Erste Rabbinerin Österreichs Goodman-Thau 80
2000 als Rabbinerin ordiniert, leitete sie von 2001 bis 2002 die Wiener jüdische Reformgemeinde Or Chadasch (Neues Licht). Im Jahr 2003 veröffentlichte Goodman-Thau ein Buch über ihre Erfahrungen in der Wiener Gemeinde unter dem Titel „Eine Rabbinerin in Wien. Betrachtungen“. Als ihre Muttersprache gibt sie „Österreichisch“ an, außerdem lernte sie Hebräisch, Niederländisch und Englisch.
Scharfe Kritik übte Goodman-Thau während ihrer Zeit in Österreich an der schwarz-blauen Regierung aus ÖVP und FPÖ unter Wolfgang Schüssel (2000 bis 2006). Zwar halte sie Jörg Haider nicht für einen Nazi, so Goodman-Thau in einem Interview, „aber dass er überhaupt kein Geschichtsbewusstsein hat und dass er der nächsten Generation kein Geschichtsbewusstsein vermitteln kann, das ist das große Verbrechen“.
Judentum „die Würde zurückgeben“
Als Überlebende des Holocausts hat Goodman-Thau immer die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gesucht, das jedoch mit zum Teil ungewöhnlichen Mitteln. So forderte sie etwa, dass man dem Judentum „die Würde zurückgeben muss“, indem man das Judentum nicht immer zuerst mit dem Stichwort Antisemitismus oder einer Opferrolle verbinde. Über sich selbst sagte Goodman-Thau einmal: „Als Jüdin weigere ich mich, als Jüdin abgestempelt zu werden. Ich will nicht in einem Ghetto sein.“
Kathbild/Franz Josef Rupprecht
Goodman-Thau wurde am 20. Juni 1934 in Wien geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg war ihre Familie aus Ostgalizien nach Wien gekommen. Nach dem Einmarsch Hitlers floh Goodman-Thau Ende 1938 mit ihrer Familie in die Niederlande, wo sie in Hilversum bis Kriegsende versteckt lebte. Nach 1945 wurde sie niederländische Staatsbürgerin. Sie studierte an der Universität Amsterdam englische Literatur und Judaistik. 1956 übersiedelte sie nach Israel und setzte dort ihr Studium fort.
Internationale Professuren
Im gleichen Jahr heiratete sie Moshe Goodman und brachte innerhalb von sechs Jahren fünf Kinder zur Welt. Danach widmete sie sich wieder verstärkt der wissenschaftlichen Arbeit. Sie promovierte und habilitierte sich später im Fach Jüdische Philosophie und Geistesgeschichte.
Seit 1981 lehrte Goodman-Thau an verschiedenen Universitäten Deutschlands, unter anderem hatte sie Gastprofessuren für Judaistik in Heidelberg, Tübingen, Oldenburg, Halle und Kassel. 1998 bis 1999 lehrte sie unter anderem an der Harvard Divinity School und als Gastprofessorin für jüdische Kulturphilosophie an der Universität Wien. 1999 gründete sie die Hermann-Cohen-Akademie in Buchen/Odenwald, als deren Direktorin sie Tagungen und Lernseminare veranstaltet.
Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind Fragen der Ethik, Politik und Gesellschaft, insbesondere auch das Spannungsverhältnis zwischen religiöser Tradition und Moderne. Goodman-Thau, die sich selbst als „unorthodox-orthodox“ bezeichnet, verfasste zahlreiche Publikationen zur jüdischen Philosophie sowie Frauen- und Geschlechterstudien, die auch der christlichen feministischen Theologie Anstöße gaben.
religion.ORF/KAP