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Kurz & Schmerzlos


Produktionsnotizen

Produzent Ralph Schwengel über die Zusammenarbeit mit dem Nachwuchsregisseur:

Visitenkarte: Kurzfilm

Irgendwie hatte Fatih von Anfang an das gewisse Etwas: Jede Menge Ideen, den Kopf voller Geschichten und eine unglaubliche Begeisterungsfähigkeit. Wir entschieden, uns auf ein Kurzfilmprojekt mit ihm einzulassen. Seinen ersten kurzen Film Sensin - Du bist es! produzierten wir billig aus eigenen Mitteln. Der Film kam in Hof heraus, er wurde von dem Pay-TV-Sender premiere gekauft. Außerdem lief er in Hamburg, Berlin und einigen Städten des Ruhrgebiets als Vorfilm im regulären Kinoprogramm, und seine Presse war dort, wo er auffallen konnte, exzellent. So wurde Sensin zu Fatihs erster Visitenkarte.

Im Winter nach Sensin dachten wir, es könnte (mit) kurz und schmerzlos weitergehen. Doch Fatih überraschte uns mit der Idee, noch einen weiteren Kurzfilm zu machen. Daraus wurde Getürkt, ein wunderbarer kleiner Film, wieder in drei Akten und elf Minuten lang. Aus Getürkt nahmen wir einen Haufen Preise (Chicago, Lünen, Murnau), Aufführungen und Erfahrungen mit. Unter anderem diese: daß Fatih als Regisseur ungleich besser ist, wenn er nicht selbst die Hauptrolle spielt. Zumal wir in Mehmet Kurtulus ein alter ego fanden, das zugleich überzeugend, gutaussehend und enorm wandlungsfähig ist.

Im Feuer des Filmemachens

Als Fatih zu uns kam, dachte er nicht im Traum daran, die Regie bei kurz und schmerzlos selbst zu übernehmen. Er wollte bloß das Buch schreiben und vor allem die Hauptrolle, den Gabriel, spielen. Wir aber wollten für diesen Film auf jeden Fall einen türkischen Regisseur. Als wir schließlich niemanden fanden, fiel die Wahl auf Fatih, der sich davon ziemlich überrascht zeigte.

Der O-Ton war ungefähr so: "Also gut, bevor jemand anderes den Film an die Wand setzt, nehmen wir doch lieber Fatih Akin persönlich." Fatih nahm die Wahl an, denn er merkte das, was auch wir schon spürten: daß der Regisseur Fatih Akin längst dabei war, aus dem Ei zu schlüpfen.

Sensin war eine gute Gelegenheit, die Zusammenarbeit zu erproben und uns im Feuer des Filmemachens kennenzulernen. Nie wieder waren die Konflikte über Schnitt, Regie, Schauspiel, Besetzung so heftig wie damals. Mittlerweile arbeiten die WÜSTE Filmproduktion und Fatih so entspannt zusammen, daß es schon beinahe wieder unverschämt ist.

Nächtliche Verzweiflung

Die Urfassung von kurz und schmerzlos hatte ich übrigens auf einem Kellnerblock erhalten, handgeschrieben. Fatih besaß keine Schreibmaschine, geschweige denn einen PC. Wozu auch? Er konnte überhaupt nicht tippen! Inzwischen hat er zwei ausrangierte Notebooks aus der WÜSTE Filmproduktion verschlissen und tippt ganz manierlich.

Was während der ganzen Drehbucharbeit immer spürbar war und Fatih vor vielen anderen auszeichnet: Er kämpft um jeden Zuschauer, auch noch um den in der letzten Reihe. Er verzweifelt bei der Vorstellung, daß sein Versuch, mit dem Publikum zu kommunizieren, im Ansatz steckenbleiben könnte. Diese Verzweiflung nahm manchmal tragische und - vor allem was die Drehbucharbeit anging oft nächtliche Züge an. Aber sie wirkte und half.

Nach jeder nicht gelungenen Fassung haßte Fatih natürlich erst einmal seinen Produzenten. Aber dann rappelte er sich wieder auf. Keine zwei Tage später rief er wieder an, und wir haben nach neuen Lösungen gesucht, bis es stimmte.

Dostojewski, Visconti & Miezen

Fatih hat eine starke Persönlichkeit, ist durch und durch echt und kümmert sich wenig um Konventionen. Er hatte meistens ziemlich abenteuerliche Frisuren, und, wenn ich mich richtig entsinne, bei seinem zweiten oder dritten Besuch in meinem Büro ein blaues Auge von irgendeiner Klopperei. Damit hörte er dann übrigens bald auf.

Aber schon in seinem ersten Entwurf zu kurz und schmerzlos hießen die Frauen "Miezen", woran wir uns erstmal gewöhnen mußten. Doch Fatih blieb dabei. Gleichzeitig diskutierten wir über Dostojewski (Schuld und Sühne) oder Visconti (Rocco und seine Brüder), also richtig große Meister der menschlichen Tragik. Froh war ich immer darüber, daß Fatih trotzdem konsequent geistreich und witzig erzählen wollte, damit eben kein Sozialdrama daraus wurde.

Qualifizierter Kitsch

Charakteristisch und überzeugend bei Fatih ist seine Wärme und Herzlichkeit, die sofort spürbar ist und auch in seinem Film durchscheint. Fatih hat keine Angst vor Gefühlen, weder im Leben, noch im Film. Er geht so geradewegs darauf zu, daß ich irgendwann gesagt habe, Fatih mache Kitsch, qualifizierten Kitsch eben.

Was man keinesfalls geringschätzen sollte, denn schließlich gehen die Leute auch ins Kino, weil es draußen so kalt ist und sie sich das Herz aufwärmen müssen. Aber alles in allem hat der Kerl selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen: Als das Drehbuch fertig war, haben wir alle fest daran geglaubt, daß der Film sehr stark werden würde. Aber als er dann wirklich fertig war, waren wir trotzdem erstmal überrascht von seiner Wucht.


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