Die Hooker Insel liegt innerhalb des im Archipels in dessen Südwesten, auf der Ostseite des British Channel. Ihre größten Ausdehnungen liegen bei ca. 35 km. Die Landschaft der Hooker Insel ist typisch für große Teile von Franz-Josef-Land: ein plateauartiger Inselkörper mit einer Abdeckung aus verwitterungsresistenten vulkanischen Gesteinen sorgt für relativ steile Küstenabstürze, wobei die Küstenlinie im Falle von Hooker stärker durch zahlreiche markante Kaps und überwiegend vergletscherte Täler gegliedert ist. Im Inneren der Insel überragen einzelne Gipfel mit bis ca. 570 m Höhe das Land, das größtenteils von Gletschern und Eiskappen bedeckt ist. Auch die Uferlinie besteht größtenteils aus Eisabbruchkanten. Größere eisfreie Gebiete gibt es nur auf der Westseite, insbesondere im Südwesten um Kap Dundee. Der in der Regel interessanteste Teil von Hooker ist die Stille (Tichaja) Bucht im Nordwesten der Insel, die gleich zwei Attraktionen bietet: Rubini Rock und die ehemalige Tichaja (Sedow) Station.
Klimatisch gehört Hooker zu den mildesten Teilen des Archipels - die Meerestemperatur liegt hier im Sommer üblicherweise knapp über dem Gefrierpunkt, im Gegensatz zu den Teilen des Archipels im Norden und Osten.
Auf Hooker wurden zum einen fossile Knochen eines Plesiosaurus gefunden, ferner ca. 1300 Jahre alte Rentiergeweihe, wohl von einem kürzeren Einwanderungsschub der Tiere im damals milderen Klima des mittelalterlichen Klimaoptimums, das auch den Wikingern bei ihrer Expansion half. Durch die nachfolgende Kleine Eiszeit gibt es heute keine Rentiere mehr in Franz-Josef-Land.
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Geschichte - Zusammenfassung
Chronik - detailliertere Geschichte Jahr für Jahr
Die Hooker Insel wurde bereits 1874 durch die letzte Erkundungstour der TEGETTHOFF Expedition von der McClintock Insel aus von Osten her gesichtet, dabei jedoch nicht als eigenständige Insel erkannt. Die Südküste wurde durch die Expeditionen von Leigh Smith 1880 und 1881/82 erreicht, die allerdings stark mit Meereis zu kämpfen hatten. Die erste genauere Kartierung erfolgte durch die Jackson-Harmsworth Expedition (1894-97). 1913/14 nutzte der russische Marineoffizier Georgiy Sedow die Stille Bucht mit seinem Expeditionsschiff ST. ANNA als Überwinterungsbasis, von der auch systematisch wissenschaftliche Daten gesammelt wurden. Sedow starb während seines Versuchs eines Vorstoßes zum Nordpol im folgenden Frühjahr bei der Rudolf Insel.
Nicht zuletzt wegen der erfolgreichen ersten Überwinterung durch die Sedow Expedition (einschließlich dadurch bereits vorhandener erster Datenreihen) wählte die Sowjetunion die Stille Bucht als Standort für ihre erste permanente Station im Archipel, Tichaja, deren erste Anlagen 1929 durch den sowjetischen Eisbrecher GEORGIY SEDOW hier an Land gebracht wurden. Weiteres siehe unten: Tichaja (Sedow) Station.
Namen: Die Hooker Insel wurde 1880 von Benjamin Leigh Smith benannt, nach Sir Joseph Darlton Hooker, Naturwissenschaftler der Antarktis Expedition unter Ross 1939 mit den Schiffen EREBUS und TERROR. Teilweise findet sich auf Karten auch der Name Gukera statt Hooker (Namensverwirrung).
Insgesamt gehen die Namen vor allem auf Leigh Smith (1880 und 1881/82, neben dem Namen der Insel selbst auch Kap Dundee (schottische Hafenstadt)) und auf Jackson zurück: Rubini Rock, Kap Albert Markham (Albert Hastings Markham, 1841-1918, britischer Marine- und Walfangoffzier und Polarforscher), Kap Cecil Harmsworth (1869-1948, englischer Politiker, jüngerer Bruder von Alfred Harmsworth), Kap Lewis Poole (D. Lewis-Poole, Secretary of the Royal Societies Club).
Weitere Namen gehen auf die Sedow Expedition 1913/14 zurück: Tichaja Bucht (= Stille Bucht), Kap Ciurlionis und Ciurlionis Eiskappe (Mikalojus Konstantinas Ciurlionis, 1875-1911, von Sedow geschätzter litauischer Komponist und Maler, sein Gemälde "Serenity" erinnert an Rubini Rock), Kap Sedow (Standort der späteren Sedow Station in der Tichaja Bucht), Sedow Gletscher (in die Tichaja Bucht mündend).
Ebenfalls nach russischen Polarpionieren sind benannt: Kap Albanow (Valerian Albanow, 1881-1919, Steuermann und einer der beiden Überlebenden der Brussilow Expedition 1912-14), Kap Breitfuss (Leonid Breitfuß, 1864-1950, Biologe, Polarforscher, Organisator mehrerer Rettungsaktionen für russische Polarexpeditionen, Mitglied Aeroarctic).
Der Rubini Rock in der Tichaja Bucht ist zum einen eine imposante Felsformation mit seinen teils komplizierten Oberflächenstrukturen aus teils gekrümmten Basaltsäulen, die durch farbenfrohen Flechtenbewuchs und saftig grüne sommerliche Vegetation in weniger steilen Bereichen zusätzliche Attraktivität bekommt. Gleichzeitig bietet er die mit ziemlicher Sicherheit größte Ansammlung von dicht an dicht liegenden Brutplätzen von Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen (daneben: Gryllteisten, Eismöwen, u.a) des ganzen Archipels. Die hauptsächliche Brutzeit liegt im Juli, teilweise bis in den August hinein. Doch auch danach nutzt ein Teil der Vögel den Felsen noch als Basis, hinzu kommen Nachzügler bei der Brut.
Touristisches: Da die Felswand an der westlichen Spitze des Felsens senkrecht ins Wasser abfällt, reicht hier die Wassertiefe für eine Annäherung selbst tiefgängiger Eisbrecher bis auf wenige Meter. Während der Brutzeit sollte jedoch ein etwas größerer Abstand eingehalten werden, um mögliche Panikaufflüge der Vögel und damit verbundene Abstürze von Eiern und Jungen zu verhindern. Genauso wichtig ist diszipliniertes Verhalten an Bord: Herumschreien (auch aus Begeisterung) und hektische Bewegungen sind zu vermeiden. Die frühere Unsitte der Benutzung des Schiffshorns in der Nähe von Vogelfelsen, um ein spektakuläres Panik-Auffliegen auszulösen, ist meines Wissens zum Glück am Rubini Rock zumindest bei touristischen Fahrten bisher unterlassen worden.
Die Besteigung des Rubini Rock von der Rückseite her ist relativ einfach, sofern die Eisverhältnisse eine Landung an der niedrigen Landbrücke zwischen dem östlich gelegenen Kap Ciurlione und dem von dort nach Westen ansteigenden Rubini Rock gestatten. Eine Annäherung an die eigentlichen Brutbereiche ist von Land her jedoch nur in anspruchsvoller Kletterei möglich - insofern ist die Perspektive vom Schiffsdeck auf die Vögel wesentlich besser und sicherer. Unbedingt vermieden werden sollten jedoch Exkursionen in die südliche und nördliche Flanke des Felsens, deren Schutthänge dank guter Düngung von einer üppigen Moosvegetation bedeckt sind. Dieses Moos liegt nur ganz locker auf dem Schutt auf. Jegliches Begehen dieser bemoosten Schutthänge führt praktisch unvermeidlich zu starken Vegetationsschäden.
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Die ab 1929 errichtete und durchgängig bis 1959 betriebene Station war die erste wirklich dauerhaft betriebene und dafür geplante Basis im Archipel und gleichzeitig natürlich eine Unterstreichung der sowjetischen Ansprüche. Die Besatzungsstärke schwankte zwischen ca. 20-50, sogar Babies wurden hier geboren, und die Station arbeitete als einzige sowjetische im Archipel den ganzen 2. Weltkrieg hindurch, ohne daß es dabei zu Berührungen mit der kleinen deutschen Kriegswetterstation in rund 100 km Abstand auf Alexandra Land kam.
1931 besuchte das deutsche Luftschiff GRAF ZEPPELIN mit einer internationalen Expeditionsteilnehmergruppe zur Erkundung der russischen Arktis aus der Luft unter anderem auch die Tichaja Station, wobei Post ausgetauscht und auch Kontakt mit dem ebenfalls anwesenden Eisbrecher MALYGIN aufgenommen wurde, auf dem sich Nobile aufhielt, um weiter nach eventuellen Überlebenden der ITALIA Katastrophe Ausschau zu halten.
Die Station war Teil der Zusammenarbeit während des 2. Internationalen Polarjahres 1932/33, während dessen auch ein deutscher Meteorologe dem Überwinterungsteam angehörte. In der Regel war die Station und der ganze Archipel jedoch für Ausländer (wie auch für die meisten Sowjetbürger) unzugänglich.
Ab 1934 diente die Station auch wiederholt als Basis kleinerer sowjetischer Erkundungsflugzeuge, wobei sich das Gelände in der Umgebung jedoch nur wenig für eine Flugpiste eignete, sodaß die meisten Flugbewegungen im Winter stattfanden, wenn das Eis der Bucht freigeräumt und als Flugplatz genutzt werden konnte - dies war in der Regel mindestens 6 Monate des Jahres möglich.
Ab 1959 wurde Tichaja zugunsten der neuen Krenkel Station auf der Hayes Insel aufgegeben, die einerseits hinsichtlich der Anlage einer Flugpiste günstiger lag, und andererseits ein für den Archipel typischeres Klima aufwies, als Tichaja mit seinem vergleichsweise milden Klima, das nur für den Südwesten von Franz-Joseph-Land charakteristisch ist. Seitdem verfallen die Gebäude und Anlagen, in Tichaja. Obwohl durch eingedrungenen Treibschnee und die daraus resultierende Nässe im Sommer mit nachfolgender Frostwirkung im Winter im Inneren bereits stark verfallen, lassen die Gebäude den Besucher noch heute ahnen, daß es hier trotz harter klimatischer Bedingungen und der Isolation durchaus auch gemütlich gewesen sein kann.
Ein paar Gebäude wurden jedoch immer wieder kurzzeitig insbesondere in Sommern für sowjetische Forschungsprojekte genutzt und deshalb einigermaßen instand gehalten. 1991-93 diente ein Haus von Tichaja, wieder hergerichtet, einem russisch-norwegisch-polnischen Forschungsprojekt als Sommerbasis. Darüber hinaus gab es in dieser Zeit des Aufbruchs und geringer staatlicher Kontrolle hochfliegende halbprivate russische Pläne für eine Reaktivierung von Teilen der Tichaja Station für internationale Projekte, die mit der Rückkehr staatlicher Autorität und den damit verbundenen neuen Zugangsschwierigkeiten nach Franz-Joseph-Land rasch wieder verschwanden.
Aktuell dienen zwei renovierte Gebäude in Tichaja der Nationalparkverwaltung als Sommer-Forschungsbasis - unter anderem auch für die Dokumentation und Erforschung der Geschichte der Tichaja Station. Im Sommer 2012 war das Stationsteam zusätzlich damit beschäftigt, den Bereich der Anlage vom Müll der vergangenen Jahrzehnte zu säubern, der Ende August vom Versorgungsschiff SOMOW abgeholt wurde.
Darüber hinaus gibt es vage Ideen, die Station teilweise als eine Art Freilichtmuseum zu erhalten und hier ein Nationalpark-Informationszentrum einzurichten.
Touristisches: Die Tichaja Station wird von etlichen der wenigen touristischen Reisen nach Franz-Joseph-Land besucht und ist frei zugänglich, wobei auch hier das Vermeiden von Schäden ein Anliegen sein und der Souvenirsammeltrieb unterdrückt werden sollte. Beliebte Fotomotive sind die alten Flugzeugwracks und der kleine Friedhof und die Sedow-Gedenkkreuze auf dem Plateau direkt am oberen Rand der Station, sowie natürlich allerlei Details und Perspektiven in und an den Gebäuden. Das von Fotografen geschätzte, exponiert über einem Abhang "schwebende" ehemalige Klohäuschen ist leider ca. 2010 abgestürzt. Das meiste befindet sich in offensichtlichem Verfall, doch ist Tichaja wesentlich weniger mit problematischen Altlasten behaftet, als neuere Stationen.
Wichtig ist eine sorgfältige Kontrolle sämtlicher Gebäude und sonstiger Verstecke im und um den Ort hinsichtlich eventuell anwesender Eisbären durch die bewaffneten Betreuer einer Reisegruppe, bevor den Gästen der Landgang gestattet werden kann: nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Gebäude ist die Lage in Tichaja schwer übersehbar. Es hat bereits mehrere Fälle gegeben, wo Landungen hier von vornherein abgesagt oder vorzeitig abgebrochen werden mußten, weil sich Eisbären zu nah oder zwischen den Gebäuden aufhielten oder sich der Station näherten, während die Reiseteilnehmer dort an Land waren. Viele Menschen an Land in einem unübersichtlichen Stationsbereich ist eine ungünstige Situation, nicht nur wegen der Teilnehmersicherheit, sondern weil auch der Abschuß eines Bären vermieden werden soll. Einer der ganz wenigen Bären-Abschüsse in Franz-Joseph-Land in Zusammenhang mit einer touristischen Landung fand 1995 im Bereich der Sedow Station statt.
Siehe auch: Reisemöglichkeiten