XXIII Deutscher Kongress Für Philosophie Münster 2014, Konferenzveröffentlichung (
2014)
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Abstract
John P. Burgess kritisiert Kurt Gödels Begriff der mathematischen oder rationalen Anschauung und erläutert, warum heuristische Intuition dasselbe leistet wie rationale
Anschauung, aber ganz ohne ontologisch überflüssige Vorannahmen auskommt. Laut Burgess
müsste Gödel einen Unterschied zwischen rationaler Anschauung und so etwas wie
mathematischer Ahnung, aufzeigen können, die auf unbewusster Induktion oder Analogie
beruht und eine heuristische Funktion bei der Rechtfertigung mathematischer Aussagen
einnimmt. Nur, wozu benötigen wir eine solche Annahme? Reicht es nicht, wenn die
mathematische Intuition als Heuristik funktioniert? Für Gödel sind Mengen Extensionen von
Begriffen und er beharrt beispielsweise auf dem ontologischen Objektstatus von Mengen,
weil Denken für ihn einen Input benötigt, den es selbst nicht zu liefern im Stande ist. Im Falle
der mathematischen Anschauung darf dieser Input allerdings nicht subjektiv kontingent sein,
wenn es sich um objektiv gültige Theorien handeln soll. (Zudem vertritt Gödel eine
Korrespondenztheorie der Wahrheit.)
Der Begriff der heuristischen Intuition, den Burgess expliziert, stammt hingegen nicht zuletzt
aus der kognitiven Psychologie, der bei der Verarbeitung impliziter, also unbewusster
Informationen ansetzt und so das menschliche Vermögen erklärt, Entscheidungen und Urteile
zu fällen, ohne sich der Urteilsgrundlagen bewusst zu sein. Über den ontologischen oder
erkenntnistheoretischen Status dieser Urteilsgrundlagen sagen diese Theorien nichts aus. Sie
könnten auch subjektiv kontingent zustande gekommen sein. Ihr normativer Anspruch ergibt
sich lediglich aus „dem Funktionieren“, nicht daraus, dass es sich um Gesetze des Wahrseins
handelt.