Anna (Heilige)

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Fresco der heiligen Anna aus Farras (8. Jh. n. Chr.)
Begegnung an der Goldenen Pforte (Giotto, um 1305)

Anna (von hebräisch חַנָּה Ḥannah; griech.: Αννα) wird in mehreren apokryphen Schriften des 2. bis 6. Jahrhunderts als Mutter Marias und damit als Großmutter Jesu Christi angesehen. In den vier kanonischen Evangelien wird sie nicht erwähnt. Seit dem Mittelalter wird sie als Heilige verehrt und vielfach künstlerisch dargestellt.

Die legendarische Lebensgeschichte der Anna ist dem alttestamentlichen Vorbild von Hannah und ihrem Sohn Samuel nachgezeichnet. Nach zwanzigjähriger kinderloser Ehe mit Joachim gebar demnach Anna die Maria.

Nach der Lehre der römisch-katholischen Kirche geschah die Empfängnis Marias als unbefleckte Empfängnis, das heißt, sie wurde zwar auf natürliche Weise von ihrem leiblichen Vater gezeugt und von Anna empfangen und geboren, aber durch einen Akt göttlicher Gnade vor dem Schaden der Erbsünde bewahrt.

Nach der Legende brachten sie Maria in Erfüllung eines Gelübdes im Alter von drei Jahren zur Erziehung in den Jerusalemer Tempel. In Anknüpfungen an biblische und apokryphe Aussagen zur Verwandtschaft Jesu entstand im Frühmittelalter die von der Legende noch weiter ausgestaltete Vorstellung von der „Dreiheirat“ (trinubium) Annas und der daraus hervorgegangenen „Heiligen Sippe“. Danach hatte sie nach Joachims Tod noch zwei weitere Ehemänner, Kleophas und Salomas, denen sie ebenfalls jeweils eine Tochter namens Maria gebar, welche dann ihrerseits Jünger und Apostel zu Söhnen hatten.[1]

Nach der von Haimo von Auxerre verfassten[2] Legende, die Teil der Legenda Aurea des Dominikaners Jacobus de Voragine ist[3], waren Anna und ihre Schwester Esmeria Töchter von Susanna und Ysaschar. Esmerias Tochter Elisabet sei die Mutter Johannes des Täufers gewesen. Maria Salomas sei die Mutter von Jakobus dem Älteren und Johannes gewesen – Maria Kleophas die Mutter von Jakobus dem Jüngeren, Judas Taddäus, Simon Zelotes und Joseph Justus.[4] Diese Legende (Liber Secundus, Caput III; Teil der von Jaques-Paul Migne herausgegebenen Druckreihe Patrologia Latina)[5] wurde durch Johannes Trithemius erst Haimo von Halberstadt zugeordnet, was sich aber als unwahr herausstellte.[6]

Nach einigen apokryphen Schriften (Protoevangelium des Jakobus, Pseudo-Evangelium des Matthäus, Legenda Aurea, Annenviten des 15. Jahrhunderts) spendeten Anna und ihr Ehemann Joachim ein Drittel ihres Besitzes an Arme, Waisen, Witwen und Fremde in Not.[7]

Von Franz Ludwig Herrmann 1750 gemalte Figur der heiligen Anna am Scheinaltar der Schlosskapelle Mammern
Sühnedenkmal in Neuenkirchen, Mutter Anna mit Maria
Reliefdarstellung der heiligen Anna aus der spätgotischen Annakirche zu Düren

In frühchristlicher Zeit erfuhr Anna keinerlei Verehrung; diese begann – zunächst jedoch nur zögerlich – im Jahr 550, als ihr zu Ehren in Konstantinopel eine Kirche errichtet wurde. In der Zeit danach schweigen die Quellen erneut, bis im Jahr 1142 Avda, die Witwe des Königs Balduin, neben dem Bethesdateich in Jerusalem die St.-Anna-Kirche erbaute, weil man dort die Wohnung von Joachim und Anna vermutete.

Einen enormen Anstieg der Verehrung erfuhr sie seit dem 13. Jahrhundert; diese erreichte mit der zunehmenden Marienverehrung im 15. und 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Er manifestiert sich in Legenden zu ihrer Vita, in Wundererzählungen über die nach ihrem Tod gewirkten Wunder, in Gebeten und in bildlichen Darstellungen, so auch in den besonders im deutsch-niederländischen Raum beliebten Darstellungen der Anna selbdritt (Anna, Maria und das Jesuskind), Anna Maria lesen lehrend (Anna, Maria und ein Buch) und der Heiligen Sippe. Im Jahr 1481 ließ Papst Sixtus IV. den Gedenktag der Anna in den römischen Kalender aufnehmen. Die heilige Anna war lange Zeit die Lieblingsheilige Martin Luthers und Kaiser Maximilians. Dieser ließ sich 1496 in die Annenbruderschaft zu Worms aufnehmen. Darüber hinaus war die heilige Anna vor allem für Humanisten von Interesse, die über sie für die Unbefleckte Empfängnis Mariens argumentierten. In der Folge entstanden eine Vielzahl von Publikationen über die Heilige, darunter die von Johannes Trithemius verfasste Schrift De laudibus sanctissimae matris Annae, die eine Debatte auslöste. 1584 bestimmte Papst Gregor XIII. ihren Festtag, den Annentag, auf den 26. Juli.

Seit 1501 befindet sich eine angebliche Kopf-Reliquie der Anna, das Annahaupt, in Düren. Die spätgotische St.-Anna-Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Ihr Neubau erfolgte 1956 durch den Architekten Rudolf Schwarz. Weitere Reliquien befinden sich in Ste-Anne in Apt, in Wien und anderen Städten, so z. B. eine weitere Kopfreliquie in Castelbuono auf Sizilien.

In Schlesien ist der St. Annaberg seit Jahrhunderten ein zentraler Wallfahrtsort. In der NS-Zeit fanden dort große Demonstrationen des Glaubens statt. Nach dem Krieg wurde der Ort ein Symbol für die verlorene Heimat, aber auch ein Platz, von dem Versöhnung ausgeht. Auch die heutigen Schlesier halten ihn hoch in Ehren. Die Vertriebenen haben die Annaverehrung in die neue Heimat mitgenommen und treffen sich jährlich am Annatag z. B. auf dem Annaberg in Haltern am See oder zur Mutter-Anna-Wallfahrt in Velbert-Neviges.

Sie ist Patronin von Neapel, der Bretagne sowie der Mütter und der Ehe, der Hausfrauen, Hausangestellten, Witwen, Armen, Arbeiterinnen, Bergleute, Weber, Schneider, Strumpfwirker, Spitzenklöppler, Knechte, Müller, Krämer, Schiffer, Seiler, Tischler, Drechsler, Goldschmiede, der Bergwerke, für eine glückliche Heirat, für Kindersegen und glückliche Geburt, für Wiederauffinden verlorener Sachen und Regen. Sie soll gegen Fieber, Kopf-, Brust- und Bauchschmerzen, Aussatz, Pest, Geisteskrankheiten und Gewitter schützen (vergleiche das Gebet des jungen Luthers an Anna, ins Kloster zu gehen, wenn sie ihn in einem schweren Gewitter rettet).

Zahlreiche Kirchen tragen das Patrozinium der heiligen Anna. Siehe Annenkirche.

In verschiedenen Gegenden Deutschlands (z. B. in Franken und in Westfalen) wird jährlich das Annafest als Volksfest gefeiert. Die Annakirmes in Düren, heute ein Volksfest mit mehr als einer Million Besuchern, geht auf die Anfang des 16. Jahrhunderts begründete Sankt-Anna-Wallfahrt zurück. Einer der Höhepunkte der jährlichen Anna-Oktav ist die feierliche Erhebung des Annahauptes aus seinem mittelalterlichen Schrein. Das Forchheimer Annafest findet alljährlich um den Gedenktag der heiligen Anna am 26. Juli am Kellerberg der oberfränkischen Stadt Forchheim statt. Während des Festbetriebes zählt das Annafest bis zu 500.000 Besucher.

In Heilbronn befindet sich eine alte Linde auf der ehemaligen Grundfläche einer ihr geweihten Kapelle. Dieses Naturdenkmal, das an eine alte Legende erinnert, heißt Annalinde.

2001 fand man bei Ausgrabungen eine St. Anna gewidmete Feldkirche bei Bad Münder.

In Annabrunn nahe Mühldorf am Inn befindet sich eine St.-Anna-Kapelle als Wallfahrtsort.

Der größte Pardon (Prozession) in der Bretagne führt an ihrem Namenstag zum Brunnen der heiligen Anna in Sainte-Anne-d’Auray.[8]

In der maltesischen Sprache heißt die Milchstraße It-Triq ta' Sant'Anna, wörtlich „Die Straße der Heiligen Anna“.[9]

  • Die heilige Anna – Bildform und Verehrung. Hrsg.: Draiflessen Collection. Gesamtkoordination: Iris Ellers. Mettingen, 2014, ISBN 978-3-942359-22-1
  • Marlies Buchholz: Anna selbdritt. Bilder einer wirkungsmächtigen Heiligen. Langewiesche-Königstein 2005.
  • Paul V. Charland: Madame Saincte Anne et son culte au moyen âge. Drei Bände, Quebec 1911–1912.
  • Angelika Dörfler-Dierken: Die Verehrung der heiligen Anna in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-55158-4.
  • Angelika Dörfler-Dierken: Vorreformatorische Bruderschaften der hl. Anna. In: Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Jg. 1992, Abh. 3. Winter, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04583-8.
  • Dieter Harmening in: Lexikon des Mittelalters. Band 1, 653 f.
  • Ekkart SauserAnna. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 15, Bautz, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-077-8, Sp. 34–36.
  • Ernst Schaumkell: Der Kultus der hl. Anna im Ausgang des Mittelalters. Freiburg im Breisgau 1893.
  • Jakob Torsy: Der Große Namenstagkalender. 3720 Namen und 1560 Lebensbeschreibungen unserer Heiligen. 13. Aufl., Freiburg im Breisgau 1976; Nachdruck 1989, S. 213 f.
Commons: Heilige Anna – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Genoveva Nitz: Anna, bibl. Person. 2) Anna, Mutter Mariens. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 1. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, Sp. 599.
  2. Jennifer Welsh: The Cult of St. Anne in Medieval and Early Modern Europe. Taylor & Francis, 2016, ISBN 978-1-134-99780-0 (google.de [abgerufen am 17. Juni 2020]).
  3. Andreas Hammer: Erzählen vom Heiligen: Narrative Inszenierungsformen von Heiligkeit im 'Passional'. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2015, ISBN 978-3-11-040859-1 (google.de [abgerufen am 16. Juni 2020]).
  4. Die Familie Jesu Das Sippenaltärchen. (PDF) In: schmidt-bernd.eu. Abgerufen am 16. Juni 2020.
  5. Haymon d’Halberstadt (0778?-0853 ; saint) Auteur du texte, Erchambert (évêque) Auteur du texte, Nithard (0800?-0844) Auteur du texte: Patrologia Latina 116–118: Haymonis Halberstatensis episcopi opera omnia ex variis editionibus ineunte saeculo sexto decimo Coloniae datis ad preclum revocata et diligentissime emendata. Praemittuntur Ebbonis Rhemensis Hartmanni monachi S. Galli, Ermanrici Augiensis monachi, Erchamberti Frisingensis episcopi, Nithardi S. Richarii abbatis, Amulonis episcopi Lugdunensis scripta quae supersunt. Tome 3 / accurante J. P. Migne … 1852, S. 824–825 (bnf.fr [abgerufen am 17. Juni 2020]).
  6. Haimo. In: Deutsche Biographie. Abgerufen am 17. Juni 2020.
  7. Julia Liebrich: Frankfurt am Main, Kirche St. Maria; Flämischer Annenaltar der Karmeliter, zwischen 1489–1494; Frankfurt am Main, Historisches Museum. (PDF) Mittelalterliche Retabel in Hessen, 2015, S. 35, abgerufen am 16. Juli 2020.
  8. Marie-Louise von Plessen, Daniel Spoerri: Heilrituale an bretonischen Quellen, Casti 1977, Privatdruck von Paul Gredinger, ISBN 3-85712-001-0
  9. The Milky Way Project – It-Triq ta' Sant'Anna | What is the Milky Way? In: maltastro.org. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 2. November 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.maltastro.org