Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 468

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 keine Sache der Meinung, sondern eine bloße Idee, welche übrig bleibt,      
  02 wenn man von einem denkenden Wesen alles Materielle wegnimmt und      
  03 ihm doch das Denken übrig läßt. Ob aber alsdann das Letztere (welches      
  04 wir nur am Menschen, d. i. in Verbindung mit einem Körper, kennen)      
  05 übrig bleibe, können wir nicht ausmachen. Ein solches Ding ist ein vernünfteltes      
  06 Wesen ( ens rationis ratiocinantis ), kein Vernunftwesen      
  07 ( ens rationis ratiocinatae ); von welchem letzteren es doch möglich ist, die      
  08 objective Realität seines Begriffs wenigstens für den praktischen Gebrauch      
  09 der Vernunft hinreichend darzuthun, weil dieser, der seine eigenthümlichen      
  10 und apodiktisch gewissen Principien a priori hat, ihn sogar erheischt      
  11 (postulirt).      
           
  12 2) Gegenstände für Begriffe, deren objective Realität (es sei durch      
  13 reine Vernunft, oder durch Erfahrung und im ersteren Falle aus theoretischen      
  14 oder praktischen Datis derselben, in allen Fällen aber vermittelst      
  15 einer ihnen correspondirenden Anschauung) bewiesen werden kann, sind      
  16 ( res facti ) Thatsachen*). Dergleichen sind die mathematischen Eigenschaften      
  17 der Größen (in der Geometrie), weil sie einer Darstellung      
  18 a priori für den theoretischen Vernunftgebrauch fähig sind. Ferner sind      
  19 Dinge, oder Beschaffenheiten derselben, die durch Erfahrung (eigene oder      
  20 fremde Erfahrung vermittelst der Zeugnisse) dargethan werden können,      
  21 gleichfalls Thatsachen. - Was aber sehr merkwürdig ist, so findet sich      
  22 sogar eine Vernunftidee (die an sich keiner Darstellung in der Anschauung,      
  23 mithin auch keines theoretischen Beweises ihrer Möglichkeit fähig ist) unter      
  24 den Thatsachen; und das ist die Idee der Freiheit, deren Realität      
  25 als einer besondern Art von Causalität (von welcher der Begriff in theoretischem      
  26 Betracht überschwenglich sein würde) sich durch praktische Gesetze      
  27 der reinen Vernunft und diesen gemäß in wirklichen Handlungen, mithin      
  28 in der Erfahrung darthun läßt. - Die einzige unter allen Ideen der      
  29 reinen Vernunft, deren Gegenstand Thatsache ist und unter die scibilia      
  30 mit gerechnet werden muß.      
           
           
    *)Ich erweitere hier, wie mich dünkt, mit Recht, den Begriff einer Thatsache über die gewöhnliche Bedeutung dieses Worts. Denn es ist nicht nöthig, ja nicht einmal thunlich, diesen Ausdruck bloß auf die wirkliche Erfahrung einzuschränken, wenn von dem Verhältnisse der Dinge zu unseren Erkenntnißvermögen die Rede ist, da eine bloß mögliche Erfahrung schon hinreichend ist, um von ihnen bloß als Gegenständen einer bestimmten Erkenntnißart zu reden.      
           
     

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