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Seite:Die Gartenlaube (1853) 215.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

dem schärfsten Mikroskop nichts weiter als eben die, zum Theil zerbrochenen, kleinen Kieselpanzer entdecke. Gerade dort ißt man sie in der Noth sehr häufig. Jene Ablagerungen der Kieselpanzer dieser kleinen Wesen, welche wahrscheinlich vor Jahrtausenden erfolgt sind, sind also Magazine für den darbenden Hunger; uralte Magazine!




Blätter und Blüthen.

Die Englische Küche. „Sage mir, mit wem Du umgehst und ich will Dir sagen, wer Du bist,“ ist ein Sprichwort, das wir überall wiederfinden, weil es auf einer tiefliegenden psychologischen Wahrheit beruht, die in jedem Clima dieselbe bleibt. „Sage mir, was Du ißt und ich will Dir sagen, wer Du bist,“ möchte nicht minder seine Berechtigung finden, wenn man im neunzehnten Jahrhundert noch mit einem Sprichworte hervortreten dürfte. Aber die Zeiten sind lange dahin! Die gute Gesellschaft, die so genannte, wo Wachskerzen brennen, und der Fuß auf spiegelglatten Parkets ausgleitet, hat sich eine eigene Sprache geschaffen, die ohne Fallen und Steigen der Stimme, das Wort, wie Bachesmurmeln, über die Lippe trägt; hier ist kein kerniger Spruch, der mit drei Worten eine Lebenswahrheit hinstellt, mehr gebräuchlich, denn man kommt nicht zusammen der Wahrheit halber. Im Gegentheil! – Im Volke hört man dann und wann noch so ein Wort aus alter Zeit, das einst der Lippe eines Weisen entfallen, im frommen Glauben an die Autorität von Mund zu Mund getragen wurde, und sich bis heute mit schwachen Nachklängen erhält, denn auch hier wird es seltener. – Was die Bildersprache dem Oriente, das war vielleicht einst dem Deutschen sein Sprichwort. Er konnte sich damit bei wenigen Worten so gar Vieles denken. Jetzt ist die Sprache so reich, daß man der Gedanken entbehren kann. Gesetzt aber, wir dürften uns des Sprichworts bedienen, so wäre ein auf die Speise bezügliches gewiß recht gut angebracht; besonders mit Bezug auf den Engländer, der in diesem Punkte sehr systematisch zu Werke geht. Wohin der Sohn des nebeligen Albion auch seine Schritte lenkt, überall wird seine Hauptsorge darauf gerichtet sein, daß er sich angemessen nähre. Der Wohlgeschmack einer Speise wird ihn nimmer dafür entschädigen, daß sie an Nahrungsstoffen arm! Er ist sich auf jedem Schritte durch das Leben bewußt, daß sein physischer Mensch der Träger des geistigen Menschen ist, und wird darum seine Basis stets im Auge behalten.

In jedem Volke ist das Clima in gewissem Sinne die Begründerin seiner Küche. England, mit seiner feuchten Luft, bedingt daher eine Lebensweise, die dem Bewohner des Continents befremdend ist. Er hat es keinem Zufall überlassen seine Küche zu bilden, kein Gastronom hat ihm verschreiben dürfen, wie er seine Speisen bereite, sondern Vernunft und Erfahrung haben hier das entscheidende Urtheil gesprochen. Das ist gesund, und das ist nicht gesund, sind daher Worte, die bei seinen Mahlzeiten unzählige Anwendung finden. Und selbst die Wissenschaft hat man sich in dem Punkte dienstbar gemacht. Sie half nicht allein Spinnmaschinen erfinden, Pferde diätetisch auf die erste Stufe bringen, den Menschen an äußerer Schönheit der kaukasischen Race wieder nähern; sie lehrte ihnen auch eine Biscuit-Torte durch Soda, statt mit Eiern, locker zu machen, ein Fortschritt den jede Hausfrau mit Dank in ihren Rechnungsbüchern verzeichnet.

Der Engländer, das wissen wir alle, ist ein durchaus praktischer Mensch, der gerne weiß, warum er eine Sache thut. Setzt er sich zu Tische, so geht er nicht leichtsinnig dabei zu Werke, er betet, denn er ist sich bewußt, daß es sich hier um sein oder nicht sein handelt; – er betet, daß ihm seine Speise bekommen möge. Nachdem er sich auf diese Weise christlich mit der Gottheit verständigt, beginnt er seinen Act der Pietät – der Erhaltung seines Lebens.

Nur drei Mal täglich speist der Engländer. – Je schwerer das Clima, je langsamer die Verdauung, darum auch genießen diejenigen, die geistig arbeiten, gewöhnlich vom Frühstück bis zum späten Mittagsessen um acht Uhr Abends keine Speise. Er steht nicht früh auf, – vom weichen Pfühle und Morgenroth darf man bei ihm nicht reden; entschlüpft er seiner harten Matratze, so fällt sein Auge sogleich auf seine Marter-Instrumente, seinen härenen Hausschuh, sein rauhes Handtuch, womit er sich nach dem kalten Bade sofort reibt, bis er einem gekochten Krebse gleicht: Die praktischen Morgenträume sind nun schon alle dahin und mit Vergnügen sieht er la tête – mit Herrn von Le Mâistre zu reden, die Treppe hinunter steigen, und eine Portion heißen gebratenen Speckes mit Andacht verschlingen. Eier und Speck sind die Lieblingsessen des Engländers bei seinem Frühmahle, grade wie bei dem Chinesen, der von diesen beiden Speisen, nebst Reis, existirt – und da beide dem Gehirne Nahrung zuführen, so hat er dadurch allerdings einen Vorzug vor den Kaffee trinkenden Geschöpfen, die einzig ihre Einbildungskraft füttern. – Gleich nach dem Frühstück geht es in die frische Luft hinaus, wäre es auch nur um – eine Cigarre zu rauchen. Denn dies Geschäft wird er unter keiner Bedingung im Zimmer vornehmen.

Zu seinem Mittagsmahle bedarf der Engländer keiner Suppe, aber Fleisch, nur immer Fleisch. Suppe ist in England ein Luxus, denn man ißt sie nur sehr stark, so wie überhaupt alles kräftig sein muß, und das Fleisch wovon sie bereitet werden, wird nicht genossen, weil es keinen Nahrungsstoff enthält. Ein Haushalt, der nicht auf Luxus eingerichtet ist, bietet daher keine Suppe. Gekochtes Fleisch ißt man nur stewed, das heißt, ganz kurz in seiner eigenen Brühe eingekocht, und ein großes Stück Rindfleisch auf diese Art zubereitet, ist ein Lieblingsessen der Engländer. Fleisch und Gemüse werden aufgetragen, beide ohne Zuthat von Butter, – nach Moses Vorschrift, möchte man sagen. Aber das Fleisch ist so vortrefflich und die Gemüse sind so schön cultivirt, daß beide der Zuthat entbehren können. Ein Beefsteak schwimmt in seinem eigenen Blute, eine Cotellet von Hammelfleisch ist gleichfalls en naturel bereitet, und zugleich die gesundeste Speise, für

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_215.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)