Der analoge Fischnaler Wappen-Katalog

Um den Stellenwert der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Wappenkunde für das Ferdinandeum allgemein und dessen Bibliothek im speziellen zu umschreiben, soll der Initiator der nun digital zugänglichen Wappenkartei selbst, Konrad Fischnaler, zu Wort kommen: „Für Tirol war in erster Linie das Museum Ferdinandeum maßgebend, welches die Förderung von genealogischen und heraldischen Studien schon in das Gründungstatut gesetzt hatte und durch seine Bibliothek und Anlage von heraldisch-sphragistischen Sammlungen denselben auch tatsächlich fachwissenschaftliche Unterstützung zuteil werden [sic] ließ.“ [i] Diese Hilfe für Wappen-Interessierte vergegenständlichte sich unter anderem in einer Verweisesammlung für Tiroler Wappen, mit der spätestens 1894 begonnen wurde. Die erste schriftliche Erwähnung dieses heraldischen Zettelkatalogs der Bibliothek im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum stammt aus dem Jahresbericht der Generalversammlung des Museumsvereins vom 6. Juni 1898. Sekretär Karl Wilhelm von Dalla Torre hielt darin fest, dass „bisher noch nicht bemerkt [wurde], dass in den letzten vier Jahren eine umfangreiche Sammlung von Wappen tirolischer Geschlechter angelegt“ worden war. Dabei schätzte er deren Umfang auf „etliche tausend Stück“[ii].

Einen weiteren Anhaltspunkt liefert Konrad Fischnaler in seinem Werk „Wappen und heraldisch-sphragistische Studien aus Alttirol“, in welchem er von der Errichtung einer Wappensammlung im Ferdinandeum 1888 berichtet, bei der Wappenabbildungen auf „Queroktav-Blättchen oft durch eine billige Hilfskraft skizziert, die Sammlung aber in eigenen Kassetten behufs Benützung und Nachreihung verwahrt wurde[n]“[iii]. Dabei dürfte es sich wohl um Vorarbeiten zum Zettelkatalog und dem „Wappenschlüssel“ gehandelt haben. Die Wappenkartei wird auch in den späteren Jahresberichten des Ferdinandeums erwähnt. So ist 1899 von einem bereits über 7.000 Karten zählenden Katalog die Rede[iv], während in den Berichten der Jahre 1901 bis 1903 jeweils ein Neuzuwachs um etliche[v] bzw. mehrere tausend[vi] Stück zu Buche steht. Von einer „Vollendung“ der Wappenkartei, wie sie Erich Egg in seiner „Chronik des Ferdinandeums“[vii] im Jahr 1898 festmacht, kann also noch keine Rede sein.

Der Zettelkatalog, der heute noch als „Fischnaler-Wappenkartei“ oder gar als „Fischnaler-Wappensammlung“ bezeichnet wird, ist eng mit dem Namensgeber Konrad Fischnaler (1855-1941) verbunden, der zwischen 1885 und 1912 als Kustos im Ferdinandeum wirkte. In den Jahresberichten seiner Amtsperiode ist daher auch regelmäßig von neuen Karteikarten zu lesen, wobei nicht darauf vergessen wird, den an der Arbeit beteiligten zu danken. So wird Karl Ausserer (1844-1920) genannt, der seine genealogischen Forschungen und Unterlagen ebenso beisteuerte wie Karl von Inama-Sternegg (1843-1908). Lobende Erwähnung findet zudem auch der Arbeit von Ludwig Baron von Lazarini (1849-1930) sowie jene des Wappenkopisten Bernhard Strobl (1867-1930). Darüber hinaus werden die verschiedenen Quellen aufgezählt und weiteren Personen für die Bereitstellung und Kooperation namentlich gedankt. Anerkennende Worte sind auch den Ausführungen Fischnalers im bereits erwähnten Buch zu entnehmen, wobei zusätzlich zu den obigen auch explizit seine Ehefrau Maria Fischnaler geb. Lechleitner (1863-1936) genannt wird. Nach der Hochzeit im Jahr 1906 wurde sie mit der Erstellung von Wappenkarteikarten betraut und war neben der Recherche in Archiven auch mit der Kolorierung der Wappenskizzen beschäftigt.[viii] Rund 20.000 Karteikarten dürften sich zu jener Zeit in der Sammlung befunden haben, woraus sich auch die „acht Grundbücher“[ix] speisten, welche als Duplikat zunächst im Privatbesitz Fischnalers blieben. Diese bildeten die Grundlage für den „Tirolisch-Vorarlberg´schen Wappenschlüssel“, dessen drei Teile zwischen 1938 und 1941 veröffentlicht wurden. Die Grundbücher befinden sich heute im Stadtarchiv Innsbruck, gingen während des Zweiten Weltkriegs jedoch teilweise verloren.

Demgegenüber blieb der Zettelkatalog im Ferdinandeum vollständig erhalten und erfuhr auch in der Zeit nach Fischnalers Kustodiat fortlaufende Ergänzungen, weshalb sich heute rund 30.000 Karteikarten in der Sammlung befinden. Bedeutsame Erweiterungen erfuhr sie u.a. durch die Gemeindewappen aus den 1950er bis -80er Jahren sowie durch Kopien der Osttirol-spezifischen Sammlung Josef Oberforchers. Auch aus der Literatur wurden später noch einzelne Wappenabbildungen übernommen und maschinschriftlich beschrieben.

 

Tiroler Wappen – Die Onlinedatenbank

Wenn auch mit Beginn des 21. Jahrhunderts keine weiteren Wappenkärtchen in die Kartei eingepflegt wurden, so erfreut sich die von Fischnaler angelegte Verweisesammlung nach wie vor großen Interesses, weshalb die Karteikarten sehr häufig ausgegeben und das Material entsprechend beansprucht wurde. Wissenschaftlich Forschende wie heraldische Laien „befragen“ dabei die Wappenkartei hinsichtlich der dargestellten Wappen oder der angeführten Verweise. Im Sinne der Schonung des historischen Kataloges und der Nutzung der Möglichkeiten des Internets wurde auf Initiative der Bibliotheksleitung mit der Digitalisierung begonnen. Ein Projektteam, bestehend aus Christoph Ampferer, Katharina Banzer und Raphael Einetter, wurde mit der Aufgabe betraut, einen schnelleren, erweiterten, unbeschränkten und bestandschonenderen Zugang umzusetzen.

Die Vorarbeiten für die Onlinedatenbank zum Zettelkatalog begannen im Herbst des Jahres 2015, als in einem ersten Schritt die physische Aufbereitung für den Scan (Befreiung der Karteikarten von Gummibändern und Büroklammern) durchgeführt wurde. Die maschinelle Digitalisierung übernahm die Transidee GmbH (seit 2016 iui - innsbruck university innovations GmbH). Das digitale Abbild des Katalogs wurde 2016 in eine Datenbank eingepflegt und nach dem Fischnalerschen Findsystem organisiert. Damit war die 1:1-Übersetzung der Kartei in die digitale Welt abgeschlossen, die jeden Interessierten in die Lage versetzt hätte, die bis dahin mögliche, jedoch nur den BibliothekarInnen des Ferdinandeums erlaubte Suche in der Wappenkartei durchzuführen. Ein Abschluss des Projektes an dieser Stelle wäre jedoch weder den aktuellen technischen Möglichkeiten noch den Ansprüchen der NutzerInnen und der Ferdinandeumsbibliothek gerecht geworden. Für die weitere Aufbereitung der meist handschriftlichen Karten war beispielsweise rasch klar, dass es einer vollständigen und damit nur händisch durchführbaren Transkription bedurfte. Der Einsatz einer maschinellen Texterkennung war nach derzeitigem Stand der Technik aufgrund der teilweise komplexen und höchst unterschiedlichen Struktur nicht möglich. Die langwierige Arbeit der zeichengetreuen Transkription wurde von Raphael Einetter durchgeführt. Diese „Lesehilfe“ wird darüber hinaus durch eine „Text-im-Bild-Markierung“ verbessert, welche per Klick auf einen speziellen handschriftlichen Absatz dessen maschinschriftliche Transkription in einem eigenen Feld anzeigt.

Der Mehrwert für die BenutzerInnen liegt dabei allerdings nicht nur in der Erhöhung der Lesbarkeit, sondern auch der Findbarkeit. Durch die nun mögliche Volltextsuche werden auch Namen und Begriffe im „Fließtext“ der Karten durchsuchbar. Im Gegensatz zur Recherche im analogen Zettelkatalog ist man also nicht mehr an ein vorgegebenes Ordnungssystem – die Reihung nach dem Nachnamen des Wappenträgers bzw. dem Namen der Gemeinde – gebunden.

Der ursprüngliche Plan einer weiteren hinsichtlich Abkürzungen und veralteten Begrifflichkeiten „bereinigten“ Transkription wurde im Zuge dieser Arbeit als nicht zielführend fallen gelassen. Stattdessen entschied man sich für die spezielle Angabe von relevanten Begriffen wie der vorkommenden Orte, Titel bzw. Funktionen oder Berufe, und den vollständigen Namen des Wappenträgers. Mit der Befüllung und inhaltlichen Zusammenfassung dieser Spezialfelder wurde im Jahr 2017 Katharina Banzer betraut. Durch sie erfolgte auch die Vereinheitlichung der teilweise abgekürzten oder unterschiedlich geschriebenen Begriffe. So finden sich jetzt unter dem Ortsnamen „Innsbruck“ auch Angaben wie „Innsbr.“, „Insbr.“, „Ynsbr.“ und „Ynsprugg“.

Die auf den Karteikarten angegebenen Quellenverweise beziehen sich nicht nur auf hauseigene Quellen. Diese sind ebenso alt wie die Kartei, weshalb es vorkommen kann, dass sich Signaturen oder Standorte geändert haben. Um die digitale Wappenkarte auch diesbezüglich zu aktualisieren, verortete und überprüfte – soweit im Rahmen der Projektmittel möglich und vertretbar – Katharina Banzer die angeführten Quellen. Außerdem wurde das wachsende Angebot an Online-Ressourcen berücksichtigt und die Quellenangaben der Karteikarten mit bereits abrufbaren Digitalisaten verlinkt.

Raphael Einetter und Christoph Ampferer erarbeiten gemeinsam während der gesamten Projektzeit sowohl die inhaltliche als auch optische Ausrichtung der Wappenplattform. In enger Kooperation mit Niko Hofinger, AltNeuland Bildschirmwerkstatt Innsbruck, entstand dadurch der heutige Onlineauftritt, der sich optisch an dem bereits bestehenden Online-Portal der Zeitschrift des Ferdinandeums orientiert.

Damit wird nicht nur die 125-jährige Arbeit am heraldischen Zettelkatalog einer uneingeschränkten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, sondern auch die häufig gewünschte Bestellung der digitalen Kopie einer Karteikarte vereinfacht. Die Plattform richtet sich an Forschende zur Heraldik bzw. Genealogie der wappenführenden Familien im Alt-Tiroler Raum. Im Sinne des Crowdsourcing sollen Interessierte auch dazu animiert werden, mit ihrem Wissen zur Verbesserung der Datensätze beizutragen.

 

Innsbruck im Jänner 2019

Raphael Einetter (Projektleitung)
Christoph Ampferer
Katharina Banzer (extern)
Niko Hofinger (extern)



[i] Konrad Fischnaler, Wappen und heraldisch-sphragistische Studien aus Alttirol nebst Vorarbeiten zu einem Tirolisch-Vorarlberg´schen Wappen-Schlüssel, Innsbruck 1937, S. 229.

[iii] Fischnaler, Wappen, S. 229.

[vii] Zeitschrift des Ferdinandeums, Erich Egg, Chronik des Ferdinandeums. 1823 bis 1973, S. 57, hier: https://zeitschrift.tiroler-landesmuseen.at/index.php?id=1000&mybuch=Veroeffentlichungen_Jg1973_Bd53&mypage=59

[viii] Edeltraud Seebacher, Konrad Fischnaler (1855-1941), Diplomarbeit, Innsbruck 2016, S. 56f.

[ix] Fischnaler, Wappen, S. 230.