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Die Schärfe ist das sicherlich das wichtigste Geschmacksmerkmal der meisten Chilies. Ohne die Schärfe würde man vermutlich höchstens einige Gemüse-paprika-Arten anbauen. Sie wird durch einen Stoff namens Capsaicin verursacht, oder genauer gesagt, einer ganzen Gruppe von chemisch sehr ähnlichen Stoffen, den Capsaicinoiden. (Soweit ich weiß, gibt es 7 Capsaicinoide.)
Das Bild zeigt die Strukturformel des eigentlichen Capsaicin. Strukturformeln von weiteren Capsaicinoiden habe ich im Internet nicht mehr gefunden. Nicht alle Capsaicinoide sind gleich scharf. Das echte Capsaicin und das Dihydrocapsaicin machen den Mammutanteil der Schärfe aus.
Capsaicin ist ein Alkaloid, und zwar ein Amid. Die genaue Bezeichnung wäre N-Vanillyl-8-methyl-6-(E)-noneamid.
In reiner Form ist Capsaicin farblos (als Pulver dann weiß), welches nicht riecht und abgesehen von der Schärfe auch nach nichts schmeckt. (Nach der Gewinnung aus Chilis liegt es stets durch Caratinoide verunreinigt vor und ist deshalb rötlich verfärbt.) Es ist relativ stabil: Weder Hitze noch Kälte zersetzen es (zumindest nicht die Hitze, wie sie üblicherweise in einer Pfanne herrscht. Bis zu welcher Temperatur es stabil bleibt, weiß ich nicht.)
Capsaicin ist nicht wasserlöslich. Es löst sich aber sowohl in Alkohol wie in Fett. Wenn man mit Chilies kocht, sollte man deshalb immer zumindest ein Minimum an Fett oder Öl verwenden. Man kann das Capsaicin auch in relativ reiner Form gewinnen, indem man pürierte Früchte mit Alkohol aufschwemmt, filtert und dann den Alkohol vorsichtig verdampfen läßt. Allerdings gelingt es einem auf diese Weise nicht, das Capsaicin von den in großer Menge vorhandenen Carotinoiden (der roten Farbe der Chilies) zu trennen.
Das Capsaicin sitzt in den Chilies hauptsächlich in den weißlichen Scheidewänden, nicht im roten Fruchtfleisch (auch wenn dieses auch noch recht scharf ist). Ob auch die Samen Capsaicin enthalten, darüber habe ich verschiedenes gelesen. Der Capsaicin-Gehalt von Chilies schwankt zwischen 0% und ca. 2%.
Nach dem Gesagten sollte klar sein, daß es schwierig ist, die Schärfe einer Chili objektiv anzugeben. Abgesehen davon, daß auch die Früchte einer Sorte in ihrer Schärfe unterschiedlich sein können, werden die verschiedenen Capsaicinoide von verschiedenene Menschen unterschiedlich in ihrer Schärfe beurteilt.
Es gibt zwei verschiedene Arten, die Schärfe anzugeben: Schärfegrade und Scoville-Einheiten. Schärfen von einzelnen Chili-Sorten anzugeben ist aber trotzdem etwas problematisch, da diese selbst bei Pflanzen, die auf einem Feld wuchsen, sehr unterschiedlich ausfallen können. Im allgemeinen werden Pflanzen, die trockener, heißer und sonniger standen, schärfer.
Eine möglichst exakte Messung und Angabe der Schärfe ist insbesondere bei der industriellen Verwertung von Chilis (beispielsweise bei der Herstellung von Soßen) nötig, um eine gleichbleibende Qualität garantieren zu können und die Kunden vor einer unliebsamen Überraschung in die eine oder andere Richtung zu bewahren.
Der Schärfegrad einer Chili ist eine Zahl zwischen 0 und 10. Die Zuordnung erfolgt subjektiv. Hier einige Beispiele, insbesondere die hier käuflichen Chili-Sorten:
Schärfegrad | Sorten |
---|---|
10 | Habanero, Scotch Bonnet |
7-9 | diverse kleine rote Chilies, die man z.B. in Asia-Läden kaufen kann (Thai, Cayenne, Piri-Piri). Hierzu gehören die Früchte, die man hier in Deutschland als "typische Chilies" ansehen würde. |
3-6 | Peperoni, Peperoncini etc. |
0 | Gemüse-Paprika |
Ich selber ziehe die Schärfegrade den Scoville-Einheiten vor, weil ich sie mir leichter merken kann.
1912 hat ein bei einem pharmazeutischen Unternehmen (Parke, Davis & Co in Detroit, später zur Warner-Lambert Company gehörig) tätiger Chemiker namens Wilbur Scoville diese nach ihm benannte Skala entwickelt. Im ursprünglichen Scoville-Test wurden Chilis püriert, das Capsaicin mit Alkohol herausgelöst, und dieser dann so lange mit einer Zuckerlösung verdünnt, bis Probanden keine Schärfe mehr schmeckten. Ursprünglich wollte Scoville die Capsaicin-Konzentration mit Hilfe chemischer Reaktionen testen. Die menschliche Zunge erwies sich jedoch für diesen Zweck als wesentlich empfindlicher und genauer.
Der ursprüngliche Scoville-Test hat den großen Nachteil, daß auch er nicht exakt reproduzierbare Ergebnisse zeitigt: Verschiedene Probanden haben einen verschiedenen Geschmackssinn. Und auch der Geschmackssinn eines einzigen Probanden ermüdet nach einigen Proben.
Heute wird die Anzahl der Scoville-Einheiten einer Chili nicht mehr auf diese Weise festgestellt, sondern man mißt mit Hilfe der Hochdruck- Flüssigkeits-Chromatographie die Konzentrationen der Capsaicinoide im Fruchtfleischpüree. Eine Scoville-Einheit entspricht einer Konzentration von 6,25·10-6 Prozent, so daß reines Capsaicin eine Schärfe von 16 Millionen Scoville-Einheiten hat.
Hier einige (ganz wenige) Beispiele:
Scoville-Einheiten | Sorten |
---|---|
16 000 000 | reines Capsaicin |
200 000 - 300 000 | Habanero |
30 000 - 50 000 | Cayenne, Thai |
0 - 100 | Gemüse-Paprika |
Wie man sieht, ist die Umrechnung zwischen Schärfegraden und Scoville-Einheiten nicht linear. Mit folgender Formel kann man sie ineinander umrechnen:
G = [ 3·log10S - 5 ]
Hierbei ist S die Anzahl der Scoville-Einheiten, G der entsprechende Schärfegrad, log10 der dekadische (10er) Logarithmus, und [·] die Gauß-Klammer (oder "integer-Funktion"), welche den Nachkomma-Teil wegstreicht. Kommt bei dieser Formel etwas >10 heraus, so ist der Schärfegrad 10. Kommt etwas Negatives heraus, so ist er 0.
Umgekehrt entspricht der Schärfegrad S ungefähr einem Scoville-Einheiten-Bereich von
Die Schärfe von Chilis entsteht etwas anders als andere Geschmäcker. Und zwar beeinflussen sie die Ca+-Ionenkanäle an einem Vanilloid-Rezeptor, wodurch normalerweise Hitze- und Schmerz-Reaktionen ausgelöst werden.
Auf den ersten Blick scheint es unlogisch, daß man etwas, was schmerzt, als Schmerzmittel einsetzen kann. Tatsächlich aber wurde das Capsaicin der Chilis schon bei Ankunft der Europäer als (äußerlich aufzutragendes) Schmerzmittel verwendet. Abgesehen von der einfach durchblutungsfördernden Wirkung wirkt Capsaicin direkt auf die Nervenzellen ein.
Ich habe unterschiedlich Angaben darüber gefunden, wie es wirkt. Plausibel kommt mir z.B. die Behauptung vor, daß die Nervenzellen nach Einwirkung von Capsaicin Neurotransmitter ausstoßen. Wiederholtes Auftragen von Capsaicin erschöpft den Vorrat der Zellen an Neurotransmittern und der Schmerz läßt nach.
Besonders beliebt scheint die Verwendung von Capsaicin bei Sachen wie Rheuma, Rückenschmerzen, Hexenschuß usw. zu sein.
Diese Bedenken kann ich guten Gewissens ausräumen. Das Geschmacksempfinden stumpft, wenn man häufig scharf ißt, mit der Zeit nicht ab. Lediglich an die Schärfe gewöhnt man sich. Dies hat zur Folge, daß man auch bei Speisen, die für andere Leute nur noch scharf schmecken, die anderen Geschmacksrichtungen wahrnimmt. Nicht-scharfe Speisen kann man nach wie vor genießen. Immerhin kann dieser Gewöhnungseffekt, wenn man Leute zum Essen einlädt, deren Ziel es ist, ganz ohne Gewürze auszukommen, Folgen haben.
Chilies greifen auch nicht die Magenschleimhäute an. Es hat sich ganz im Gegenteil sogar herausgestellt, daß sie einen gewissen mildernden Einfluß ausüben und auf diese Weise das Risiko für Magengeschwüre (ein wenig) senken.
Die wichtigste Wirkung von Chilies ist aber sicherlich, daß sie die Stoffwechselrate erhöhen und den Kreislauf anregen.
Chilies (dasselbe gilt dann natürlich auch für Gemüse-Paprika) enthalten übrigens eine Menge Vitamin C (Ascorbinsäure). Um von diesem zu profitieren, darf man sie natürlich nicht längere Zeit heiß machen. Das erste reine Vitamin C wurde übrigens von einem ungarischen Chemiker aus Paprikas isoliert. Der Vitamin C-Gehalt von Chilies liegt zwischen 0,1% und 0,3%
Manchmal passiert es auch einem erfahrenen Chili-Esser, daß er die Schärfe einer Soße o.ä. unterschätzt hat und der ganze Mund wie Feuer brennt. Gegen das Brennen gibt es ehrlich gesagt kein besonders wirksames Mittel. Ich persönlich bevorzuge ein Glas mit kaltem Wasser.
Andere Leute sind dagegen der Meinung, daß Wasser eher noch schadet, weil es das Capsaicin nicht auflöst, sondern dazu noch im ganzen Mund verteilt. Statt dessen sollte man Milch trinken. In dem in der Milch emulgierten Fett würde sich das Capsaicin auflösen. Wieder andere empfehlen Brot oder Reis (ohne Soße). Diese Sachen würden die Fett- oder Ölreste im Mund, in denen das Capsaicin steckt, aufsaugen. Wieder andere behaupten, die Einnahme einer Messerspitze Salz vom Handrücken würde helfen.
Wenn eine Speise zu scharf geraten ist, gibt es keine andere Möglichkeit, als sie zu strecken. Ist z.B. ein asiatisches Pfannengericht kaum noch eßbar, so erhöhe man einfach den Anteil der Reises auf dem Teller. In Suppen kann man zusätzliches Wasser und Kartoffeln o.ä. tun.
Es gibt ja Leute, die nie ohne ihre kleine Reizgas-Sprühflasche aus dem Haus gehen, mit welchem sie die ganzen Taschendiebe und anderes Gesindel abwehren können. Capsaicin brennt ganz höllisch in den Augen (dagegen ist Zwiebelsaft wirklich eine Erholung). Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß es diverse Anbieter von Sprühfläschchen gibt, bei denen der Wirkstoff eben Capsaicin ist. (Diese werden meist "Pfeffer-Spray" oder ähnlich genannt.)
Früher hat man aus Chilis gewonnenes Capsaicin auch zur Vergällung von Streusalz benutzt.
Homepage Chilies(Titelseite) | by Michael Becker, 2/1999. Letzte Änderung: 3/2002. |