DMS 3
DMS 4
0
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
Dehnung [%]
Bild 8. Last-Dehnungsdiagramm Lamelle 90 × 1,4 mm bei
Umlenkwinkel 110°
Fig. 8. Load-strain curves on Strip 90 × 1.4 for deviation
angel 110°
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Bild 9. Umgelenkte Lamelle während Aushärtungsphase bei
Umlenkwinkel 110°
Fig. 9. Deviated CFRP-Strip during the hardening process
for deviation angel 110°
Bild 10. Umgelenkte Lamelle während Aushärtungsphase
bei Umlenkwinkel 30°
Fig. 10. Deviated CFRP-Strip during the hardening process
for deviation angel 30°
160
400
350
300
DMS 1
DMS 3
DMS 4
DMS 2
140
F [kN]
F [kN]
DMS 2
DMS 5
100
250
200
80
150
60
100
40
50
20
0
0,00
DMS 1
DMS 4
120
0
0,20
0,40
0,60
0,80
1,00
1,20
1,40
1,60
1,80
Dehnung [%]
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
1,4
1,6
1,8
2
Dehnung [%]
Bild 11. Last-Dehnungsdiagramm für umgelenkte Lamelle
mit Winkel 110°; F = Maschinenlast
Fig. 11. Load-strain curves for CFRP-Strip for angel 110°;
F = Force of the testing device
Bild 12. Last-Dehnungsdiagramm für umgelenkte Lamelle
mit Winkel 30°; F= Maschinenlast
Fig. 12. Load-strain curves for CFRP-Strip for angel 30°;
F = Force of the testing device
sich an dem freien Ende des Sattels. An dieser Stelle enthält
die Dehnung Anteile aus der Umlenkung der Lamelle, so
dass sie größer ist als an DMS 1. Aufgrund der Reibung zwischen der Lamelle und Sattel nimmt die Dehnung ab und
ist bei DMS 4 am geringsten. Die maximal gemessene Dehnung war 1,1 % und liegt damit bei 55 % der Bruchdehnung
der Lamelle, ohne dass eine Schädigung zu erkennen war.
Eine weitere Steigerung war aufgrund der Maximalkraft der
Prüfeinrichtung nicht möglich.
Umsetzen der Spannkraft vom Temporär- auf den Permanentanker, bzw. der Spannkraft nach dem Aushärten der
Klebeschicht. Es ist ersichtlich, dass die Reibung zwischen
Lamelle und Oberfläche des Sattels eine wesentliche Rolle
bei den Lamellendehnungen spielt. Die höchste Dehnung
trat bei DMS 2 für Umlenkwinkel 110° auf, während für einen Umlenkwinkel von 30° die höchste Dehnung bei
DMS 4 auftrat. Die kleine Kontaktfläche führt zu niedrigeren Reibungseffekten zwischen Lamelle und Sattel, während die Umlenkung zusätzliche Dehnung an DMS 4 zur
Folge hat.
Bei Bruchversuchen an CFK-Lamellen ist zu beachten, dass sie bei Versagen explosionsartig zu staubartigen
Partikeln (Bild 13) zerfallen. Dies macht eine aufwändige
Umhausung der Versuchseinrichtung erforderlich.
3.3 Versuchsprogramm
In der Folge wurden die Prüflasten beschränkt, indem die
Lamellenbreite außerhalb des Verankerungsbereichs reduziert wurde. Da die Fasern nur einachsig in Längsrichtung liegen, war es ausreichend, die Lamellen mit der
Schere beidseitig und an beiden Verankerungen um je
2 cm einzuschneiden, so dass unter Last seitliche Streifen
von der Lamelle abfallen. Die sich lösenden Streifen sind
in den Bildern 9 und 10 zu erkennen.
Die Bilder 11 und 12 zeigen die Last-Dehnungsdiagramme für die Umlenkwinkel 110° und 30°. Die Anfangsdehnungen ergeben sich aus der Vorspannkraft nach dem
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Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 10
3.4 Querpressung und Abminderungsfaktor
Um den Abminderungsfaktor der umgelenkten CFK-Lamelle zu ermitteln, war es erforderlich, Versuche an geraden Lamellen mit reduziertem Querschnitt außerhalb der
Verankerungsbereichs durchzuführen (Bild 14). Die Dehnung wurde wieder gemessen, um die Ursache des Versa-
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gens zu beurteilen. Die dargestellten Ergebnisse zeigen,
dass die Lamelle aufgrund der erreichten Bruchdehnung
versagt hat und nicht wegen höher beanspruchter Querpressung in der Verankerung (Bild 15). Somit wurden ein
mittlerer Dehnungswert von 2,0 % und eine mittlere
Bruchkraft von 258 kN gemessen. Damit ist die gemessene Bruchkraft 20 % größer als die charakteristische Kraft
der reduzierten Lamelle nach den Herstellerangaben.
Die ermittelten Bruchkräfte der Lamellen, sowie
Abminderungsfaktoren und Querpressungen sind in Tabelle 2 dargestellt.
Die Querpressung wird dabei rechnerisch ermittelt mit:
σ=
Bild 13. Lamellenbruch zwischen Verankerungen auf der
freien Spannlänge
Fig. 13. Fracture of CFRP-Strip between anchors
T
kN/m
r·b
mit:
σ Querpressung
T Kraft in der Lamelle
r Sattelradius = 150 mm
b Breite der Lamelle
Nach ETAG 013 „Europäische technische Zulassung für
Bausätze zur Vorspannung von Tragwerken“ liegen die erreichten Bruchlasten unterhalb des formulierten Akzeptanzkriteriums von 95 % der Bruchfestigkeit der geraden
Lamellen. Da der Umlenkradius konstant war, spielt offenbar nicht nur die Querpressung, sondern auch der Umlenkwinkel, bzw. die Länge des auf Querpressung beanspruchten Teils der Lamelle eine Rolle.
3.5 Versuche mit größerem Umlenkradius
Bild 14. Gerade
Lamelle während Aushärtungsphase
Fig. 14. CFRP-Strip
during the hardening
process for deviation
angel 0°
Es wurden weitere Versuche mit einem Umlenkradius von
1.000 mm und einem Umlenkwinkel von 30° durchgeführt. Bei diesem Versuch ist die Kontaktlänge zwischen
der Lamelle und dem Sattel größer und somit ist die Länge des auf Querpressung beanspruchten Teils wesentlich
größer als bei einem Umlenkradius von 150 mm. Die
DMS sind ähnlich wie bei einem Winkel von 110° positioniert. Die größte Dehnung trat wieder an DMS 2 aufgrund
des Krümmungsanteils auf, während an DMS 4 aufgrund
160
300
120
DMS 1
DMS 2
DMS 3
DMS 4
F [kN]
250
F [kN]
200
80
150
40
100
50
0
0,00
0
0,00
0,40
0,80
1,20
1,60
2,00
2,40
Dehnung [%]
Bild 15. Last-Dehnungsdiagramm für gerade Lamelle mit
Winkel 0°; F = Maschinenlast
Fig. 15. Load-strain curves for CFRP- Strip for angel 0°;
F = Force of the testing device
0,40
0,80
1,20
1,60
2,00
Dehnung [%]
Bild 16. Last-Dehnungsdiagramm für umgelenkte Lamelle
mit Winkel 30° und Umlenkradius 1000 mm; F = Maschinenlast
Fig. 16. Load-strain curves for CFRP-Strip for angel 30° and
deviation radius 1000 mm; F = Force of the testing device
Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 10
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Tabelle 2. Zugversuche an umgelenkten CFK-Lamellen, (Radius Umlenksattel = 150 mm; α = Umlenkwinkel; F = Kraft im
Prüfzylinder; T = Bruchkraft in Lamelle; δ = Abminderungsfaktor Tαaverage/T0average; σ = rechnerische Querpressung)
Table 2. Tensile test of CFRP-Strips, (Deviation saddle radius = 150 mm; α = Deviation Angle; F = Force of the testing
device; T = Strip fracture Force; δ = Reduction ratio Tαaverage/T0average; δ = contact pressure)
Gruppe
α
Probekörper
F
T
Taverage
δ
σ
[kN]
[kN]
[kN]
[–]
[N/mm2]
A
110 °
A1
A2
A3
305
310
320
187
189
195
190
0,74
25
25
26
B
30 °
B1
B2
B3
130
134
139
222
229
235
229
0,89
30
31
31
C
0°
C1
C2
C3
257
256
260
257
256
260
258
1
–
–
–
der Reibung eine wesentlich niedrigere Dehnung gemessen wurde (Bild 16). Dabei wurde eine Bruchkraft von
245 kN (ca. 95 % der Lamellenbruchkraft) erreicht und
die zugehörige Querpressung ist mit dem Wert 5 kN/mm
ca. 6fach kleiner als bei einem Radius von 150 mm. Bei
diesen Parametern liegen die erreichten Bruchlasten innerhalb des formulierten Akzeptanzkriteriums nach
ETAG 013.
4 Ausblick
Die Ergebnisse zeigen, dass die Bruchkraft der Lamelle
durch die Umlenkung maßgeblich reduziert wird, auch
wenn der Radius der Umlenkung im Verhältnis zur Dicke
der Lamelle vergleichsweise groß ist.
Im Rahmen der bisher durchgeführten Versuche
konnte der Einfluss weiterer Parameter wie Radius und
Oberflächenbeschaffenheit des Sattels bzw. Reibung im
Sattel nicht abschließend geklärt werden. Zurzeit werden
weitere Versuche vorbereitet, um diese Fragen zu beantworten.
Literatur
[1] Deuring, M.: Brandversuche an nachträglich verstärken
Trägern aus Beton, EMPA Report No. 148795. EMPA, Dübendorf, Switzerland, 1994.
[2] Meier, U.: EMPA/SIA Studientagung Zürich 9, 1995.
[3] Deutsches Institut für Bautechnik, Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-36.1-30 Schubfeste Klebverbindung zwischen Stahlplatten und Stahlbetonteilen ... mit dem System
Sikadur 30 und Icosit 277 Primer 4, 1995.
[4] Deutsches Institut für Bautechnik: Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-36.12-29 Sika-CarboDur, 11. 11. 1997.
[5] Zehetmaier, G.: Entwicklung mechanischer Endverankerungen für aufgeklebte CFK-Lamellen in Massivbau 2000:
Forschung, Entwicklungen und Anwendungen, Technische
Universität München, 2000.
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Bildnachweis
Bilder 9, 10, 14: Heyer/Mikrantsch/DG 1, Universität Stuttgart.
Prof. Dr.-Ing. Jan Knippers
Leiter
[email protected]
Dipl.-Ing. Mohamed Hwash
wissenschaftlicher Mitarbeiter
[email protected]
Universität Stuttgart
Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (itke)
Keplerstraße 11
70174 Stuttgart