DE19932688A1 - Design von Beta-Faltblatt-Proteinen mit spezifischen Bindungseigenschaften - Google Patents
Design von Beta-Faltblatt-Proteinen mit spezifischen BindungseigenschaftenInfo
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Abstract
Die vorliegende Erfindung beschreibt neuartige Beta-Faltblatt-Proteine mit spezifischen Bindungseigenschaften und katalytischen Eigenschaften sowie Verfahren zur Herstellung dieser Proteine.
Description
Die vorliegende Erfindung betrifft neuartige Beta-Faltblatt-Proteine mit neuen oder
verbesserten spezifischen Bindungseigenschaften oder einer neuen oder verbesserten
katalytischen Aktivität sowie Verfahren zur Herstellung derartig modifizierter Proteine.
Antikörper und deren Derivate werden in vielen Bereichen der humanen und veterinären
Therapie, Diagnostik sowie beim Monitoring eingesetzt. Ein Problem bei der Nutzung der
natürlich vorkommenden Antikörper ist deren Herstellung. Nach wie vor erfolgt die
Produktion der Antikörper im tierischen Zellkultursystem, ein Verfahren, das sehr kosten
intensiv ist. Für einige Anwendungen, wie z. B. die Herstellung von Fusionsproteinen oder
ein Einsatz in der Therapie, der eine schnelle Blut-clearance und gute Gewebepenetration
notwendig macht, stellt die Größe der natürlich vorkommenden Antikörpermoleküle ein
weiteres Problem dar (Colcher et al., 1998). Rekombinante Antikörpermoleküle, wie scFv's
(Bird et al., 1988), Miniantikörper (Pack und Plückthun, 1992) oder bispezifische Antikörper
(Holliger und Winter, 1993) sind größtenteils nur noch aus den antigenbindenden Domänen
der Antikörper (VH und VL) aufgebaut. Aufgrund ihrer erheblich verringerten Größe zeigen
sie eine verbesserte Gewebepenetration und sind auch für Fusionen mit anderen Proteinen
besser als vollständige Antikörper geeignet. Gegenüber diesen sind rekombinante
Antikörperfragmente allerdings oft instabiler, haben geringere Affinitäten, und sind aufgrund
der auszubildenden Disulfidbrücken schwer rekombinant herzustellen. Methoden zur
Stabilisierung und verbesserten Affinität der rekombinanten Antikörperfragmente beinhalten
u. a. die Testung verschiedener Linkerpeptide und die Einführung von Disulfidverbrückungen
(Glockshuber et al., 1990, Cumber et al., 1992, Brinkmann, 1997).
Die Sequenz und Länge der Linkerpeptide kann sowohl die Stabilität gegenüber Proteasen
als auch die Affinität der Antikörperfragmente beeinflussen (Pantoliano et al., 1991). Die
Einführung von zusätzlichen Disulfidverbrückungen in die konservierten framework-Regionen
der variablen Domänen kann zu einer erhöhten Resistenz gegenüber Hitze (Young et al.,
1995) und denaturierenden Agenzien, sowie zu verbesserten Ausbeuten bei heterologer
Expression führen. Generell zeigen viele scFv's jedoch eine geringe Stabilität und neigen
bereits bei 37°C zur Aggregation. Die Instabilität kann ebenfalls durch die Verwendung der
allgemeinen Fv-Fragment-Klonierungsprimer verursacht werden, durch die neue
destabilisierende Mutationen eingeführt werden können. Die Produktion der
Antikörperfragmente im bakteriellen System erfolgt meist durch Ausschleusen in den
periplasmatischen Raum, wobei auch hier Optimierungen hinsichtlich des Redoxzustandes
bzw. der gleichzeitigen Expression von Faltungshelfern möglich sind.
Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, neue Proteine bereitzustellen, die neue oder
verbesserte Bindungseigenschaften, beispielsweise antikörperähnliche Eigenschaften,
aufweisen, gleichzeitig jedoch die oben beschriebenen Nachteile vollständiger oder
rekombinanter Antikörpermoleküle nicht zeigen.
Eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung liegt darin, Proteine bereitzustellen, die
neue oder verbesserte enzymatische bzw. katalytische Eigenschaften zeigen.
Eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung liegt in der Schaffung von Verfahren zur
Bildung der oben genannten Proteine.
Die oben genannten Aufgaben werden durch ein Protein mit den in Anspruch 1
gekennzeichneten Merkmalen gelöst. Ein Verfahren zur Herstellung der erfindungsgemäßen
Proteine ergibt sich aus dem Anspruch 16. Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung
ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung.
Durch Veränderung der Oberfläche eines Beta-Faltblatt-Proteins werden neuartige, vorher
nicht vorhandene Bindungseigenschaften im Protein erzeugt. Diese Bindungseigenschaften
werden durch Mutagenese eines Beta-Faltblatt-Bereiches geschaffen. Die neuartigen Beta-
Faltblatt-Proteine sind trotz der de novo Bindungseigenschaften den Ausgangsproteinen in
Struktur und Stabilität ähnlich. Ausgangsproteine für das Design der neuartigen
Bindungsmoleküle sind Proteine mit einer überwiegenden Beta-Faltblatt-Struktur, wie z. B.
das Gamma-Kristallin, ein Strukturprotein der Augenlinse. Basierend auf der Kristallstruktur
werden z. B. mittels Computeranalysen Bereiche und Aminosäuren im Beta-Faltblatt der
Ausgangsproteine ausgewählt, die oberflächenexponiert und damit dem Lösungsmittel bzw.
möglichen Bindungspartnern zugänglich sind. In dem für das Ausgangsprotein kodierenden
Gen werden diese Bereiche bzw. Aminosäurepositionen mit gentechnischen Methoden
mutagenisiert. Auf DNA-Ebene wird so eine Vielzahl an mutierten Genen (Bank oder
Bibliothek), die für die unterschiedlichen Beta-Faltblatt-Protein-Mutanten kodieren,
hergestellt. Die Isolierung von Mutanten mit neuartigen, gewünschten
Bindungseigenschaften erfolgt mit Hilfe eines geeigneten Selektionssystems, wie z. B. dem
Phage Display System. Beim Phage Display wird die Gesamtheit der erstellten Protein-
Mutanten auf der Oberfläche von Bakteriophagen exponiert (Phage Display-Bank). Diese
rekombinanten Phagen werden hinsichtlich ihrer Bindung an die gewünschten Zielmoleküle
untersucht. Phagen, die auf ihrer Oberfläche Beta-Faltblatt-Mutanten mit einer spezifischen
Bindung zum Zielmolekül exponieren, werden durch wiederholtes Screening angereichert
und isoliert. Gene, die für bindende Beta-Faltblatt-Mutanten kodieren, werden von den
Phagen erhalten und in einem geeigneten Expressionssystem, wie z. B. E. coli, exprimiert.
Mit dem beschriebenen Verfahren gelingt es überraschenderweise, aus Beta-Faltblatt-Pro
teinen, welche keinerlei spezifische Bindungseigenschaften aufweisen, spezifisch bindende
Proteine herzustellen, wobei Mutanten mit der gewünschten Spezifität aus der Bibliothek
durch Anwendung eines geeigneten Screeningverfahrens isoliert werden. In Abhängigkeit
von den Eigenschaften des Ausgangsproteins haben die mit dem beschriebenen System
erstellten Beta-Faltblatt-Mutanten z. B. gegenüber Antikörpern und rekombinanten
Antikörperfragmenten Vorteile hinsichtlich der Größe, Stabilität und funktionell aktiver
Produktion im heterologen, vorzugsweise bakteriellen System. Diese verbesserten
Eigenschaften der neuartigen Beta-Faltblatt-Mutanten ermöglichen es, z. B. Antikörper,
rekombinante Antikörperfragmente oder katalytische Antikörper zu ersetzen sowie ganz
neue Anwendungsbereiche zu erschließen.
Die erfindungsgemäße Lösung beispielsweise der dargestellten Antikörperproblematik liegt
im Design von Proteinen mit jeweils spezifischen Bindungseigenschaften, die eine hohe
Stabilität gegenüber geringen pH-Werten, denaturierenden Agenzien und erhöhter
Temperatur aufweisen, d. h. die Bedingungen standhalten, bei denen Antikörper instabil
sind. Die Schaffung von Proteinen mit Beta-Faltblatt-Struktur mit antikörperähnlichen
Bindungseigenschaften ist aber nur ein mögliches Anwendungsgebiet der vorliegenden
Erfindung. Weitere Anwendungsmöglichkeiten erschließen sich beispielsweise bei der
Schaffung von Beta-Faltblatt-Proteinen mit neuen katalytischen Eigenschaften, z. B.
Resistenzeigenschaften und fluoreszierenden Eigenschaften. Ein Beispiel für ein Protein,
dessen fluoreszierende Eigenschaften veränderbar sind, ist das GFP. Kleine Proteine mit
einer natürlicherweise hohen Stabilität sind für das Design besonders geeignet. Durch
Veränderung ihrer Oberfläche wurden erfindungsgemäß, unter Beibehaltung der Stabilität,
beispielhaft neue spezifische Bindungseigenschaften im Protein erzeugt.
Erfindungsgemäß wurden als eine mögliche Klasse stabiler Proteine beispielhaft Kristalline
ausgewählt. Kristalline, die Strukturproteine der Augenlinsen, unterliegen üblicherweise
keinem zellulären "turnover" und weisen demzufolge auch außerordentliche Stabilitätseigen
schaften auf (Mandel et al., 1987, RudolpH et al., 1990). Gamma-Kristalline, eine Klasse der
Kristalline bei Vertebraten, sind monomere Proteine mit einer Molekularmasse von etwa 22
kDa. Das Hauptstrukturmotiv der Gamma-Kristalline ist das antiparallele Beta-Faltblatt
(Hazes und Hol, 1992, Richardson et al., 1992, Hemmingsen et al., 1994). Gamma-
Kristalline bestehen aus zwei sehr ähnlichen globulären Domänen, einer N- und einer C-
terminalen Domäne, die miteinander durch ein V-förmiges Linkerpeptid verbunden sind. Das
für Gamma-Kristalline charakteristische Faltungsmuster ("Greek-Key"-Motiv, Slingsby, 1985,
Wistow und Piatigorsky, 1988) ist höchstwahrscheinlich die Ursache für die beträchtliche
Thermostabilität sowie die Stabilität gegenüber Denaturierungsmitteln (Mandal et al., 1987).
Das Gamma-II-Kristallin aus Kälberaugen ist ein 21 kDa-Protein mit für seine Größe unge
wöhnlich vielen (7) Cysteinen, die unter physiologischen Bedingungen reduziert vorliegen.
Gamma-II-Kristallin weist im normal gefalteten Zustand keinerlei Bindungseigenschaften auf.
Die erfindungsgemäße Veränderung (Mutagenese) einer ausgewählten, lösungsmittelexpo
nierten Region dieses Proteins, die aus dem Strukturmotiv des Beta-Faltblattes besteht,
führte überraschenderweise zur Veränderung der Oberflächenstruktur und dem La
dungsmuster des Proteins und somit zur Herstellung neuer Bindungseigenschaften. Dabei
wurden nur Bereiche oder Aminosäurepositionen ausgewählt, die nicht maßgeblich an der
Strukturerhaltung des Proteins beteiligt sind. Die Mutagenese eines kleinen Beta-Faltblatt-
Proteins (Riddle et al., 1997) hat gezeigt, daß Proteine trotz erheblicher Sequenzänderungen
zu einem hohen Prozentsatz korrekt die native Struktur des Beta-Faltblatts ausbilden
können.
Ansätze zur Mutagenese von bestimmten Proteinbereichen mit dem Ziel der Isolierung von
Molekülen mit verbesserten oder neuen Bindungseigenschaften existierten bereits für
rekombinante Antikörperfragmente (Nissim et al., 1994, de Kruifet al., 1995), für Proteine mit
bereits vorhandenen Bindungseigenschaften (Rezeptoren, Inhibitorproteine, DNA-bindende
Proteine) sowie für peptide libraries (Cortese et al., 1995, Haaparanta und Huse 1995,
McConell et al., 1996). Im Falle der Antikörper werden nur die antigenbindenden Domänen,
die als loop-Regionen vorliegen, mutagenisiert. Dies ist ebenfalls für die meisten anderen
Proteine, wie z. B. Tendamistat (McConell und Hoess, 1995) oder Cytochrom b562 (Ku und
Schultz, 1995), der Fall. Auch hier werden Ioop-Regionen mutagenisiert. Beispiele für
Mutagenesen in alpha-Helices sind die Z-Domäne vom Protein A (Nord et al., 1997) und die
Zinkfingerdomäne CP-1 (Choo und Klug, 1995). Bei den bisherigen Mutagenesen wurde
lediglich die Spezifität der Bindung verändert, wobei immer von Proteinen mit bereits
vorhandenen Bindungseigenschaften ausgegangen wurde. In keinem Fall wurde ein Protein
ohne Bindungseigenschaften verwendet, noch wurde ein Beta-Faltblatt-Strukturmotiv gezielt
verändert. Bei dem hier beschriebenen Verfahren wurde erstmals an einem Protein ohne
jegliche Bindungseigenschaften in dem starren Bereich des Beta-Faltblatts eine gezielte
Mutagenese durchgeführt. Dadurch wurde unerwarteterweise ein Protein mit erheblicher
Stabilität und mit spezifischen Bindungseigenschaften, vergleichbar mit Antikörpermolekülen,
erzeugt.
Als geeignetes System für die Isolierung mutagenisierter Beta-Faltblatt-Proteine mit neu ent
standenen Bindungseigenschaften dient das Phage Display-System. Das System ermöglicht
ein sehr effizientes Screening eines großen Repertoires an Proteinvarianten auf spezifische
Bindungseigenschaften (Smith, 1985). Dabei wird jeweils eine Proteinvariante auf der
Oberfläche eines filamentösen Phagen dargestellt und kann mit den Zielmolekülen, die an
einer Festphase immobilisiert sind, in Wechselwirkung treten. An das Zielmolekül bindende
Proteine können durch Elution der Phagen erhalten werden. Nach Isolierung der Phagen-
DNA kann die DNA-Sequenz der spezifisch bindenden Proteinvarianten bestimmt werden.
Neben dem Phage Display System können auch andere Selektions-Systeme, wie z. B. das
Bakterien-Display (Stahl und Uhlen, 1997) oder das Ribosomen-Display (Hanes et al., 1997),
Anwendung finden.
Mit der beschriebenen Erfindung gelingt es überraschenderweise, beispielsweise das sehr
stabile Beta-Faltblatt-Protein Gamma-II-Kristallin durch gezielte ortsspezifische Mutagenese
im Beta-Faltblatt an der Oberfläche so zu verändern, daß aus dem nicht-bindenden Protein
ein Protein mit spezifischen Bindungseigenschaften entsteht. Durch eine Randomisierung
von acht Aminosäurepositionen erfolgt damit erstmals eine Mutagenese in einem
Gerüstmolekül innerhalb eines relativ starren Bereich des Proteins. Somit wird aus dem
Beta-Faltblatt-Protein Gamma-II-Kristallin eine bezüglich ihrer spezifischen
Bindungseigenschaften "antikörperähnliche" Proteinspezies hergestellt. Gamma-II-Kristallin
oder andere kleine, stabile Beta-Faltblatt-Proteine können mit dem beschriebenen Verfahren
generell als neuartige Gerüstmoleküle für das Design neuartiger Bindungseigenschaften
verwendet werden. Die modellierten Beta-Faltblatt-Proteine können z. B. rekombinante
Antikörper in verschiedenen Applikationen ersetzen. Aufgrund ihrer relativ geringen Größe
(20 kDa) eignen sie sich als Fusionspartner für andere funktionelle Proteine (Herstellung
multifunktioneller Proteine). Weitere Einsatzmöglichkeiten liegen in der Gentherapie, wo sie
als Module für das zellspezifische Targeting der gentherapeutischen Vektoren Verwendung
finden können, und in der intrazellulären Immunisierung. Weiterhin können Beta-Faltblatt-
Mutanten mit katalytischen Eigenschaften in Anwendungsbereichen der Enzyme eingesetzt
werden. Die Stabilität der neuartigen Bindungsproteine ermöglicht zudem Anwendungen, die
derzeit mit rekombinanten Antikörpern nicht durchführbar sind, z. B. in der
humanmedizinischen und veterinärmedizinischen Diagnostik und Therapie, der Biosensorik
und der Bioseparation. Weitere Anwendungsgebiete sind allgemein die Pharma- und
Kosmetikindustrie sowie die Schadstoffanalyse und -beseitigung.
Nachfolgend werden einige bevorzugte Ausgestaltungsformen der Erfindung beschrieben.
Die erfindungsgemäß zur Mutagenese ausgewählten Proteine mit Beta-Faltblatt-Struktur
weisen entweder keine Bindungseigenschaften oder keine katalytische bzw. enzymatische
Aktivität auf oder eine solche Aktivität oder solche Bindungseigenschaften, daß eine
Verbesserung wünschenswert erscheint.
Proteine mit Beta-Faltblatt-Struktur sind bekannt. Ein Beispiel für eine Proteinklasse mit
Beta-Faltblatt sind die Kristalline, insbesondere die Alpha-, Beta- und Gammakristalline.
Grundsätzlich einsetzbar sind Kristalline aus allen Tierarten, beispielsweise aus Wirbeltieren,
Nagern, Vögeln und Fischen. Weitere Beispiele für Proteine mit Beta-Faltblatt-Struktur, die
erfindungsgemäß mutagenisierbar sind, sind: Spheruline, Hitzestreßproteine,
Kälteschockproteine, Beta-Helix-Proteine, Lipocaline, Certine oder Transkriptionsfaktoren,
Fibronectine, GFP, NGF, Tendamistat oder Lysozym. Erfindungsgemäß mutagenisiert
werden z. B. einzelne Untereinheiten oder Domänen dieser Proteine, bspw. der Kristalline,
mit Beta-Faltblatt-Struktur.
Unter den Kristallinen ist besonders bevorzugt das Gamma-Kristallin zu nennen, von dem
erfindungsgemäß beispielhaft gezeigt werden konnte, daß dessen Beta-Faltblatt-Struktur so
abgeändert, d. h. mutagenisiert werden kann, daß neue spezifische Bindungseigenschaften
oder neue katalytische Aktivitäten entstehen, die z. B. einem Antikörpermolekül vergleichbar
sind. Ein Beispiel für ein Gamma-Kristallin ist das Gamma-II-Kristallin.
Beispiele für Beta-Helix-Proteine finden sich u. a. in Jenkins J. et al., J. Struct. Biol. 1998, 122
(1-2): 236-46, Pickersgill, R. et al., J. Biol. Chem. 1998, 273 (38), 24600-4 und Raetz C. R. et
al., Science 1995, 270 (5238), 997-1000.
Die Beta-Faltblatt-Struktur ist dadurch definiert, daß sie im wesentlichen plattenförmig und
fast völlig gestreckt vorliegt. Im Gegensatz zu alpha-Helices, die aus einem kontinuierlichen
Teil der Polypeptidkette gebildet werden, können Beta-Faltblätter aus verschiedenen
Regionen der Polypeptidkette aufgebaut sein. Dadurch können in der Primärstruktur weiter
auseinanderliegende Bereiche in unmittelbare Nähe gelangen. Ein Beta-Strang ist
normalerweise 5-10 Aminosäuren lang und liegt fast völlig gestreckt vor. Die Beta-Stränge
liegen so eng beieinander, daß sich Wasserstoffbrücken zwischen der C=O-Gruppe des
einen und der NH-Gruppe des anderen Strangs bzw. umgekehrt ausbilden. Beta-Faltblätter
können aus mehreren Strängen aufgebaut sein und haben eine plattenförmige Struktur.
Dabei liegt das C-alpha-Atom immer abwechselnd über oder unter der plattenförmigen
Ebene. Die Seitenketten der Aminosäuren folgen diesem Muster und sind somit alternativ
einmal nach oben und einmal nach unten gerichtet. Je nach Orientierung der Beta-Stränge
unterscheidet man parallele und antiparallele Faltblätter. Erfindungsgemäß können beide
mutagenisiert und zur Herstellung der beanspruchten Proteine eingesetzt werden.
Zur Mutagenese der Beta-Faltblatt-Struktur werden solche Beta-Faltblatt-Regionen im
Protein ausgewählt, die oberflächennah sind. Oberflächenexponierte Aminosäuren können
anhand der vorhandenen Röntgenkristallstruktur identifiziert werden. Liegt keine
Kristallstruktur vor, so kann mittels Computeranalysen versucht werden, anhand der
vorliegenden Primärstruktur oberflächenexponierte Beta-Faltblattbereiche und die
Zugänglichkeit einzelner Aminosäurepositionen vorherzusagen (www.embl-
heidelberg.de/predictprotein/predictprotein.html) oder die 3d-Proteinstruktur zu modellieren
(www.expasy.ch/swissmo/SWISS-MODEL.html) und damit Aussagen über möglicherweise
oberflächenexponierte Aminosäuren zu gewinnen.
Es sind aber auch Mutagenesen im Beta-Faltblatt möglich, bei denen eine zeitaufwendige
Vorauswahl der zu mutagenisierenden Aminosäurepositionen entfällt. Diejenigen DNA-
Bereiche, die für die Beta-Faltblatt-Strukturen kodieren, werden aus ihrer DNA-Umgebung
isoliert, einer zufallsgesteuerten Mutagenisierung unterzogen und anschließend wieder in die
für das Protein kodierende DNA, aus der sie zuvor entnommen wurden, integriert. Hieran
schließt sich ein Selektionsverfahren auf Mutanten mit den gewünschten
Bindungseigenschaften und/oder katalytischen Eigenschaften an.
In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung werden, wie oben bereits ausgeführt, die
oberflächennahen Beta-Faltblatt-Regionen ausgewählt und innerhalb dieser ausgewählten
Regionen die zu mutagenisierenden Aminosäurepositionen identifiziert. Diese so
ausgewählten Aminosäurepositionen können dann auf DNA-Ebene entweder zielgerichtet
mutagenisiert werden, d. h. ein für eine bestimmte Aminosäure kodierendes Codon wird
durch ein Codon ausgetauscht, das für eine andere, vorher ausgewählte spezifische
Aminosäure kodiert, oder dieser Austausch erfolgt im Rahmen einer Random-Mutagenese,
wobei die auszutauschende Aminosäureposition festgelegt ist, nicht dagegen das für die
neue, noch unbestimmte Aminosäure kodierende Codon.
Oberflächenexponierte Aminosäuren sind dem umgebenden Lösungsmittel zugänglich. Bei
einer Zugänglichkeit der Aminosäuren im Protein von mehr als 8% im Vergleich zur
Zugänglichkeit der Aminosäure im Modelltripeptid Gly-X-Gly sprechen wir von
oberflächenexponierten Aminosäuren. Diese Proteinbereiche bzw. einzelne
Aminosäurepositionen sind auch bevorzugte Bindungsstellen für mögliche Bindungspartner,
auf welche erfindungsgemäß selektiert werden soll. Bei den Bindungspartnern kann es sich
beispielsweise um Antigene oder Substrate oder Substrat-Übergangszustandsanaloga
handeln.
Erfindungsgemäß können praktisch alle Proteine mutagenisiert werden, die an der
Oberfläche liegende, einem Lösungsmittel oder einem Bindungspartner zugängliche Beta-
Faltblatt-Strukturen zeigen. Hierbei kommen vorwiegend solche Proteine in Betracht, die
besonders stabil sind, d. h. z. B. gegen Denaturierung resistent sind oder ausreichend "klein"
sind.
Unter "Mutagenisierung" ist erfindungsgemäß die Veränderung einer oder mehrerer
oberflächenexponierter Aminosäuren in der Polypeptidkette mit Beta-Faltblatt-Struktur zu
verstehen. Hierunter fallen beispielsweise Aminosäuresubstitutionen, wobei eine Aminosäure
mit bestimmten Eigenschaften in Bezug auf ihre Polarität, Ladung, Löslichkeit,
Hydrophobizität oder Hydrophilizität durch eine Aminosäure mit einer anderen Eigenschaft
ersetzt wird, beispielsweise also eine nicht polare hydrophobe Aminosäure durch eine polare
Aminosäure, eine negativ geladene Aminosäure durch eine positiv geladene Aminosäure
usw. Der Ausdruck "Mutagenisierung" umfaßt auch Insertionen und Deletionen,
Voraussetzung ist dabei, daß die Mutationen oberflächenexponierte Aminosäuren in
mindestens zwei oberflächenexponierten Beta-Strängen eines oberflächenexponierten Beta-
Faltblatts umfassen. Die Mutationen werden gezielt an einzelnen Aminosäurepositionen im
Beta-Faltblatt oder in ausgewählten Bereichen des Beta-Faltblatts gesetzt. Die
Mutagenisierungen können in einem Bereich oder in mehreren Bereichen der Beta-Faltblatt-
Struktur vorliegen. Die Veränderungen können benachbarte Aminosäuren oder weiter
entfernt voneinander liegende Aminosäuren im Beta-Faltblatt umfassen.
In einer Ausführungsform der Erfindung erfolgt die Mutagenese durch Assemblierung von
DNA-Oligonukleotiden mit dem Aminosäure-Codon NNK. Selbstverständlich sind auch
andere Codons (Tripletts) einsetzbar.
Die Mutationen sind so, daß die Beta-Faltblatt-Struktur erhalten bleibt. Generell findet die
Mutagenese an der Außenseite eines stabilen, an der Oberfläche des Proteines exponierten
Beta-Faltblatt-Bereiches statt. Sie umfaßt sowohl site-spezifische als auch zufallsgesteuerte
Mutagenisierungen. Ortsspezifische Mutagenesen, die einen relativ kleinen Bereich in der
Primärstruktur umfassen (ca. 3-5 Aminosäuren), können mit den kommerziell angebotenen
Kits von Stratagene (QuickChange) oder Bio-Rad (Muta-Gene phagemid in vitro
mutagenesis kit) durchgeführt werden (vgl. US-A-5,789,166; US-A-4,873,192).
Bei größeren Bereichen einer ortsspezifischen Mutagenese muß eine DNA-Kassette
hergestellt werden, wobei der zu mutagenisierende Bereich durch Assemblierung von
Oligonukleotiden, die die mutierten und die nicht veränderten Positionen enthalten, erhalten
wird (Nord et al., 1997; McConell und Hoess, 1995). Zufallsgesteuerte Mutagenesen können
durch Vermehrung der DNA in Mutator-Stämmen oder durch eine PCR-Amplifikation (error
prone-PCR) eingeführt werden (z. B. Pannekoek et al., 1993). Dabei wird eine Polymerase
mit erhöhter Fehlerrate verwendet. Um den Grad der eingeführten Mutagenese zu erhöhen,
bzw. unterschiedliche Mutationen zu kombinieren, können die Mutationen in den PCR-
Fragmenten mittels DNA shuffiing (Stemmer, 1994) kombiniert werden. Eine Übersicht über
diese Mutagenesestrategien bei Enzymen bietet das Review von Kuchner und Amold
(1997). Um diese zufallsgesteuerte Mutagenese in einem ausgewählten DNA-Bereich
durchzuführen, muß ebenfalls eine DNA-Kassette konstruiert werden, die für die
Mutagenese genutzt wird.
Die im Mutageneseschritt erhaltenen DNA-Moleküle werden in einem geeigneten
Expressionssystem exprimiert. Bevorzugt sind solche Expressionssysteme, die die
nachfolgende Selektion und Isolierung von Mutanten mit den gewünschten
Bindungseigenschaften und/oder der gewünschten katalytischen bzw. enzymatischen
Aktivität erleichtern. Derartige Expressionsvektoren und Expressionssysteme sind dem
Fachmann bekannt und wurden bereits vorstehend näher beschrieben. Es ist
selbstverständlich möglich, auch andere Expressionssysteme einzusetzen, die die
erfindungsgemäße Selektion auf Mutanten mit spezifischen Eigenschaften bzw. Aktivitäten
erlauben.
Bevorzugt wird zur Expression und Selektion das Phage-display-System eingesetzt, bei dem
die Gesamtheit der auf DNA-Niveau erstellten Mutanten in ein Phagemid kloniert und auf der
Oberfläche von Phagen exprimiert wird. Bei Proteinen mit reduzierten Cysteinen kann in
einer besonders bevorzugten Ausgestaltungsform der Erfindung zur Verbesserung der
Exposition und Selektion der Mutanten GSH zugegeben werden.
Die Erfindung erfaßt die mutagenisierten Proteine, DNA-Moleküle, hiervon abgeleitete RNA-
Moleküle und funktionelle Teile hiervon, welche für ein Protein mit einer mutagenisierten
Beta-Faltblatt-Struktur kodieren, das zu einer neuen oder verbesserten Bindung an einen
gewünschten Bindungspartner oder zu einer neuen oder verbesserten katalytischen Aktivität
mit einem Substrat befähigt ist. Der Ausdruck "funktionelle Teile" bezieht sich auf
Untereinheiten, Domänen, und Epitope des Proteins mit Beta-Faltblatt-Struktur, die
erfindungsgemäß mutagenisiert wurden und die die gewünschten Bindungseigenschaften
und Aktivitäten besitzen bzw. hierfür mitverantwortlich sind.
Die Selektion und Isolierung von Mutanten mit den gewünschten Bindungseigenschaften
und/oder den gewünschten katalytischen Aktivitäten erfolgt in an sich bekannter Weise.
Beispiele für Selektionsverfahren und Isolierungsverfahren auf Mutanten mit neuen bzw.
verbesserten Bindungseigenschaften und neuen oder verbesserten katalytischen Aktivitäten
sind nachfolgend beschrieben:
Bei der Selektion auf gewünschte Bindungseigenschaften werden die mutierten Proteine
bzw. die funktionellen Teile hiervon mit ihren Bindungspartnern in Kontakt gebracht. Durch
geeignete Nachweisverfahren werden Mutanten mit den gewünschten Bindungseigen
schaften selektiert.
Bei der Selektion auf katalytische Aktivität werden die mutierten Proteine oder funktionelle
Teile hiervon mit den Substraten in Verbindung gebracht und anschließend durch geeignete
Nachweismethoden auf die gewünschte enzymatische Aktivität selektiert.
Eine Selektion auf katalytische Aktivität kann in mehreren Ansätzen erfolgen:
1. Phage Display:
Kopplung von Übergangszustandsanaloga an eine Festphase und Selektion der Mutantenbank dagegen. Diese Substanzen sind Analoga zu Übergangszuständen des Substrates, die normalerweise bei einem enzymatischen Umsatz eines Substrates zum Produkt entstehen (Substrat-Übergangszustandsprodukt). Dafür muß der Übergangszustand des Substrates allerdings aufgeklärt sein. Es ist auch möglich, ein Screening auf Bindung des Substrates durchzuführen.
2. ohne Phage Display:
Klonierung der Mutanten in ein bakterielles Expressionssystem und Ausplattieren der rekombinanten Bakterien zum Bildung von Einzelkolonien. Das mutierte Protein kann in den Bakterien durch Zugabe von Induktoren (z. B. IPTG) zum Nährmedium exprimiert werden. Das Nährmedium muß weiterhin das Substrat enthalten, auf dessen Umsatz gescreent werden soll. Das Substrat muß bei Umsatz ein identifizierbares, z. B. farbiges Produkt bilden. Die Bakterien, die eine Mutante exprimieren, die das Substrat im Nährmedium umsetzt, erhalten dadurch eine andere Farbe. Ein Beispiel wäre das Screening auf Beta- Galactosidase-Aktivität und der Umsatz von X-Gal (Blaufärbung) (Zhang et al., 1997).
3. Dem Fachmann sind auch weitere Nachweisverfahren bekannt:
Neben der Variante der Farbbildung könnten z. B. Proteinmutanten selektiert werden, die eine neue Resistenz vermitteln (Zugabe von Antibiotika zum Nährmedium) oder die ein Wachstum auf minimalen Nährmedien ermöglichen, auf denen das "normale" Bakterium nicht wächst. Hier kann der selektive Wachstumsvorteil der Bakterien mit der neuen Proteinmutante ausgenutzt werden (Crameri et al., 1997).
4. Expression und Sekretion der mutierten Proteine:
z. B. in Bakterien, Gewinnung der Überstände und Prüfung auf die gewünschte, zu selektierende enzymatische Aktivität (You und Arnold, 1996). Die vorliegende Erfindung löst somit das Problem der Schaffung von Proteinen mit neuen Bindungseigenschaften oder neuen katalytischen Eigenschaften dadurch, daß Proteine mit Beta-Faltblatt-Strukturen in diesem Strukturmotiv mutagenisiert werden. Es wird auf solche Proteine selektiert, die die gewünschten neuen oder verbesserten Bindungseigenschaften oder die gewünschten neuen oder verbesserten enzymatischen bzw. katalytischen Aktivitäten besitzen. Durch das erfindungsgemäße System ist es sogar möglich, Beta-Faltblatt-Proteine, die keine Bindungseigenschaften oder keine enzymatischen Eigenschaften besitzen, so zu verändern, daß sie nach Mutagenisierung im Beta-Faltblatt Bindungseigenschaften oder katalytische Eigenschaften erhalten.
1. Phage Display:
Kopplung von Übergangszustandsanaloga an eine Festphase und Selektion der Mutantenbank dagegen. Diese Substanzen sind Analoga zu Übergangszuständen des Substrates, die normalerweise bei einem enzymatischen Umsatz eines Substrates zum Produkt entstehen (Substrat-Übergangszustandsprodukt). Dafür muß der Übergangszustand des Substrates allerdings aufgeklärt sein. Es ist auch möglich, ein Screening auf Bindung des Substrates durchzuführen.
2. ohne Phage Display:
Klonierung der Mutanten in ein bakterielles Expressionssystem und Ausplattieren der rekombinanten Bakterien zum Bildung von Einzelkolonien. Das mutierte Protein kann in den Bakterien durch Zugabe von Induktoren (z. B. IPTG) zum Nährmedium exprimiert werden. Das Nährmedium muß weiterhin das Substrat enthalten, auf dessen Umsatz gescreent werden soll. Das Substrat muß bei Umsatz ein identifizierbares, z. B. farbiges Produkt bilden. Die Bakterien, die eine Mutante exprimieren, die das Substrat im Nährmedium umsetzt, erhalten dadurch eine andere Farbe. Ein Beispiel wäre das Screening auf Beta- Galactosidase-Aktivität und der Umsatz von X-Gal (Blaufärbung) (Zhang et al., 1997).
3. Dem Fachmann sind auch weitere Nachweisverfahren bekannt:
Neben der Variante der Farbbildung könnten z. B. Proteinmutanten selektiert werden, die eine neue Resistenz vermitteln (Zugabe von Antibiotika zum Nährmedium) oder die ein Wachstum auf minimalen Nährmedien ermöglichen, auf denen das "normale" Bakterium nicht wächst. Hier kann der selektive Wachstumsvorteil der Bakterien mit der neuen Proteinmutante ausgenutzt werden (Crameri et al., 1997).
4. Expression und Sekretion der mutierten Proteine:
z. B. in Bakterien, Gewinnung der Überstände und Prüfung auf die gewünschte, zu selektierende enzymatische Aktivität (You und Arnold, 1996). Die vorliegende Erfindung löst somit das Problem der Schaffung von Proteinen mit neuen Bindungseigenschaften oder neuen katalytischen Eigenschaften dadurch, daß Proteine mit Beta-Faltblatt-Strukturen in diesem Strukturmotiv mutagenisiert werden. Es wird auf solche Proteine selektiert, die die gewünschten neuen oder verbesserten Bindungseigenschaften oder die gewünschten neuen oder verbesserten enzymatischen bzw. katalytischen Aktivitäten besitzen. Durch das erfindungsgemäße System ist es sogar möglich, Beta-Faltblatt-Proteine, die keine Bindungseigenschaften oder keine enzymatischen Eigenschaften besitzen, so zu verändern, daß sie nach Mutagenisierung im Beta-Faltblatt Bindungseigenschaften oder katalytische Eigenschaften erhalten.
Unter "Bindungseigenschaften" ist erfindungsgemäß beispielsweise die spezifische Affinität
eines Antigens mit einem Antikörper zu verstehen. Nach der erfindungsgemäß
durchgeführten Mutagenese besitzt das Beta-Faltblatt-Protein damit antikörperähnliche
Eigenschaften und vereinigt in sich die Vorteile der hohen Bindungsspezifität eines
Antikörpers mit den vorteilhaften Stabilitätseigenschaften eines Beta-Faltblatt-Proteins. Die
erfindungsgemäß hergestellten Beta-Faltblatt-Proteine mit antikörperähnlichen
Eigenschaften können auch eine katalytische Funktion besitzen.
Der erfindungsgemäße Lösungsvorschlag ermöglicht aber auch die Schaffung von Proteinen
mit Beta-Faltblatt-Struktur mit neuen oder verbesserten katalytischen Aktivitäten. Auch die
Verbesserung weiterer Proteineigenschaften, z. B. der fluoreszierenden Eigenschaften beim
GFP, wäre möglich.
Erfindungsgemäß wird unter "Protein mit einer neuen spezifischen Eigenschaft" oder "mit
einer neuen katalytischen Aktivität" ein Protein verstanden, welches vorher keine spezifische
Bindungseigenschaft oder keine katalytische Aktivität besaß und durch die gezielte
Mutagenisierung oberflächenexponierter Aminosäuren in mindestens zwei
oberflächenexponierten Beta-Strängen eines oberflächenexponierten Beta-Faltblatts
nunmehr eine spezifische Bindungseigenschaft oder eine katalytische Aktivität oder eine
Kombination aus beiden besitzt. Hierunter fallen aber auch Proteine, die bereits vor der
Mutagenisierung eine spezifische Bindungseigenschaft oder eine katalytische Aktivität
aufwiesen und nach der Mutagenisierung im Beta-Faltblatt eine weitere, zusätzliche
spezifische Bindungseigenschaft und/oder katalytische Aktivität besitzen. Es ist
selbstverständlich auch möglich, daß ein Protein mit einer spezifischen Bindungseigenschaft
nunmehr eine katalytische Aktivität aufweist oder umgekehrt.
Von der Erfindung umfaßt werden weiterhin solche Proteine, die bereits eine spezifische
Bindungseigenschaft und/oder eine enzymatische bzw. katalytische Aktivität besitzen und
die nach der Mutagenisierung oberflächenexponierter Aminosäuren in mindestens zwei
oberflächenexponierten Beta-Strängen eines oberflächenexponierten Beta-Faltblatts eine
Verbesserung, allgemeiner ausgedrückt, eine Veränderung ihrer spezifischen
Bindungseigenschaften und/oder ihrer katalytischen Aktivität erhalten.
Das erfindungsgemäße Verfahren und die hierdurch hergestellten Proteine unterscheiden
sich auch insofern von Proteinen und Verfahren aus dem Stand der Technik, bei denen die
Beta-Faltblatt-Struktur durch Random-Mutagenisierungen verändert wurden, die nicht gezielt
auf die Beta-Faltblatt-Struktur ausgerichtet waren, sondern auf das gesamte Protein und
insbesondere nicht zielgerichtet auf oberflächenexponierte Aminosäuren in mindestens zwei
oberflächenexponierten Beta-Strängen eines oberflächenexponierten Beta-Faltblatts
gerichtet waren oder derartige oberflächenexponierte Aminosäuren betrafen.
In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung, die nachfolgend beispielhaft
beschrieben wird, wurde als ein Beispiel eines Proteins mit Beta-Faltblatt-Struktur das
Gamma-Kristallin als Ausgangspunkt für die Mutagenese gewählt. Hierbei wurden zunächst
durch Strukturuntersuchungen oberflächenexponierte Aminosäurepositionen ausgewählt und
durch an sich bekannte Mutagenisierungsmethoden mutagenisiert. Die erhaltenen Mutanten
wurden in einem geeigneten, ebenfalls bekannten Expressionssystem exprimiert. Die
Selektion richtete sich auf solche Mutanten, deren oberflächenexponierte Aminosäuren im
Beta-Faltblatt des Gamma-Kristallins eine spezifische Bindung an das Antigen BSA-
Estradiol-17-Hemisuccinat zeigten. Es wurden zwar mehrere Mutanten mit der gewünschten
Bindungseigenschaft isoliert, allerdings trägt nur eine die erwarteten Aminosäureaustausche.
Es wurde damit ein antikörperähnliches, nicht Immunglobulin-Molekül erhalten, welches auf
dem Ausgangsprotein Gamma-Kristallin basiert.
Durch das erfindungsgemäße Verfahren ist die Herstellung einer in der Tat riesigen Vielzahl
von Mutanten möglich. Bereits die Mutagenese von acht Aminosäurepositionen ermöglicht
die Bildung von 2,6 × 1010 verschiedenen Proteinspezies, die auf die gewünschten
Bindungseigenschaften und katalytischen Aktivitäten hin untersucht werden können.
Die erhaltenen mutierten Gene können in geeigneten Systemen vermehrt und die Proteine
exprimiert werden. Geeignete Expressionssysteme sind prokaryontische oder
eukaryontische Systeme. Die für das mutierte Protein kodierende DNA wird beispielsweise in
einen geeigneten Vektor, beispielsweise in einen Expressionsvektor, überführt und durch
Transformation, Transfektion oder Infektion in eine Wirtszelle eingebracht. Die Verbindung
mit regulatorischen Sequenzen, die die Expression der heterologen mutierten DNA gezielt
steuern, ist selbstverständlich vorteilhaft.
Als Wirtszelle kann eine höhere Eukaryontenwirtszelle, beispielsweise eine Säugerzelle,
oder eine niedere Eurkaryontenwirtszelle, beispielsweise eine Hefezelle, oder eine
Prokaryontenzelle, beispielsweise eine Bakterienzelle, eingesetzt werden. Ein Beispiel für
eine mögliche bakterielle Wirtszelle ist E. coli oder B. subtilis. Auch zelifreie
Translationssysteme zur Herstellung der Proteine unter Verwendung von RNA, die sich von
der DNA der vorliegenden Erfindung ableitet, ist möglich. Geeignete Klonierungs- und
Expressionssysteme sind in verschiedenen Handbüchern zur Molekularbiologie,
Biotechnologie und Gentechnologie beschrieben. Beispiele hierfür sind Sambrook et al.,
1989 und Ausubel et al., 1994.
Die vorstehend allgemein dargestellte Erfindung wird nachfolgend anhand eines
Ausführungsbeispiels und der beiliegenden Zeichnungen näher erläutert. Das Beispiel ist als
eine mögliche Form der Erfindung zu verstehen, und die Erfindung ist nicht auf diese
besondere Ausgestaltung beschränkt.
Die beiliegenden Abbildungen zeigen:
Abb. 1: Oligonukleotide für die Assemblierung der Gamma-Kristallin-Mutanten.
Abb. 2: Schematische Darstellung der Oligonukleotidassemblierung und nach
folgender PCR an Streptavidin beladenen Magnetic Beade (MB). Die mit X
gekennzeichneten Stellen markieren die randomisierten Aminosäure
positionen.
Abb. 3: Schematische Darstellung der Amplifizierung der nicht mutagenisierten
Region des Gamma-II-Kristallins.
Abb. 4: Oligonukleotide für die Amplifizierung der nicht mutagenisierten Region des
Gamma-II-Kristallins.
Abb. 5: Schematische Darstellung der pCANTAB 5E- Gamma-II-Kristallin-
Expressionskassette. g3-SS: Signalpeptidsequenz des Phagenproteins G3; E-
Tag: 11 Aminosäuren für den immunologischen Nachweis; fd Gen 3: minor
coat Protein 3 des filamentösen Phagen M13.
Abb. 6: Polyklonaler Phagen-ELISA mit angereicherten Phagen nach dem 3. Panning.
Die Mikrotiterplatten wurden entweder mit dem Konjugat BSA-Beta-Estradiol
17-Hemisuccinat oder als Kontrolle nur mit BSA beschichtet. Nebeneinander
dargestellt ist die Bindung der Gamma-II-Kristallin-Wildtyp-Phagen (GC-WT),
der Phagen aus der Ausgangsbank (GCUC-1) und der durch wiederholtes
Panning angereicherten Phagen (E-17 Phagen) an das jeweilige Antigen.
Abb. 7: Partielle DNA-Sequenz der BSA-Estradiol-17-Hemisuccinat bindenden
Gamma-II-Kristallin-Mutante 12A (Mu 12A) im Phagemid pGCKT 8-3 bzw.
des Gamma-II-Kristallin Wildtyps (WT) in pCANTAB 5E. Kursiv und
unterstrichen sind die eingeführten Schnittorte Sfi I (5') bzw. Bst EII (3')
markiert. Fett gedruckt sind die Kodons der randomisierten
Aminosäurepositionen.
Abb. 8: Abgeleitete Aminosäuresequenzen der BSA-Estradioi-17-Hemisuccinat bin
denden Gamma-II-Kristallin-Mutante 12A (Mu 12A) und des Gamma-II-
Kristallin Wildtyps (W T) nach Expression in den Phagemiden und Abspaltung
des Signalpeptides. Die randomisierten Aminosäurepositionen sind fett und
tatsächlich ausgetauschte Aminosäuren fett und unterstrichen gekennzeich
net. Durch den Sfi I-Schnittort N-terminal zusätzlich eingeführten Aminosäuren
und die C-terminale E-Tag-Fusion sind kursiv und unterstrichen dargestellt.
Abb. 9: Sequenz der für die Klonierung von Mu 12A und Gamma-II-Kristallin in den
Vektor pET-20b verwendeten Primer.
Abb. 10: Abgeleitete Proteinsequenz der BSA-Estradiol-17 bindenden Mutante 12A und
des Gamma-II-Kristallins nach Expression in pET-20b. Die randomisierten
Aminosäurepositionen sind fett und tatsächlich ausgetauschte Aminosäuren
fett und unterstrichen gekennzeichnet. Durch die Klonierung zusätzlich
eingeführte C-terminale Aminosäuren einschließlich der 6 Histidinreste sind
kursiv und unterstrichen dargestellt.
Abb. 11: Konzentrationsabhängige Bindung der Mutante 12A an das Konjugat BSA-
Beta-Estradiol 17-Hemisuccinat. Untersucht wurde die Bindung der Mutante
(12A) und des Gamma-II-Kristallins (WT) an das Konjugat (BSA-Estr. 17) und
als Kontrolle an BSA.
Abb. 12: Stabilität der Mutante 12A gegenüber dem Denaturierungsmittel Guanidin.
Dargestellt sind die Emissionsmaxima nach Inkubation der gereinigten
Proteine der Mutante 12A und des Gamma-II-Kristallins mit verschiedenen
Konzentrationen an Guanidin und nach verschiedenen Zeiten.
Das Design von neuartigen Beta-Faltblatt-Proteinen mit Antigenbindungseigenschaften wird
anhand der Isolierung einer Mutante des bovinen Gamma-B-Kristallins (Gamma-II), die
spezifisch an das Hormon Estradiol bindet, gezeigt. Durch gezielte Veränderung von
ausgewählten Aminosäurepositionen eines oberflächenexponierten Beta-Faltblattes wurde
ein neuartiges, stabiles Protein mit Beta-Faltblattstruktur und spezifischen Bindungseigen
schaften hergestellt. Nach Auswahl der für eine Mutagenese geeigneten Region bzw. Amino
säuren im Beta-Faltblatt erfolgt eine ortsspezifische Mutagenese auf DNA-Ebene, die Her
stellung einer Beta-Faltblatt-Mutanten-Bank in einem Phagemid, welches die Expression und
nachfolgende Selektion auf neuartige Bindungseigenschaften der Mutanten im Phage
Display-System ermöglicht. Die isolierte Mutante wurde hinsichtlich ihrer neuen Eigen
schaften mit dem Ausgangsprotein Gamma-II-Kristallin verglichen.
Basierend auf der Röntgenstruktur des Gamma-II-Kristallins (Wistow et al., 1983) wurde die
N-terminale Domäne des Gamma-II-Kristallins (Acc. M16894) für eine Mutagenese ausge
wählt. Insgesamt wurden dort acht Aminosäuren identifiziert, die ein zusammenhängendes
Oberflächensegment ausbilden. Die ausgewählten Aminosäuren sind Bestandteil eines Beta-
Faltblatts und sollten nicht maßgeblich zur Strukturerhaltung beitragen. Es handelt sich um
Aminosäurepositionen, die dem Lösungsmittel und somit auch möglichen Bindungspartnern
zugänglich sind. Die acht Aminosäuren Lys 2, Thr 4, Tyr 6, Cys 15, Glu 17, Ser 19, Arg 36
und Asp 38 umfassen eine Fläche von ca. 6,1% der Gesamtoberfläche des Proteins.
Durch eine ortsspezifische Mutagenese wurden die acht Aminosäurepositionen randomisiert.
Damit können 2,6 × 1010 verschiedene Proteinspezies gebildet werden. Der zu mutage
nisierende Bereich wurde auf DNA-Ebene durch Zusammenlagerung einzelner Oligo
nukleotide erhalten. Nachfolgend erfolgte die Klonierung in ein für die Selektion im Phage
Display-System konstruiertes Phagemid.
Für die Mutagenese wurden 227 bp, die den 5'-Bereich der Gamma-Kristallin-Mutanten mit
den acht randomisierten Aminosäurepositionen sowie geeignete Restriktionsschnittorte
enthielten, an einer Festphase assembliert. Insgesamt wurden dafür 10 einzelne Oligo
nukleotide verwendet, wovon drei die randomisierten Aminosäurepositionen enthielten (Abb.
1). An den 8 zu mutagenisierenden Positionen wurde bei der Primersynthese das
Nukleotidgemisch NN(T/G) eingesetzt, wodurch theoretisch an einer Position 32 verschie
dene Kodons entstehen (vgl. Nord et al., 1997). Zu Beginn der Assemblierung wurden
biotinylierte Oligonukleotide an mit Streptavidin beladene Magnetic Beads (MBs) der Firma
Dynal (M-280) angelagert. Nach mehreren Anlagerungs-, Ligations- und Polymeraseschritten
konnte der an der Festphase assemblierte Pool an mutagenisierten Regionen des Gamma-
Kristallins durch PCR amplifiziert werden (Abb. 2). Die ca. 250 bp langen PCR-Produkte
enthielten 5' einen Sfi I- und 3' einen Bst EII-Schnittort.
Alle für die Assemblierung verwendeten Oligonukleotide wurden auf eine Konzentration von
100 pmol/µl eingestellt. Zuerst wurden die Primer GCLIE1B und GCLIE2P assembliert. Dafür
wurden jeweils 4 µl der Primer mit 36 µl Wasch- und Bindungspuffer (WB-Puffer: 1M NaCl,
10 mM Tris-HCl pH 7,5, 1 mM EDTA) versetzt und für 5 min bei 70°C inkubiert. Nach
Vereinigung der beiden Primer und weiterer 5-minütiger Inkubation bei 70°C wurde das
Primergemisch langsam auf Raumtemperatur abgekühlt. 4 µl des GCLIE1B/GCLIE2P-
Primerhybrids wurden mit 56 µl WB-Puffer vermischt und zu 300 µg der Streptavidin
beladenen MBs, die zuvor mit Wasch- und Bindungspuffer gewaschen wurden, gegeben.
Nach einer 15-minütigen Inkubation bei Raumtemperatur erfolgte ein Waschen der MBs mit
WB- und TE-Puffer (10 mM Tris-HCl pH 7,5, 1 mM EDTA). Zu den mit dem 1. Primerhybrid
gekoppelten MBs wird ein Primer-Brückenfragment gegeben, welches wie folgt hergestellt
wird: 4 µl des Primers GCLIB4P bzw. GCLI5P werden mit 36 µl 1 × Ligationspuffer der Fa.
GIBCO BRL (50 mM Tris-HCl pH 7,6, 10 mM MgCl2, 1 mM ATP, 1 mM DTT, 5% (wlv) Poly
ethylenglycol-8000) vermischt. Nach einer 5-minütigen Inkubation bei 70°C werden beide
Ansätze vereinigt, weitere 5 min bei 70°C inkubiert und auf Raumtemperatur abgekühlt. Zu
dem Gemisch werden 4 µl GCLI3P und 16 µl 1 × Ligationspuffer, die zuvor wiederum für 5
min bei 70°C inkubiert wurden, gegeben. Nach Zugabe von 12 units T4-DNA-Ligase (Fa.
GIBCO BRL) und 8 µl 1 × Ligationspuffer wird der Reaktionsansatz für 1 h bei Raumtem
peratur inkubiert. 12 µl dieses GCLIE3P/GCLIE4P/GCLI5P-Brückenfragmentes werden mit
54 µl 1 × Ligationspuffer sowie 6 units Ligase versetzt, zu den gewaschenen MBs, die das
erste Primerhybrid enthalten, gegeben und für 1 h bei Raumtemperatur inkubiert. Nach der
Ligationsreaktion werden die MBs zweimal mit TE-Puffer gewaschen und in 64 µl 1 ×
Ligationspuffer mit 8 µl Ligase aufgenommen. Die MBs werden dann mit 8 µl des assem
blierten Primergemisches GCLI6P/GCLIB7P versetzt, deren Assemblierung zuvor analog
der von GCLIB4P/GCLI5P erfolgte. Die Ligation wurde wiederum für 1 h bei Raumtempe
ratur durchgeführt. Nach einem zweimaligen Waschen der MBs in TE-Puffer werden 12 µl
des 2. Brückenfragmentes GCLIB8P/GCLIE9P/GCLIE10 zugegeben und für 1 h ligiert. Die
Herstellung des 2. Brückenfragmentes erfolgt analog zum 1. Brückenfragment, wobei
GCLIE9P und GCLIE10 zuerst assembliert und im zweiten Schritt mit GCLI8P ligiert werden.
Die MBs mit den immobilisierten Primern werden danach wiederum mit TE-Puffer ge
waschen. Die nachfolgende DNA-Polymerase- und Ligasereaktion füllt die Lücken im
Zweitstrang auf. Die MBs werden dafür für 30 min bei 37°C in dem folgenden Puffergemisch
inkubiert: 52,5 µl H2O, 6 µl Puffer L Fa. Boehringer (100 mM Tris-HCl pH 7,5, 100 mM MgCl2,
10 mM Dithioerythritol), 0,5 µl dNTP's (25 mM jedes dNTP) und 1 µl 2 units Klenow-
Fragment (Fa. Boehringer). Die Ligationsreaktion schließt sich nach zweimaligen Waschen
der MBs mit TE-Puffer für 1 h bei Raumtemperatur an. In einem 100 µl-Ansatz befinden sich
10 units Ligase. Nach einem zweimaligen Waschschritt mit TE-Puffer wird der nicht kovalent
an die MBs gebundene DNA-Strang durch Behandlung mit 40 µl 0,1 M NaOH für 30 s
entfernt und die MBs in 60 µl TE resuspendiert. Die PCR zur Amplifizierung der Bank wird
mit den MBs als Template durchgeführt. Die PCR-Reaktion (50 µl) wird wie folgt angesetzt:
6 µl MBs, 5 µl 10 × PCR-Reaktionspuffer der Fa. Stratagene (100 mM KCl, 100 mM
(NH4)2SO4, 200 mM Tris-HCl pH 8,75, 20 mM MgSO4, 1% Triton X-100, 1 mg/ml BSA), 1 µl
(2,5 units) Pfui-DNA Polymerase (Fa. Stratagene), 0,5 µl dNTP's (25 mM jedes dNTP), 0,35
µl GCLIE1B, 0,35 µl GCLIA11B und 36,8 µl H2O. Die PCR erfolgte in 35 Zyklen mit einem
Primer-Annealing bei 55°C für 1 min, einer Polymerasereaktion bei 72°C für 1,5 min, einer
Denaturierung bei 95°C für 1 min und einer abschließenden Polymerase-Reaktion für 5 min
bei 72°C.
Ausgehend von dem Phagemid pCANTAB 5E (PRAS-Kit der Fa. Pharmacia Biotech) wurde
ein Phagemid-Derivat für die Klonierung der Gamma-II-Kristallin-Mutanten-Bank konstruiert.
Der gesamte 3'-Bereich des Gamma-II-Kristallins (C-terminale Domäne) und der nicht
mutagenisierte 5'-Bereich wurden mittels PCR unter Verwendung des Plasmids pGll (Mayr et
al., 1994) als Template und der Primer GDNORNOT und GCBACKSfiBst amplifiziert (Abb. 3,
4).
Die durch die Primer eingeführten Sfi I- (GCBACKSfiBst) bzw. Not I-Schnittorte
(GDNORNOT) ermöglichen die Insertion des PCR-Produktes in das Phagemid pCANTAB
5E. Mit dem Primer GCBACKSfiBst wurde zusätzlich ein Bst EII-Schnittort in das Gamma-
Kristallin-Gen integriert, der die Klonierung der mutierten Gamma-Kristallin-DNA-Fragmente
erlaubt. Die de novo-Einführung des Schnittortes führt nicht zu einer Veränderung der
Aminosäuresequenz im Gamma-II-Kristallin. Das PCR-Produkt wurde nach Sequenzierung
als Sfi 1/Not I-Fragment in das Sfi I/Not I geschnittene Phagemid pCANTAB 5E kloniert. Das
so konstruierte Phagemid pGCKT8-3 war Ausgangspunkt für die Herstellung der Gamma-II-
Kristallin Phage Display-Bank.
Das Phagemid pGCKT 8-3 wurde mit den Restriktionsenzymen Bst EII und Sfi I geschnitten
und einer Phosphatasebehandlung unterzogen (shrimps Phosphatase, Fa. USB). Die DNA
wurde nach den einzelnen Spaltungen gelelektrophoretisch aufgetrennt, die gespaltenen
Vektor-Fraktionen ausgeschnitten und mittels Elektroelution aus den Agarosegelen isoliert.
Vor jeder weiteren enzymatischen Behandlung erfolgte eine Phenol/Chloroform-Extraktion
und eine Fällung der DNA mit Glycogen. Der mittels PCR amplifizierte DNA-Fragmentpool,
der die mutierte Region des Gamma-II-Kristallins enthielt, wurde mit den Restriktions
enzymen Sfi I und Bst EII gespalten. Für die Ligation der PCR-Produkte in das vorbereitete
Phagemid pGCKT 8-3 wurden insgesamt 440 ng Phagemid und 110 ng PCR-Produkt
eingesetzt. Die Ligationen erfolgten mit insgesamt 44 units T4-DNA-Ligase (Fa. GIBCO BRL)
in 20 µl-Ansätzen bei 16°C über Nacht. Nach einer 20 minütigen Inaktivierung der Ligase bei
70°C wurden die Ligationsreaktionen für 1 h durch Tropfendialyse entsalzt. Jeweils 30 µl
elektrokompetenter E. coli-TG 1-Zellen wurden mit je 15 µl der dialysierten Ligationen trans
formiert. Die Herstellung der elektrokompetenten Zellen und die Transformation erfolgten wie
im Manual des PRAS-Kit beschrieben. Die transformierten Zellen wurden auf den Glukose-
und Ampicillin-(100 µg/ml)enthaltenden SOBAG-Platten (siehe Manual des PRAS-Kits, Fa.
Pharmacia-Biotech) ausplattiert und bei 30°C über Nacht inkubiert. Die hergestellte Bank
GCUC-1 umfaßte 250.000 Originalklone. Die Klone wurden mit 2 × YT-Medium (siehe
Manual der PRAS-Kits), welches 1% Glucose und 20% Glycerin enthielt, abgeschwemmt,
ahiquotiert und bei -80°C gelagert. Der Amplifikationsfaktor der Bank wurde mit 7 × 106
bestimmt. Der Anteil an rekombinanten Klonen in der GCUC-1-Bank betrug 97%. Die
Sequenzierung zufällig ausgewählter Klone ergab, daß an den randomisierten Amino
säurepositionen Kodons mit der erwarteten Varianz eingesetzt wurden. Mittels Western-Blot-
Analysen wurden in der Bank Expressionsraten von 30-60% nachgewiesen.
Für Kontrollexperimente wurde die Gamma-II-Kristallin-DNA wurde mit den Primern
GDNORNOT (5' GAGTCATTCTGCGGCCGCATAAAAATCCATCACCCGTCTTAAAGAACC
3') und GCBACKSFI (5' CATGCCATGACTCGCGGCCCAGCCGGCCATGGGGAAGAT
CACTTTTTACGAGGAC 3') und dem Plasmid pGII Mayr et al., 1994) als template
amplifiziert. Das sequenzierte PCR-Produkt wurde nach Spaltung mit den Restriktions
endonukleasen Not I und Sfi I in das ebenfalls Sfi I/Not I geschnittene Phagemid pCANTAB
5E kloniert.
Zur Selektion von Gamma-Kristallin-Mutanten auf Bindungseigenschaften wurde das
kommerziell erhältliche Phage Display-System PRAS der Fa. Pharmacia-Biotech verwendet.
In dem verwendeten Phagemiden pCANTAB 5E (Wildtyp-Gamma-II-Kristallin) und pGCKT 8-
3 (Gamma-Kristallin-Mutanten) sind die Gamma-Kristalline N-terminal mit dem G3-Signal
peptid und C-terminal mit einem E-Tag, der den immunologischen Nachweis der Proteine er
möglicht, fusioniert (Abb. 5). In Abhängigkeit vom verwendeten Bakterienstamm wird das
dem E-Tag folgende amber Stop-Kodon entweder erkannt (E. coli-HB 2151) und die
Gamma-Kristalline werden nach Abspaltung des Signalpeptides ins Periplasma sekretiert
oder überlesen (E. coli TG 1) und die Gamma-Kristalline werden als Fusion mit dem minor
coat Protein des filamentösen Phagen M13 synthetisiert und nach Abspaltung des
Signalpeptides in der inneren Plasmamembran der E. coli-Zelle verankert. Nach Zugabe
eines Helferphagen können rekombinante Phagen gebildet werden, die auf ihrer Oberfläche
die Gamma-II-Kristallin-Varianten exponieren.
Unter den im PRAS-Manual beschriebenen Anzuchtbedingungen wurden keine rekom
binanten Phagen erhalten, bei denen mittels Western-Blot-Analysen die erwarteten
Fusionsproteine (Gamma-II-Kristallin/Protein 3) nachgewiesen werden konnten. Erst durch
Zugabe von reduziertem Glutathion (GSH) während der Phagenbildung wurde der Redox
zustand im Periplasma der Bakterienzelle verändert und somit günstigere Bedingungen für
die Phagenassemblierung geschaffen. Bei Verwendung des Gamma-II-Kristallin-Klons
konnten rekombinante, das Fusionsprotein tragende Phagen nur bei Zugabe von GSH
nachgewiesen werden. Mit steigender GSH-Konzentration stieg auch der Anteil der Gamma-
II-Kristallin-Phagen. Die optimale GSH-Konzentration wurde mit 8 mM bestimmt. Eine
Ursache für die schlechte Expression des Gamma-Kristallins auf der Phagenoberfläche ohne
Zugabe von GSH könnte der hohe Anteil an reduzierten Cysteinen (7) im Gamma-Kristallin
sein. Bei Eintritt des teilweise entfalteten Gamma-Kristallins in das Periplasma könnte es
unter den dort vorherrschenden oxidativen Bedingungen zur Misfaltung und Aggregatbildung
durch Disulfidbrückenbildung kommen. Dadurch könnte auch die Phagenassemblierung
unterdrückt werden. Bei Verwendung von Proteinen mit reduzierten Cysteinen im Phage
Display System kann möglicherweise generell durch Zugabe von GSH die Bildung rekom
binanter Phagen verbessert werden.
Für das Screening der GCUC-1-Bank wurde alle verwendeten Glasgeräte für 4 h bei 200°C
und Plastik-Material mit Helipur für 1 h sterilisiert. Das Panning der GCUC-1-Bank erfolgte
mit BSA-Beta-Estradiol 17-Hemisuccinat (Fa. Sigma) als Antigen. Für das Panning wurden
Mikrotiterplatten (Maxisorp Fa. NUNC) als Festphase verwendet. Die Stringenz der Wasch
schritte wurde im Verlauf der 3 Panningrunden gesteigert. Für die erste Anzucht wurden 100
ml 2 × YT-Medium mit 2% Glukose und Ampicillin (100 µg/ml) mit 50 µl der GCUC-1 Bank
inokuliert. Die Bakterien wuchsen bei 37°C und 300 rpm bis zu einer OD600 von 0,4. In 10 ml
dieser Bakterienkultur wurden 800 µl M13K07-Helferphage (1 × 1011 pfu/ml, GIBCO BRL)
gegeben. Es folgte eine Inkubation bei 37°C für 30 min ohne und für weitere 30 min mit
leichtem Schütteln (50 rpm). Das Bakterienpellet wurde durch Zentrifugation für 20 min,
1.500 rpm (Sorvall SS 34 Rotor) bei Raumtemperatur erhalten und in 100 ml 2 × YT-Medium
mit 8 mM GSH, 100 µg/ml Ampicillin und 50 µg/ml Kanamycin aufgenommen. Die Bildung
der rekombinanten Phagen erfolgte durch Übernacht-Kultivierung bei 30°C und 300 rpm.
Der Überstand mit den rekombinanten Phagen wurde durch eine zweimalige 15-minütige
Zentrifugation bei 10.800 g und eine anschließende Filtration (Porengröße 0,45 µm) erhalten.
Die Konzentrierung der Phagen erfolgte durch Zugabe von 1/5 PEG/NaCl-Lösung (20%
PEG-8000, 2,5 M NaCl) zum Überstand, einer einstündigen Inkubation auf Eis, sowie
zweimaliger 30minütiger Zentrifugation bei 4°C und 3.300 g. Das erhaltene Phagenpellet
wurde in 4 ml PBS pH 7,2 suspendiert und restliche Zellbestandteile durch eine
Zentrifugation (10 min, 11.600 g, Raumtemperatur) abgetrennt. Für den Selektionsprozeß
(Panning) wurde 1 ml der konzentrierten Phagen mit 1 ml einer 6%igen BSA-Lösung (6%
BSA in PBS, pH 7,2) vermischt und für 10 min bei Raumtemperatur inkubiert. Jeweils 100 µl
der so behandelten Phagen wurden zu den wie folgt vorbereiteten, Antigen-beschichteten
Mikrotiterplattenvertiefungen, gegeben. NUNC-Maxisorp-Mikrotiterplatten wurden über Nacht
mit dem Antigen BSA-Beta-Estradiol 17-Hemisuccinat beschichtet. Insgesamt wurden 10
Vertiefungen mit je 100 µl der Antigenlösung (100 µg/ml in PBS pH 7,6) versetzt. Die über
Nacht bei Raumtemperatur beschichteten Vertiefungen wurden dreimal mit PBS, pH 7,6 ge
waschen. Das Absättigen freier Bindungsstellen erfolgte durch Füllung der Vertiefungen mit
einer 3%igen BSA/PBS, pH 7,2-Lösung für 2 h bei Raumtemperatur. Vor Zugabe der BSA-
behandelten Phagen wurden die Vertiefungen zweimal mit einer PBS-Lösung (pH 7,2)
gewaschen. Das Panning erfolgte durch 30-minütiges leichtes Bewegen der Mikrotiterplatte
(20 rpm) und eine nachfolgende 90-minütige Inkubation ohne Schütteln bei Raumtemperatur.
Unspezifisch gebundene Phagen wurden durch 10-maliges Waschen mit PBS, pH 7,2/0,1%
Tween-20 und 10 maliges Waschen mit PBS, pH 7,2 entfernt. Bindende Phagen wurden
durch Zugabe und 10-minütige Inkubation bei Raumtemperatur von jeweils 100 µl 100 mM
Triethylamin (frisch hergestellt) pro Vertiefung eluiert. Eine Neutralisierung der basisch
eluierten Phagen (1 ml) erfolgte durch Zugabe von 500 µl 1 M Tris-HCl pH 7,4. 750 µl dieser
Phagen wurden für die Infektion von 9 ml, auf Minimalmedium-Platten angezogenen TG-1-
Zellen mit einer OD600 von 0,4-0,5 verwendet. Dafür wurden die Bakterien mit den Phagen
für 30 min bei 37°C inkubiert. Besonders starke Binder, die durch die Triethylamin-
Behandlung nicht von der Mikrotiterplatte entfernt wurden, konnten durch direkte Infektion
von TG-1-Zellen gesichert werden. Dafür wurden jeweils 100 µl der angezogenen TG-1-
Zellen zu den Vertiefungen gegeben. Nach einer 30-minütigen Inkubation bei 37°C wurden
die infizierten TG-1-Zellen abgenommen und mit denen der Infektion mit den eluierten
Phagen vereinigt. Die infizierten Bakterien wurden auf 16 × 16 cm-SOBAG-Platten ausplattiert
und über Nacht bei 30°C inkubiert. Jeweils 1 µl der konzentrierten und eluierten Phagen
wurde für die Titer-Bestimmung verwendet. Die erhaltenen Bakterienklone wurden mit 12,5
ml 2 × YT, 20% Glycerin von den SOBAG-Platten abgeschwemmt. Das 2. und 3. Panning
erfolgte analog zum ersten mit den folgenden Änderungen. Die erneute Phagenanzucht
erfolgte mit 20 µl der abgeschwemmten Bank in 20 ml Medium. 2 ml der angezogenen
Bakterienkultur wurden für die Infektion mit dem Helferphagen verwendet (Verhältnis
Bakterien/Phagen: 1/20). Das Waschen der Mikrotiterplatten erfolgte beim 2. Panning zuerst
15 mal mit PBS/Tween-20 und dann 10-mal mit PBS und beim 3. Panning zuerst 20-mal mit
PBS/Tween-20 und dann 10-mal mit PBS.
Der Nachweis der Anreicherung spezifisch bindender Phagen an das Antigen erfolgte mit
einem polyklonalen Phagen-ELISA. Neben den eluierten Phagen wurden Phagen der Aus
gangsbank GCUC-1 und des Wildtyp-Gamma-II-Kristallins als Vergleich getestet. NUNC-
Maxisorp-Platten wurden mit 100 µl BSA-Estradiol-17-Hemisuccinat oder BSA in einer
Konzentration von 2 µg/ml PBS pH 7,6 über Nacht bei Raumtemperatur beschichtet. Nach 3
maligem Waschen der Vertiefungen mit PBS, pH 7,6 erfolgte ein Blocking für 2 h bei 37°C
mit 3% Trockenmilchpulver (Glücksklee)/PBS, pH 7,2 und nochmaliges (3 ×) Waschen mit
PBS, pH 7,6. Die nach der Phagenanzucht isolierten, nicht konzentrierten, rekombinanten
Phagen wurden zunächst für 1 h bei Raumtemperatur geblockt (1 : 1 Mischen mit 6%igem
Trockenmilchpulver (Marvel) / PBS pH 7,6. 100 µl der geblockten Phagen wurden pro
Vertiefung aufgetragen und für 1 h bei 37°C inkubiert. Nach einem jeweils 3-maligen
Waschen der Vertiefungen mit PBS/Tween-20 und PBS erfolgte eine Inkubation mit dem
anti-M13-Antikörper-POD-Konjugat (Fa. Pharmacia-Biotech, Verdünnung 1 : 5000 in 3%
Glücksklee/PBS) für 1 h bei 37°C. Nach Waschen der Platten erfolgte der Nachweis des
enzymgebundenen Antikörpers mit 100 µl Immuno-Pure-TMB-Substrat (Fa. Pierce). Die
Farbreaktion wurde durch Zugabe von 100 µl 2M H2SO4 abgestoppt und die Extinktion bei
450 nm bestimmt. Das Ergebnis der Anreicherung von Phagen nach dem 3. Panning, die an
das BSA-Estradiol-Konjugat binden, ist in Abb. 6 dargestellt.
Von den nach dem 3. Panning erhaltenen Bakterienklonen wurden 80 Einzelklone ausge
wählt. Von den Klonen wurden Phagen isoliert und im monoklonalen Phagen-ELISA
hinsichtlich ihrer Antigenbindung einzeln getestet. Die Anzucht von einzelnen Bakterien
klonen erfolgte in 100 µl 2 × YT-Medium mit 2% Glukose und 100 µg/ml Ampicillin über
Nacht bei leichtem Schütteln (100 rpm) in Polypropylen-Mikrotiterplatten (Fa. NUNC). 2 µl
dieser Bakterienkulturen wurden 1 : 100 in dem gleichen Medium verdünnt und bei 100 rpm
bis zu einer OD600 von 0,4 bei 37°C kultiviert. Phagen wurden, wie für den Selektionsprozeß
beschrieben, erhalten. Für die Phagenanzucht wurden deep well Polypropylen-Mikrotiterplat
ten der Fa. TECAN verwendet. Für den ELISA wurden 200 µl des nach Zentrifugation
erhaltenen Phagenüberstandes (nicht konzentriert) mit 40 µl 6×PBS/18% Marvel für 1 h bei
Raumtemperatur geblockt. Von den 80 getesteten Klonen zeigten 30 eine deutliche Bindung
der rekombinanten Phagen an BSA-Estradiol-17 und nicht an das parallel getestete BSA.
Phagen mit dem Wildtyp-Gamma-II-Kristallin zeigte in einem Kontrollexperiment keinerlei
Bindung an BSA-Estradiol-17. 14 ausgewählte Binder wurden mit den IRD 800 markierten
Primern pCANR1LAB (5' CCATGATTACGCC-AAGCTTTGGAGCC 3') und GCLISEQ (5'
CTGAAAGTGCCGGTGTGTTGC 3') sequenziert. Die Sequenzierung ergab nur in einem Fall
eine Gamma-Kristallin-Variante (Mu 12A), die ausschließlich in den acht randomisierten
Aminosäurepositionen mutiert war. Eine Reihe von Klonen zeigte Verschiebungen im
Leserahmen, die zwar theoretisch für ein funktionelles Protein, allerdings nicht ausschließlich
Veränderungen in der erwarteten Region des Gamma-Kristallins aufwiesen. Diese frame
shift-Mutanten wurden nicht weiter verfolgt.
Die Expression des Fusionsproteins Mu 12A-minor coat Protein 3 auf der Oberfläche der
rekombinanten Phagen sowie die Expression von Mu 12A in dem E. coli-Stamm HB 2151
wurde mittels Western-Blot-Analysen unter Verwendung des Anti-G3P- bzw. des Anti-E-Tag-
Antikörpers (Fa. Pharmacia-Biotech) nachgewiesen. Die DNA-Sequenz der Mutante 12A im
Phagemid pGCKT 8-3 und des Gamma-II-Kristallin-Wildtyps ist in Abb. 7 dargestellt. Die
DNA-Sequenz beginnt mit dem Sfi I-Schnittort, der bereits im Ausgangsphagemid pCANTAB
5E vorhanden ist, und endet im Falle von pGCKT 8-3 mit dem in das Gamma-II-Kristallingen
neu eingeführten Bst EII-Ort bzw. der ursprünglichen Sequenz im Falle des Gamma-II-
Kristallin-Wildtypgens. In Abb. 8 sind die daraus abgeleiteten Aminosäuresequenzen
dargestellt. Die Kodon-Randomisierung in Aminosäureposition 36 führt nicht zu einer
Veränderung der Aminosäure Arginin in dieser Position. Die Computer-Modellierung der
Mutante 12A zeigt, daß die Aminosäureaustausche nicht zu großen Veränderungen in der
Proteinstruktur im Vergleich zum Ausgangsprotein führen. Allerdings kommt es zu einer
positiven Verschiebung der Nettoladung:
Für eine ausführliche Charakterisierung der Mutante 12A erfolgte eine Umklonierung der
DNA in das Plasmid pET-20b (Fa. Novagen). Das Plasmid ermöglicht eine hohe Expression
der rekombinanten DNA in dem E. coli-Stamm BL 21 sowie eine leichte Reinigung der
Fremdproteine. Gene werden hier ohne Signalpeptid mit einer Cterminalen Fusion von 6
Histidinresten exprimiert. Die DNA der Mutante 12A und des Gamma-II-Kristallin-Wildtyps
wurden mittels PCR unter Verwendung der entsprechenden Phagemid-DNA und der Primer
GC 20bback12A/GC for 20b für die Mutante 12A und GC 20bbackWT/GC for 20b für den
Wildtyp amplifiziert (Abb. 9). Die PCR-Fragmente wurden mit den Restriktionsendonukleasen
Nde I und Bam HI gespalten und in den Nde 1/Bam HI geschnittenen Vektor pET 20b
kloniert. Die theoretische Aminosäuresequenz der Mutante 12 A bzw. des Gamma-II-
Kristallins nach Expression in pET-20b in Abb. 10 dargestellt. Die ersten 10 N-terminalen
Aminosäuren der Mutante 12 A wurde durch N-terminale Proteinsequenzierung bestätigt.
Für genaue Untersuchungen der Bindungseigenschaften und der Stabilität der Mutante wur
den große Mengen an Protein der Mutante 12A und des Wildtyps hergestellt. BL 21-Zellen
wurden mit den Plasmiden pET-20bIMu 12A bzw. pET-20bbGamma-II-Kristallin transformiert.
Für die Anzucht der Klone wurde eine Vorkultur 1 : 100 mit LB-Medium/100 µg/ml Ampicillin
verdünnt und die Kultur bei 37°C bis zu einer OD600 von 0,5 bei 200 rpm geschüttelt. Die
Expression der Gamma-Kristalline wurde durch Zugabe von IPTG (1 mM Endkonzentration)
induziert. Die weitere Kultivierung erfolgte über Nacht bei 30°C und 200 rpm. Die
Bakterienzellen wurden durch Zentrifugation bei 4°C, 6.000 rpm (Sorvall GS3 Rotor) für 10
min geerntet. Das Zellpellet wurde in 30 ml 2 × PBS unter Zugabe von 150 µl 200 mM PMSF
und 10 µl DNAse (Fa. Boehringer) suspendiert. Es erfolgte ein zweimaliger Zellaufschluss
mit der Gaulinpresse bei 800-1000 PSIG. Der Überstand mit den löslichen Proteinen wurde
nach Zentrifugation der Zellsuspension für 1 h bei 4°C und 20.000 rpm (Sorvall SS 34 Rotor)
erhalten. Die Reinigung der mit 6 Histidinresten fusionierten Gamma-Kristalline erfolgte über
Affinitätschromatographie bei 4°C. 8 ml Ni-NTA wurden mit 50 ml 2 × PBS/10
mM Imidazol äquilibriert. Der Überstand mit den löslichen Proteinen wurde dann im Batch-
Verfahren mit dem äquilibrierten Säulenmaterial über Nacht auf einem Rollenschüttler
langsam bewegt. Nach Umfüllen der Suspension in eine Chromatographiesäule erfolgte ein
Waschen mit 2 × PBS/10 mM Imidazol/300 mM NaCl. Die Elution des gebundenen Proteins
erfolgte mit 2 × PBS/250 mM Imidazol. Dem eluierten Proteinen wurde DTT
(Endkonzentration 10 mM) zugesetzt. Anschließend erfolgten 2 Dialyseschritte bei 4°C für
jeweils 8 h: 1. mit 100 mM Na-Phosphatpuffer pH 6,0/1 mM EDTA/1 mM DTT und 2. mit 10
mM Na-Phosphatpuffer pH 6,0/1 mM EDTA. Der nach einer abschließenden Zentrifugation
(4°C, 30 min, 20.000 rpm mit Sorvall SS 34 Rotor) erhaltene Überstand enthielt das
gereinigte Protein (Mu 12A bzw. Gamma-II-Kristallin), das für Bindungs- und Stabilitäts
untersuchungen eingesetzt wurde.
Für die Testung der spezifischen Bindung der Mutante 12A an das Konjugat BSA-Estradiol-
17-Hemisuccinat wurde ein ELISA durchgeführt, wobei steigende Konzentrationen an gerei
nigtem Protein der Mutante 12A-His-Tag eingesetzt wurden. Als Kontrolle wurden steigende
Mengen an Gamma-II-Kristallin-Wildtyp (ebenfalls mit His-Tag) eingesetzt sowie die Bindung
beider gereinigter Proteine an BSA getestet. Der konzentrationsabhängige ELISA
wurde mit NUNC-Tm-Platten durchgeführt. Die Antigen-Beschichtung mit dem BSA-
Estradiol-17-Hemisuccinat-Konjugat bzw. dem BSA erfolgte über Nacht bei Raum
temperatur. Die Beschichtung erfolgte mit jeweils 100 µl Antigen in einer Konzentration von
20 µg/ml PBS pH 7,6. Nach Waschen (2 × PBS pH 7,6) und Blocken der Platten (3%
Marvel/PBS für 2 h bei 37°C) wurden jeweils 1-13 µl der Proteinstammlösung (Konzentration
0,63 mg/ml) an gereinigter Mu 12A bzw. Gamma-II-Kristallin in insgesamt 100 µl
Reaktionslösung (PBS, 3% Marvel, x µl Protein) gegeben und für 2 h bei 37°C in den
Vertiefungen inkubiert. Als sekundäre Antikörper wurden der Tetra His Antikörper der Fa.
Qiagen in einer Verdünnung von 1 : 3000 und der Anti-Maus-POD-Antikörper (Fa. Sigma) in
einer Verdünnung von 1 : 2000 eingesetzt. Die Antikörper wurden mit einer 3%igen
Marvel/PBS-Lösung verdünnt, 100 µl zu den Vertiefungen gegeben und für jeweils 1 h bei
37°C inkubiert. Die Substratreaktion erfolgte wie für den polyklonalen Phagen-ELISA
beschrieben. Das Ergebnis dieses ELISA in Abb. 11 zeigt deutlich, daß nur mit steigenden
Konzentrationen der Mutante 12A steigende Extinktionen gemessen werden. Keinerlei
Anstieg wurde mit dem Gamma-II-Kristallin festgestellt. Ebenfalls wurde keine Reaktion mit
BSA beobachtet. Damit ist die spezifische Bindung der Mutante 12A im Vergleich zum
Ausgangsprotein gezeigt.
Für die Untersuchungen zur Stabilität wurden Guanidin-Denaturierungskurven der Mutante
12 A sowie des Gamma-II-Kristallins aufgenommen. Dazu wurden die gereinigten Proteine in
einer Endkonzentration von 20 µg/ml mit steigenden Konzentrationen an Guanidinium für
einen und für drei Tage bei 20°C inkubiert. Insgesamt wurden 15 Guanidiniumkonzen
trationen im Bereich von 0-5, 5 M in einer 1 mM DTT/0,1 M Na-Phosphat-Puffer pH 6,0-
Lösung eingestellt. Von jedem Ansatz wurde nach einem bzw. drei Tagen ein Fluoreszenz-
Emissions-Spektrum von 300-400 nm aufgenommen. Die Anregungswellenlänge betrug
280 nm. In Abb. 12 sind die festgestellten Emissionsmaxima gegen die Guanidiniumkonzen
trationen abgetragen. Die Stabilität des Gamma-II-Kristallins ist sowohl bei einem als auch
bei drei Tagen höher als die der Mutante 12A. Im Vergleich zu Antikörpermolekülen weist die
Mutante 12A jedoch eine viel höhere Stabilität auf.
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Claims (21)
1. Protein mit Beta-Faltblatt-Struktur,
dadurch gekennzeichet, daß
oberflächenexponierte Aminosäuren in mindestens zwei oberflächenexpo
nierten β-Strängen eines oberflächenexponierten Beta-Faltblatts gezielt derart
mutagenisiert sind, daß das Protein neue oder verbesserte spezifische
Bindungseigenschaften oder eine neue oder verbesserte katalytische Aktivität
oder neue oder verbesserte Fluoreszenzeigenschaften aufweist.
2. Protein nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß
es zur Gruppe der Kristalline, Spheruline, Hitzestreßproteine, Kälteschock
proteine, β-Helix-Proteine, Lipocaline, Certine, Fibronectine oder Transkrip
tionsfaktoren gehört oder GFP, NGF, Tendamistat oder Lysozym ist.
3. Protein nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß
es ein Kristallin aus Wirbeltieren, Nagern, Vögeln oder Fischen ist.
4. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, daß
es ein Alpha-, Beta- oder Gamma-Kristallin ist.
5. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, daß
es ein Gamma-II-Kristallin-Protein ist.
6. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
das Protein in einem Lösungsmittel und/oder einem Bindungspartner
zugänglichen Bereich des Beta-Faltblatts mutagenisiert ist.
7. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
es in einer β-Faltblattstruktur einer Domäne oder einer Untereinheit des
Proteins mutagenisiert ist.
8. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
es ein Gamma-II-Kristallin ist, das durch Mutagenese einer oder mehrerer der
Aminosäuren Lys 2, Thr 4, Tyr 6, Cys 15, Glu 17, Ser 19, Arg 36 und Asp 38
im Gamma-II-Kristallin erhalten wurde.
9. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß das Protein im Beta-Faltblatt so mutagenisiert
wurde, daß es antikörperähnliche Bindungseigenschaften oder eine enzyma
tische (katalytische) Aktivität aufweist.
10. Protein nach Anspruch 8 oder 9,
dadurch gekennzeichnet, daß
es Bindungsspezifität für Estradiol oder dessen Konjugat BSA-β-Estradiol-17-
Hemisuccinat aufweist.
11. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
es Bindungsspezifität für Estradiol oder dessen Konjugat BSA-β-Estradiol-17-
Hemisuccinat aufweist mit der nachfolgenden Aminosäurensequenz: Vgl.
Abb. 8 und 10.
12. Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
es mit anderen Proteinen oder Nicht-Protein-Substanzen kombiniert ist.
13. DNA, die für ein Protein nach einem oder mehreren der vorhergehenden
Ansprüche kodiert.
14. RNA, die von der DNA nach Anspruch 13 abgeleitet ist.
15. Prokaryotische oder eukaryotische Vektoren oder Zellen, enthaltend eine DNA
oder RNA nach Anspruch 13 oder 14 oder Teile hiervon, die für funktionelle
Bereiche des Proteins kodieren.
16. Verfahren zur Herstellung eines Proteins nach einem oder mehreren der
vorhergehenden Ansprüche mit den nachfolgenden Schritten:
- a) Mutagenese der für ein Protein mit Beta-Faltblatt-Struktur kodierenden DNA, in solchen Bereichen, die für mindestens zwei oberflächenexponierte Beta- Stränge eines oberflächenexponierten Beta-Faltblatts kodieren.
- b) Expression der in Schritt (a) erhaltenen Mutanten in einem geeigneten Expressionssystem; und
- c) Selektion und Isolierung von Mutanten mit den gewünschten Bindungseigenschaften und/oder der gewünschten katalytischen Aktivität; wahlweise
- d) Expression sowie Aufreinigung der im Beta-Faltblatt mutierten Proteine.
17. Verfahren nach Anspruch 16,
dadurch gekennzeichnet, daß
die Mutagenese eine Mutagenese spezifischer Aminosäurepositionen
(Ortspezifische Mutagenese) oder nichtspezifischer Aminosäurepositionen
(Randommutagenese) im Beta-Faltblatt umfaßt.
18. Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
die Mutanten im Schritt b) in pro- oder eukaryontischen Zellen, im zellfreien
System als Komplex mit Ribosomen oder auf der Oberfläche von pflanzlichen
oder tierischen Zellen, Hefezellen oder Phagen, Viren oder Bakterien
exprimiert werden.
19. Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
zur Selektion von Mutanten mit den gewünschten Bindungseigenschaften
diese mit dem Bindungspartner in Kontakt gebracht und solche Mutanten
isoliert werden, die die gewünschte Bindungsaffinität aufweisen.
20. Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß
zur Selektion von Mutanten mit den gewünschten katalytischen Eigenschaften
diese mit ihrem Substrat in Kontakt gebracht und solche Mutanten isoliert
werden, die die gewünschte katalytische Aktivität aufweisen.
21. Verwendung eines Proteins nach einem oder mehreren der vorhergehenden
Ansprüche in der Diagnostik und Therapie, in der Kosmetik, der Bioseparation
und Biosensorik und der Schadstoffverringerung.
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