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Home | Update | LATEST ISSUE | Gallery | FR Inside | Datafiles | FR 2/75 PILOT REPORT SAAB VIGGENDas schwedische Mehrzweck-Kampfflugzeug Saab 37 Viggen wurde unseren Lesern bereits In Heft 4/74 in einem ausführlichen technischen Bericht vorgestellt. Unser schweizerischer Korrespondent Paul Küng legt nun einen Bericht vor, der die fliegerischen Qualitäten dieses Flugzeugs schildert, das In den achtziger und neunziger Jahren das Hauptwaffensystem der schwedischen Luftstreitkräfte sein wird. Das Fazit des Autors: Das Waffensystem Saab 37 Viggen Ist auch aus der Sicht des Piloten ein einzigartiger Entwurf. Auf Einladung des Verteidigungsministeriums und der Luftstreitkräfte Schwedens hatte ich im vergangenen Jahr Gelegenheit, den Stützpunkt eines Viggen-Geschwaders zu besuchen und die ZweisitzerVersion dieses modernsten schwedIschen Kampfflugzeugs zu fliegen (siehe auch den technischen Bericht über die Saab Viggen in FR 4/74). Zu der In Satenäs In Südwestschweden liegenden Flygflottilj 7 - was auf Deutsch etwa Flugverband 7 bedeutet - gehören etwa 45 Piloten, die drei Staffeln bilden. Das Alter der Piloten schwankt zwischen 22 und 39 Jahren. Was die Flugstundenzahl angeht, so liegt sie zwischen 450 und 2700 - davon wurden auf dem Viggen-Vorgängermuster Saab A32 Lansen ca. 300 bis 1800 Flugstunden absolviert. Die üblichen Jahresflugleistungen der Besatzungen betragen für die Frontpiloten 130 Flugstunden, während in den Klassen darunter 80 beziehungsweise 40 Flugstunden pro Jahr erreicht werden. Die Flygflottilj 7 ist ein Angriffsverband zur Bekämpfung von See- und Erdzielen und in das 1. Luftverteldigungskommando (E 1) der schwedischen Luftstreitkräfte eingegliedert. Sie verfügt über eine Transporterstaffel, die mit Lockheed C-130 Hercules und C-47 Dakota ausgerüstet Ist. Der Stützpunkt ist von 680 Zivilangestellten belegt, die zum größten Teil in der Umgebung von Satenäs In Wohnquartieren untergebracht sind, die vom Staat gegen Miete zur Verfügung gestellt werden. Ich habe ein neues, sehr schön angelegtes und zweckmäßiges Dorf besichtigt, das eigens für das Zivilpersonal gebaut wurde. Flygflottilj 7 bildet 400 Rekruten aus und beherbergt ferner 200 Rekruten, die als Wachmannschaften - auch für andere Einheiten - ausgebildet werden. Die Flugzeugbesatzungen und das Lehrpersonal wohnen zum Teil mit ihren Familien in Bungalows, die der Staat gegen Miete zur Verfügung stellt. Der Kampfverband besitzt einen eigenen Seehafen - Brennstoff und Material werden auf dem Seeweg angeliefert, größere Tankanlagen sind zur Zeit im Bau -, eigene Wasser- und Abwasserreinigungswerke, eigene Schießplätze für Bombenwurf, Schießen, Raketenwerfen etc. Das Budget für die gesamten Anlagen, Ihren Unterhalt und Betrieb beläuft sich im Finanzjahr 1974/75 auf 82 Mio. Schwedenkronen. Ich möchte gleich vorwegnehmen: Aufgrund meines etwa 50minütigen Fluges mit der Doppelsitzer-Version SK 37 kann ich schon deshalb keinen eigentlichen Pilot Report schreiben, weil ich weder das Flugzeug in seinen Grenzgeschwindigkeiten nach oben und unten ausgeflogen habe noch obere und untere Grenzwerte des Einsatzbereiches erreicht oder demonstriert wurden. Es konnte ja auch nicht Aufgabe eines ersten Einweisungsfluges sein, das Flugzeug gleich bis an die Grenzen auszufliegen, wie dies beispielsweise bei meinem Pilot Report der Hawker Siddeley Harrier (siehe FR 10/73) naturgemäß näher lag. Von vielen früheren Typen - die Harrier ausgenommen - nicht verwöhnt, empfand ich Sicht und Sitzlage in der Viggen ausgesprochen komfortabel. Seitensteuerlänge und Sitzhöhe sind verstellbar, die Steuerknüppellage sehr gut, die Gurtung angenehm und nach Wunsch regulierbar. Zur Verbesserung der Sicht aus dem zweiten (hinteren) Sitz der SK 37 nach vorne ist ein Periskop eingebaut das jedoch wenig dazu beiträgt, die Sicht auf die Rumpfspitze während Start und Landung freizugeben. Aus der Sicht des Fluglehrers würde ich dies als nachteilig bezeichnen, weil das Richtunghalten während des Starts und bei der Landung erschwert wird. Beim manuellen Fliegen wird das Hauptsteuerwerk durch die Selbststeueranlage unterstützt. Das Fliegen mit dem Autopiloten ist jederzeit durch Betätigung einer Drucktaste möglich und umgekehrt. Der Pilot kann wählen zwischen manueller Steuerung mit Erhöhung der Stabilität, automatischer Haltung der Fluglage mit manueller Übersteuerbarkeit und automatischer Höhenhaltung. Die Erhöhung der Stabilität ist besonders im Tiefflug von großer Wichtigkeit. Die Ruder sind in jedem Fall sehr gut aufeinander abgestimmt, und die Steuerwirkung ist bei Langsamflug, bei turbulenter Luft und im Hochgeschwindigkeitsflug sehr zuverlässig und rasch ansprechbar. Die Geschwindigkeitsregelung beim Landeanflug sowie die Aufsatzpunktstreuung ohne eigentliches Ausschweben vor dem Aufsetzen des Flugzeuges sind bei der Viggen so gelöst, daß ein automatischer Leistungsregler die Drehzahl fein dosiert und doch kräftig nachreguliert, wobei das Triebwerk augenblicklich anspricht. Die Geschwindigkeit bleibt dabei in Grenzen von + 10 km/h konstant, wogegen das äußerst kräftige Fahrwerk ein Aufsetzen ohne Ausschweben ohne weiteres erträgt. Die Schubumkehrvorrichtung kann noch während des Landeanfluges vorgewählt werden. Beim Zweisitzer ist Schubumkehr bei voller Triebwerksleistung aus Gründen einer noch nicht durchgeführten Modifikation einstwellen nicht gestattet. Bei den Serienflugzeugen ist diese Modifikation bereits abgeschlossen. Die Instrumentierung ist zweckmäßig, klar und übersichtlich - das beste, was ich bisher gesehen habe. Bordelektronik der SK 37 Viggen Wichtigstes Bestandteil der Bordelektronik ist der den Piloten so sehr entlastende Hauptrechner für Navigation, Feuerleitung und Geräteüberwachung. Dieser Mehrzweckdigitalrechner überwacht nicht nur die Steuerung von Bordanlagen und Geräten, sondern es können damit auch folgende Aufgaben durchgeführt werden:
Der Rechner führt vom Start bis zur Landung auf einem gewählten Flugplatz die nötigen Rechenoperationen durch. Dabei kann der Pilot zwischen mehreren Zielflugplätzen wählen und den Rechner nach Kurs und Distanzen zu jedem der entsprechenden Flugplätze befragen. Ferner wird dargestellt, welche Brennstoffmenge zum Anfliegen des einen oder anderen Flugplatzes benötigt wird oder zu welchem Flugplatz der Vorrat nicht mehr reicht etc. An weiteren Geräten sind vorhanden: ein Mehrzweck-X-Band-Monopulsradar, ein Blickfelddarstellgerät, ein Luftwerterechner, eine Trägheitsplattform, ein Dopplerradar-Geschwindigkeitsmesser, Navigations- und Verbindungsgeräte sowie Komponenten für die Waffenelektronik, Geländefolgeradar usw. Sehr fortschrittlich ist das Tactical Instrument Landing System (TILS), das in Zusammenarbeit mit den auf den Flugplätzen aufgestellten Allwetterlandeanlagen deren ausgestrahlte Führungssignale auf dem Blickfelddarstellungsgerät im Cockpit darstellt. Dieses Gerät wird überhaupt vom Start bis zur Landung befragt und vom Rechner laufend gespeist. Abweichungen vom Sollkurs und vom Zeitplan werden sofort angezeigt; Befehle für den Übergang in den Steig- oder Sinkflug oder für die Einleitung von Kurven und für den Waffenauslösemoment. werden gegeben, wobei es dem Piloten freisteht, Änderungen am Flugplan, den er dem Rechner noch am Boden eingespeist hat, vorzunehmen. Sosehr man auf den ersten Augenblick von der Vielfalt der Geräte und deren Möglichkeiten in fliegerischer wie auch in taktischer Beziehung - beeindruckt sein mag, wenn man einmal im Cockpit sitzt, das zweckmäßig auf alles Notwendige abgestimmt ist, so empfindet man die Cockpitausrüstung einfach komfortabel. Die Vorbereitungen zum Start benötigen wenig Zeit. Das Triebwerk springt sofort an und dreht ohne die geringsten Vibrationen in allen Drehzahlbereichen einwandfrei. Beim Rollen paßt das breit ausladende Hauptfahrwerk knapp auf den schmalen Rollweg; die Führung des Bugrades mit dem Seitensteuerpedal ist genau. Das Flugzeug nimmt mit Nachbrennerleistung und entsprechender Beschleunigung sofort rasch Fahrt - sie genügt, um die Viggen nach wenigen hundert Metern Rollstrecke in einer stellen Wegdrehkurve auf Gegenkurs zu legen. Wir flogen in 200 m Höhe mit Mach 0,55 über dem Väner-See auf eine Inselgruppe zu, gingen allmählich auf 30 m, dann auf 20 m und schließlich auf 10 m über dem Wasserspiegel hinunter, auf Fengeräfors zu, um dann über Land in 50 m Höhe mit Mach 0,8 ein Brückenziel 1 anzugreifen, anschließend ein zweites Ziel unter Feuer zu nehmen und dann auf die See hinaus (Skagerak) abzufliegen. Wir wendeten über See parallel zur Küste und stiegen - auf etwa Mach 1,2 beschleunigend - auf ca. 8000 m mit Nachbrennerleistung weg. Die Kommandanten der Luftwaffe sind auch in Schweden sehr darauf bedacht, möglichst wenig Lärm über Wohnstätten zu erzeugen. Die Tiefflugrouten sind entsprechend angelegt, und die Einsätze mit Überschallgeschwindigkeit werden in der Regel nur über See geflogen. Trotzdem gibt es täglich Telefonanrufe wegen Lärmbelästigung. Bevor wir wieder auf die Küste zudrehten, kündigte Oberstleutnant Schulz, mein Begleitpilot, an, er werde nun den Nachbrenner abschalten. Dieses brüske Wegnehmen der Nachbrennerleistung hatte eine enorme Verzögerung der Bahngeschwindigkeit zur Folge, die die Füße durchs Brandschott und den Kopf durchs Blickfelddarstellungsgerät zu drücken schien. Es folgten geflogene, langsame und schnelle Rollen, die "wie Butter" auszuführen waren. Querruder andrücken genügt, Seitensteuer ist nicht notwendig. Der Looping benötigte einen weitaus größeren Radius, als ich angenommen hatte und ergab einen maximalen g-Wert von etwa 5. Ich hatte in dieser Höhe ziemliche Mühe mit dem Horizont, weil ich - wie schon bemerkt - die Rumpfspitze vom Fluglehrersitz aus nicht sehen konnte. Höhen- und Querruder zeigen hervorragende Genauigkeit, das Seitenruder wird in der Luft überhaupt kaum gebraucht, seine Wirksamkeit scheint gemäßigt gedämpft. Die statische Längsstabilität und die Seitenstabilität wie auch die Dämpfung um die Nickachse sind hervorragend. Das Flugzeug reagiert um alle Achsen einwandfrei, ohne dabei "nervös" zu sein. Nach der Kunstflugeinlage holten wir, tiefer gehend, wieder über den großen Väner-See aus und flogen mit Blickfelddarstellungsgerät, automatischem Leistungsregler und Stabilitätserhöhung mit einem Anstellwinkel von 12 Grad und bei etwa 250 km/h angezeigter Geschwindigkeit zur Landung an. Auffallend war der sehr lange und flache Anflug, der einen Aufsetzpunkt auf den ersten 50 m der Piste ergab. Die Ausrollstrecke mit teilweiser Schubumkehr war kürzer als 600 m. Bei einer Kurzlandung, bei weniger als 500 m Landestrecke, wird der Anstellwinkel auf 15 Grad erhöht, und man fliegt dann mit 220 km/h an, was einen Landestoß entsprechend einer Sinkgeschwindigkeit von nahezu 5 m/s ergibt. Das Flugzeug kann natürlich auch eng eindrehend gelandet werden, wobei die Ausrollstrecke naturgemäß länger wird. An die Landung mit Head-Up-Display, Autothrottle added, Stabilitätserhöhung und Schubumkehr muß man sich gewöhnen. Sie ist nicht schwierig, muß aber geübt werden. Sie ist ein sicheres Mittel, das Flugzeug bei jedem Wetter herunterzubringen und kurz zu landen. Die Berücksichtigung der letzten Fortschritte bei Antrieb, Elektronik und Bewaffnung bieten Gewähr dafür, daß die Viggen mit Erfolg jahrelang im Einsatz bleiben kann. Ihr Grundmerkmal ist in erster Linie die ausgezeichnete Leistung. So erreicht das Flugzeug eine höchste Horizontalgeschwindigkeit von Mach 2, eine minimale Landegeschwindigkeit von 220 km/h, eine Landerollstrecke von etwa 500 m und eine Startrollstrecke von etwa 400 m. Die STOL-Fähigkeit dieses Flugzeugs kann nicht genug gewürdigt werden. Mit der Viggen kann auf jedem einigermaßen geraden Straßenstück gestartet und gelandet werden! Sie steigt in weniger als 100 Sekunden nach Lösen der Bremsen auf 10 000 m. Ebenso erreicht sie Überschallgeschwindigkeit in geringer Höhe in weniger als 100 Sekunden. Die Viggen verfügt über eine Außenlastkapazität von etwa sechs Tonnen. Zu ihren Ausrüstungs- und Bewaffnungsalternativen gehören Jagdeinsatz, Kampfeinsatz und Aufklärungseinsatz. Äußerst schnelle Reaktion Die Viggen kann in wenigen Sekunden nach Alarmbefehl in der Luft auf Zielkurs sein. Sie ist dabei von Bodenleitstellen unabhängig. Die Einsatzrechnungen besorgt der Bordrechner selbst, so daß der Einsatz trotz Störungen oder Feindeinwirkungen auf die Anlagen der Bodenleitstellen geflogen werden kann. Darüberhinaus ist der Brennstoffverbrauch im Reiseflug bemerkenswert gering, woraus lange Patrouillenzeiten resultieren. Die Viggen ist in etwa 10 Minuten wieder startbereit und benötigt weniger Bodenpersonal und Hilfsmittel als alle übrigen Flugzeugtypen dieser Klasse. Dieses Flugzeug kann tagelang in Alarmbereitschaft gehalten werden. Eine Außenstromquelle hält die Bordelektronik betriebswarm und sorgt für Belüftung und Klimatisierung des Cockpits. Die Viggen ist für hohe Einsatzfolge gebaut, sehr wartungsfreundlich, woraus sich kurze Standzeiten zwischen den Einsätzen ergeben, und verfügt daher auch über die außerordentlich große Einsatzbereitschaft, die mir in Satenäs ganz besonders aufgefallen ist. Die Viggen ist erwiesenermaßen leichter zu fliegen als die vorhergehende Generation von Flugzeugen dieser Klasse. Die Formation der Besatzungen geht zügig voran, weil auch deren Arbeitsbelastung geringer ist. Dieses Flugzeug bietet für den gut trainierten Piloten trotz seiner komplexen Ausrüstung überhaupt keine unüberwindlichen Probleme, die die Flugsicherheit beeinträchtigen oder den Einsatzerfolg in Frage stellen könnten. Paul Küng
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