Bitsch
Hermann Irle
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MAR 8 1971
BEITRÄGE
ZUR
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i. \7 r\ r; q r \ • -~\ \ • '"\ • r ,,; r * •• N :-s \
VON
ELSASS-LOTHRINGEN
f
XX. HEFT.
DIE
FESTUNG BiTSCII
VON
HERMANN IRLE.
Dritte vermehrte Alflage.
A/iV {«vi Ansichten und Plan von Büsch nebst Karte
der Umgegend.
STRASSBURG
J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel)
1902.
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BEITRÄGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE
von Elsa88-Lothringen.
Band I.
1. Die deutsch-französische Sprachgrenze in Lothringen von
Const. This. 34 S. mit l Karte (1 :300.000). 1 50
2. Ein andeohtig geistliche Badenfahrt des hochgelehrten
Herren Thomas Murner. 66 S. Neudruck mit Erläuteren., insbc-
sond. über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit 6
Zinkätzungen nach dem Original. 2 —
3. Die Alamannensohlaoht vor Strassburg 357 n. Chr. von
Archivdirektor Dr. W. Wiegand. 46 S. mit einer Karte und einer Weg-
skizze. 1 ^
4. Lenz, Goethe und Cleophe Fibloh von Strassburg. Ein urkund-
licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Porträt
Aramlntä's in farbigem Lichtdruck und ihrem Facsimile aus dem Lenz-
Stammbuch von Dr. J o h. F ro i t z he i m. 96 S. 2 50
5. Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsass von Dr.
Const. This. 43 S. mit Tabelle, Karte und acht Zinkätzungen. 1 50
Band II.
6. Strassburg im französischen Kriege 1552 von Dr. A. Hol-
laendcr. 68 S. 150
7. Zu Strassburgs Sturm- und Drangperlode 1770 bis 76.
Von Dr. J o h. Froitzheim. SS S. 2 —
8. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Xev, Kais. Oberförster. I. Teil
von 1065-1648. 114 S. 2 —
9 Rechts- und Wirtsc Hafts -Verfassung des Abteigebietes
Maursmünster ' 1
Her t z o g. 114 S.
10. Goethe und Hei
an unsere Goethcfo
11. Die Armagnaken
12. Geschichte des 1 - ~~..»«» aay»nau im nasass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Xev, Kais. Oberförster. II. Teil
von 1648—1791. 158 S. 2 50
13. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teichcr, Königl.
bavr. Hauptmann. 48 S. 1 20
11. Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth-
ringen zum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1542 von
Dr. S i e g f r i e d F i tt e. Mit Karte. 103 S. 2 50
15. Deutsehe und Keltoromanen in Lothringen nach der Völ-
kerwanderung. Die Entstehung: des Deutschen Sprachgebietes von
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte. 2 50
Band IV.
16. Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen
und Sittengeschichte des Elsasses und der Schweiz im 15. Jahrhundert
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Püllcr von Dr. H. Witte.
IV u. 143 S. 2 50
17. Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen
Strassburgs zu Frankreich im 16. Jahrhundert von Dr. A. Hol laendcr.
28 S. 1 -
IS. Der lateinische Dichter Johannes Fabrlc ius Montanus (aus
Bergheim im Elsass • 1527—1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul-
pinus. 30 S. — 80
19. Forstgeschiohtliche Skizzen aus den Staats* und Gemeindewald«
ungen von Rappoltswciler und Reichenweicr aus der Zeit vom Aus-
gange des Mittelalters bis zu Anfang des XIX. Jahrhunderts von Dr.
Aug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Uebcrsichtskarte. IVu.TSS. 2 —
20. Die Festung Bltsoh von Hermann Irlc. Dritte vermehrte Auttage
mit einem Anhange enthaltend die Umgebung von Bitsch. Mit 2 Ansichten
und Plan von Bitsch, nebst Karte der Umgegend. 52 S. 1 50
Band V.
21. Ritter Friedrich Kappler. Ein elsässischer Feldhauptmann aus
dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus. VIII u. 112 S. 3 —
22. Die Annexion des Elsass durch Frankreich und Rückblicke
auf die Verwaltung des Landes vom westphälischen Frieden bis zum
Ryswickcr Frieden (1648— 1697) von Hermann Freiherr von Mül-
lenheim u. von Rechberg. 74 S. 2 50
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DIE
FESTUNG BITSCH
VON
HER MANN IRLE.
Dritte vermehrte Anflage.
Mit yvei Ansichten und Plan von Bitsch nebst Karte
der Umgegend.
STRASSBURG
J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel)
1902.
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Als am 6. August 1870 überall in deutschen Landen die
nachfolgende Depesche des preussischen Kronprinzen : «Sieg-
reiche Schlacht bei Wörth, Mac Mahon mit dem grössten Teile
seiner Armee geschlagen und auf Büsch zurückgeworfen», be-
kannt wurde, hatten wohl die wenigsten unserer Landsleute je
den Namen Bitsch gehört; seit dieser Zeit ist es oft genannt
worden und zu einer gewissen Berühmtheit gelangt wegen der
hartnäckigen Verteidigung, mit der es allein während des ganzen
Feldzuges von 1870f71, nachdem ringsum alles Land von den
Deutschen besetzt und selbst die grössten Festungen genommen
waren, jeder Uebergabe trotzte. Dieses Verhalten hat Bitsch den
Ruf der Uneinnehmbarkeit erworben und zu mehreren Beschrei-
bungen seiner Belagerung Veranlassung gegeben. i Da dieselben
sich mit der früheren Geschichte der nun interessant gewor-
denen Feste gar nicht beschäftigen, und auch die neueste teil-
weise ungenau oder unvollständig wiedergeben, dürfte die Ver-
öffentlichung nachfolgender Zeilen gerechtfertigt erscheinen.
Zwischen Hagenau und Saargemünd, ungefähr gleich weit
von beiden entfernt, zeigt sich dem von Niederbronn aus mit
der 1869 eröffneten Eisenbahn fahrenden Reisenden nach etwa
s, 4 stündiger Fahrt durch herrlichen Wald plötzlich eine grössere
waldfreie Fläche von eigentümlicher Formation, in deren Mitte
sich ein isolierter Bergkegel erhebt mit weithin leuchtenden
Ziegeldächern : es ist dies die ((jungfräuliche» Bergfeste Bitsch,
erbaut auf einer 366 m hohen Kuppe von 30 — 60 m Breite und
300 m Länge\ Die Kuppe besteht aus mächtigen Sandstein-
1 1) Gefangen und belagert von Max v. Schlägel ; 2) In Bitsch
gefangen, von Oskar v. Marschal; 3) Le siege.de Bitche par Dalseme,
Xe 6dition; 4) Pradal: Relation historique du siege de Bitche. o)
La v6rite Sur le siege de Bitche par Mondelli. 6) Bitche et ses d6-
fenseurs par E. Guesquin.
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blocken und überragt die nächste Umgebung, insbesondere die
Stadt Bitsch um 80 m, mit der oberen Hälfte (also etwa 40 m
hohe) senkrecht abfallende Felswände bildend.
Die Oberfläche der Kuppe zerfällt, wie wir dies bei so
vielen Burgen in den Nordvogesen finden (Waldeck, Falken-
stein, Ramstein u. a.), in drei Teile, einen mittleren grösseren
und durch Schluchten davon getrennt einen kleineren nörd-
lichen — der grosse — und südlichen — der kleine Kopf ge-
nannt. Ueber der Oberfläche befinden sich auf dem Mittelkörper
zwei Kasernen und eine jetzt als Magazin benutzte Kapelle
die ' Hauptstärke der Festung liegt in den unterirdischen, in den
Fels gehauenen, bombensicheren Souterrains, welche Unterkunft
für die Besatzung und genügenden Raum zur Unterbringung
alles sonst Erforderlichen gewähren. Der Besuch der unter-
irdischen Räume ist nicht erlaubt, wohl aber die Besichtigung
der oberen Festung gegen Lösen einer Karte auf der Komman-
dantur ; auch diese ist schon interessant genug, um sie allen
denen zu empfehlen, die ihr Weg in die Nähe von Bitsch führt;
ganz eigenartig ist auch der Blick von der Höhe der Festung
in die weiten, verschieden gefärbten Forsten der kuppenreichen
Nordvogesen : so weit das Auge reicht, nichts als Wald, nir-
gends eine Spur menschlicher Niederlassung : «Bitehe, laissee
ä elle-meme, e'est la solitude, l'isolement, l'abandon le plus
absolu», sagt Dalseme.
Von der Tiefe und Grösse der unterirdischen Anlagen
erhält man einen Begriff, wenn man das grossartige, weithin
schallende Echo in der unter dem Kapelleneingang befindlichen
Zisterne ertönen lässt. Die Kapelle ist überhaupt das inter-
essanteste .oberirdische Gebäude, weil sie das einzige aus der
alten Zeit übrig gebliebene ist ; aus der ältesten Zeit stammt
sie freilich auch nicht, denn die ersten Anlagen unserer Feste
führen mindestens in das XII. Jahrhundert zurück.
Bereits im Jahre 117*2 finden wir ein «Castrum Bytis» er-
wähnt, und zwar als Familiengut der Herzöge von Lothringen.
Wie die Verehrung der Geistlichkeit im Jahre 1135 die
Gründung des Klosters Stürzelbronn veranlasste, so gab die
i Das auf dem «grossen Kopf» befindliche Gefängnis für Zivii-
festungsgefangenc wurde 1892 abgebrochen.
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Liebe zur Jagd Anlass zum Bau des Schlosses Bitsch : für klöster-
liche Einsamkeit sowohl, wie für Ausübung der Jagd war der
damalige Zustand der Herrschaft Bitsch wie geschaffen, denn
dieselbe bestand meist aus dichtem Wald, nur 12 Orte werden
in einer Greuzbeschreibung vom Jahre 1150 erwähnt, während
später auf demselben Gebiete etwa 70 vorkommen. Das 1172
erwähnte und von Herzog Mathias I., einem grossen Nimrode,
erbaute Castrum Bytis war ursprünglich lediglich 'ein Jagd-
schloss und lag • vermutlich nicht an Stelle unserer heutigen
Festung, sondern nordwestlich von Lemberg auf dem sogen.
«Schlossberg», wo heute noch wenige Trümmer sichtbar sind,
die früher des öfteren als «Alt Bitsch» erwähnt werden.
Die eigentliche Entwicklung von Bitsch beginnt mit dem
Uebergang der Herrschaft an die Grafen von Zweibrücken ;
1297 wurde nämlich zwischen Herzog Friedrich von Lothringen
und Graf Eberhard von Zweibrücken ein Tauschvertrag abge-
schlossen, wonach letzterer an Lothringen abtrat: Sehloss Saar-
gemünd und Marimont mit Zubehör und die Salinen von Lindre,
und dafür erhielt Sehloss und Herrschaft Bitsch.
Graf Eberhard war es nun höchstwahrscheinlich, der das
Sehloss Bitsch an der heutigen Stelle aufbaute, jedenfalls das-
selbe von einem einfachen Jagdschloss zu einem den Ansprüchen
der damaligen Zeit entsprechenden festen Herrschaftshaus erhob,
denn während es zu lothringischen Zeiten den Herzögen nur
zu vorübergehendem Aufenthalt oder den jüngeren Familien-
gliedern gewissermassen als Apanarge gedient halte, wurde es,
vom Grafen . Eberhai d zum Sitz der jetzt verbundenen Herr-
schaften Zweibrücken und Bitsch erhoben, und Eberhard nennt
sich nun: «comes Gemini Pontis et dominus in Bitsch». Bereits
in einer Urkunde von 1302, durch welche Eberhard dem Herzog
von Lothringen eine «OefTnung» verschrieb, wird eine Vorburg
und ein grosser Thurm in der Burg Bitsch erwähnt. Durch
die Verschreibung dieser Oeflnung erhielt der Herzog von Loth-
ringen das Bocht, sich jederzeit in der Burg mit Ausnahme
des grossen Thurmes aufzuhalten, versprach aber eidlich, von
diesem Hechte nur in äussersten Notfällen und nicht zum Schaden
des Burgherrn Gebrauch zu machen.
Es geht hieraus hervor, dass schon zu Anfang des XIV.
Jahrhunderts unsere Festung ein sehr fester Punkt war, der
sogar von einem Herzog als sicherei» Zufluchtsort gesucht wurde.
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Dass Büsch bereits im XIV. Jahrhundert sehr fest und von
tapferen Mannern verteidigt, ein schwer zu nehmender Platz
war, ersehen wir auch daraus, dass im Jahre 1366 sich Kur-
fürst Ruprecht mit einer ganzen Menge von Fürsten, Grafen,
Herren und Städten verband, um die Grafen Simon und Hane-
mann «nebst deren Gemeiner in der Burg zu BUsch», welche
sich durch ausserordentliche Gewaltthätigkeiten und Räubereien
vor ihren anderen Standesgenossen auszeichneten, unschädlich
zu machen ; wer der klügere war und nachgegeben hat, ist
nicht bekannt, jedenfalls kam es nicht zu einem Kampf.
Trotz seiner Gewalttätigkeit, oder vielleicht gerade deshalb
war Graf Simon auch um das Seelenheil der Schlossbewohner
besorgt und bestimmte 1360, dass das Kloster Stürzelbronn
jährlich ein feierliches Amt auf dem Schloss abhielt ; ein be-
sonderes Gotteshaus scheint damals auf der Festung noch nicht
bestanden zu haben, wenigstens wurde 1398 für eben diesen
Grafen Simon von 16 Pfarrern aus der Herrschaft Bitsch eine
jährliche Totenfeier an jedem ersten Dienstag im Oktober in
der Katharinenkapelle zu Kaltenhausen imter Bitsch (und nicht
auf dem Schlosse) eingerichtet.
50 Jahre später fand der erste uns überlieferte Sturm auf
Bitsch statt.
In der Nacht vom 19./20. März 1447 wurde Bitsch, auf
dem damals Graf Friedrich residierte, plötzlich ohne vorherige
Ankündigung der Fehde durch die Grafen Jakob und Wilhelm
von Lützelstein überfallen ; die Lützelsteiner überstiegen mit Hilfe
von Strickleitern die Mauern, machten die überraschten Mann-
schaften des Grafen meist im Schlafe nieder und verbreiteten
sich im ganzen Schloss, um den Grafen tot oder lebendig in
ihre Hände zu bekommen ; dieser war von einem Diener ge-
weckt worden und entkam nur mit dem Hemde bekleidet auf
den von den Feinden angehängten Strickleitern ; seine beiden
Söhne fielen in die Gewalt der Lützelsteiner.
Dieser gegen alles Recht und Gewohnheit ausgeführte
Ueberfall hatte allerseits grossen Unwillen erregt und Graf
Friedrich gelang es leicht, eine Menge Verbündeter zur Wie-
dereroberung seines Schlosses zu finden. Bereits acht Tage
später war eine grosse Masse Bewaffneter bei Schorbach ver-
sammelt und Bitsch wurde eingeschlossen. Die Lützelsteiner
brannten am 4. Mai das unter der Festung gelegene Dörfchen
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Kaltenhausen, in welchem sich die Belagerer festgeselzt hatten,
nieder, wurden aber, nachdem die beiden Grafen bereits vor-
her aus der Festung geflüchtet waren, am 12. Mai zur Ueber-
gabe gezwungen unter Bewilligung freien Abzuges; nachdem
sie die Burg verlassen, wurden sie von den erbitterten Burgern
Kaltenhausens überfallen und teilweise niedergemacht.
Von den Festungswerken war bei diesen kurz aufeinander-
folgenden Einnahmen nichts zerstört worden, wohl aber muss
dies bei den Anfang des folgenden Jahrhunderts ausgebrochenen
Bauernkriegen der Fall gewesen sein, da Graf Reinhard vor
den Bauern sich nach Vic flüchten musste : von seinen UOOO
Unterthanen gehorchten ihm, wie er selbst sagte, kaum noch 6.
Nähere Angaben fehlen ; jedenfalls waren die Zerstörungen
nicht gross und bald wieder hergestellt, sonst würde der Her-
zog von Lothringen kein so grosses Gewicht auf den Besitz von
Bitsch gelegt und bei der Eröffnung der sog. Bitscher Erbschaft
im Jahre 1570 kein so gemein-hinterlistiges Spiel getrieben
haben. Er kaufte schliesslich Bitsch dem Grafen von Leiningen
um 50,000 fl. ä 24 Batzen ab, obwohl er den Grafen von
Hanau damit belehnt hatte, und am 21. Juli 1572 «hat Graf
Johann Salm — wie der zeitgenössische Chronist Herzog sich
ausdrückt — von wegen Herzog Carolen zu Lothringen das
Haus Bitsch mit Gewalt Landfriedensbrüchigerweis und mit
Verräterei eingenommen *. Graf Philipp von Hanau strengte
wegen der gewaltsamen Einnahme von Bitsch gegen den Her-
zog von Lothringen einen Prozess arn Reich*kammergerioht an,
der aber wie die meisten, bei diesem allzu gründlichen Gericht
kein Ende fand und schliesslich irn Jahre lfiOO durch einen
Vergleich beigelegt wurde; auch bei dieser Gelegenheit lernen
wir wieder die Bedeutung von Bitsch kennen, denn der "Her-
zog von Lothringen zahlte an den Grafen von Hanau für den
Verzicht auf Bitsch u. V. 60JJ00 fl. heraus.»
Die lothringische Herrschaft war von kurzer Dauer : wie
Lothringen vorher bestrebt gewesen, sich in den Besitz von
Bitsch zu setzen, so war es nunmehr Frankreich bezüglich
Lothringens, und fast dys ganze XVII. Jahrhundert hindurch
1 Von I.V.* — war Bir-ch 'lurch den Herzog voa Lor.hrir.geii
an den Marktraten von Ba<J*n. von } '■'.'i — ] o.*, an Jen Orafeü Karl
von Hohenzolkm-Sigriianngen op fl. y*rpf* wi^t.
— 8 -
war infolgedessen Lothringen und insbesondere die Gegend
von Bitsch der Schauplatz blutiger Kämpfe.
Im Frühjahr 1633 drangen auf Veranlassung Frankreichs
die Schweden in Lothringen ein und breiteten sich sengend
und brennend in demselben aus ; im Sommer kamen sie in
die Herrschaft Bitsch und am 6. September verbrannten sie die
beiden am Fusse der Festung gelegenen Dörfer Kaltenhausen
und Rohr, nur wenige Einwohner konnten sich auf die Festung
flüchten, die, obwohl nur schwach besetzt, von den Schweden
nicht genommen werden konnte. Im nächsten Jahre rückten
die Franzosen in Lothringen ein, und auch Bitsch, das sich
mit der im heutigen Departement Vosges gelegenen Festung
La Mothe am längsten gehalten hatte, musste sich nach 12
tägiger Belagerung den Franzosen unter Führung des Marschalls
d'Humier ergeben. Ueber die damaligen Zustände und insbe-
sondere die Belagerung schreibt der Bitscher Rentamtmann in
einem Bericht 1639: «Dass die arme Unterlhanen 7 oder 8
Jahre nacheinander ruinirt und wegen der Truppen, so täglich
in den Dörfern dieser Grafschaft auf- und abgezogen, in's
äusserste Verderben geraten, also dass sie schwerlich mehr
aufkommen haben können, nach ausgestandenem grossem Elend
und Armut, das Schloss Bitsch von der königlich durch Mar-
schall d'Humier kommandirte Armee auch noch belagert worden,
welche die gedachte arme Unterthanen wieder ufls neu übel
traktiret, betrübet, requiriret, auch alles, was sie zu Ihrem
Unterhalt gehabt, weggenommen, also dass mehrentheils ihrer
in fremde Länder zu gehen und ihr Brod zu suchen genöthigt
worden.» Die Franzosen mussten Bitsch bald wieder verlassen,
und die Besatzung wechselte nun mit dem Kriegsglück : bald
waren es Franzosen, bald Lothringer, bald Schweden, bald
Kaiserliche ; aber auch mit Beendigung des dreissigjährigen
Krieges dauerte für das arme Land das Unglück fort. Franzosen
und Lothringer stritten sich weiter um die Herrschaft. 1658
und 1659 finden wir Lothringer Truppen auf dem Schlosse,
doch müssen sie sich der Bürgerschaft gegenüber sehr feind-
selig benommen haben, denn am 12. August 1658 erlässt der
Prinzregent (Le duc regent) Nicole Francois ein Rescript, wo-
durch den Offizieren und Soldaten anbefohlen wird, die Bilscher
Bürger in Ruhe ihr Vermögen geniessen zu lassen und ihnen
nur die Güter der Abwesenden^freigegeben werden. 1670 wird.
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Bitsch wieder von den Franzosen besetzt und schliesslich 1680
durch Beschluss der in Metz eingesetzten Reunionskammern
definitiv mit Frankreich vereinigt. Nun wurde der von Turenne
schon längst gefassle Plan der Neubefestigung von Bitsch aus-
geführt und der Vater der modernen Befestigungskunst, Vauban
mit der Durchführung beauftragt.
Die Festung erhielt im Grossen und Ganzen bereits die
Gestalt die sie noch heute hat ; die teilweise zerfallenen turm-
artigen Mauerbauten des alten Burgsystems wurden entfernt,
von Hochbauten nur eine einfache Kaserne für 1 Bataillon und
Wohnräume für die verschiedenen höheren Offiziere errichtet,
im Uebrigen aber das Hauptgewicht auf die Durchführung des
Bastionärsystems gelegt. Die Arbeiten wurden mit grossem
Eifer beirieben, eine Menge Arbeiter aus aller Herren Länder
strömten zusammen und bevölkerten die fast vollständig ver-
lassene Gegend insbesondere die Stadt Bitsch selbst wieder.
Der neuerworbenen und neu angelegten Festung wurde über-
haupt eine grosse Bedeutung beigemessen. Marquis von Mor-
ton und dann Graf du Ripaire wurde zum Gouverneur von
Bitsch und Kommandant der Vogesen Verteidigung bis ein-
schliesslich Lützelstein ernannt und ihm ein Leutnant de roi
(de la Guerle), ein Major (M. d'Angisse) und ein Aide-Major
(M. de Marton) beigegeben. Die französische Herrschaft dauerte
aber nicht lange. Die Befestigungswerke waren kaum been-
det, als Bitsch in Folge des Friedensschlusses von Ryswick 1697
wieder herausgegeben werden musste ; Art. 30 des genannten
Friedensvertrages bestimmte nämlich : «Seine allerchristlichste
Königl. Majestät (von Frankreich) wird auch die Festung* Bitsch
mit deren völligen Zugehör wie auch die Festung Homburg,
wenn vorher die Werker mit dem Beding demolirt worden,
dass selbe nicht wieder aufgeführt werden sollen, ausräumen,
doch soll bei der Demotirung der Festung den angehörigen
Städten kein Schade geschehen, sondern selbe unverletzt erhalten
werden.» Die Zerstörung der Festungswerke wurde 1698 durch
ein flandrisches Regiment vorgenommen und Bitsch nur mit einer
kleinen lothringischen Besatzung belegt, die mit Ausbruch des
spanischen Erbfolgekriegs 1701 wieder durch französische ersetzt
wurde. M. de Chenevieies vom Regiment de Champagne wurde
Kommandant von Bitsch mit einem Bataillon Infanterie und 2
Schwadronen Dragoner ; er liess auf der Festung wieder Erde
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und Palissadenbefestigungen anlegen, musste aber 1714 in
Folge Bestimmung des Friedensvertrags von Rastatt die Festung
nach Demolierung der wiederangelegten Befestigung verlassen.
Nachdem Lothringen 1737 durch Tausch gegen Toscana
an den Schwiegervater Ludwig XV., den Exkönig von Polen,
Stanislaus Lescinsky, und dadurch thatsächlich bereits unter
französische Herrschaft gekommen war, wurde auch Bitsch wieder
mit französischer Besatzung belegt, und Debournais und nach
dessen 1740 erfolgten Tode Comte de Bombelles zum Komman-
danten ernannt.
Die französische Regierung, an welche Lothringen nach
Stanislaus' Tod vertragsmässig fallen sollte, hatte bei den mehr-
fachen Besetzungen des Landes im vorigen Jahrhundert und
auch jetzt bei dem Abgang von Herzog Franz, so häufig Ge-
legenheit gehabt, die Abneigung der Lothringer gegen Frank-
reich kennen zu lernen, dass sie es für gut fand, zu ihrer
Stütze die wichtigeren Plätze zu befestigen, beziehungsweise die
vorhandenen alten Befestigungen entsprechend den Forderungen
der neueren Kriegskunst auf- und umzubauen.
So wurde auch Bitsch als Knotenpunkt von sechs Strassen,
nämlich der von Strassburg, Palzburg, Saargemünd, Zwei-
brücken, Landau und Weissenburg, von dem Militärkommissar
für Lothringen und Bar dem Marschall Belle Isle für so wich-
tig gehalten, dass dessen Neubefestigung im grossen Stile be-
schlossen ward; um das dazu erforderliche Geld zu erhalten,
wurde, dabei den verschwenderischen Hofhaltungen von Franz III.
und Stanislaus, andere Gelder nicht flüssig waren, eine beson-
dere Steuer in Lothringen ausgeschrieben.
1738 wurde mit den Arbeiten begonnen und zunächst ein
fahrbarer Weg bis auf das Glacis hergestellt ; sodann wurde
im nächsten Jahre nach einer Instruktion des Ingenieurchef
Desboz auf dem oberen Felsplateau der Schutt der früheren
Bauten weggeräumt, das Plateau durch Steinabsprengungen
planiert und der Grundriss der Vauban'schen Befestigungen
aufgesucht ; nach Beendigung dieser Arbeiten, die einen Kosten-
aufwand von 81,273 Fr. beanspruchten, wurden für das nun
gewonnene ebene Terrain ausführliche Pläne aufgestellt, welche
am 7. September 1741 genehmigt wurden ; noch in demselben
Jahre wurde der Grundstein zu der Bastion St. Jacques, der
heutigen Bastion 1, an dem Nordwestende des Mittelkörpers
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gelegt; im nächsten Jahre wurde dieselbe mit einem Aufwand
von 54,130 Fr. vollendet, ebenso die Bastion St. Andre —
jetzige Bastion 4 am Südostende des Mittelbaues — sowie die
grosse Rampe mit Zugbrücke und Poterne, letztere mit einem
Kostenaufwand von 49,539 Fr.
Inzwischen war der österreichische Erbfolgekrieg ausge-
brochen und die Oesterreicher, insbesondere Oberst Mentzel
mit grösseren Kavallerieabteilungen, näherten sich der Grenze;
Bombelles sah sich deshalb genötigt, vor allem rasch herzu-
stellende provisorische Befestigungen anzulegen, um die noch
unfertige Festung vor einem Ueberfall zu schützen: es wurden
an Stadt und Festung Erd- und Palissadenwerke aufgeführt und
an den Hauptstrassen kleinere Redouten (Sperrforts) erbaut, so
eine am grossen Kindelberg gegenüber dem — damals noch
nicht existierenden — Gaisbronnerhof, eine an der alten Lan-
dauer Strasse, wo diese über den westlich von Haspelscheidt
gelegenen Weiher ging, eine an der Zweibrücker Strasse — in
der Nähe des 1846 erbauten Simster Hofes — und eine an der
Saargemünder Strasse, südlich von Klein-Rederchingen.
Die Anlagen zeigten sich von grossem Nutzen, und nur
durch sie war es BombeMes möglich, mit seinem in Bitsch lie-
genden Milizbataillon die zahlreichen feindlichen Streifzüge von
der im Aufbau begriffenen Festung abzuhalten ; so wurde am
13. Juli 1744 eine stärkere Abteilung Panduren und Husaren
an der Kindelbergredoute aufgehalten und zurückgeschlagen,
auf drei verschiedenen anderen Strassen wurde mit Hilfe der
Strassenbefestigungen das Vorrücken feindlicher Abteilungen
verhindert und die Vorbefestigungen durch Anlage grosser Ver-
haue an der Weissenburger Strasse, in der Nähe von Stürzel-
bronn, am 5. August verstärkt. Am 4. September sandte König
Ludwig XV. unter Erhöhung der Garnison auf 1500 Mann drei
Feldschlangen, welche die Franzosen in Konstanz erobert hatten ;
sie wurden auf dem «grossen Kopf» so aufgestellt, dass sie ins-
besondere die Weissenburger und Landauer Strasse — die
Breitenbach-Zweibrücker existierte damals noch nicht und wurde
erst 1846 erbaut — bestreichen konnten. Die grösste war 15 Fuss -
lang und die von ihr geschossene Kugel wog 9 Pfd., die beiden
anderen waren 13 Fuss lang und schössen 3 pfündige Kugeln.
Mit Ausgang des Jahres 1744 zog sich der Krieg mehr in
die Ferne, und der Festungsbau wurde nun mit grösstern Eifer
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betrieben. Ende 1750 waren die Arbeiten auf dem Mittelkörper
beendet und daselbst folgende Hochbauten mit entsprechenden
Souterrains fertiggestellt : eine dreistöckige Kaserne mit 36 Zim-
mern, ein Wohngebäude für Genieoffiziere mit 10 Zimmern und
Kabinelten, ein Gouvernementsgebäude, ein Artilleriezeughaus mit
Waffenschmiede und Waffensaal für 8000 Gewehre, eine Haupt-
wache mit grossen Souterrains, ein Offizierpavillon mit 24 Zim-
mern, eine Bäckerei mit Lagerräumen und Souterrains für Kriegs-
bäckerei, ein Pulvermagazin und verschiedene andere Magazine;
im Ganzen wurden für den Mittelbau 283,000 Fr. verwandt.
Noch in demselben Jahre (1750) waren auch die Befesti-
gungen am «grossen und kleinen Kopf» beendet, erstere mit
Wacht- und Arresthaus und entsprechenden Souterrains kosteten
103,315 Fr., letztere mit Wach! haus und bedeutenden Souter-
rains 122,903 Fr.
Zur Wasserversorgung diente der bereits unter Vauban
angelegte 75 m tiefe Brunnen, der pro Tag 40 hl Wasser zu
liefern vermag ; für denselben wurde mit einem Kostenaufwand
von 10,591 Fr. ein Reservoir erbaut, ausserdem wurden noch
vier Zisternen um 18,000 Fr. angelegt, wovon die unter der
Kapelle mit dem herrlichen Echo allein 12,711 Fr. kostete.
Die Kapelle selbst wurde so, wie sie noch heute besteht,
auf den Grundmauern der früheren wieder aufgebaut ; sie wird
bereits 1029 erwähnt und am 18. Mai 1080 zelebrierte der Bi-
schof von Metz bei einer Bereisung Lothringens darin für die
Garnison, von der er in Paradeaufstellung empfangen worden
war, die heilige Messe.
Nachdem noch in vierjähriger Arbeit für die Befestigungsan-
lagen am Fusse der Felshänge und auf dem Glacis die Summe von
500,000 Fr. verarbeitet worden, war der Festungsbau 1754 beendet
und die Festung unter Benützung der alten Vauban'schen Anla-
gen mit einem Kostenaufwand von 1,088,202 Fr. im Wesentlichen
so hergestellt, wie wir sie noch heute finden : (dies beau, (res solide
et presque inexpugnable», sagt ein zeitgenössischer Schriftsteller.
Ludwig XV. liess nun in lateinischer Sprache folgende In-
schrift an dem Hauptthore anbringen: Ludwig XV., König von
Frankreich etc., hat diese Festung von Grund aus wieder auf-
gebaut zum Walle gegen feindliche Einfälle in die Vogesen und
Lothringen, als Grenzburg für Elsass und als festen Schutz für
das französische Heer, 1754.
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— 13 —
In den folgenden Jahren wurden noch einige Erweiterungen
und Verbesserungen vorgenommen : so wurde 1755 — 1760 das
Vorwerk, der sog. «Schwalbenschwanz» um 137,000 Fr. erbaut,
1763 — 1764 das Glacis eingeebnet, mit Böschungen versehen
und angepflanzt um 70,000 Fr. und 1765 die Esplanade am
Fusse des Glacis angelegt und mit Lindenbäumen bepflanzt
um 6872 Fr.
Die zahlreichen zum Festungsbau notwendigen Sandsteine
wurden aus eigens dazu angelegten Brüchen am Schimberg über
dem damals schon bestehenden Stadtbrunnen und am kleinen
Lemberg rechts von der Hagenauer Strasse entnommen. Bald
nach Fertigstellung der Neubauten wurde Bitsch von zwei berühm-
ten Reisenden besucht, die in ihren Schritten davon erwähnens-
werte Berichte geben ; dieselben seien deshalb hier eingeschaltet :
Im Juni 1771 stattete Goethe mit seinen Freunden Engel-
bach und Weyland, von Zweibrücken kommend, Bitsch einen
Besuch ab und schreibt darüber in seiner Selbstbiographie :
«Dem Hornbach zur Seite stiegen wir nach Bitsch, das an
dem bedeutenden Platze liegt, wo die Gewässer sich scheiden
und ein Teil in die Saar, ein Teil dem Rheine zufällt; diese
letzteren sollten uns bald nach sich ziehen. Doch konnten wil-
dem Städtchen Bitsch, das sich sehr malerisch um einen Berg
herumschlingt, und der oben liegenden Festung unsere Auf-
merksamkeit nicht versagen. Diese ist teils auf Felsen gebaut,
teils in Felsen gehauen. Die unterirdischen Räume sind be-
sonders merkwürdig; hier ist nicht allein hinreichender Platz
zum Aufenthalt einer Menge Menschen und Vieh, sondern man
trifft sogar grosse Gewölbe zum Exerzieren, eine Mühle, eine
Kapelle und was man unter der Erde sonst fordern könnte,
wenn die Oberfläche beunruhigt würde.»
Einige Jahre später (1777) kam der berühmte Jesuitenpater
Feller, der ganz Europa bereiste, nach Bitsch und schreibt darüber :
«Bitsch ist eine sehr bemerkenswerte Festung, erbaut auf
einem aus reinem Fels bestehenden, gänzlich isolierten und die
Umgegend beherrschenden Berge ; eine ähnliche Lage habe
ich nur bei Betzko zwischen Tirnau und Frenschin in Ober-
Ungarn gesehen ; nur ist das Bitscher Gestein weniger hart
und verwittert unter dem Einfluss der Sonne und des Regens.»
Der Hauptförderer des Festungsbaues, Graf Bombelles, sollte
das Ende desselben nicht mehr erleben ; er starb im Juli 1760
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und wur^e in Büsch mit grossem Pompe beerdigt ; er war sehr
beliebt bei der Bevölkerung gewesen und erhielt im Jahre 1784
als «protecteur de la ville, pere du peuple, surtout des mal-
heureux» in der 1776 neu eingeweihten Kirche von der Stadt-
gemeinde ein Marmordenkmal, welches für 2400 Fr. in Paris
angefertigt worden, errichtet.
Als Nachfolger Bombelles wurde Graf Tressan zum Gou-
verneur der Grafschaft Bitsch ernannt ; die Festung hatte einen
besonderen Stab, bestehend aus Kommandant, Major, Aide-Major
Artillerie-Offizier vom Platz, zwei Ingenieur- und einem Genie-
offizier, drei Aerzten und einem Spitaldirektor.
Der Kommandant hatte einen Gehalt von 3000 Fr., der
Major von 2000 und der Aide-Major von 900 Fr. ; ausserdem er-
hielten sämmtliche Offiziere Wohnungsgeld und Servis, welches
die Stadt bezahlen musste, und zwar für den Kommandanten
500 Fr., für den Major 300 Fr., für den Aide-Major 200 Fr.
Da die meisten Offiziere vom Festungsstabe und alle von
der zwei Bataillon starken Garnison — es waren deren 37 —
in Militärgebäuden freie Wohnungen hatten, beschwerte sich die
Stadt wegen des von ihr dennoch zu zahlenden W T ohnungs-
geldes in ziemlich beträchtlicher Höhe. Die Folge davon war,
dass 1777 die aktive Garnison durch drei Invaliden-Kompagnien
mit einer Gesammtstärke von 120 Mann ersetzt wurde ; der
Festungsstab blieb ; für diesen musste die Stadt 2300 Fr.
Wohnungsgeld zahlen, hatte aber wegen Verminderung der
Garnison um 1000 Mann einen bedeutenden Ausfall im Oktroi,
der Haupteinnahmequelle der Stadt.
Nach mehrfachen Gesuchen wurde Ende 1783 wieder eine
aktive Garnison nach Bitsch zurückverlegt und zwar ein gan-
zes Regiment: das Regiment de Neustrie. Da in die beiden
Kasernen — die Schlosskaserne mit 3(5 und die Stadtkaserne
mit 19 belegungsfähigen Zimmern — nur 11 CK) Mann unterge-
bracht werden konnten, das Regiment aber 1600 Mann stark
war, musste die Stadt ihrem Versprechen gemäss für die
übrigen 500 Quartier schallen : sie mietete zu diesem Zwecke
zwei Quartierhäuser, eines für 150 Fr. und eines für 120 Fr.
jährlichen Mietzins, ausserdem musste sie noch eine Schnei-
derwerkstätte für 20 Schneider stellen.
Diese 1600 Mann starke Garnison blieb jedoch nicht lange :
1789 wurde das Regiment de Castella, welches das de Neustrie
Ii
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abgelöst hatte, durch ein Batailion des Chasseurs de Cevennes
ersetzt und auch in dem einige Jahre später ausgebrochener.
Kriege war die Besatzung nur ein Bataillon stark.
In diesem Kriege spielte Bitsch eine gewisse Rolle und
besonders im Jahre 1793 ereignete sich ein Vorfall, der zu
mancherlei Legenden Veranlassung gab : es ist dies der in der
Nacht vom 17. November 1793 von den Preussen versuchte
Sturm der Festung.
Zum besseren Verständnis mag es gestattet sein vorher
kurz die damalige Kriegslage zu erwähnen.
In dem zwischen Preussen, Oesterreich, England, Holland
und den verschiedenen deutschen Reichsfürsten einerseits und
der französischen Revolutionsregierung anderseits 1792 ausge-
brochenen Kriege, wurden die Verbündeten nach anfänglich
leicht errungenen Vorteilen zum Rückzüge gezwungen, und
von der Revolutionsarmee die Pfalz und Rheinhessen mit Mainz,
das sich am 21. November ergeben musste, besetzt.
Die, Anfang des Jahres 1793, erfolgte Hinrichtung Ludwig
XVI. und die Schreckensherrschaft der Revolution feuerte die
Verbündeten, in deren Reihen zahlreiche französische Emigranten
dienten, zu energischerem Vorgehen an : Mainz wurde ««m 22.
Juli wieder eingenommen und die Revolutionsarmee langsam,
aber stetig nach der Grenze zurückgedrängt, Landau allein konnte
nicht erobert werden, dagegen wurden die Franzosen am 13.
August bei Limbach und am 14. September bei Pirmasenz ge-
schlagen (wo sie 4000 Mann und 20 Kanonen verloren), am
selben Tage dagegen die Oesterreicher bei Bundenthal in der
Nähe von Weissenburg zurückgeworfen. Mitte Oktober wurden
endlich die Weissen bürg er Linien erobert, und so für den öster-
reichischen General Wurmser der längst erstrebte Weg nach
dem Elsass eröffnet. Das preussische Heer hatte unterdessen
die feindlichen Stellungen bei Hornbach und Ketterich genommen,
und. am 28. September verlegte der König sein Hauptquartier
nach Eschweiler- Wolmünster, wo der Herzog von Braunschweig
ein festes Lager bezogen hatte; von hier aus wurden dann zur
Unterstützung des österreichischen Angriffes auf die Weissen-
burger Linien verschiedene Detachements zur Beschäftigung des
linken Flügels der französischen Stellung entsandt ; so mar-
schierte der Erbprinz von Hohenlohe am 12. Oktober mit 5 Ba-
taillonen und 6 Eskadrons an Bitsch vorbei nach Egelshardt,
- 16 -
griff von hier aus am nächsten Morgen den verschanzten Posten
hei Herzogshand am Mooshacher Strässchen an und zwang das
denselben haltende Bataillon vom 102. Regiment zum Rückzug
nach Damhach ; er seihst zog sich am 14. über Haspelscheidt-
Bussweiler-Breitenbach wieder in das Eschweiler Lager zurück,
während zur Verdeckung des Rückzuges General von Schladen
von Ormersweiler her Demonstrationen gegen Bitsch machte.
Von nun ab blieben die Verbündeten ziemlich unthätig; sie
hatten, 75—80,000 Mann stark, feste Stellung von Saarbrücken
bis Wanzenau a. /Rhein in einer Ausdehnung von 30 Stunden
bezogen : auf dem rechten Flügel stand bei Zweibrücken General
Knobelsdorf, an der Saargemünd-Zwei brückener Strasse zwischen
Blieskastel und Saargemünd General Kalkreuth, das Zentrum
bildete von Wolmünster bis Schweyener Wald an der Bitsch-
Zweibrückener Strasse Herzog v. Braunschweig und Prinz von
Hohenlohe mit 15 Bataillonen, bei Steinbach stand General v.
Kleist und auf dem linken Flügel General von Wurmser mit
den österreichischen Truppen bei Reichshofen -Brumath und
Wanzennu. Mit Rücksicht auf den herannahenden Winter und
die mangelhaften Verpflegungsverhältnisse der Truppen, sowie die
erheblichen Verstärkungen die von den Franzosen herbeigezogen
wurden, beschloss Herzog v. Braunschweig Mitte November zurück-
zugehen und Winterquartiere bei Kaiserslautern zu beziehen.
Um für die Operation des nächsten Jahres einen festen
Stützpunkt zu haben und die Verbindung mit der im Elsass
verbleibenden österreichischen Armee nicht ganz zu verlieren,
sollte versucht werden, vorher die Festung Bitsch, die man —
' einmal in der Gewalt — für uneinnehmbar hielt, mit Hilfe
eines emigrierten Ingenieurs durch Handstreich zu nehmen.
Die Festung war mit 675 Mann des 2. Bataillon du Cher
unter dem Kommandant Augier und 64 Kanonieren des I. Artillerie-
Regiments zu Fuss, und 60 Mann Miliztruppen besetzt.
Am Abend des 16. November — irrtümlicher Weise wird der
Sturm vielfach auf den 14. Oktober verlegt, was wohl auf eine
Verwechslung mit den vorher erwähnten, an diesem Tage erfolgten
Operationen des Generals v. Schladen zurückzuführen ist, — als
man bereits von Aufbruch und Rückzug sprach, liess der Herzog
von Braunschweig aus sämmtlichen 15 Bataillonen 1700 Mann aus-
wählen, von denen nach französischen Quellen jeder 3 Fr. er-
hielt, suchte selbst eine Anzahl Unteroffiziere und Offiziere —
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— 17 —
auf Ersuchen des österreichischen Feldmarschalls Grafen v. War-
tensleben auch dessen 18 jährigen Sohn, ('damit auch Oesterreich
etwas zur Expedition gäbe» — aus und befahl die Mitnahme
von Beilen, Brecheisen und Lochsägen, sowie die Umlegung
eines weissen Tuches um den Arm als Erkennungszeichen.
Um 7 Uhr Abends rückte das Kommando in aller Stille
aus dem Lager und versammelte sich bei Nussweiler, ohne be-
stimmt zu wissen, um was es sich handelte ; hier erst' wurde
es mitgeteilt und folgender Befehl ausgegeben :
((Sämmtliche Kommandierte lassen Tornister, Patronentaschen
und Säbel zurück. Säbelkuppeln werden ohne Säbel über den
Rock geschnallt. 30 Patronen werden in die Rocktasche ge-
steckt, wovon 20 eingewickelt; die Unteroffiziere lassen ihre
Kurzgewehre nebst Tornister ebenfalls zurück und nehmen da-
für ein Schützengewehr und 20 Patronen.
Eine Abteilung unter Oberstleutnant v. Hirschfeld geht
irn Graben «vom kleinen Kopf» die Treppe hinauf, wo man oben
im Schlosse bei des Kommandanten Wohnung herauskommt,
30 ausgesuchte Leute werden bestimmt in des Kommandanten
Wohnung einzudringen und sich seiner Person tot oder lebendig
zu bemeistern ; 24 Bewaffnete ersteigen zuerst die Leitern,
wovon 12 Mann 12 Schritte links, die andern ebensoweit rechts
laufen und die Flanken der Abteilung decken, bis selbige
ebenfalls die Leitern erstiegen haben und sie dann der Abtei-
hing folgen. Auf diese 24 Bewaffnete folgen die Arbeiter: 4
Mann mit Hebeeisen, 2 mit Hämmern und Brecheisen und
2 mit Aexten, Beilen und stählernen Keilen, die sie in der
Tasche mittragen ; auf die Arbeiter folgt der Rest der Abteilung.
Die ersten 40 Mann greifen die zur rechten stehenden Wache
bei ihrem Debouehe im Schlosse an ; unterdessen sprengen
die Arbeiter die Thüre des Gewölbes, welche in den kleinen
Kopf führt, und durch das Gewölbe linker Hand bei des
Kommandanten Haus herauskommt.
Diese Abteilung lässt am Eingang des Gewölbes 1 Unter-
offizier und 6 Mann stehen, wovon 2 beständig das Gewölbe
patrouillieren, die andern aber zum Rapportieren gebraucht
werden.
Führer ist Kapitän Tutelin mit einem Manne aus der Ge-
gend. Die Wagen zur Fortbringung der Blessierten stehen bei
Rochatshofe.»
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Aus diesem Befehl geht hervor, dass die Verbündeten ge-
nau mit den Oertlichkeiten bekannt waren; es kam dies da-
her, weil mehrere französische emigrierte Offiziere unter den
preussischen Truppen waren, die früher in Bitsch gestanden
hatten ; insbesondere war der in obigem Befehl erwähnte Tu-
telin bis vor kurzem IngenieurofTizier in Bitsch gewesen.
Das Kommando brach in 2 Kolonnen unter Führung des
Obersten Grafen v. Wartensleben (vom Regiment Prinz Heinrich)
und Oberstleutnants v. Hirschfeld (Generaladjutantendes Herzogs
von Braunschweig) mit 59 Offizieren und 100 Unteroffizieren auf;
die Kolonnen waren in je 5 Abteilungen geteilt, von denen
jede einen besonderen Auftrag hatte ; nach Erfüllung desselben
sollten sie die Garnison ohne zu schiessen entwaflnen oder
niedermachen und sich dann auf dem Paradeplatz sammeln.
Die Avantgarde bildete Leutnant von Oppeln mit 3 Unter-
offizieren und 30 Mann ; diesen folgten 4 Mann mit Hebeeisen,
je 2 Mann mit Hämmern, Brecheisen, Beilen und Lochsägen.
Die Kolonnen marschierten in der Reihenfolge der Abtei-
lungen bis zur Hottweiler Ziegelhütte auf der Zweibrücker
Strasse, von da links die Schlucht hinunter nach Schorbach,
die Schorbacher Strasse lang, über die Hanweiler-Pirrnasenzer
Strasse an der (1730 erbauten) Ochsenmühle vorbei, den Wald-
weg längs des Wust weilerberges über die Hardt, Haspelscheidt-
Landauer-Strasse rechts am Rochatshofe, an welchem die Fahr-
zeuge gelassen wurden, vorbei über die W T eissenburger Strasse
und den Kii^delberg zur Strassburger Chaussee; auf dieser,
von welcher, da der feindlichen Stellung entgegengesetzt, ein
Angriff am wenigsten vermutet wurde, marschierten sie fort, bis
dahin, wo der Weg zur Festung rechts heraufTührt. Hier gegen
Mitternacht unbemerkt angekommen, trennten sich die einzelnen
Abteilungen, um ihre verschiedenen Aufträge auszuführen.
Die Hauptmasse unter Führung des mit den Festungswerken
genau bekannten Kapitäns Tutelin rückte lautlos in einer
Senkung des Berges nach dem bedeckten Weg herauf, die auf
dem Glacis befindlichen Palissaden werden durchbrochen und
2 Schildwachen niedergestossen. Während nun Oberstleutnant von
Hirschfeld mit seiner Abteilung nach der kleinen Rampe eilt, um
sich der Thore und damit des Haupteinganges zu bemächtigen,
steigen die andern Abteilungen mit Hilfe der mitgebrachten
Leitern in die Gräben und versuchen die Mauern zu erklimmen.
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Inzwischen hat sich Major von Kalkreuth unter Gefangen-
nahme von 3 Offizieren und 60 Mann der Stadt bemächtigt.
Durch den Lärm in der Stadt, sowie das Geräusch, welches
die Abteilung des Oherstleutnanls von Hirschfeld beim Ein-
schlagen der Thore verursachte, wurde die Besatzung alarmiert
und eilte teilweise unbekleidet auf die Wälle. Trotzdem drang
Oberstleutnant von Hirschfeld bis zum dritten : dem Haupt-
thore vor und versuchte auch dieses, wie die beiden andern zu
sprengen; ein mörderisches Feuer empfing die Vordringenden
und bald war der Platz vor dein Thore mit Toten und Verwun-
deten bedeckt, unter denen die mitgebrachten Brech Werkzeuge
lagen; man versuchte mit Kolbenstössen das Thor zu zertrümmern,
aber vergeblich : vier Stunden lang währte hier und vor dem
Thore an der grossen Rampe, sowie in den Gräben der Kampf,
in welchem die Preussen ohne Schutz und ohne eigentlich selbsl
thätig werden zu können dem unablässig von oben herab er-
folgenden Hagel von Steinen und Geschossen ausgesetzt waren.
Als der Tag graute wurde zum- Rückzug geblasen, den
aber viele nicht mehr antreten konnten : eine grosse Anzahl
war tot, eine noch grössere verwundet, viele konnten nicht
mehr aus den Gräben herauskommen und wurden gefangen
genommen, darunter auch Kapitän Tutelin, der erkannt und
am Morgen in dem Festungsgraben erschossen wurde.
Von 1800 Mann und 59 Offizieren kehrten nur 1280 Mann
und 35 Offiziere unversehrt zurück. 24 Offiziere und 520 Mann
waren teils tot, teils schwer verwundet oder gefangen. Das
Regiment Braunschweig hatte zwei Drittel der ausgesandten
Mannschaft verloren, Graf von Wartensleben war leicht an der
Brust, Oberstleutnant von Hirschfeld durch einen Steinwurf
schwer am Kopfe verwundet.
Die Namen der beteiligten Offiziere sind in einer 1795 zu
Frankfurt a. M. erschienenen Abhandlung aufgeführt; es sind
auser den erwähnten die Hauplleute : von Below, von Ebra,
von Schmettau, von Hahn, d'Chanel, von Sack, Blumenstein,
von Sommerfeldt, von Welzin, Texier, Olivien, von Goltz, von
Puttlitz, Rochelle, von Haas und von Herwart; die Leutnants:
von Schade, von Mellersky, von Dolffs, von Witzleben, von
Oppeln, von Wedell, von Tettau, von Killinger, von Dornis,
Graf von Wittgenstein, von Grumkow, von Römer, von Tes-
mann, von Sacken, von Brandenstein, von Nettelhorsl, von Lebbin,
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von Balby, von Arnim, von Hagen, von Rhein, von Noss,
Stwolinsky II, von Ledebur II, von Rabenau, von Bisten, von
Grävenitz, von Sacken, von Rechenberg, Guterzenka, Glischinsky,
von Hauteville und von Werder.
120 Preussen sollen am nächsten Tage in der Nähe des
grossen Otterbuehls an dem davon benannten Preussenhübel
beerdigt worden sein.
Ihnen wurde am 17. Nov. 1893 — dem 100jährigen Gedenk-
tage des Sturmes — von der Vogesenclubsection Bitsch auf der
mutmasslichen Grabstätte zehn Minuten nordöstlich von Bitsch
ein Gedenkstein errichtet. Der 3 m hohe Obelisk von weissem
Sandsteine trägt auf dem Sockel eine gusseiserne Tafel mit
folgender Inschrift : Dem Andenken der am 17. November 1793
beim Sturm auf die Veste Bitsch gefallenen Preuss. Krieger
gewidmet von der V. C. Section Bitsch am 17. November 1893.
Dieses Unternehmen, von dem der damalige Befehlshaber
der französischen Vortruppen General Saint- Cyr sagte, man
wisse nicht, was man mehr bewundern solle, die Kühnheit der An-
greifer oder die Nachlässigkeit des Fest ungskommandanten, erregte
begreifliches Aufsehen und gab Stoff zu mancherlei Erdichtungen.
So verdankt nach der einen Erzählung die Festung ihre Rettung le-
diglich dem Ochsenhirten Billet, der von den Schlägen an das Haupt-
thor der grossen Rampe, deren Spuren noch heute an dem früheren
Holzthor sichtbar sind, geweckt (der sog. Kulistall, das heisst das
für das Vieh bestimmte Souterrain, beginnt unmittelbar hinter
dem Thore), die Besatzung zu den Waffen rief ; nach einer an-
deren Erzählung war die Errettung hauptsächlich dem Opfermute
eines armen Bitscher Bürgers zu danken, indem derselbe sein
an dem Glacis gelegenes Haus anzündete und so die Aufmerk-
samkeit der Schildwachen erregte, der alarmierten Garnison den
Standort der Eindringlinge zeigte und auf diese Weise bei der
herrschenden Dunkelheit das Zielen ermöglichte. Zu letzterem
Zwecke waren von der Festung Leuchtkugeln geworfen «worden,
wodurch in der That eine Feuersbrunst in der Stadt entstand,
durch welche drei Häuser eingeäschert wurden ; auch Pech-
kränze hatte man zur Beleuchtung der Gegend auf den Wällen
angezündet, und man soll noch lange Zeit nachher an dem
üppigeren Stand der Pflanzen diese Stellen erkannt haben.
Vielfach — und dies findet sich in sonst sehr genauen Ge-
s ( hichtswerken — wird auch der Ueberfall zu einer grossen
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— 21 —
Schlacht ausgeschmückt, bei der 10,000 Preussen und Oester-
reicher, unter welchen sich auch der Bischof Ronan von Strassburg
befand, von den 675 Freiwilligen der Festung geschlagen wurden.
Eine derartige Schlacht fand weder früher noch später hier
statt: nach der mit 1800 Mann versuchten Ueberrumpelung zog
sich das preussische Heer nach der Pfalz zurück und in dem
weiteren Verlauf des Coalisationskrieges wird von Bitsch nichts
Erwähnenswertes mehr überliefert ; auch in den Napoleon'schen
Kriegen scheint es ohne Bedeutung gewesen zu sein.
1809 diente es einer Anzahl englischer kriegsgefangener
Offiziere als Aufenthalt, von welchen sich noch vielfache In-
schriften auf dem Gestein vorfinden. Die Garnison war damals
400 Mann und 50 Offiziere stark, ausserdem befanden sich in
dem Militärhospital 30 pensionierte Offiziere.
1813 wurde es, wie Lfitzelstein und Lichtenberg, nur
beobachtet.
1814 erkannle der Kommandant Maisonneuf, nachdem ein
Ausfall mit Verlust von 7 Toten und 11 Gefangenen abgeschlagen
worden war, Ludwig den XVIII. an, und die Feindseligkeiten
wurden am 20. April eingestellt. Im Jahre 1815 war General
von Kreutzer Festungskommandant, der sich nach kurzer
ßlokade vom 11. bis 30. August durch ein Detachement vom
20. Regiment der Garnison Mainz unter General von Krauseneck
für Ludwig XVIII. erklärte.
In Foljfe Convention vom 20. November 1815 wurde die
Festung von Bayern*Jjesetzt, welehe bis zum 15. November 1818
darin verblieben.
Die Erhebung der Festung zu einer solchen ersten Ranges ge-
schah durch Dekret vom 28. Februar 1850 nach Herstellung der
Stadtbefestigung; diese ist nämlich neueren Datums ; kleinere An-
lagen bestanden zwar schon früher, dieselben wurden aber gemäss
dem Ryswicker Friedensvertrag geschleift und später durch eine
einfache aus 6822 Stück bestehende Palissadenumzäunung ersetzt ;
an deren Stelle trat Ende des XVIII. Jahrbunderts eine Mauer
in Folge kriegsministerieller Verfügung vom Oktober 1788. Diese
Mauer sollte mehr zur Abschliessung, um die Entweichung von
Gefangenen und Soldaten zu verhindern, als zu Verteidigungs-
zwecken dienen, sie wurde 1795 mit einem Kostenaufwand von
57,202 Fr. beendet und zog sich vom Glacis der Festung direkt hinter
den Häusern her bis zu dem— 1820 trocken gelegten — Stadtweiher.
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Stadtthore werden zum ersten male 1662 — die Stadt Bitsch
entstand überhaupt erst nach dem 30jährigen Kriege aus den
Dörfern Kaltenhausen und Rohr — erwähnt und zwar «ein
Hinter-», «Vorder-», «Ober-» und «Unterthor». Zur Bewachung
dieser Thore war ein «Wachtmeister» (später mehrere) bestellt,
von dem es 1662 heisst: «dass er von ehrsamer Bürgerschaft an-
genommen wurde, damit er utT die Thore fleissig acht soll geben,
Abends und Morgens dieselbe auf- und zusperren und zu Nacht
ohne Herrn Rentmeisters fürwissen nicht eröffnen; für seine
Belohnung solle ihm ein jetler Bürger für ein Jahr lang ein Sester
Korn liefern, wie auch jeder Wagen oder Karch so Holz zu seinem
Hause füret soll ihm eine Portstang geben, wie auch in der
Heuerndt soll er Macht haben, in ein jeden Wagen mit Heu
dreimal und ein Karch zweimal heraus zu ropfen, wie auch ist
ihm versprochen worden zwei Stück Rindvieh, wie auch zwei
Sauen von dem Hirtenlohn frei zu halten.»
1787 wurden an den vier Thoren von der Stadt auf Ver-
anlassung der Regierung und mit einer Beihilfe derselben von
6920 Fr. Hauptwachen erbaut; ausser diesen bestanden eigent-
liche Befestigungswerke in der Sladt nicht, wie aus einer Schrift
vom Jahre 1772 hervorgeht, in welcher es heisst: «— ii n'y a
pas d'autres fortificalions que celles du chäteau, la ville n'ayant
pas un seul mur d'enceinte.»
Erst 1844 gelang es den Bemühungen des im Kriegsmini-
sterium beschäftigten Generals Schneider — ein Bitseher Kind —
die Stadtbefestigung im grossen Umfange durchzusetzen, nach-
dem auch die Stadt durch Anlage eines Verptlegungsmagazins
für eine 30,000 Mann starke Armee, zu welchem Zwecke ein
grosser Speicher um 280,0(0 Fr. hergestellt worden war (jetzige
Speicherkaserne), eine gewisse Bedeutung erlangt hatte.
Durch kriegsministeriellle Verfügung vom 28. Juni 1844
wurden die Befestigungsarbeiten verordnet und 1852 vollendet;
für die Stadtumwallung, wie sie noch heute teilweise besteht,
wurden 873,008 Fr., für die drei Hohltraversen auf derselben
25,500 Fr. und ausserdem in den Jahren 1852—1857 für Er-
weiterungs- und Verbesserungsbauten 37,100 Fr. verwandt.
Durch kriegsministerielle Verfügung vom 19. Juli 1846
wurde ferner der Bau eines Forts auf dem «Roche-percee» :
Fort Sebastian, von der in der Nähe gelegenen St. Sebastians-
Kapelle genannt, angeordnet. Die Abtragung des spitzen Gipfels
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und Herstellung eines Plateaus kostete allein 40,000 Fr., der
Bau der Kaserne mit Beleg ungsraum für 1 Offizier und 81 Mann
54,000 Fr., die Herstellung des Pulvermagazins 44,000 Fr.,
das ganze Fort überhaupt 283,526 Fr. 4848—1849 erfolgte
ausserdem die Anlage eines Paradeplatzes vor dem Fori, mit
einem Kostenaufwand von 40,500 Fr., so dass in den Jahren
1844—1857 für Anlage der nunmehr vollständig aufgegebenen
Befestigungen 1,259,724 Fr. verausgabt wurden: sie geschah
mehr für die Armen als für die Armee und mehr zur Beschäf-
tigung der Bewohner als zur Befestigung der Wohnstätten ; denn
dieselbe ist ohne jegliche Bedeutung und war deshalb auch im
Kriege 1870/71 nicht armiert. Anfangs des Jahres 1870 befanden
sich in der Festung, nach einem Armierun^sbericht vom 1. Ja-
nuar 1870, 53 Geschütze, .nämlich 12 gezogene und 10 glatte
Bronzekanonen, 18 Bronzehaubilzen und 13 Bronzemörser, davon
waren aber nur 19 in Schussberei tschaft ; Infanteriegewehre be-
enden sich 4602 Stück mit 1,399,416 Patronen auf der Festung,
ausserdem 120,400 Kilo Pulver und 26,128 Geschosse für die ver-
schiedenen Geschütze. Bei Ausbruch des Krieges fand eine beson-
dere Armierung und Verproviantierung nicht statt ; der einige Tage
vorher eingetroffene Platzkommandant Theissier wohnte bis zur
Annäherung der deutschen Truppen im Rathause, und die Auf-
stellung der Geschütze geschah erst nach der Schlacht von Wörth
durch einen remitierten Artilleriehauptmann, Namens Rossin.
Bitsch war der Sammelplatz des V. Korps unter General
de Failly und bereits am 18. Juli — also ein Tag vor der offi-
ziellen Kriegserklärung — waren daselbst 17 Infanteriebataillone
und 2 Kavallerieregimenter zusammengezogen ; am 23. Juli ver-
legte Failly das Hauptquartier nach Saargemünd und die 3.
Division, bestehend aus dem 17., 27., 30. und 68. Infanterie-
regiment, dem 19. Jägerbataillon und 3 Batterien des II. Artil-
lerieregiments unter General Guyot de Lespart, rückte nach
Bitsch. Nachdem bereits am 24. Juli die Bahnlinie Saargemünd-
Bitsch bei Bliesbrücken durch eine Abteilung 7. Ulanen unter
Lieutenant von Voigt zerstört worden war, fand am 29. ein Zu-
sammensloss zwischen einer stärkeren Rekognoszierungspatrouille
vom 5. Dragonerregiment und französischen Vorposten aller
Waffengattungen bei Breitenbach statt, infolgedessen die fran-
zösische Avantgarde am 31. Juli Befestigungen auf den Höhen
bei Hanweiler (7 Kilometer nördlich von Bitsch) anlegte.
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Am i. August unternahmen bayrische Chevaulegers unter
Major von Eglotfstein und 12. preussische Husaren unter Major
von Parry in einer Stärke von 50 Mann eine Rekognoszierung
nach der Bitsch-Weissenburger Strasse von Eppenbronn aus ; sie
erhielten bei Stürzelbronn lebhnftes Feuer von starken Infanterie-
abteilungen und zogen sich auf Waldwegen über den Mühlenhacher
Hof nach Ludwigswinkel zurück ; mehrere Pferde waren verwundet
worden, und auf dem Mühlenbacher Hof wurde ein Husar, der
sich mit seinem verwundeten Pferde beschäftigte, gefangen.
Nach Bekanntwerden der Einnahme von Weissenburg und
dem offensiven Vorgehen der III. deutschen Armee erhielt Ge-
neral Failly Befehl, sein ganzes Korps bei Bitsch zu sammeln.
Die Division Lespart, welche am 2. August in der Richtung auf
Pirmasens vorgerückt war, zog sich wieder nach Bitsch zurück
und Failly selbst traf mit dem Rest des Korps am Abend des 5. in
Bitsch ein. Am Morgen des 6. kam der Befehl von Mac-Mahon,
eine Division soforl nach Philippsburg, 17 Kilometer südöstlich
von Bitsch, zu senden und mit dem übrigen Korps am 7. August
in der Richtung nach Weissenburg vorzugehen.
Die Division Lespart rückte demgemäss am 6. morgens nach
Philippsburg ab und nahm auf die Kunde von der Schlacht bei
Wörth, 7 Kilometer weiter südöstlich an dem Thalausgang auf
den Höhen links und rechts von Niederbronn Aufnahmestellung,
aus welcher sie jedoch durch die unaufhaltsam flüchtenden
Trümmer der Mac Mahon'schen Armee mit in den allgemeinen
Rückzug gerissen wurde: die Brigade Fontanges südwestlich nach
Zabern, die Brigade Abbatucci mit einigen Tausend Verspreng-
ten des I. Korps nach Bitsch. Hier hatte unterdessen Failly,
von Nordwesten (Spichern) und Südosten (Wörth) heftigen
Kanonendonner hörend, vergeblich auf Befehle geharrt, und
wusste nicht, wohin er sich wenden sollte ; erst am Abend ver-
nahm er die beiderseitigen Niederlagen und marschierte dann
nach Beschluss des rasch zusammengerufenen Kriegsrats des
Abends um 9 Uhr in fluchtähnlicher Weise mit seinen beiden
Divisionen, die Trains zurücklassend, nach Lützelstein ab. Da
deutscherseits angenommen wurde, dass sich Mac Mahon nach
Bitsch zurückgezogen und sich dort sammeln würde, erhielt die
XII. Division, die seither in der Gegend von Pirmasens ge-
standen, den Befehl, auf Bitsch vorzurücken; dieselbe erreichte
am 7. Stürzelbronn, Vorposlen bis Herzogshand vorschiebend,
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und bei Haspelscheidt (7 Kilometer nordöstlich von Bitsch) Füh-
lung mit dem 5. Dragonerregiment gewinnend. Durch Patrouil-
len wurde festgestellt, dass während der Nacht zahlreiche Flücht-
linge durch Egelshard gezogen, dass am Abend Truppen bei
Bitsch biwakiert, in der Nacht aber nach Süden abgerückt,
und in der nächsten Umgebung der Festung keine Truppen
mehr sichtbar wären ; doch erhielt die 4. Schwadron des 5.
Dragonerregiments, als sie sich der Festung näherte, von den
Wällen Feuer und musste sich mit einem Verluste von 4 Toten
(die in Haspelscheidt begraben sind) und 5 Verwundeten zu-
rückziehen ; auch eine Brigade vom II. bayrischen Korps, welches
bei Egelshard biwakierte, wurde am 8. August beim Vormarsch
von der Festung aus beschossen, die i. reitende Batterie La
Roche vom 2. bayrischen Ariillerieregiment fuhr am Kindelberg
auf und warf einige wirkungslose Schüsse in die Festung, wurde
aber bald mit Verlust von 1 Toten und 4 Verwundeten, sowie
einer zertrümmerten Lafette, zum Abfahren gezwungen.
Durch diese Sperrung der Hauptstrasse sahen sich die vor-
rückenden Truppen zu einem Umweg gezwungen : das II. bay-
rische Korps marschierte am 9. August auf Waldwegen über
den Hoch köpf nach Lemberg, zur Beobachtung ein Bataillon
Infanterie und eine Schwadron Chevaulegers zurücklassend, die
XII. Division ging an demselben Tage über die Höhen bei Han-
weiler nach Schorbach und Lengelsheim und am nächsten Tage
nach Klein-Rederchingen. Hier war Tags vorher Prinz Fried-
rich Karl von Wolmünster her mit dem IV. Korps eingetroffen,
um Mac Malion, von dem man ja angenommen, dass er sich
bei Bitsch sammeln würde, den Rückzug zu verlegen.
Die vor Bitsch zurückgelassenen Truppen wurden am 41.
August durch das 1. Bataillon 7. bayrischen Infanterieregiments
abgelöst, welches mit je zwei Kompagnien die Lazarette in
Reichshofen und Niederbronn schützte und durch vorgeschobene
Streifpatrouillen die Festung beobachtete. In dieser war nach
dem Abzug des Failly'schen Korps nur ein Bataillon vom 86.
Infanterieregiment (750 Mann stark) nebst 250 Artilleristen zu-
rückgeblieben, dazu kamen noch etwa 200 in der Umgegend
postiert gewesene Douaniers, und ungefähr 1400 Versprengte
von Wörth und 600 von Spichern. Diese Flüchtlinge kamen
in einem schrecklich abgerissenen und verzweifelten Zustande
an, sie verbreiteten so schlimme Nachrichten von der furcht-
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baren Niederlage der französischen Armee, dass sie der ^Platz-
kommandant, um nicht die Besatzung zu sehr zu entmutigen,
isolieren liess: sie wurden in den drei auf der Stadtumwallung
befindlichen Hohltraversen, dem Fort Sebastian und dem davor
Hegenden «camp retranche» untergebracht und jeder Verkehr
mit der Besatzung verboten. Da die Festung nach dem am 8.
August erfolgten Abmarsch der Bayern längere Zeit unbehelligt
blieb, schöpfte die Besatzung wieder Mut und gab sich den
besten Hoffnungen auf die baldige Rückkehr der französischen
Truppen hin ; der Platzkommandant erliess am 10. August
einen Tagesbefehl, in welchem er auf die günstige Lage von
Büsch für den Fall des erwarteten Rückzugs der deutschen
Armee hinwies und die Truppen im «camp retranche» auffor-
derte, sich genaue Kenntnis von der Umgegend und allen Wegen
zu verschaffen, um dieselben nötigenfalls unpassierbar zu machen
und den deutschen Truppen den Rückzug abzuschneiden. Die Situa-
tion sollte sich bald ändern : da Gefahr bestand, dass die geringer»
zur Beobachtung von Bitsch zurückgelassenen Truppen die durch
die Versprengten auf etwa 3000 Mann angewachsene Besatzung
nicht im Schach halten könnten, und somit die Lazarette in Nieder-
broun und Reichshofen, sowie die rückwärtige Verbindung gefähr-
det erschienen, wurde zur Operation gegen Bitsch in Germersheim
ein besonderes Detachement gebildet, bestehend aus dem 2. Ba-
taillon 4. bayrischen Infanterieregiments, dem 29. Landwehrba-
taillon, 1 Offizier und 8 Reitern der Besatzungskavallerie und 4
gezogenen 12-Pfündern ä44Schussund Brandgranaten, im Ganzen :
1850 Mann, 112 Pferde, 4 Geschütze und 13 Fahrzeuge unter dem
Kommando des Obersten Kohlermann. Das Detachement traf am
22, August in Niederbronn ein, und wurde in der Nacht be-
reits, nachdem die Festung vergeblich zur üebergabe aufgefor-
dert worden, bis dicht vor Bilsen vorgeschoben. Die Batterie —
es war die 4. Auslallbatterie 2. bayrischen Artillerieregiments
Brodesser — wurde in der Nacht mit grossen Schwierigkeiten
auf den 1100 m in gleicher Höhe (366 m hoch) nördlich der Zita-
delle gelegenen grossen Otterbühel geschafft, und morgens um 5
Uhr das Feuer gegen die Festung eröffnet. Der 3. Schuss schlug
in das auf dem grossen Kopf befindliche Arresthaus, in dem ver-
schiedene deutsche Gefangene waren, von denen einer leicht ver-
wundet wurde ; das Feuer wurde zwei Stunden fortgesetzt und
52 Granaten mit Spreng- und 25 mit ßrandladung in die Festung
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geworfen ; da ein wesentlicher Erfolg mit den leichten Geschützen
nicht erzielt wurde, die Batterie auch stark dem Feuer der grö-
beren Festungsgeschütze ausgesetzt war, liess Oberst Kohlermann
um 7 Uhr das Feuer einstellen, durch einen Parlamentär die
Festung nochmals zur Uebergabe auffordern und die Batterie,
von der ein Offizier und zwei Mann verwundet waren, abfahren.
Die Uebergabe wurde abgelehnt, und Oberst Kohlermann,
einsehend, dass er ohne bedeutendes Geschützmaterial die Fes-
tung nicht bezwingen könne, zog sich, um dieses abzuwarten,
zurück in ein Biwak zwischen Lengelsheim und Hanweiler und
am 26. August nach Wo! m finster.
Das 29. Landwehrbataillon wurde zum Etappendienst nach
Weissenburg beordert, wahrend die Batterie unter Deckung des
2. Bataillons 4. Infanterie-Regiments am 27. August eine Be-
obachtungsstellung auf dem nordwestlichen Höhenzug zwischen
Schorbach und dem Freudenbergerhof einnahm ; bis zum Ein-
treffen weiterer Truppen suchte das Bataillon durch zahlreiche
Posten und Patrouillen seine Schwäche zu maskieren, wobei es
durch 2 von Lemberg nach Reyersvveiler herangezogene Etappen-
kompagnien des 5. und 27. Landwehrbataillons unterstützt
wurde. Am 31. August ging der Befehl der vollständigen Ein-
schliessung und gewaltsamen Einnahme der Festung ein, zu-
gleich mit der Benachrichtigung von der abgesandten Verstär-
kung. Die Belagerten erhielten hiervon Kenntnis und versuchten
vor Eintreffen der neuen Truppen das Detachement Kohlermann
zu vertreiben. Es wurde am 1. September Nachmittags 4*|2 Uhr
ein kleiner Ausfall nach der Saargemünder Strasse und am 4.
September ein grösserer von 800 Mann (aus dem camp retran-
che) gegen die Stellung zwischen Lemberger und Saargemün-
der Strasse unternommen : derselbe wurde mit Hilfe des Tags
vorher eingetroffenen 1. Bataillons 8. Infanterie-Regiments zu-
rückgewiesen ; die bayrischen Verluste beliefen sich auf 9 Mann
tot, 2 Offiziere und 29 Mann verwundet, die französischen lassen
sich nicht genau angeben, jedenfalls blieben 3 Tole auf dem
Kampfplatze — der Milchenbach links der Saargemünder Strasse
— liegen und wurden nachher von Bitscher Bürgern hereinge-
holt, 6 starben in den nächsten Tagen an den erhaltenen Wunden,
die Zahl der leichter Verwundeten soll sich auf 60 belaufen
haben, ausserdem wurden elwa 30 Gefangene verloren.
Nach zwei angeblich noch rechts der Saargemünder Strasse
arn Krähenfelsen liegen gebliebenen Schwerverwundeten wurde
gegen Abend von dem um die Krankenpflege während der Be-
lagerung sehr verdienten Dr. W. mit einigen Bitscher Bürgern
gesucht ; es war vergeblich, dieselben waren bereits von den
bayrischen Krankenträgern aufgenommen worden. Dr. W. und
einer seiner Begleiter, die sich bis in die bayrische Postenkette
gewagt hatten, wurden festgehalten und zu dem am Freuden-
bergerhof befindlichen bayrischen Hauptquartier geführt, hier
freundlichst bewirtet, mit der soeben eingetroffenen Depesche
über die Ereignisse bei Sedan bekannt gemacht und dann ent-
lassen ; sie kamen erst gegen 10 Uhr wieder in Bitsch an und
fanden mit ihrer Erzählung der Niederlage von Sedan eine
schlechte Aufnahme, ja wären beinahe von den aufgeregten Offizie-
ren misshandelt und als Verräter verhaftet worden ; es erschien
diese Nachricht um so unglaublicher, als einige Tage vorher (arn
27. August) folgende Depesche offiziell bekannt gegeben w r urde:
«Prinz Karl tot und in Metz begraben, General Steinmetz
und 14 preussische Genci n le gefangen. *70,000 Verwundete und
Gefangene; in der Nordsee 6 preussische Schiffe mit Goldbar-
ren genommen !»
Am 5. September trafen bei den Belagerern noch 16 gezo-
gene Zvvölfpfünder und 4 sechzigpfündige Mörser mit 200 Schuss
pro Geschütz und am ü. die 3ten Bataillone des 4. und 8. Inf.-
Reg. und eine Festungs-Genie-Kompagnie ein : sodass nun die
Belagerungstruppen aus 6760 Mann Infanterie, 28^ Reitern und
24 Geschützen mit Bedienungsmannschaften vom II., III., IV.
bayrischen Festungs-Art. -Reg. bestanden, wozu am 13. Septemb.
noch 4 sechspfündige Feldgeschütze kamen.
Die Truppen nahmen vom 6. September ab folgende Stel
hing ein : das I. Bat. 8. bayr. Inf. -Reg. hatte den rechten
Flügelabschnitt zwischen Lemberger und Reyersweiler Strasse
mit Allarmhäuser in Reyersweiler, die 5., 7. und 8. Komp. 4.
Inf.-Reg. das Zentrum an der Saargemünder Strasse mit Al-
larmhäuser in Legerethof und das 3. Bat. 4. Inf.-Reg. hatte
den linken Flügelabschnitt mit Allarmhäuser am Suselhof; das
3. Bat. 8. bayr. Inf.-Reg. stand in Reserve auf dem Simster-
hof, während die 6. Kompagnie 4. Inf.-Reg. mit 8 Reitern
eine fliegende Kolonne zur Beobachtung der Strassen noch Zwei-
brücken, Weissen bürg und Hagenau bildete ; Artillerie- und Inge-
nieurpark nebst Munitionsdepots mit je 300 Reserveschuss pro
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Geschütz befand sich bei der Hottweiler Ziegelei. Unter dem
Schutze dieser Stellung wurden bis zum 11. September 6 Batterien
hergestellt und mit je 300 Schuss ausgestattet : Batterie I mit
4 zwölfem. Kanonen nordöstlich von Reversweiler, am Nord-
ostrande des bewaldeten Schimberges, 1700 m vom Südwest-
Ende der Festung, die II. Batterie mit 4 glatten sechzigpfün-
digen Mörsern an dem von Bitsch nach Reyersweiler führenden
Wege, 1800 m von Bastion I entfernt ; III., IV. und V. Batterie
mit je 4 zwölfem. Kanonen auf der Höhe (Rossel) zwischen
dem Reyersweiler Weg und der Saargemünder Strasse, etwa
2000 m von der Feslung, VI. Batterie auch mit 4 zwölfem.
Kanonen etwa 500 m nördlich der Saargemünder Strasse am
Waldrande von Schiesseck.
Nach Fertigstellung der Batterien, die alle etwa 30 m hö-
her als die Zitadelle lagen, Hess Oberst Kohlermann das bevor-
stehende Bombardement der Festung und Stadt dem Komman-
danten anzeigen, mit der Gewährung freien Abzugs für die
Bürgerschaft. Oberst Theissier Hess aber die von vielen beab-
sichtigte Auswanderung nicht zu.
Am 11. September, Morgens 10 Uhr, begann das Bombar-
dement der Festung aus sämtlichen 24 Geschützen, das, von
hellem Wetter begünsligt, den besten Erfolg hatte ; bald ent-
stand Feuer in der Festung, und die Festungsgeschütze, die an-
fänglich, 14 an der Zahl, kräftig antworteten, stellten, nachdem
sie etwa 800 Schuss abgegeben und t Geschütz der Batterie
VI mit einem Verlust von 1 Mann tot und fünf verwundet de-
montiert hatten, gegen Mittag das Feuer ein, die Belagerungs-
geschütze schwiegen erst um 11 Uhr Nachts.
Am 12. übernahm Major Zeller das Kommando über die
Belagerungsartillerie und liess das Feuer mit allen Kräften fort-
setzen ; dasselbe wurde nur bis 9 Uhr Morgens erwidert : von
da ab blieb es still auf der Festung, woraus man schloss, dass
die Besatzung sich in die Souterrains zurückgezogen habe ; es
wurde deshalb hauptsächlich das Lager hinter dem Fort Sebastian
und von 6 Uhr Abends ab auch die Stadt beschossen. Letztere
geriet bald in Brand, der die ganze Nacht währte und unge-
fähr 70 Häuser (darunter auch das Rathaus) einäscherte.
Die Folge davon war, dass am nächsten Morgen die Bürger-
schaft um freien Abzug nachsuchte ; derselbe wurde zwar offi-
ziell versagt, trotzdem aber unter stillschweigender Duldung der
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Belagerer von einer grossen Anzahl Bürgern ausgeführt ; etwa
die Hälfte der 2700 Seelen zählenden Zivilbevölkerung, darunter
gerade die angesehensten und reichsten, verliessen die Stadt.
Die Beschiessung wurde fortgesetzt ; am 16. wurden grosse
Fourrage Vorräte, die im Zangenwerke I — V auf der grossen
Rampe lagerten, in Brand geschossen, verschiedene Brände in
der Stadt verursacht und am Abend das Zeughaus und Gou-
vernement auf der Festung zerstört. Am 16. und 17. traten auch
die vier am 13. September eingetroffenen Feldgeschütze in Thä-
tigkeit, die von dem nördlich des Roten-Stiegs gelegenen Wald-
saum 80 Granaten und dann von dem Terrain zwischen kleinen
und grossen Otterbühel 40 Granaten in die von den Stellungen
etwa 1500 m entfernte Stadt schössen. Das Feuer wurde vorn
18. ab vermindert und am 21. September ganz eingestellt. Die
Batterien wurden, nachdem die 20 gezogenen bronzenen Zwölf-
pfdnder und die 4 sechzigpfündigen Mörser aut etwa 1800 m Ent-
fernung innerhalb zehn Tagen 6000 Granaten und 1100 Bomben
in die Stadt und Festung geworfen, desarmiert und die Ge-
schütze abgefahren ; am 25. September wurde auch, da eine
weitere förmliche Belagerung zu viel Material und Truppen in
Anspruch genommen hätte, die Zernierung auf Befehl des
Generalgouverneurs von Elsass, Grafen von Bismarck-Bohlen,
eingestellt ; Oberst Kohlermann rückte mit 2 Bataillonen und
der Feldartillerie ab, der Rest des Detachements (1. und 3. Ba-
taillon 8. Infanterieregiments) blieb unter Befehl des Obersten
Schrot zur Beobachtung zurück, um Beunruhigungen von Pro-
viant- und Munitionstransporten seitens der Besatzung zu ver-
hindern ; die Strassen von Niederbronn und Lemberg wurden
gesperrt, indem je 1 Bataillon Barackenlager hinter dem Pfaflen-
berg und in Schwangerbach bezog, auf der Nord- und Westseite
wurde durch Patrouillen der Verkehr möglichst eingeschränkt.
Nach der vom Feinde bemerkten Verminderung der Zernier-
ungstruppen erfolgten mehrere kleine Ausfalle : am 29. nach-
mittags nach dem Freudenberger Hof, der erst nach 4 stündigem
Kampf zurückgeworfen und am nächsten Tage wiederholt
wurde ; das 8. bayrische Infanterieregiment erlitt dabei einen
Verlust von 5 Mann tot und 6 verwundet, von der Kavallerie-
abteilung (5. Ghevaulegersregiment) wurde 1 Mann gelötet.
Nach mehrfachen kleineren Plänkeleien wurden vom 10. Oktober
ab die Feindseligkeiten beiderseits fast gänzlich eingestellt.
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Durch das Bombardement waren auf der Festung alle ober-
irdischen Gebäude, mit Ausnahme der Kapelle, gänzlich ver-
nichtet, in der Stadt 121 Häuser ganz, 184 teilweise zerstört
worden, 135 Haushaltungen waren obdachlos, Pfarrer, Bürger-
meister und sonstige Behörden hatten die Stadt verlassen., Die
Not und Verwirrung war gross, am 23. September wurde durch
den Kommandanten ein provisorischer Gemeinderat, bestehend
aus einem Präsidenten, Stellvertreter und 14 Beisitzern, er-
nannt ; es wurde ein Hilfskomite konstituiert, das an die nächst
gelegenen Orte Aufrufe zur Unterstützung mit Kleidungsstücken,
Betten und Nahrungsmittel ergehen liess. Da die Absperrung
vom Oktober ab nur eine sehr geringe war, und den Verkehr
nach aussen fast ungehindert zuliess, gingen denn auch bald
von allen Seiten, insbesondere von einem Niederbronner undSaar-
gemünder Hilfskomite, zahlreiche Unterstützungen ein, so dass
an 103 Personen Kleider, an 363 Bettzeug und Lebensmittel, an
107 Saatfrucht und täglich für 3(3 Fr. Brot verteilt werden konnte.
Die Thore wurden auf Ansuchen der Bürgerschaft von 7
Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags geöffnet und vom 1. Ja-
nuar ab wurden sogar die Wochenmärkte wie früher 2 mal
abgehallen ; eine aus 2 Kompagnien von je 80 Mann gebildete
Mobilgarde half die Ordnung in der Stadt aufrechthalten und
die Thore bewachen. Die Handhabung der Strafgerichtsbarkeit
wurde, da die Gerichtsbehörden die Stadt verlassen hatten,
durch Erlass des Festungskommandanten vom 22. Oktober 1870
dem Gendarmei iekapitän Mathieu, der regelmässig Freitags
Sitzungen abzuhalten hatte, übertragen.
Die teilweise in Eisenbahnwagen untergebrachte Besatzung
des «camp retranche» war den Unbilden des strengen Winters
sehr ausgesetzt, und das zum Militärhospital eingerichtete frühere
Augustinerkloster (College) konnte die Menge der Kranken, ins-
besondere Typhus- und Blatternkranken, kaum fassen; für die
zahlreichen Blatternkranken wurden später Isolierräume in der
Speicherkaserne eingerichtet. Die Zivilbevölkerung, welche sich
am 1. Dezember 1870 auf 13i7 Seelen belief, hatte Dank der
umsichtigen Leitung ihrer Vertretung und der reichlich von
allen Seiten zufliessenden Unterstützungen verhältnismässig wenig
zu leiden ; nach einer am 1. Dezember vorgenommenen Auf-
stellung waren in der Stadt noch vorhanden :
924 Hektoliter Korn, 213 Säcke Mehl, 14,739 Hektoliter
I
Kartoffeln, 20 Ochsen, 158 Kühe, 6 Kalber; 7 Hammel und 8
Schweine; die Weiterverprovia'ntierung war bei der unbehinderten
Verbindung nach aussen und den erheblichen Unterstutzungen
an Geld — es gingen vom 7. Oktober bis 17. April 8106 Fr.
an Haargeld ein — ohne Schwierigkeiten vorzunehmen.
Bei dem Militär trat bald Geldmangel ein, der Sold konnte
an die zahlreichen Truppen nicht mehr bezahlt werden, und
wurde deshalb anfangs November der Adjutant Mondelli nach
Tours gesandt, um Geld zu holen. Dies war inzwischen durch
den französischen Konsul in Neuchatel, auf einen Brief Theis-
sier's hin, besorgt worden; derselbe traf am 7. November, kurz
nach der Abreise Mondelli'.?, mit 50,000 Fr. in Bitsch ein.
Mondelli erhielt in Tours eine Menge Auszeichnungen für die
Besatzung von Bitsch ; last sämtliche Offiziere wurden um einen
Grad erhöht, viele erhalten Orden und Ehrenzeichen ; es wird die
Errichtung eines neuen Regiments aus dem Besatzungsbataillon
und den Flüchtlingen der verschiedenen Regimenter beschlossen,
und der seitherige Bataillonskommandant Bousquet vom 86. In-
fanterieregiment zum Oberst des neugebildeten Marschregiments
Nr. 54 ernannt. Mondelli traf am 18. November wieder in Bitsch
ein, und es wurde sofort die Verteilung der Avancements und
Dekorationen, sowie die Formation des neuen Regiments vorge-
nommen. Dasselbe bestand aus 10 Kompagnien zu je 160 Mann
mit der verschiedenartigsten Bekleidung ; aus den zahlreichen
Musikern der verschiedenen Regimenter wurde eine freilich nicht
gerade vorzügliche Regimentskapelle gebildet. Ende November
werden abermals 50,000 Fr. gesandt, zugleich mit der Aufforderung,
dass alle entbehrlichen Offiziere sich einer der Armeen im Innern
Frankreichs anschliessen sollten. Daraufhin verliessen etwa 25
Offiziere die Festung. Noch dem Abgang der Offiziere und Mann-
schaften befanden sich Anfang Dezember noch in Bitsch:
79 Offiziere und Militärbeamte, 2800 Mann Soldaten incl.
Train (Fuhrleute, Marketender etc.), ausserdem 2 Offiziere und
106 Mann in den Spitälern.
Am 1. Februar wird der Festung der Abschluss des Waffen-
stillstandes mitgeteilt ; sie verweigert die Anerkennung desselben,
da sie von ihrer vorgesetzten Behörde keine Nachricht über
denselben erhalten und sie in der ihr durch deutsche Parlamen-
täre überbrachten französischen Abschrift des Vertrages nicht
aufgeführt ist.
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Der Festungskommandant bittet um einen Geleitschein für
den Hauptmann Mondelli, der sich bereit erklärt hat, in Bor-
deaux Instruktionen zu holen. Oberst Kohlermann setzt sich
dieserhalb mit dem Gouverneur von Strassburg in Verbindung ;
da die Antwort lange auf sich warten lässt, reist Mondelli am
11. Februar ohne Geleitschein ab und kommt am 17. Februar
wohlbehalten in Bordeaux an, am 6. Marz kehrt er nach mehr-
fachen Verhandlungen in Bordeaux und Paris nach Bitsch zurück
mit folgendem Brief des damaligen Kriegsministers, des neuer-
dings durch seine seltsamen «Enthüllungen» aus dem Jahre
1875 vielfach genannten Generals Leflo :
aBordeaux, 19. Februar 1871. Jules Favre hat zu meinem
grössten Bedauern die durch Ihre tapfere Verteidigung doch
gewiss erwähnenswerte Festung Bitsch nicht in den Waffen-
stillstandsvertrag aufgenommen ; ich habe heut» an Thiers ge-
schrieben, dass Bitsch bei der nächsten Verhandlung nachträglich
möge aufgenommen werden. Ich ermächtige Sie aber, schon
jetzt die Feindseligkeiten, die, mit Rücksicht auf Ihre verlassene
Lage, doch zwecklos sind, einzustellen. Ich hoffe nicht, dass
Sie bei dem Friedensschluss die Festung werden verlassen
müssen, sollte es doch sein, so werden Sie baldigst nähere
Anweisungen erhalten. Empfangen Sie meine Glückwünsche für
die energische Verteidigung ; beglückwünschen Sie Ihre tapferen
Truppen für ihren Mut und ihre Ausdauer in so gefährlicher
Bedrängnis, beglückwünschen Sie auch die tapfere Zivilbevöl-
kerung, welche so recht gezeigt hat, dass sie französisch ist und
bleiben will. Ich ersuche Sie, mir eine Liste besonders Wür-
diger für Auszeichnungen einzureichen.»
Mondelli brachte zu gleicher Zeit, jedoch nicht offiziell,
auch die Nachricht von dem inzwischen erfolgten Friedensschluss
mit, und Theissier erliess nun am 7. März folgenden Tagesbefehl :
«Hauptmann Mondelli ist zurückgekehrt und hat einen
Brief des Kriegsministers überbracht, durch welchen derselbe
mich beauftragt, die Garnison in seinem Namen zu beglück-
wünschen für ihren Mut, ihre Ausdauer und Ergebenheit.
«Die Friedenspräliminarien sind von der Nationalversamm-
lung angenommen worden, nach welchen der von uns besetzte
Platz abgetreten ist, die Uebergabe steht demnach in nächster
Zeit zu erwarten. Bald werden wir uns inmitten unserer Waf-
fengenossen im Innern befinden und wir können uns stolz
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zeigen, uns bei dem allgemeinen Unglück des Vaterlandes bis
zum Ende des Krieges gut gehalten zu haben, ohne uns durch
den Fall so vieler Festungen entmutigen zu lassen. Die eigent-
lichen Verteidigungsarheiten werden von heute ab aufhören und
es werden nur noch zu den dringendsten ünterhaltungsarbeiten
Arbeiter kommandiert werden. Von jetzt ab wird die Portion Reis
von 40 auf 60 Gramm und die Ration Heu auf 2 Kilo erhöht.»
Am 9. März liess der Oberst Kohlermann dem Komman-
danten folgendes von dem Gouverneur in Sirassburg, Grafen
von Rismarck-Bohlen, eingegangene Telegramm mitteilen :
tNachdem Büsch, gemäss Art. 1 des Friedensvertrags, an
Deutschland abgetreten wurde, ist der Platzkommandant aut
Befehl des Grafen Moltke sofort aufzufordern, es zu räumen
und auf dem kürzesten Wege mit seinen Truppen das deutsche
Gebiet zu verlassen; der Train kann spüler verladen werden.
Die Ausführung kann nicht aus Mangel an Waggons durch den
Kommandanten verzögert werden.»
Der Platzkommandant antwortete hierauf, dass er ohne
offizielle Mitteilung des Friedensschlusses und direkter Anwei-
sung seiner Regierung die Festung nicht verlassen könne und
hat zugleich um Vermittlung zweier Depeschen an den Kriegs-
minister in Bordeaux und Paris, durch welche er um Vor-
schriften ersuchte.
Unterdessen wurde alles zum Abmarsch vorbereitet, die
Geschütze wurden zum Bahnhof geschallt, die nicht brauchbaren
Waffen und Lebensmittel verkauft, die Verteidigungswerke und
Gebäudetrümmer auf der Festung zerstört und von der Zivil-
bevölkerung Abschied genommen.
Dieser erhielt eine besondere Weihe durch Uebergabe einer
Fahne: am 0. März hatte der Gemeinderat einstimmig beschlossen,
der Garnison eine Fahne mit der Aufschrift: «La ville de Bitche
a ses defenseurs, 8 Aoüt 1870 — P2 Mars 1871» zu stiften; es
wurden zu diesem Zwecke 50 Fr. bewilligt und die sofortige
Anfertigung verfügt, «da der Abmarsch stündlich zu erwarten ist».
Am 15. wurde die Fahne von Delegierten der Stadl auf dem
«camp retranche» dem Kommandanten überreicht; alle Truppen
wohnen dem feierlichen Akt in Paradeaufstellung bei und defi-
lieren nachher vor den Vertretern der Stadt in folgender Reihe-
folge: Artillerie, Gendarmerie, 54. Infanterieregiment, Tirailleurs,
lnürmiers, Douaniers, Kavallerie, Train des equipages.
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An demselben Tage wird dem Kommandanten von einem
Damenkomite aus Niederbronn ein Lorbeerkranz uberbracht.
Da die von dem Kriegsminister erwarteten Befehle aus-
bleiben, reist Hauptmann Mondelli am 18. März abermals nach
Paris, das er aber bereits von der Kommune besetzt findet.
Am 22. März war die Festung trotz wiederholter Aufforderung
noch nicht geräumt, und als der Kommandant selbst dann noch
zögerte, als ihm eröffnet^ wurde, längere Weigerung würde als
Besitzergreifung deutschen Gebietes betrachtet werden, rüstete
man sich, unter Heranziehung von Verstärkung aus Hagenau,
zu einer neuen Beschiessung.
Angesichts der Verstärkungen und Vorbereitungen eines
neuen Bombardements entschloss sich Theissier, um weitere
unnütze Zerstörung und Blutvergiessen zu verhüten, zur Ueber-
gabe, und nach längeren Verhandlungen kam am Abend des
23. März zwischen Oberst Kohlermann und Kommandant
Theissier folgende Konvention zustande:
1. Die Garnison rückt mit allen Kriegsehren, Waffen und
Fahnen, die Artillerie mit allen Feldgeschützen ab.
2. Ueber Belagerungsmaterial und Kriegsmunition wird
ein doppeltes Inventarium gefertigt:
3. Ebenso wird ein Inventar über das Verwaltungsmaterial
aufgenommen.
4. Das in Art. 2 und 3 erwähnte Material wird dem Kom-
mandanten der deutschen Truppen übergeben.
5. Die Festungsarchive, mit Ausnahme der eigenen Re-
gister des Kommandanten, werden zurückgelassen.
6. Die Douaniers werden entwaffnet und frei in ihre Heimat
entlassen.
7. Die Kantiniers, die auf gewöhnlichem Wege abreisen
wollen, erhalten vom Platzkommandanten einen Geleitschein
visiert durch die deutsche Oberbehörde.
8. Der Platzkommandant bleibt nach dem Abmarsch der
Truppen zur Verfügung der deutschen Oberbehörde bis zur
definitiven Auseinandersetzung ; er verpflichtet sich auf Ehren-
wort, die Festung ohne Erlaubnis nicht zu verlassen.
9. Die Truppen werden mit ihren Pferden und ihrem Ge-
päck durch die Eisenbahn befördert.
10. Das in Bitsch zurückgelassene Gepäck der Offiziere des
I. und V. Korps wird später nach einem noch anzugebenden
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Orte Frankreichs gesandt werden, 2 Unteroffiziere bleiben zu
seiner Bewachung und späteren Versendung unter ihrer Verant-
wortlichkeit zurück.
11. Die Ambulanzwagen gehen mit den Truppen.
Tags darauf erliess der Kommandant einen Tagesbefehl, in
welchem er den Abmarsch für den nächsten Tag anordnet und
Abschied nimmt von den Truppen; derselbe endet mit den
Worten: «Später wird jeder von uns stolz sein, sagen zu können:
«ich gehörte zu der Garnison von Bitschi». Die uns von den
Einwohnern Büschs geschenkte Fahne fasst diesen Gedanken
zusammen und ich wünsche jedes Korps könne eine solche tragen.
Tapfere Kameraden : Ich drücke jedem von Euch die Hand
und sage «Auf Wiedersehen».
Am 25. März marschierte die Garnison noch etwa 2500
Mann stark mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen,
unter Begleitung der Bilscher Garde nationale und Garde mo-
bile durch das Strassburgerthor nach dem Bahnhof, wo sie ein-
geladen und auf der am 23. wiederhergestellten Bahnstrecke
Bannstein-Lemberg weiter befördert wurde.
Am 26. erfolgte, nachdem die letzten französischen Solda-
ten die Festung verlassen , durch das Pfalzburger Thor der
Einzug der bayr. Zernierungstruppen ; der Bürgermeistereiver-
walter Lamberton und ein Geistlicher gingen denselben bis zum
Botenstieg (etwa 2 Kilometer von Bitsch) entgegen, während
am Thore der Festungskommandant an Oberst Kohlermann die
Schlüssel der Festung übergab.
Tags vorher hatte der Bürgermeisterei Verwalter folgenden
Brief an den Obersten Kohlermann gerichtet : «Angeschlossen
beehre ich mich, eine in der Stadt veröffentliche Polizeiverord-
nung zu übersenden. Sollten unglücklicherweise doch verein-
zelte Feindseligkeiten vorkommen, so gebe ich mich der Hoff-
nung hin, dass Ihr Gerechtigkeitssinn dieselben nicht der
Stadt oder deren Verwaltung anrechnet, welche augenblicklich
ohne Machtmittel ist. Wenn Sie zur Verhütung jeglicher Unord-
nung Massregeln für notwendig erachten, können Sie auf die
Unterstützung der Ortsbehörde rechnen. Sie würden mich -sehr
verbinden, wenn Sie die Güte haben wollten, mir die Anzahl
der notwendigen Offiziersquartiere mitzuteilen.»
Die angeführte Polizeiverordnung lautete :
«Die Einwohner werden benachrichtigt, dass die deutschen^
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Truppen binnem Kurzem in unsere Stadt einziehen werden,
einige Offiziere zur Abwickelung von Geschäften sogar heute
«och. Die Stadtbehörde fordert die Einwohner auf, keinerlei
feindliche Demonstrationen zu machen, die Kinder in den Häu-
sern zu halten und den Jungens zu verbieten, irgend welche
Rufe auszustossen, welche von den deutschen Truppen übel auf-
genommen werden könnten. Uebertretungen werden streng be-
straft, und sind die Eltern für ihre Kinder verantwortlich.»
Dank dieser Massnahmen erfolgte der Einzug ohne jeden
Zwischenfall und Bitsch war nunmehr, nachdem es etwas über
100 Jahre (seit 1766) französisch gewesen, wieder dem deutschen
Reiche einverleibt.
Theissier verliess am 31. März Bitsch und am 2. April
wurde die bayrische Besatzung durch ein Bataillon vom 7. bran-
den burgischen Infanterie-Regiment Nr. 60 abgelöst, das mit kurzer
Unterbrechung, während welcher einem Wachtkommando der
Schutz der Festung anvertraut war, bis zum 1. April 1897 in
Bitsch verblieb und durch das neugebildete Inf.- Reg. 171 ersetzt
wurde; letzteres lauschte am 1. April 1901 die Garnison Colmar
mit den Jägerbataillonen IV und X.
Die Belagerung hatte für die bayrischen Zernierungstrup-
pen einen Verlust von 19 Mann tot (beerdigt auf den Kirch-
höfen von Reyers weiler und Schorbach und in einem Massen-
grab auf der Schorbacher Höhe), 3 Offizieren und 59 Mann
verwundet, zu Folge ; ausserdem verlor das 5. preuss. Drago-
nerregiment bei einer Rekognoszierung 4 Mann (beerdigt auf
dem Kirchhof zu Haspelscheidt). Die Verluste der Besatzung
lassen sich nicht genau bestimmen : in der Stadt verstarben 93
Soldaten — dieselben sind mit Ausnahme von 6 bei dem Aus-
fall am 4. September Gefallenen an der Weiherkapelle und in
dem Garten des früheren Hospiz St. Joseph, jetzt Stumm'schen
Hauses in der Vorstadt beerdigt, — die auf der Festung Gefal-
lenen wurden auch auf der Festung registriert und begraben,
so dass man deren Zahl in der Stadt nicht erfuhr. Von dem
auf der Festung garnisonierenden 86. Infanterie-Regiment ver-
starben in den Spitälern 21, die anderen 72 gehörten den ver-
schiedensten Regimentern an: dem 17., 27. ,30., 46., 68., 84.,
88. und 96. Infanterieregiment, dem 4., 9. und 16. Jäger-Ba-
taillon, dem 1. algerischen Tirailleurregiment, dem 2. Zuaven-
Regiment, 1. Genie-Regiment, 2., 10., 14. und 20. Artillerie-
— 38 —
Regiment, 3. und 5. Husaren-Regiment und dem Douanier-
korps. Von der Zivilbevölkerung waren während des Bombar-
dements 6 getötet worden; an Material war durch die Be-
schiessung zerstört worden, beziehungsweise an Entschädigung
wurde bezahll : für 121 vollständig zerstörte Gbaude 1,308,216
Fr., für 184 teilweise zerstörte Gebäude 78,860 Fr., für Mobi-
liarschäden 1,279,245 Fr., im Ganzen 2,666,321 Fr. Zur Lin-
derung der Not erschien am 14. April 1871 ein Not-Ruf, der
allseitig Gehör fand und rasch grosse Summen zusammenbrachte.
Da die Entschädigungen reichlich aus Staatsmitteln bezahlt
wurden, fanden die Gelder keine Verwendung : sie werden
heute, in Höhe von etwa 60,000 Mk., durch die Kreisdirektion
in Saargemünd als Bitscher Fonds verwaltet und zum Besten
der Landwirte des Kreises verwandt.
Mit den Aufräumungsarbeiten an den Festungswerken wurde
bereits am 22. Mai begonnen, und dafür in kurzer Zeit die
Summe von 25,158 Mk. verausgabt ; aber erst am 25. Februar
1872 wurde durch kriegsministerielle Verfügung unter Aufgabe
der Stadtbefestigung und Abtreten derselben an die Stadtver-
waltung um 11,370 Mk. die Erhaltung resp. Wiederherstellung
der Schlossbefestigung als Sperrfort er Eisenbahn Hagenau -
Saargemund verfügt.
Seit dieser Zeit wurden viele bauliche Veränderungen vor-
genommen und die Festungswerke den Anforderungen der Neu-
zeit angepasst. Möge denselben in die weite Zukunft versagt
sein, ihre Tüchtigkeit im Ernstfalle zu erproben !
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Anhang: Die Umgebung.
(R: auch schöne Radtouren; die gesperrt gedruckten Orte sind in dem alpha-
betischen Verzeichnis näher behandelt.)
I. Nachmittagsausflüge.
1. Friedrichshain 20 Minuten westl.
2. Schimberg i/s Std. südwesti.
3. Schönt Aussicht — Baierndenkmal — Freudenberger-
hof (Wirtschaft) — Bitsch l»/s Std. nordwestl.
4. Rothlambachthal — Wolfsschlucht — Baierndenkmal —
Freudenbergerhof — Bitsch 2'| 4 Std.
R. 5. Forsthaus Ochsenmühle (Wirtschaft) 1/2 Std. nördl.
6. Forsthaus Ochsenmühle — Schorbach — Schöne Aussicht
— Bitsch 2V* Std.
7. Forsthaus Neubach — Wasserfall — Neubachthal — Schwing-
mühle — Forsthaus Ochsenmühle — Bitsch 2 3| 4 Std.
8. — Preussenstein 20 Minuten nordöstl.
9. Ochsenmühle — Hnndskopf — Preussenstein — Bitsch l»/s Std.
10. Preussenstein — Hundskopf (Hunnenhöhle) — Altes
Schloss — Haspelscheidt — Bitsch 3!/ 2 Std.
R. 11. Herzogskörper 2 Std. westl.
12. Herzogs blick 2i/ 4 Std.
13. Schönblick 2»/4 Std. (rotes f) westl.
14. Bahnfahrt: Bannstein 14 Minuten (Wirtschaft), a. W ald-
eck 3 Ai Std. (grünes □) ; b. Hanauer Weiher 3/ 4 Std. (blaues
f); c. Mutterhausen 3|» Std.; d. Hanauer Weiher — Falkenstein
— Philippsburg 2«f 2 Std.
15. Bahnfahrt: Philippsburg 22 Minuten, a. Falken-
stein 1 Std.; b. Arnsberg H| 4 Std. (roter Strich); c. Bären-
thal-Ramstein 1 Std. (weisser Strich).
16. Niederbronn 31 Minuten Bahnfahrt (Villa Mathis).
17. Hasselfurtcr Weiher J / 2 Std. südl.
18. Hasselfurtcr Weiher — Hochkopf — Stockbronn — Bitsch
2i/ 8 Std.
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— 40
19. Hochkopf - Bollig fe Isen — Bannstein 2y s Std.
20. Hasselfurter Weiher — Grünholz — Hochkopf — Bitsch
2iJ 2 Std.
21. Hochkopf — Dürrberg — Lindel — Bannstein 3 Std.
R. 22. Wolfsgarten — Peterphilippsgarten — Bitscherthal —
Matterhausen — Lindel — Bannstein 3 Std.
23. Hubertusquelle IVa Std. (weisses f) südwestl. .
24. Bahnfahrt: Lemberg 13 Minuten a. Hubertusquelle y 3 Std.;
b. Götzenbrück V* Std.; c. Münzthal '/s St.; d. Meisen-
thal V\< Std.; e. Breitenstein 1 Std.; f. Mutterhausen l*/ 2 Std.
R. 25. Hanweiler — Bussweiler — Eberbachmühle — Haspel-
scheidt — Bitsch 4 Std.
26. Hagenauer Strasse — Dambachersträsschen — Waldbahnhof
(Wirtschaft) — Stürzelbronnerstrasse — Barackenlager — Bitsch2Std.
II. Tagestouren.
R. 1. Hanweiler — Bussweiler — Waldhausen — Walsch-
b r 0 n n — Breidenbach — Neubach — Bitsch 5 Std.
2. Haspelscheidt — Eppenbronnerfelsenschloss —
Eppenbronn — Stüdenbach — Herzogsblick — Bitsch 7 Std.
3. Herzogsblick — Erlenmuss — Stürzclbronn — Erbsenthal
— Glasbronn — Schönblick — Bitsch 6>/ 2 Std.
R. 4. Stürzelbronn — Lützelhardt — Obersteinbach — Jäger-
thal — Niederbronn — Bitsch 8 Std. Std. Bahnfahrt.
R. 5. Stürzelbronn — Lützelhardt — Schöneck — Dambach —
Neunhofen — Stürzelbronn — Bitsch 8»/« Std.
6. Stürzelbronn — Steinbach — Frönsburgerhof (Wagen) —
Fleckenstein — Hohenburg — Wegeinburg — Schönau — Wasigen-
stein — Obersteinbach (von hier Wagen) — Stürzelbronn — Bitsch
5 Std. Wagenfahrt, 3'/s Std. Fussmarsch.
7. Bannstein — Waldeck — Schönblick — Herzogskörper —
Herzogsblick — Bitsch (rotes Kreuz) 14 Min. Bahnfahrt, 5 1 /* Std.
Marsch.
8. Bannstein — Mutterhausen (Bahnfahrt) — Melch — Reiperts-
weiler — Lichtenberg — Reipcrtsweiler — Kundschaft (Wirtschaft)
— Bannstein 3 / 4 Std. Bahnfahrt, <> Std. Marsch. „
y. Philippsburg — Ruine Arnsberg — Unter-Mühlthal — Bären-
thal — Philippsburg — Bitsch 3/ 4 Std. Bahnfahrt, 3»/* Std. Marsch.
10. Philippsburg — Ruine Hohenfels — Danibach — Ruine
Schöneck — Neanhofen — Philippsburg — Bitsch s , Std. Bahn-
fahrt, 4»/* Std. Marsch.
11. Philippsburg — Hohwintersberg — Keltisches Lager —
Niederbronn — Bitsch 1 Std. Bahnfahrt, 3'/ 2 Std. Marsch.
V
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- 41 —
12. Philippsburg — Ruine Arnsberg — Holdereck — Wasen-
köpfel — Wasenburg - Niederbronn — Bitscli 1 Std. Bahnfahrt,
Std. Marsch.
13. Lemberg — Münzthal — Meisenthal — Götzenbrück —
Lemberg — Bitsch V< Std. Bahnfahrt, 3 Std. Marsch.
14. Lemberg — Götzenbrück — Saareinsberg — Althorn —
Haselthal — Mutterhausen — Bannstein s / 4 Std. Bahnfahrt, 3 Std.
Marsch.
Arnsberg. Ruine Gross-Arnsberg 1 Std. südl. v. Philippsburg
in tiefster Waldescinsamkeit versteckt. Im XII. Jahrhdrt. als Reichs-
veste zum Schutz der aus dem Elsass nach Lothringen führenden
Strasse durch die Landvögte des Elsass erbaut; von 1332 ab den
Herren v. Lichtenberg gehörig, später als Lehen den Herren Fessler
v. Arnsburg überlassen, im Bauernkrieg zerstört. Jetzt nur noch
geringe Trümmer erhalten, die am Südende zugänglich.
Baierndenkmal. 40 Minuten nordwestl. Sammelgrabstätte der
bei der Belagerung gefallenen Baiern, 10 an der Zahl, geschmückt
mit einfachem, am 5. IX. 188(5 eingeweihten Kreuz ; steiler, aber
aussichtsreicher Weg über «schöne Aussicht», oder bequemer, aber
weiter ( 5 |4 Std.) durch das Rotlambachthal.
ßärenthal. Dorf. 1036 E. 1 Std. südl. der Stationen Bannstein und
Philippsburg in lieblichem Waldthal gelegen; gute. Verpflegung
(Fische!) im Gasthaus zur Linde.
An dem fischreichen, grossen Weiher ein Stahl- und Eisenwerk
gegründet um 1700, seit 1818 der Firma Coulaux & Cie. gehörig;
1896 mit einem Siemensofen neuester Konstruktion für Tiegelguss-
stahl ausgestattet, 60 Arbeiter. Früher Treff- und Rastort der
Zigeuner («Heiden»). */* Std. nördl. : Ruine Ramstein (Rabenstein),
wenige Reste eines Ende des XIII. Jahrhunderts erbauten und be-
reits 1335 durch den Landvogt von Elsass zerstörten Raubschlosses:
von dem durch den V.-C. zugänglich gemachten Fels-Plateau schöner
Blick auf Bärenthal und das Zinselthal.
Bannstein. 8 Kil. südöstl. von Bitsch. Haltestelle und Einmünd-
ung der von Dietrich'schen Privatbahn in die Reichseisenbahnlinie.
Wirtschaft. Ausgangspunkt einer Reihe schöner Waldtouren. Be-
nannt von den in der Nähe befindlichen Grenzsteinen, welche 1G05
zur Abgrenzung lothringischer und hanauischer Besitzungen errichtet
wurden. 2 Kil. westl. Bolligfelsen, genannt nach dem um die Auf-
schliessung der Xaturschönheiten der Bitscher Wälder hochver-
dienten Forstrat Bollig. Clubhütte des V.-C. mit prächtigem Rund-
blick auf die herrlichen Waldungen.
Bitsch, (zu den Büschen?) die Stadt, 28<> m, also 80 m unter-
halb der Festung gelegen. 3G40 Einwohner, einschliesslich 1300
Mann Militär.
- 42 -
Sitz eines Amtsgerichts mit Gefängnis (Neubau), Notar, Poli-
zeikommissär, 3 Oberförstereien (Bitsch-Siid, Bitsch-Nord, Lemberg),
Verkehrssteueramt, Steuerkasse, Steuereinnehmerei, Apotheke, vier
Aerzte, Spital St. Joseph mit 27 Betten, katholische und evangelische
Pfarrei mit je einer Kirche, bischöfl. Gymnasium (College), höhere
Töchterschule der Schwestern der heiligen Christiana in Metz,
Garnisonverwaltung, Fortifikation, Filial-ArtÜleriedepot, Komman-
dantur, Garnison des IV. und X. Jägerbataillons, sowie der Ma-
schinengewehrabteilung II. und III , Meldeamt, Postamt II (Um-
wandlung in I bevorstehend). Hotel zur Stadt Metz und Hotel
Bournique-Aust, beide verbunden mit guten Bierrestaurationen, in
letzterem Clubzimmer der V.-C. Sektion.
Das älteste Gebäude ist die bereits 1398 als Katharinenkapelle
erwähnte «Weiherkapelle» am Lemberger Thor mit alten Stein-
skulpturen und den Inschriften 1015 und 1698. Katholische Kirche
1774 (Turm 1898), evangelische 1881 erbaut. 1 Die um 1850 angelegte
Stadtbefestigung wurde 1872 aufgegeben; die Thore wurden: Saar-
gemünder 1889, Leraberger 1891, Landauer 1900 abgerissen, die Wälle
teilweise niedergelegt. Im Ramsteiner Wäldchen am aufgegebenen
Fort Sebastian schöne Spaziergänge. In der Nähe der katholischen
Kirche auf dem Platz, wo das alte, 1870 zerstörte Rathaus stand,
Büste Kaiser Wilhelm I, die bereits im Herbst 1888 als erstes Denk-
mal des grossen Kaisers eingeweiht wurde.
Die Stadt Bitsch entstand aus den beiden Orten Kaltenhausen
und Rohr. Kaltenhausen wird Mitte des XIV. Jahrhunderts zum
ersten mal erwähnt, hatte 1442 bereits Marktrechte und heisst
1594 une villette, «une espece de \ille».
1633 wird es von den Schweden verbrannt, erst 1662 allmählich
wieder aufgebaut und nun auch Bitsch genannt und selbständige
Mairie, während es früher von der Mairie Schorbach abhängig war.
Es gehörte, wie die Festung, den Grafen von Zweibrücken-Bitsch
und kam nach deren Aussterben 1570 an den Herzog von Loth-
ringen. 1589—1606 war es au Markgraf Jakob von Baden bezie-
hungsweise Graf Karl von Hohenzollern verpfändet und letzterer
war häufig mit seiner Familie hier und Umgegend um «der Sau-
hatz und Hochwildjagd> obzuliegen. Er erliess 1598 verschiedene
Zunftordnungen, 1600 eine Marktordnung und 1601 eine Stadtordnung.
1606 fiel B. an Lothringen zurück, wurde 1634-1698 von den
Franzosen besetzt und 1737 respektive 1766 mit Lothringen an
Frankreich abgetreten. Kaltenhausen «das Städtchen» bildete mit
1 In der kathol. Kirche ein Marmor-Denkmal des Grafen von
Bombelles, 1740 — 1760 Gouverneur der Grafschaft Bitsch («pater
provinciae»). Siehe oben p. 13.
*
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43 —
Rohr «der Vorstadt», Schorbach, Lengisheira, Hanweiler und Reg-
gisweiler die Mairie Schorbach bis 1611. 1611 prevote Kaltenhausen.
1751 Bailliage Bitsch 55 Orte mit 55.585 Einwohnern. 1790 Dist-
riktshaaptort mit 6 Kantonen : Bitsch. Saarunion, Breidenbach, Lem-
berg, Rohrbach nnd Wolmünster. 1801 Friedensgericht. Das städti-
sche Budget betrug 1595: 85 fl. 8 Batzen (bei 198 Einwohnern),
1626 : 293 fl. (400 Einwohner), 1662: 53 fl., 1770: 6910 Frk. (2200
Einwohner), 1850: 9703 Frk. (3411 Einwohner), 1894 : 50.000 Mark.
(2846 Einwohner), 1902 : 70.000 Mk. (3640 Einwohner).
Die Haupteinnahmequelle bildet das 1741 eingeführte Oktroi,
das anfänglich 5500 Frk. einbrachte (1850: 7270 Frk.), jetzt 25—
30.000 Mark.
1629 wurden von den Kircheneinkünften 1500 Frk. den in
Kaltenhausen lebenden Kapuzinermönchen überwiesen zum Ankauf
eines Hauses ; das Kloster — heutige College — wurde erst 1651
zwischen Kaiteuhausen und Rohr erbaut, 1725 in Augustin erklostef
umgewandelt und 1789 aufgehoben bei einem Bestand von 9 geist-
lichen und 4 weltlichen Insassen. Die Gebäulichkeiten erhielt die
Stadt, welche dieselben dem Bischof von Metz 1828 zur Unter-
bringung eines Gymnasiums überliess, die Stadt zahlt ausserdem
640 Mk. für einen Lehrer und hat dafür das Recht 8 Freistellen zu
besetzen. Die Anstalt hat jetzt 17 Lehrer und 300 Schüler.
1691 wurde das Wasser einer 2 Kil. südwestl. am Schimberghang
befindlichen Quelle in den Stadtbrunnen geleitet. Diese Leitung wurde
1889 mit einem Kostenaufwand von 32000 Mk. weiter ausgedehnt.
1900 wurde elektrische Beleuchtung eingeführt und dafür der
Betrag von 70000 Mk. ausgegeben.
Die Stadt besitzt 260 Hektar Wald, vom Staat zur Ablösung
verschiedener Berechtigungen Mitte des vorigen Jahrhunderts über-
wiesen, mit einem Reinertrag von etwa 3 000 Mk.
Dienstag nnd Freitag finden Wochenmärkte (Marktordnung von
1600), ausserdem 4 Krammärkte seit 1443 resp. 1721 statt.
Die Garnison ist teils in den 1872 wieder aufgebauten Kasernen
der Festung (2 Kompagnien), teils in der 1894 neuerbauten Kaserne
am Ostausgang der Stadt (2 Kompagnien), teils in der 1898 erbauten
und nach dem 1899 f General von Falkenstein benannten, am
Nordausgang gelegenen Kaserne (1 Bat.) untergebracht; in der
Nähe der letzteren befindet sich auch das 1898 eröffnete Offizierkasino.
Das Stadtwappen zeigt zwei nach rechts und links gedrehte
Schlangenköpfe auf Silber mit den auf die Unbezwinglichkeit der
Feste hindeutenden Devisen: qui s'y frotte, s'y pique urnd je mords
derriere, comme devant.
Von B. gehen Fahrposten nach Stürzelbronn, Haspelscheidt,
Walschbronn, Breidenbach und Wolmünster.
— 44 —
Bitsch. Uebungsplatz bei Bitsch, 1 Kil. östlich der Stadt begin-
nend, umfasst rund 3285 Hektar, die in den Jahren 1900 und 1901
teils durch freiwillige Käufe, teils durch Enteignung seitens der
Militärverwaltung um 7 215 000 Mk. erworben wurden unti zwar
490 Hektar Privatländereien auf dem Banne von Bitsch für 1 100000
Mk., 295 Hektar auf dem Banne von Haspelscheidt für 615 000 Mk.
und 2500 Hektar Staatswald auf verschiedenen Bannen für 5>/ 2
Millionen Mark.
Die grosste Ausdehnung beträgt von Süd- West nach Nord-West
9 Kil., von West nach Ost 8 Kil. Der Staatswald soll bis zum Jahre
1911 abgeholzt werden; zur besseren Abführung des Holzes ist
vom Bahnwärterhaus No. IG der Reichseisenbahn Bitsch-Niederbronn
eine Waldbahn gebaut, die bis jetzt 18 Kil. Länge umfasst.
Für die Unterkunft der Truppen sind vorläufig in nächster
Nähe der Stadt, südöstl., Wellblechbaracken mit einer Belegungs-
fähigkeit von 3500 Mann und 100 Offfzieren gebaut, die in den
nächsten Jahre auf den Uebungsplatz 3 Kil. östl. von Bitsch an die
Stürzelbronner Strasse verlegt werden.
Am westl. Ende des Uebungsplatzes wurden im Winter 1901
3 Magnesit- und 2 Asbestbaracken für Offiziere gebaut und bereits
am 1. April bezogen; dieselben kosteten rund 100000 Mk. und haben
sich bis jetzt sehr gut bewährt. In der Nähe dieser Baracken :
Preussenstein. ein im Jahre 1893 von der V.-C.-Sektion Bitsch
den beim Sturme auf Bitsch am 17. XI. 1793 gefallenen und hier
beerdigten Preussen errichteter Gedenkstein. Siehe oben p. 20.
Eppenbronner Felsenschloss. 1 Std. nordöstl. von Haspelscheidt,
»! 2 Std. südlich von Eppenbronn. Riesige Felsengruppe aus buntem
Sandstein inmitten herrlichsten Buchenhochwaldes nahe der Pfälzer-
lothring. Grenze. 20—25 Meter hoch, mit vielen tropfsteinartigen
Gebilden, teilweise durch Leitern zugänglich.
Ueberreste von Mauerwerk machen die Verwendung des natür-
lichen Bollwerks zu einer Befestigung behufs Schutz der nahe vor-
beiführenden «Römerstrasse» wahrscheinlich.
An dieser Strasse sollen sich einige Minuten nördlich des
Schlosses in eine Felsenwand eingehauen drei Figuren in römischer
Gewandung befinden.
Falkenstein, Ruine 350 m hoch, 3 , 4 Std. nordwestl. der Station
Philippsburg. In Philippsburg: Wirtschaft Schreiber. Am Fuss des
Falkenstein: gute Wirtschaft im Forsthaus Schlossberg.
•Die Burg war teils in. teils auf einem 117 Meter langen, 22
Meter hohen und 2—10 breiten Sandsteinfels gebaut; sie i6t überall
zugänglich und bietet von der höchsten Spitze einen grossartigen
Rundblick auf die Waldkuppen der Nordvogesen und die pfälzischen
Beige. Aufstellung einer Orientierungstafel ist im Werke.
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— 45 -
Der Fuss des Felsens zeigt auf der Südseite merkwürdige-
Formen, über dem Eingang zum Keller (mit einiger Phantasie) den
deutschen Reichsadler. F. wurde im XII. Jahrhundert von den Grafen
von Lützelburg erbaut und dann von den in der elsässischen und
pfälzischen Geschichte vielfach genannten Herren von Falkenstein
bewohnt. 1564 wurde es nebst allen Gerechtsamen an den Grafen
Philipp IV. von Hanau-Lichtenberg verkauft ; die Burg selbst war
damals schon durch Blitz zerstört und Graf Philipp baute ein neues
Jagdschloss im Thal: Philippsburg genannt. F. wurde zur Förster-
wohnung eingerichtet, aber 1623 durch Mannsfeld und 1677 durch
Montclar gründlich verwüstet.
F. kam mit dem Amt Lemberg (Pfafz) ebenso wie Philippsburg
und Bärenthal 1736 an Hessen-Darmstadt und erst 1793 an Frankreich.
Friedrichshain, 20 Minuten westlich von Bitsch; durch den
V.-C. hergerichteter Aussichtspunkt auf dem Galgenberg, der alten
Gerichtsstätte des Amtes Bitsch, mit schönem Blick auf Stadt und-
Festuog. Das felsige Plateau ist im Frühjahr von blauen Anemonen
bedeckt.
Das südliche Thal ^Milchenbach^ war am 4. IX. 1870 der
Kampfplatz eines vergeblich versuchten Ausfalles.
Freudenberger Hof, 40 Minuten westlich von Bitsch; grosser
Oekonomiehof mit im Sommer viel besuchter Gartenwirtschaft. 1755
zum ersten mal als cense de Roshoell dite Freydenberg erwähnt.
Anfangs September 1870 Hauptquartier der Belagerungstruppen
mit Schiessscharten zur Verteidigung eingerichtet. Nach Aufgabe
der eigentlichen Belagerung wurde es am 2. X. 1870 von Bitscher
Ausfalltruppen in Brand gesteckt. 10 Minuten nördlich davon
Baierngrab.
öötzenbrüek, i,' 2 Std. südlich von Lemberg. 883 Einwohner.
Von der Strasse Lemberg-Götzcnbrück links prächtiger Blick auf
das Zinselthal. 1721 als Glashütte an der Gatter- (Holzgeneckt-)
brücke gegründet, jetzt eine der grössten Brillenglasschleifereien
mit Niederlagen in New-Yörk, Paris, London, Genf und Chaux-de-
Fonds, beschäftigt 1000 Arbeiter und fertigt jährlich etwa 100 000
Gross Uhrengläser und 300 000 Dutzend Paare Brillengläser ; es
liefert jährlich für 100000 Mk. Brillengläser nach Rathenow, die
dort gefasst und als die berühmten Rathenower Gläser in die Welt
gehen.
Mit G. zusammengebaut, aber eine besondere Gemeinde bildend
von 1503 Einwohner.
Saareinsberg. Wirtschaft Lausecker (guter Wein). 1746 als
Montroyal gegründet, wurde es in der Revolutionszeit in Saar-
Rheinsberg (Wasserscheide von Saar und Rhein) umgetauft, wird
aber von der Landbevölkerung heute noch allgemein Königsberg
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— w —
genannt. »/» Std. weiter südlich an der elsässischen Grenze Zwölf
Apostelstcin, früher Breitenstein genannt: ein 3'(« m hoher
Steinpfeiler von über 4 m Umfang: er wird bereits 713 als lata
petra erwähnt und auch in der Grenzbeschreibung der Herrschaft
Büsch von 1170 genannt. Wahrscheinlich keltischer Opferstein.
Ende des XVIII. Jahrhunderts mit den Bildern der 12 Apostel ge-
schmückt und seit dieser Zeit 12 Apostelstein benannt. 10 Minuten
vorher an Forsthaus Colonne der Spitzenstein, etwa 3 m
hoch und 0,30 breit, wahrscheinlich auch ein alter Opferstein. 10
Minuten südwestl. Drei Peter Steine, wo früher die Gebiete von
Bitsch, Lichtenberg und Lützelstein zusammenstiessen.
Hanauer Weiber. '/» Std. nordöstlich von der Station Bann-
stein (blaues -f), wenige Schritte östlich der Hanauerstrasse, so
genannt von der 1605 hier gezogenen Grenze zwischen Lothringen
und Hanau-Lichtenberg. 3/ 4 m hohe Grenzsteine (Bannsteine, davon
der Xame der Station mit dem Lothringer Doppelkreuz und den
hanauischen 3 Sparren.
Vom südlichen Ende des 1H Hektar grossen Weihers, wo Tische
und Bänke, prächtiger Blick auf Waldeck und die eigentümlich ge-
formten, tnrmähnlichen Kantel- und Erbsenfelsen : ein herrliches
Waldidyll ! Einige Meter südlich wurde neuerdings vom V.-C. eine
gute Quelle gefasst Nach Ruine Falkenstein (blaues f) 1 Std.
Haspelscheidt. Dorf. 612 Einwohner 7 Kil. nordöstlich von
Bitsch innerhalb des Uebungsplatzes gelegen, Ankauf und Abbruch
deshalb bevorstehend. Wirtschaft Osterberger.
V\t Kil. südwestlich auf dem schönbewaldeten 300 m hohen
Schlossberg das sog. «Alt-Schloss>, alter Steinwall in Form einer
Ellipae etwa 300 m lang und 1(10 m breit, aus unbearbeiteten Steinen
ohne Verband aufgerichtet, am Fuss etwa 15 m breit und 5 m hoch;
im Osten und Westen befindet sich eine Oeffnung, im Westen auch
eine Quelle ; an der von der Natur weniger geschützten Nordseite
ist ein zweiter Wall im Halbkreise sichtbar, im Inneren Reste ver-
schiedener Steinkonstruktionen.
Schutzwall der Mediomatriker gegen die von Osten vordring-
enden Triboker, oder der Römer unter Valentian (369-74 n. Chr.)
gegen die Alemannen. Am Fusse zieht die «alte Haspelscheidter
Strasse» her, uralte Verkehrsstrasse, die nordöstlich von Haspel-
scheidt in der Nähe der Pfälzer Grenze «Römerstrasse» genannt
und durch das Eppenbronner Felsenschloss (siehe dieses) geschützt
wird; wo sie südlich H. über den alten, 25 Hektar grossen Weiher '
zog, wurde 1756 eine Redoute errichtet.
Herzogskörper, 2 Std. östlich von Bitsch, 1 Kil. nördlich der
Weissenburger Strasse (rotes f). Kleine umfriedete Parkanlage, in
welcher sich ein 1,50 m langer, und 0,63 m breiter Sandstein mit
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— 47 —
unleserlichen Spuren einer Inschrift und undeutlichen Umrissen
einer menschlichen Gestalt befindet; der Sage nach soll dieser
Stein die Grabstätte eines Lothringer Herzogs decken, der 2 KU.
-westlich, bei HerzogshancL, verwundet, hier starb und begraben wurde.
Vielleicht ist es ein gallo-römischer Merkurstein, am wahr-
scheinlichsten aber ein aus dem Kloster Stürzelbronn herrührender
Grabstein.
Nördlich in 10 Minuten auf bequemem Pfad erreichbar:
Herzogsblick, eine von der V.-C.-Sektion Bitsch errichtete
0 m hohe Aussichtskanzel mit grossartigem Rundblick auf das uner-
messliche Wäldermeer «der Vogesen und Pfalz. Fundort von Lilium
martagon. 2 Kil. westlich an der Bitscher Strasse: Herzogshand,
Ort, wo der Sage nach Herzog Ferry von Lothringen 1293 im
Kampfe mit Graf Eberhard von Zweibrücken die Hand verlor, oder
nach anderer Deutung, die Stätte, wo nach dem Waltarilied Walther
von Gunther und Hagen eingeholt wird und im Kampfe mit diesen
seine Hand verliert. An der vor einigen Jahren hier abgebrochenen
französischen Douanierkaserne befand sich ein Stein mit einer aus-
gehauenen Hand und der Inschrift: <main du prince> 1547.
Unterhalb Herzogshand kreuzt die Strasse den «Prinzenweg»:
die Verbindung zwischen den beiden hessisch-hanauischen Resi-
denzen Buchsweiler und Pirmasenz.
1 Kil. westlich : Ziegelscheuer, Wirtschaft bei Letzeiter.
Bei Kil. 0,4 nördlich der Strasse, Fundort von Daphne cneorum,
eine in Deutschland höchst selten vorkommende Alpenpflanze.
Hubei-tusquelle. I/,. Std. nördlich von Lemberg, 1*/* Std. süd-
westlich von B., inmitten üppigen Hochwaldes auf dem Schlossberg,
dem Berg, auf dem Alt-Bitsch, d. h. das erste Jagdschloss der
Herzöge von Lothringen gestanden haben soll. Auch «Pompöser»
oder wie eine Beschreibung von 17f)5 sagt, «Pumphosen» Brunnen
genannt, weil auf dem Felsblock, an dem die Quelle zu Tage tritt,
zwei Figuren mit «Pumphosen» eingehauen sind. Nach einer vom
V.-C. neuerdings vorgenommenen gründlichen Reinigung des Felsens
ist ein grossartiges Bildwerk zu Tage getreten, das Professor
Michaelis «zu den ältesten und besten Denkmälern klassischer
Kunst in unserer Gegend» rechnet, dessen Ursprung in das I.
Jahrhundert n. Chr. zurückreicht. Die obere Hälfte des Steines ist
abgebrochen, so dass die zwei menschlichen Hauptfiguren nur bis
zum Gürtel erhalten sind ; Michaelis findet darin links Diana mit
Bogen, rechts Silvanus mit Schlägel. Ferner sind deutlich zu er-
kennen: vier Hunde, ein Wildschwein, zwei kämpfende Hirsche und .
auf besonderem Reliefbildchen die Brunnennymphe mit Amor, ausser-
dem noch unklar ein grösseres Thier, vielleicht Auerochse.
Lemberg. 7 Kil. südwestlich von B., 13 Minuten Bahnfahrt.
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1665 Einwohner. Wirtschaft Heitzmann am Bahnhof mit Münchener
Bier. Ausgangspunkt für Touren nach Hubertusquelle ^weisses f)
Vi Std. ; Götzenbruck Std.; Breitenstein 1 Std.; Meisenthal l 1 /?;
Münzthal 1 f i Std. Von der tHochfürst» schöne Aussicht.
Alünzthal. 1 f 8 Std. südwestlich von Lemberg in anmutigem Thal
gelegen. Endstation der Strecke Münzthal-Wingen. 806 Einwohner.
1769 an Stelle einer alten, im 30jährigen Kriege verschwundenen
Glashütte gegründet und 1788 zur Fabrikation von Krystallgläsern
eingerichtet, mit einem jährlichen Verbrauch von 24000 Ster Holz
und einem Umsatz von 240000 Frk.
Es beschäftigt jetzt 2500 Personen, ist .eine der bedeutendsten
Krystallfabriken Europas mit einer jährlichen Produktion von 2 I jt
Millionen Kilogramm Kry stall und einem jährlichen Umsatz von 3V*
Millionen Mark.
Der Mustersaal, angefüllt mit Fabrikaten aller Art, ist eine
Sehenswürdigkeit ersten Ranges und enthält wahre Kunstwerke
der Gravierarbeit.
Meisenthal, l 1 /: Std. südlich von Lemberg, Station der Strecke
Münzthal-Wingen. 926 Einwohner. Wirtschaft Lukas.
1702 als Filiale der Glashütte von Sucht auf Pachtgut des
Staates gegründet, erst 1792 den Fabrikanten als Eigentum über-
lassen ; beschäftigte 1785 etwa 50 Arbeiter mit Herstellung gewöhn-
lichen Kelch- und Fensterglases, hat jetzt 600 Arbeiter und einen
Jahresumsatz von etwa 600000 Mk.
Neben gewöhnlichen Glaswaaren aller Art, stellt die Fabrik
je,tzt farbige Luxusgläser her, die einzig in ihrer Art sind und auf
verschiedenen Ausstellungen allgemein Bewunderung erregten.
Mntterhausen. 821 Einwohner. 1«/« Std. südlich von B.; auch
von Station Bannstein mit der unentgeltlich zur Verfügung ste-
henden Privatbahn zu erreichen ; schön gelegen, inmitten fisch-
reicher Weiher; gute Verpflegung in der Fabrikkantine. Walzeisen-
und Stahlwerk mit 350 Arbeitern der Firma von Dietrich. Forellen-
brutanstalt.
Das Eisenwerk bestand bereits vor dem 30jährigen Krieg,
wurde darin, wie die ganze Gegend, verwüstet und 1717 wieder er-
öffnet; die 1792 begonnene Umwandlung in eine Glasfabrik unterblieb.
Alte, 1505 von Graf Reinhardt von Bitsch-Z weibrücken er-
baute Kapelle und Trümmer eines 1550 von Graf Jakob inmitten
eines Forellenteiches terbauten Lusthauses» (Alix). Graf Karl von
Hohenzollern Hess dasselbe 1598 für seinen Jagdaufenthalt im
Bitscherlande wohnlich einrichten. Südlich das 4 1 /* Kil. lange, lieb-
liche Haselthal, das wegen seiner Abgeschiedenheit im 30jährigen
Krieg der ganzen Umgegend als Zufluchtsstätte diente.
Auf dem 7* Std. nördlich gelegenen Grünberg befand sich ein
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Jagdschloss, von dem Ende des XVIII. Jahrhunderts noch vier
Türme sichtbar waren ; auf dem 20 Minuten östlich gelegenen
Dürrberg wird eine 12 m hohe Aussichtskanzei errichtet, die einen
herrlichen Blick auf das Wäldermeer gewährt und am besten von
Lindel (Station der Privatbahn) zu erreichen ist.
Schorbach. 1 Std. nördlich von B. 875 Einwohner. Wirtschaft
Würtz; früher Sitz der Pfarrei und Mairie von Bitsch.
Die Kirche wurde bereits im XII. Jahrhundert erwähnt; von
dieser alten, dem Kloster Stürzelbronn gehörigen Kirche, ist noch
der Turm mit kleinen romanischen Fensterchen erhalten. An der
Südseite des im XVIII. Jahrhundert erbauten Schiffes ist eine alte
Inschrift eingemauert, inhaltlich deren die Kirche 1143 durch den
apostolischen Legaten Theotwin geweiht wurde.
Südwestlich der Kirche das aus der Mitte des XII. Jahrhunderts
stammende Beinhaus, «der einzig romanische Bau dieser Art in
Südwestdeutschland und eines der interessantesten Exemplare von
Ossuarien» (Kraus); die zahlreichen Schädel und Knochenreste, die
es birgt, sind neuerdings geordnet, der Bau selbst ist restauriert
und unter die klassierten Baudenkmäler des Bezirks aufgenommen
worden. Im Dorfe mehrere alte Häuser mit Inschriften.
Stürzeibl onn. 295 Einwohner. 13 Kil. östlich von B , an der
grossen Strasse nach Weissen bürg ; unterwegs zahlreiche «Frohnd-
steine», die in Toisen (= VU m) angeben, welche Strassenstrecke
die einzelnen dem Kloster frohndpflichtigen Orte zu unterhalten
hatten. Wirtschaft zum Kreuzberg, (gut) Forellen.
In idyllischem Wiesenthal gelegen, umgeben von prächtigen
Waldbergen, zu längerem Aufenthalt sehr geeignet; früher Sitz
einer Cisterzienser- Abtei, von der nur noch wenige Ueberbleibsel :
Eingangsthor zum Kloster, links davon Prangerstein, von der
Klosterkirche nur noch die Kapitale des Eingangs sichtbar, links
davon in der Felswand Klosterkeller; in der neuen, überladen ge- *
schmückten Kirche Kalenderstein aus dem XII. Jahrhundert zur Be-
rechnung der beweglichen Feste, der Kirche gegenüber Gedenktafel
aus dem Jahre 1895.
Das Kloster wurde 1135 durch Herzog Simon I. von Loth-
ringen als Kloster Marienthal gegründet und von seinen Nach-
folgern, sowie den adeligen Herren der Umgegend reich beschenkt;
es besass 12 Höfe, das Patronat über zahlreiche Kirchen der Uni-
gegend mit über 50 Dörfern (auch Bitsch) und jährliche Einkünfte
von etwa 30 000 Frk. in Geld, über 6000 Morgen Wald — der
1737 und 57 abgegrenzt und mit grossen Steinen versehen wurde
— mit reichem Wildstand an Hirschen, Sauen, Fasanen und (in
frühester Zeit) wilden Pferden (?); zahlreiche Fischweiher, Mühlen,
Eisen- und Glockengiesserei, auch zwei Mineralquellen, wovon noch
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heute *li Eil. westlich das «Laxierbrünnel» bekannt ist. Dem Kloster
stand die Blutgerichtsbarkeit zu, der Galgen befand sich l 1 /» Eil.
Östlich an der Weissenburger Strasse auf dem «Gaigenköpfel». Das
Kloster wurde 1525 im Bauernkrieg von dem Kolbenhaufen, dann
1H33 von den Schweden zerstört, 1734 in geringem Umfang wieder
hergestellt und 1789 durch die Revolution endgültig aufgehoben :
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die Mönche (VM wurden vertrieben und das Grundvermögen als
Nritionalgut. eingezogen; die Kirche wurde 1S()7 auf Abbruch ver-
kauft, ihr Inhalt in die benachbarten Kirchen zerstreut; so erhielt
Hottweiler den hölzernen Glockenturm (der ein Glockenspiel von
-2\ Glocken trug), Roppweiler eine Kanzel, Breidenbach einen grossen
Beichtstuhl, Bitsch die Uhr und eine Glocke, Haspelscheidt und
Wolmünster eine Glocke, Walschbronn einen Kelch, Saar-Louis die
Orgel, Stürzelbronn selbst hat noch eine Glocke mit der Jahrzahl
K'.TH und einen emaillierten Kelch mit dem Wappen der Abtei.
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Die zahlreichen Grabsteine, deren Inschriften zum Teil über-
liefert werden, sind spurlos verschwunden, ob darunter wirklich
welche Lothringischer Herzöge, ausser Theobold I. f 1220, ist
zweifelhaft; jedenfalls ist der letzte Graf von Bitsch Jakob 1570
zu Stürzelbronn gestorben und ebenso wie seine in demselben Jahre
verstorbene Gemahlin hier begraben worden.
Ausflüge von Stürzelbrom:
Kreuzberg */« Std. Kreuz 1737 bei der Abgrenzung des Kloster-
waldes errichtet, neu hergestellt 1895 von V.-C.-Sektion Bitsch.
Hermannstein 3 / 4 Std. Felsblock mit Aussichtskanzel.
Luxfelsen 1*/« Std. Mächtiger Felsblock mit winziger Grund-
lage und eigentümlicher Formation.
Hoher Reissen l 1 /* Std. (grünes f), mit prächtiger Aussicht
auf die Pfälzer Berge.
Herzogsblick 1 Std. (grünes f), 9 m hohe Aussichtskanzel.
Waldeck. Weiler zur Gemeinde Egelshardt gehörig, 1 \% Std. nörd-
lich der Station Bannstein (grünes f). Wirtschaft Mischler. ^ west-
lich davon Ruine Waldeck 320 m hoch.
Wenig erhaltene Ueberreste eines unter Benutzung der ge-
wachsenen Felsen aus Buckelquadern Mitte des XIII. Jahrhunderts
erbauten Schlosses; bereits 1">94 als «chateau ruin6» erwähnt. 175(>
standen noch 2 wohl erhaltene Türme von 80' Höhe und 18'
Breite, jetzt nur noch der südliche, der auch sehr baufällig, nach-
dem vor mehreren Jahren der Blitz hineingeschlagen, und nicht
zugänglich; ein Teil der Ruine ist durch den Y.-C. zugänglich ge-
macht. Von der südlichen Spitze beschränkte, aber liebliche Aus-
sicht, die durch die beiden grossen Weiher, den Hanauer im Süden
und den Waldecker im Norden, einen besonderen Reiz erhält.
Schloss W. ist Mitte des XIII. Jahrhunderts durch die Grafen von
Lichtenberg zum Schutze ihrer in der Umgegend gelegenen Besitzun-
gen erbaut und den Herren von Kirkel aus dem Hause Saarwerden
zu Lehen gegeben. 1387 starben die Herren von Kirkel aus und W.
kam an die Grafen von Bitsch. 'Graf Hahnemann von Bitsch gab 1399,
als er mit seinem Herrn dem Herzog von Lothringen «gen Prüssen»
reiten wollte, sein Haus und Veste Waldeck in Verwaltung seines Vet-
ters Joh. von Lichtenberg. 1445 wurde es von Friedrich von Bitsch
um 1200 fl. an Heinrich von Steinhausen verpfändet und erst 1479 für
1900 fl. wieder eingelöst. Wahrscheinlich wurde es 1525 im Bauern-
kriege zerstört. 1570 kam es an Lothringen und 17M an Frankreich.
Der aus dem Wälderraeer emporragende Waldecker Schlossturm
wurde <un signal de la carte de France» genannt.
Wäldenbronn 12 Kil. nördlich von Bitsch über Han weile r-
Buesweiler- Waldhausen auf bequemem und schönem Weg durch
das Hornbachthal. 741 Einwohner. Wirtschaft Wack.
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1170 Walsburn, früher Sitz einer aus 11 Orten bestehenden
Mairie und einer ans 19 Orten gebildeten Pfarrei zur Abtei Stürzel-
bronn gehörig. In der Kirche Taufstein und Kelch aus dem Kloster
Stürzelbronn.
Bereits zur Römerzeit bewohnt, wie ein hier gefundener Votiv-
stein und zahlreiche römische JMünzen beweisen.
Bis zum XV Ii. Jahrhundert ein von Gelähmten und Gicht-
kranken vielbesuchtes Bad von petrole blanc, «das der grössten Kälte
widersteht, sich rasch entzündet und so rein und flüchtig ist, dass
es auf einem damit getränkten Papier keina Flecken hinterlässt».
Die Quelle ist — wahrscheinlich bei den Verwüstungen des
30 jährigen Krieges — verschüttet und trotz mehrfachen Nachgrab-
ungen Mitte des XVIII. und XIX. Jahrhunderts nicht mehr aufgefunden.
Das Bad gehörte den Grafen von Bitsch; 1598 war es von dem
Grafen Karl von Hohenzollern, dem damaligen Pfandinhaber der
Grafschaft Bitsch. um jährlich 10 fl. verpachtet, derselbe gab 1599
100 fl. zur Vergrösserung des Bades. Er weilte in diesen Jahren
längere Zeit auf der Weckersburg, an deren Fuss die Quelle her-
austrat, um der «Hasenjagd obzuliegen >.
Die Weckersburg wurde 1490 durch Graf Simon Wecker IV.
von Bitsch erbaut und diente lediglich als Jagdschloss ; Graf Jakob
von Bitsch Hess sie verfallen, und nach dessen 1570 erfolgten Tode
wurde sie auf Abbruch verkauft, sodass jetzt nur noch wenige
Trümmer östlich des Dorfes sichtbar sind.
Von Walschbronn in 14 Kil. über Kröppen Vinningen-Sinten
nach Pirmasenz, der alten Residenz des Landgrafen von Hessen,
jetzt blühende Industriestadt mit 30 000 Einwohnern.
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DC 309 B5 17 1902
Die Festung Bitseti /
Stanford University Libraries
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Stanford, California
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