DE3933000A1 - Erosionsgesteuertes wirkstoff-freigabesystem und verfahren zu seiner herstellung - Google Patents

Erosionsgesteuertes wirkstoff-freigabesystem und verfahren zu seiner herstellung

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Description

4
Die Erfindung betrifft ein System zur erosionsgesteuerten Wirkstoff-Freigabe und ein Verfahren zu dessen Herstellung. Das System eignet sich für verschiedenartige Wirkstoffe und wird nachstehend anhand einer bevorzugten Ausführungsform, nämlich der Freigabe eines Arzneistoffes, erläutert. Vorzugsweise kann das System als orale Arzneiform für verschiedene, insbesondere für schwerlösliche Wirkstoffe eine gesteuerte Freisetzung aus der Arzneiform ermöglichen und bei Kombination schwerlöslicher mit leichtlöslichen Wirkstoffen letztere nur wenig verzögert freissetzen, was sich vorteilhaft bei einer Kombinationstherapie auswirken kann.
Die ideale perorale Retardarzneiform muß so beschaffen sein, daß die Freisetzung des zu retardierenden Wirkstoffes über einen bestimmten Zeitraum hinweg, der durch therapeutische und physiologische Gesichtspunkte bestimmt ist, in definierten Verhältnissen erfolgt und die Aufrechterhaltung der gewünschten Blutkonzentration des oder der Wirkstoffe über diesen Zeitraum hinweg gesichert ist.
In der pharmazeutischen Technologie ist es bekannt, Wirkstoffe so in Zubereitungen einzuarbeiten, daß sie aus diesen Zubereitungen mit einer vorgegebenen Geschwindigkeit freigegeben werden.
Wirkstoffe, die zur therapeutischen Behandlung täglich mehrmals verabreicht werden müssen, weil sie entweder zu schnell aus dem Organismus eliminiert werden oder bei einer geringeren Zahl von Applikationen entsprechend höherer Dosen nicht zu tolerierende Blutspiegelfluktuationen hervorrufen, werden häufig in Zubereitungen mit retardierter Freisetzungscharakteristik überführt.
Die bekannten Verfahren, die in Lehrbüchern, Monografien und Patentschriften (z. B. Pharmazeutische Technologie/hrsg. von H. Sucker, Stuttgart 1978; Voigt; Lehrbuch der Pharmazeutischen Technologie, Berlin 1988) beschrieben sind, gestatten je nach Wirkstoffeigenschaften und Dosierung des Wirkstoffes durch den Einsatz spezieller geeigneter hydrophiler Hilfsstoffe (z. B. quellfähiger gelbildender Cellulosederivate wie Methyl-, Hydroxypropylmethyl-, Na-Carboxymethylcellulose, Polyvinylalkohole usw.) oder hydrophober Hilfsstoffe (z. B. Acrylate, Silikone, Fette, Fettsäuren und deren Salze, Polyethylen, PVC usw.) eine Steuerung der Freisetzung. Bei der Einbettung der Wirkstoffe in eine hydrophile Matrix wird deren Freisetzung durch die sich bei Kontakt mit Wasser oder Verdauungsflüssigkeit bildende diffusionsbehindernde Gelschicht gesteuert, bei der Einbettung oder Umhüllung mit hydrophoben Hilfsstoffen bilden diese die Diffusion behindernde Barrieren aus.
Ganz allgemein gilt die Regel, daß gut wasserlösliche Substanzen mit schlecht löslichen oder abbaubaren Hilfsstoffen und schlecht wasserlösliche Substanzen mit gut löslichen oder abbaubaren Hilfsstoffen verarbeitet werden müssen.
Diese Retardierungshilfsstoffe werden z. T. allein, häufig jedoch mit weiteren Hilfsstoffen, die eine Verarbeitung erst ermöglichen, verwendet. Insbesondere für niedrigdosierte Wirkstoffe ist es erforderlich, geeignete Füllstoffe zur Aufstockung der Masse der Tabletten einzusetzen, die möglichst nur gering die Liberationseigenschaften des inkorporierten Wirkstoffes aus der Normal- oder Retardarzneiform beeinflussen. Weite Verbreitung unter den Füllstoffen für Normalarzneiformen haben neben Lactose die verschiedenen Stärkesorten gefunden. Als besonders geeignete Füllstoffe für die Pulverpressung gelten die mikrokristallinen Cellulosen. Durch den faserigen Aufbau der Cellulose übt diese häufig auch Bindemittelfunktionen aus. Allerdings ergibt mikrokristalline Cellulose Tabletten mit sehr rascher Zerfallszeit (Pharmazeutische Technologie/hrsg. von H. Sucker, Stuttgart 1978, S. 373), so daß für den Fachmann der Einsatz dieser mikrokristallinen Cellulosen mit ihrem begrenzten Quellvermögen, das zwar bei Kontakt mit Wasser oder Verdauungsflüssigkeit zum raschen Zerfall der Tabletten führt, nicht aber eine die Freisetzung behindernde Gelbarriere aufbaut, wie beispielsweise substituierte, lösliche stark quellende Cellulosederivate (Methyl-, Propyl-, Hydroxypropyl-, Na-Carboxymethylcelulose usw.), für Retardarzneiformen nicht sinnvoll ist.
Es besteht somit ein Bedürfnis nach der Bereitstellung einer festen Arzneiform bzw. eines Verfahrens zur Herstellung einer festen Wirkstoffzubereitung, die den inkorporierten Wirkstoff oder Wirkstoffkombinationen über einen gewünschten und physiologisch wie therapeutisch sinnvollen Zeitraum hinweg vollständig und gesteuert freigibt, wobei für die Herstellung geeignete, industriell verfügbare, pharmazeutisch-technologisch gut zu verarbeitende und nicht toxische Hilfsstoffe eingesetzt werden sollen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein erosionsgesteuertes Wirkstoff- Freigabesystem und ein Verfahren zus einer Herstellung zu entwickeln, nach dem Retardformen für vorzugsweise schwerlösliche Wirkstoffe, deren Kombinationen, bzw. Kombinationen mit leichtlöslichen Wirkstoffen, mit verzögerter Freisetzung für die schwerlöslichen Wirkstoffkomponenten und, falls eingearbeitet, nur wenig verzögerter Freisetzung für die gut löslichen Wirkstofkomponenten, hergestellt werden können.
Diese Aufgabe wird durch die Erfindung gelöst.
Gegenstand der Erfindung ist somit ein erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem, enthaltend mindestens einen schwerlöslichen Wirkstoff, gegebenenfalls zusammen mit leichtlöslichen Wirkstoffen, mit verzögerter Freisetzung für die schwerlöslichen Wirkstoffkomponenten und, falls eingearbeitet, nur wenig verzögerter Freisetzung für die leichtlöslichen Wirkstoffkomponenten, das dadurch gekennzeichnet ist, daß der bzw. die Wirkstoffe mit mindestens einem quellfähigen Hilfsstoff und mit mindestens einem Hilfsstoff (Quellungscontroler) mit höherer Affinität zu Wasser, als der quellfähige Hilfsstoff und gegebenenfalls unter Zusatz weiterer üblicher Hilfsstoffe zu dem Wirkstoff-Freigabesystem verbunden sind.
Gegenstand der Erfindung ist ferner ein Verfahren zur Herstellung des erosionsgesteuerten Wirkstoff-Freigabesystems, das dadurch gekennzeichnet ist, daß man den, bzw. die Wirkstoffe mit mindestens einem quellfähigen Hilfsstoff und mit mindestens einem Hilfsstoff (Quellungscontroler) mit höherer Affinität zu Wasser, als der quellfähige Hilfsstoff und gegebenenfalls unter Zusatz weiterer zusätzlicher Hilfsstoffe in an sich bekannter Weise konfektioniert und gegebenenfalls zu Tabletten verpreßt.
In der beiliegenden Zeichnung zeigt Fig. 1 den Nifedipin-Plasmaspiegel als Mittelwert von drei Probanden nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 11 (gekennzeichnet als "Behandlung A"); Fig. 2 die Feisetzung von Nifedipin als Mittelwert aus 6 Bestimmungen aus Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (gekennzeichnet als "Behandlung B") und Beispiel 13 (gekennzeichnet als "Behandlung C"); Fig. 3 den Nifedipin-Plasmaspiegel als Mittelwert von drei Probanden nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (gekennzeichnet als "Behandlung B") und Beispiel 13 (gekennzeichnet als "Behandlung C") im Vergleich zu einem handelsüblichen Referenzpräparat (gekennzeichnet als "Behandlung R"); Fig. 4 den Plasmaspiegel des Nifedipin-Hauptmetaboliten NPO als Mittelwert von drei Probanden nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (gekennzeichnet als "Behandlung B") und Beispiel 13 (gekennzeichnet als "Behandlung C") im Vergleich zu einem handelsüblichen Referenzpräparat (gekennzeichnet als "Behandlung R"); Fig. 5 und 6 entsprechen der Fig. 4 bei auf 4 Stunden (Fig. 5) bzw. 2 Stunden (Fig. 6) gespreizter Zeitachse ohne Einbeziehung des Referenzpräparates.
Unter quellfähigen Hilfsstoffen versteht der Fachmann solche Substanzen, die bei Kontakt mit Lösungsmittel, speziell Wasser bzw. Verdauungsflüssigkeiten, durch Solvatation zu einer Volumenzunahme befähigt sind. Begrenzt quellfähige Hilfsstoffe sind dadurch charakterisiert, daß die Volumenzunahme dann beendet ist, wenn die Bindungs-/Kohäsionskräfte im Molekül gleich den Kräften sind, die durch die Sorption/Bindung des Wassers die Volumendilatation bewirken. Bei unbegrenzt quellfähigen Substanzen sind diese durch die Wechselwirkung des Lösugsmittels mit dem Makromolekül enstehenden Kräfte größer als die Bindungs-/ Kohäsionskräfte des Moleküls/Molekülverbandes. Bei ausreichend vorhandenem Solvatisierungsmittel löst sich der unbegrenzt quellfähige Stoff unter intermediärer Entstehung einer mehr oder weniger ausgeprägten Gelphase auf.
Stoffe mit einer höheren Affinität zu Wasser als die quellfähigen Hilfsstoffe sind dadurch charakterisiert, daß sie bei begrenzter Verfügbarkeit von Wasser, z. B. in einer gesättigten oder hochkonzentrierten Lösung eine Hydratisierung der quellfähigen Hilfsstoffe verhindern oder hydratisierte quellfähige Hilfsstoffe dehydratisieren.
Überraschend und für den Fachmann nicht vorhersehbar war, daß durch das erfindungsgemäße Vorgehen Formlinge erhalten wurden, die nur sehr langsam und kontrolliert erodieren, statt wie zu erwarten gewesen wäre, rasch zu zerfallen und den Wirkstoff sofort für die Resorption zur Verfügung zu stellen.
Das Verfahren garantiert die komplikationslose Herstellung der Arzneiform nach an und für sich bekannten pharmazeutisch-technologischen Verfahrensschritten. Das erfindungsgemäße Wirkstoff-Freigabesystem und das Verfahren zu dessen Herstellung sichert eine optimale Bioverfügbarkeit der inkorporierten Wirkstoffe.
Spezielle Beispiele für schwerlösliche Wirkstoffe, die sich für das Freigabesystem der Erfindung eignen, sind Theophyllin, Nifedipin, Prazosin, Ibuprofen und Carbamazepin.
Beispiele für leichtlösliche Wirkstoffe sind Salbutamol, Terbutalin und Pholedrin.
Beispiele für begrenzt quellfähige Hilfsstoffe sind mikrokristalline Cellulosen wie die Handelsprodukte Heweten, Avicel, Eicema und Vitacel; und Stärken.
Bevorzugte mikrokristalline Cellulosen weisen eine Quellfähigkeit von bis zu 100% ihres Volumens in Wasser auf. Bevorzugte Stärken besitzen eine Gelbildungstendenz von weniger als 100% des durch die Wasseraufnahme gequollenen Volumenanteils.
Beispiele für unbegrenzt quellfähige Hilfsstoffe sind bekannte Cellulosederivate, wie Methylcellulose.
Der Hilfsstoff mit höherer Affinität zu Wasser als die quellfähige Rezepturkomponente wird hier als Quellungscontroler bezeichnet. Spezielle Beispiele sind Polyethylenglycole unterschiedlicher Molmassen, vorzugsweise 400 bis 35 000, oder stark hydratisierende anorganische Verbindungen, wie Kaliumsulfat, Kaliumchlorid oder Natriumchlorid.
Zu den üblichen Vorgehensweisen der Tablettenherstellung gehört auch die Granulation der Rezepturkomponenten mit einer wäßrigen Lösung der Quellungscontroler. Spezielle Beispiele für Tablettierungshilfsstoffe sind Talc und übliche hydrophobierende Hilfsstoffe, wie Fettsäuren, Metallsalze von Fettsäuren und/oder Silikone. Diese Hilfsstoffe haben auch die Funktion von Schmier- und Gleitmitteln. Sie sind in einer Menge von 0 bis 50 Massenprozent, vorzugsweise 0 bis 10 Massenprozent, bezogen auf die Gesamtmasse, vorhanden.
Der quellfähige Hilfsstoff und der Quellungscontroler sind in einem Massenverhältnis von 1 : 3 bis 100 : 1, vorzugsweise 1 : 1 bis 50 : 1, insbesondere 2 : 1 bis 25 : 1 im System der Erfindung vorhanden.
Das System der Erfindung kann in Form von üblichen Zubereitungsformen, wie Tabletten oder Kapseln, vorliegen. Es kann auch Bestandteil einer üblichen Mehrkompartimentform sein oder als Mikroform, z. B. abgefüllt in einer Kapsel, vorliegen.
Nachfolgende Beispiele sollen die Zusammensetzung und das Verfahren zur Herstellung der erfindungsgemäßen Zubereitungen anhand von Theophyllin als exemplarisch schwerlöslichen Wirkstoff erläutern:
Beispiel 1
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Liberationsdaten (Mittelwert aus n = 5 Bestimmungen):
Tabletten der Rezeptur 1 zeigen das für den Fachmann zu erwartende Verhalten. Der Wirkstoff wird entsprechend seiner geringen Löslickeit rasch und vollständig freigesetzt. Die mikrokristalline Cellulose bewirkt durch ihre bekannten zerfallsfördernden Eigenschaften eine Unterstützung der Freisetzung des Wirkstoffes aus der Arzneiform.
Beispiel 2
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 20,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Geringere Heweten-Anteile in der Rezeptur verringern die Liberation, da die geringe Löslichkeit des Theophyllins die dominierende Komponente für das Freigabeverhalten des Wirkstoffs ist.
Es war für den Fachmann nicht zu erwarten, daß durch den Zusatz von Substanzen wie Polyethylenglycolen, die als Lösungsvermittler und zur Löslichkeitsverbesserung schwerlöslicher Wirkstoffe eingesetzt werden, eine Verzögerung der Wirkstoff-Freisetzung schwerlöslicher Wirkstoffe aus den beispielhaft unter 1 und 2 angeführten Systemen zu erreichen ist.
Beispiel 3
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Eine Erhöhung des Anteils an gut wasserlöslichem PEG 35 000 führt zu einer weiteren Verzögerung der Liberation.
Beispiel 4
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 15,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Beispiel 5
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 50,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Auch geringere Anteile an mikrokristalliner, begrenzt quellfähiger Cellulose können in Kombination mit einem stärker hydratisierendem Hilfsstoff einen Retardeffekt für schwerlösliche Wirkstoffe hervorrufen (vgl. Beispiel 2).
Beispiel 6
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 20,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Es zeigt sich deutich, daß nicht, wie für den Fachmann zu erwarten gewesen wäre, eine Beschleunigung der Freigabe des Theophyllins durch den Zusatz von Polyethylenglycol erfolgt, sondern vielmehr eine weitere Verzögerung der Liberation festzustellen ist.
Der Zusatz von Hilfsstoffen, die den Flüssigkeitsaustausch zwischen dem durch die Porenstruktur der Formlinge gebildeten inneren Raum der Tabletten und dem umgebenden Volumen beeinflussen, erweitern die erfindungsgemäßen Möglichkeiten zur Liberationssteuerung.
So ergeben z. B. eingearbeitete hydrophobierende, benetzende und unbegrenzt quellende sowie lösliche Hilfsstoffe weitere Modulationsmöglichkeit zur Steuerung des Freigabeverhaltens der Arzneiform, indem sie die Auslaugung und damit Konzentrationsverringerung des Quellungscontrolers in der Matrix durch eine negative oder positive Beeinflussung des Flüssigkeitsaustausches steuern. Beispielhaft sei dies an der Kombination
- begrenzt quellender Hilfsstoff/Quellungscontroler/Benetzungsbeeinflusser - demonstriert.
Beispiel 7
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Magnesiumstearat 0,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Beispiel 8
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Magnesiumstearat 2,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Beispiel 9
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Magnesiumstearat 10,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Beispiel 10
Theophyllin|200,0 mg
Heweten 12 100,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Magnesiumstearat 50,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Auch die Auswirkungen des Zusatzes von unbegrenzt quellfähigen Hilfsstoffen sei unter Ausnutzung des erfindungsgemäßen Vorgehens am Beispiel einer Nifedipin- Retardarzneiform dargestellt. Hierzu wurden nach üblichen fachgerechten Vorgehen Tabletten entsprechend den Rezepturen der Beispiele 11, 12 und 13 hergestellt und in-vitro und in-vivo auf ihr Freigabeverhalten untersucht.
Beispiel 11
Nifedipin|20,0 mg
Avicel PH 101 150,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
PEG 35 000 5,0 mg
Beispiel 12
Nifedipin|20,0 mg
Avicel PH 101 70,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Methylcellulose 400 5,0 mg
PEG 35 000 10,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 6):
Beispiel 13
Nifedipin|20,0 mg
Avicel PH 101 55,0 mg
Magnesiumstearat 5,0 mg
Methylcellulose 400 20,0 mg
PEG 35 000 10,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 6):
Die Liberation des Wirkstoffes aus der Arzneiform entsprechend Beispiel 11 erfolgt in vivo nur sehr verzögert, so daß die nach Einmalapplikation an drei gesunden freiwilligen Probanden im Alter zwischen 18 und 40 Jahren zu beobachtenden Konzentrationen im zentalen Kompartiment des Organismus für eine effektive Therapie zu niedrig liegen (Blutentnahmezeiten und Analytik vergleiche weiter unten).
Fig. 1: Nifedipin-Plasmaspiegel nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 11 ("Behandlung A").
In einer offenen, randomisierten, dreifach cross-over Studie ist der Einfluß der Rezepturänderung (Veränderung des Anteils von unbegrenzt quellfähigem Hilfsstoff) auf die zeitliche Arzneistoffverfügbarkeit, die Plasmakonzentration des Arzneistoffes Nifedipin und, zur Kontrolle, seines Hauptmetaboliten NPO im Vergleich zu einem handelsüblichen Retardpräparat gleicher Dosierung nach Einmalgabe jeweils einer Tablette (20 mg) miteinander verglichen worden. Dabei gelten für den Versuchsplan und die Fig. 3 bis 6 folgende Präparatezuordnungen:
- Referenzpräparat/"Behandlung R":
20 mg Retardtablette (handelszugelassenes Präparat)
Wirkstoffgehalt 20 mg Nifedipin
Ch. BC 641
- Testpräparat/"Behandlung B":
Nifedipin retard 20 mg, Tabletten, Rezeptur entsprechend Beispiel 12;
Wirkstoffgehalt 20 mg Nifedipin
Ch. R 19
- Testpräparat/"Behandlung C":
Nifedipin retard 20 mg, Tabletten, Rezeptur entsprechend Beispiel 13;
Wirkstoffgehalt 20 mg Nifedipin
Ch. R 18
Die quantitative Bestimmung von Nifedipin und seinem Hauptmetaboliten NPO erfolgte aus dem Plasma mittels einer spezifischen, validierten HPLC-Methode mit einer unteren Quantifizierungsgrenze von 1 ng/ml Plasma. Versuchsteilnehmer waren drei freiwillige, gesunde, männliche Probanden im Alter zwischen 42 und 47 Jahren, von denen alle die Studie protokollgemäß abschlossen. Bei der offenen randomisierten dreifach cross-over Studie nahmen die Versuchsteilnehmer an drei Terminen, getrennt durch zwei Auswaschphasen, das jeweilige, durch den Randomisierungsplan festgelegte Nifedipin-Präparat ein. Die Versuchsteilnehmer mußten von zehn Stunden vor bis vier Stunden nach der jeweiligen Medikamentenverabreichung eine Nahrungskarenz einhalten. Unmittelbar vor der Medikamenteneinnahme (predose) und nach 20, 40, 60, 90, 120, 150 Minuten, 3, 4, 6, 8, 11 und 15 Stunden wurden jeweils 10 ml Blut venös entnommen und Plasma zur Bestimmung der Konzentration von Nifedipin und NPO gewonnen.
Aus den Verlaufskurven der mittleren Plasmaspiegel von Nifedipin (Fig. 3, 5, 6) und des Hauptmetaboliten NPO (Fig. 4) ist ersichtlich, daß die erfindungsgemäß hergestellten Arzneiformen eine Steuerung der Wirkstoff-Freisetzung im gewünschten und therapeutisch vorteilhaften Bereich gestatten.
Wie aus den dargestellten Ergebnissen hervorgeht, vermag die Einarbeitung eines stärker quellenden und löslichen Hilfsstoffes (hier z. B. Methylcellulose 400) die Liberation zu beschleunigen.
Dieses so für den Fachmann nicht zu erwartende Resultat (- Methylcellulose zeigt allein und in Kombination mit schwerer löslichen Polymeren durch die Ausbildung einer die Diffusion behindernden Gelschicht einen deutlichen Retardeffekt, dessen Ausnutzung weit verbreitet ist -) ist auf eine deutliche Lockerung der Bindungsstrukturen durch die Quellung und Auflösung der Methylcellulose zurückzuführen, da bei steigendem Anteil von löslichen, hier auch gelbildenden Hilfsstoffen, eine Beschleunigung der Liberation und damit Verbeserung der in-vivo Verfügbarkeit nachweisbar ist.
Das Verhalten von Arzneiformen der beiden Beispielrezepturen 12 und 13 sei in den folgenden Figuren dargestellt.
Fig. 2: Freisetzung von Nifedipin aus Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (Freigabe B) und Beispiel 13 (Freigabe C).
Fig. 3: Plasmaspiegel von Nifedipin nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (Behandlung B) und Beispiel 13 (Behandlung C) im Vergleich zu einem handelsüblichen Referenzpräparat.
Fig. 4: Plasmaspiegel des Nifedipinhauptmetaboliten NPO nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (Behandlung B) und Beispiel 13 (Behandlung C) im Verleich zu einem handelsüblichen Referenzpräparat.
Die auftretende und steuerbare lag-Phase in der Wirkstofffreisetzung (deutlich aus den in anderem Maßstab dargestellten Plasmaspiegelverläufen in Fig. 5 und 6 ersichtlich) kann für spezifische Einsatzgebiete vorteilhaft ausgenutzt werden.
Fig. 5: Plasmaspiegel von Nifedipin nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (Behandlung B) und Beispiel 13 (Behandlung C) für den Zeitraum bis zu 4 Stunden nach der Applikation.
Fig. 6: Plasmaspiegel von Nifedipin für den Zeitraum bis zu 2 Stunden nach Applikation von Tabletten der Rezeptur entsprechend Beispiel 12 (Behandlung B) und Beispiel 13 (Behandlung C).
Leicht lösliche Wirkstoffe werden durch das erfindungsgemäße Prinzip der Retardierung in ihren Liberationsdaten wenig beeinflußt, so daß sich für eine Reihe Indikationen besonders vorteilhafte Anwendungsgebiete eröffnen.
Am Beispiel der Kombination von Theophyllin mit Salbutamol sei das erfindungsgemäße Prinzip mit seinen Vorteilen für die Steuerung des Liberationsverhaltens zweier unterschiedlich löslicher Wirkstoffe dargestellt.
Beispiel 14
Theophyllin|250,0 mg
Salbutamolsulfat 9,6 mg
Avicel PH 101 60,0 mg
PEG 35 000 10,0 mg
Magnesiumstearat 10,0 mg
Liberationsdaten (als Mittelwert, n = 5):
Der gut lösliche Wirkstoff wird bereits in der 1. Stunde zu über 50% freigesetzt. Die Liberation des Salbutamol ist nach vier Stunden nahezu vollständig, während Theophyllin annähernd mit einer Kinetik 0. Ordnung gleichmäßig verzögert freigesetzt wird.
Die beschriebenen Systeme sind prinzipiell für verschiedene Wirkstoffe geeignet. Neben Wirkstoffen Agrarchemie, wie Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln, z. B. Insektizide und Wachstumsregulatoren, läßt es sich bevorzugt für Arzneistoffe in der Human- und Veterinärmedizin verwenden.

Claims (19)

1. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem, enthaltend mindestens einen schwerlöslichen Wirkstoff, ggf. zusammen mit leichtlöslichen Wirkstoffen, mit verzögerter Freietzung für die schwerlöslichen Wirkstoffkomponenten und, falls eingearbeitet, nur wenig verzögerter Freisetzung für die leichtlöslichen Wirkstoffkomponenten, dadurch gekennzeichnet, daß der bzw. die Wirkstoffe mit mindestens einem quellfähigen Hilfsstoff und mit mindestens einem Hilfsstoff (Quellungscontroler) mit höherer Affinität zu Wasser, als der quellfähige Hilfsstoff und gegebenenfalls unter Zusatz weiterer üblicher Hilfsstoffe zu dem Wirkstoff-Freigabesystem verbunden sind.
2. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem Wirkstoff um einen Arzneistoff für die Human- oder Veterinärmedizin handelt.
3. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem Wirkstoff um ein Pflanzenschutzmittel, ein Düngemittel oder um einen Wachstumsregulator handelt.
4. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der quellfähige Hilfsstoff eine begrenzt quellfähige mikrokristalline Cellulose ist.
5. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die mikrokristalline Cellulose eine Quellfähigkeit von bis zu 100% ihres Volumens in Wasser aufweist.
6. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der begrenzt quellfähige Hilfsstoff eine Stärke ist.
7. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Stärke eine Gelbildungstenzdenz von weniger als 100% des durch die Wasseraufnahme gequollenen Volumenanteils aufweist.
8. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß als quellfähiger Hilfsstoff ein unbegrenzt quellfähiges Cellulosederivat eingesetzt wird.
9. Erosionsgesteuertes Wirkstofffreigabesystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß es als Quellungscontroler ein Polyethylenglycol, vorzugsweise mit einer mittleren relativen Molmasse von 400 bis 35 000 enthält.
10. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß es als Quellungscontroler mindestens eine stark hydratisierende anorganische Verbindung enthält.
11. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß es als stark hydratisierende anorganische Verbindung Kaliumsulfat enthält.
12. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß es als weiteren Zusatz übliche hydrophobierende Hilfsstoffe enthält.
13. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß es als hydrophobierende Hilfsstoffe Fettsäuren, Metallsalze von Fettsäuren und/oder Silikone enthält.
14. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß es ein Massenverhältnis zwischen quellfähigem Hilfsstoff und Quellungscontroler von 1: 3 bis 100 : 1 aufweist.
15. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, daß es bezogen auf die Gesamtmasse 0 bis 50 Massenprozent hydrophobierende Hilfsstoffe enthält.
16. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß es in Form von Tabletten vorliegt.
17. Erosionsgesteuertes Wirkstofffreigabesystem nach Anspruch 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß es mindestens zu einem Teil als Mehrkompartimentform vorliegt.
18. Erosionsgesteuertes Wirkstoff-Freigabesystem nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß es als Mikroform vorliegt.
19. Verfahren zur Herstellung des erosionsgesteuerten Wirkstoff-Freigabesystems nach einem der Ansprüche 1 bis 18, dadurch gekennzeichnet, daß man den bzw. die Wirkstoffe mit mindestens einem quellfähigen Hilfsstoff und mit mindestens einem Hilfsstoff (Quellungscontroler) mit höherer Affinität zu Wasser, als der quellfähige Hilfsstoff und gegebenenfalls unter Zusatz weiterer zusätzlicher Hilfsstoffe in an sich bekannter Weise konfektioniert und gegebenenfalls zu Tabletten verpreßt.
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