Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.
Vom 7. April 1933.
Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das
hiermit verkündet wird:
§ 1
(1) Zur Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums und
zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen
aus dem Amt entlassen werden, auch wenn die nach dem geltenden Recht hierfür
erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
(2) Als Beamte im Sinne dieses Gesetzes gelten unmittelbare und mittelbare Beamte
des Reichs, unmittelbare und mittelbare Beamte der Länder und Beamte der Gemeinden und Gemeindeverbände, Beamte von
Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie diesen gleichgestellten
Einrichtungen und Unternehmungen. Die Vorschriften finden auch Anwendung auf
Bedienstete der Träger der Sozialversicherung, welche die Rechte und Pflichten der
Beamten haben.
(3) Beamte im Sinne dieses Gesetzes sind auch Beamte im einstweiligen Ruhestand.
(4) Die Reichsbank und die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft werden ermächtigt,
entsprechende Anordnungen zu treffen.
§ 2
(1) Beamte, die seit dem 9. November 1918 in das
Beamtenverhältnis eingetreten sind, ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder
übliche Vorbildung oder sonstige Eignung zu besitzen, sind aus dem Dienste zu entlassen.
Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung
werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen.
(2) Ein Anspruch auf Wartegeld, Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung und
auf Weiterführung der Amtsbezeichnung, des Titels, der Dienstkleidung und der
Dienstabzeichen steht ihnen nicht zu.
(3) Im Falle der Bedürftigkeit kann ihnen, besonders wenn sie für mittellose
Angehörige sorgen, eine jederzeit widerrufliche Rente bis zu einem Drittel des
jeweiligen Grundgehalts der von ihnen zuletzt bekleideten Stelle bewilligt werden;
eine Nachversicherung nach Maßgabe der reichsgesetzlichen Sozialversicherung findet
nicht statt.
(4) Die Vorschriften des Abs. 2 und 3 finden auf Personen der im Abs. 1
bezeichneten Art, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand
getreten sind, entsprechende Anwendung.
§ 3
(1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den
Ruhestand (§§ 8 ff.) zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte
handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Beamte, die bereits seit dem 1. August 1914 Beamte
gewesen sind oder die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine
Verbündeten gekämpft haben oder deren Vater oder Söhne im Weltkrieg gefallen sind.
Weitere Ausnahmen können der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem
zuständigen Fachminister oder die obersten Landesbehörden für Beamte im Ausland
zulassen.
§ 4
Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht
die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat
eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden. Auf die Dauer von drei Monaten nach
der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. Von dieser Zeit an erhalten
sie drei Viertel des Ruhegeldes (§ 8) und entsprechende
Hinterbliebenenversorgung.
§ 5
(1) Jeder Beamte muß sich die Versetzung in ein anderes Amt
derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn, auch in ein solches von geringerem Rang und
planmäßigem Diensteinkommen - unter Vergütung der vorschriftsmäßigen Umzugskosten -
gefallen lassen, wenn es das dienstliche Bedürfnis erfordert. Bei Versetzung in ein Amt
von geringerem Rang und planmäßigem Diensteinkommen behält der Beamte seine bisherige
Amtsbezeichnung und das Diensteinkommen der bisherigen Stelle.
(2) Der Beamte kann an Stelle der Versetzung in ein Amt von geringerem Rang und
planmäßigem Diensteinkommen (Abs. 1) innerhalb eines Monats die Versetzung in den
Ruhestand verlangen.
§ 6
Zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte in den Ruhestand
versetzt werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind. Wenn Beamte aus diesem
Grunde in den Ruhestand versetzt werden, so dürfen ihre Stellen nicht wieder besetzt
werden.
§ 7
(1) Die Entlassung aus dem Amte, die Versetzung in ein anderes Amt
und die Versetzung in den Ruhestand wird durch die oberste Reichs- oder Landesbehörde
ausgesprochen, die endgültig unter Ausschluß des Rechtsweges entscheidet.
(2) Die Verfügungen nach §§ 2 bis 6 müssen
spätestens am 30. September 1933 zugestellt werden. Die Frist kann im Einvernehmen mit
dem Reichsminister des Innern verkürzt werden, wenn die zuständige Reichs- oder
Landesbehörde erklärt, daß in ihrer Verwaltung die Maßnahmen dieses Gesetzes
durchgeführt sind.
§ 8
Den nach §§ 3, 4 in den
Ruhestand versetzten oder entlassenen Beamten wird ein Ruhegeld nicht gewährt, wenn sie
nicht mindestens eine zehnjährige Dienstzeit vollendet haben; dies gilt auch in den
Fällen, in denen nach den bestehenden Vorschriften der Reichs- oder Landesgesetzgebung
Ruhegeld schon nach kürzerer Dienstzeit gewährt wird. §§ 36, 47 und 49 des
Reichsbeamtengesetzes, das Gesetz über eine erhöhte Anrechnung der während des Krieges
zurückgelegten Dienstzeit vom 4. Juli 1921 (Reichsgesetzbl. S. 825) und die
entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze bleiben unberührt.
§ 9
(1) Den nach §§ 3, 4 in den
Ruhestand versetzten oder entlassenen Beamten darf bei der Berechnung der ruhegeldfähigen
Dienstzeit, abgesehen von den Dienstzeit, die sie in ihrem letzten Anstellungsverhältnis
zurückgelegt haben, nur eine Dienstzeit im Reichs-, Landes- und Gemeindedienst nach den
bestehenden Vorschriften angerechnet werden. Die Anrechnung auch dieser Dienstzeit ist nur
zulässig, wenn sie mit der zuletzt bekleideten Stelle nach Vorbildung und Laufbahn in
Zusammenhang steht; ein solcher Zusammenhang liegt insbesondere vor, wenn der Aufstieg
eines Beamten aus einer niedrigen Laufbahn in eine höhere als ordnungsmäßige
Beförderung anzusehen ist. Würde der Beamte in einer früheren nach Vorbildung und
Eignung ordnungsmäßig erlangten Stellung unter Hinzurechnung der späteren Dienstjahre
ein höheres Ruhegeld erlangt haben, so greift die für ihn günstigere Regelung Platz.
(2) Die Anrechnung der Dienstzeit bei den öffentlich-rechtlichen Körperschaften
sowie den diesen gleichgestellten Einrichtungen und Unternehmungen regeln die
Ausführungsbestimmungen.
(3) Festsetzungen und Zusicherungen ruhegeldfähiger Dienstzeit, die der
Durchführung der Vorschriften des Abs. 1 entgegenstehen, treten außer Kraft.
(4) Härten können bei Beamten des Reichs und der der Reichsaufsicht
unterliegenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Einrichtungen und Unternehmungen
der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Finanzen, bei
anderen Beamten die obersten Landesbehörden ausgleichen.
(5) Abs. 1 bis 4 sowie § 8 finden auch auf solche Beamte
Anwendung, die schon vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand oder in den
einstweiligen Ruhestand getreten sind und auf die die §§ 2 bis 4 hätten angewandt werden können, wenn die Beamten beim Inkrafttreten
dieses Gesetzes noch im Dienst gewesen wären. Die Neufestsetzung der ruhegeldfähigen
Dienstzeit und des Ruhegeldes oder des Wartegeldes hat spätestens bis zum 30. September
1933 mit Wirkung vom 1. Oktober 1933 an zu erfolgen.
§ 10
(1) Richtlinien, die für die Höhe der Besoldung vom Beamten
aufgestellt sind, werden der Berechnung der Dienstbezüge und des Ruhegeldes zugrunde
gelegt. Liegen Entscheidungen der zuständigen Behörde über die Anwendung der
Richtlinien noch nicht vor, so haben die unverzüglich zu ergehen.
(2) Haben Beamten nach der Entscheidung der zuständigen Behörde über die
Anwendung der Richtlinien höhere Bezüge erhalten, als ihnen hiernach zustanden, so haben
sie die seit 1. April 1932 empfangenen Mehrbeträge an die Kasse zu erstatten, aus der die
Bezüge gewährt worden sind. Der Einwand der nicht mehr bestehenden Bereicherung (§ 812
ff. BGB.) ist ausgeschlossen.
(3) Abs. 1 und 2 gilt auch für Personen, die innerhalb eines Jahres vor dem
Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand getreten sind.
§ 11
(1) Sind bei der Festsetzung eines Besoldungsdienstalters Beamten,
die auf Grund der §§ 3, 4 ausscheiden,
Beschäftigungen außerhalb des Reichs-, Landes- oder Gemeindienstes angerechnet worden,
so ist das Besoldungsdienstalter neu festzusetzen. Dabei darf nur eine Beschäftigung im
Reichs-, Landes- oder Gemeindedienst oder, nach Maßgabe der Ausführungsbestimmungen, im
Dienst der öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie diesen gleichgestellten
Einrichtungen und Unternehmungen angerechnet werden. Ausnahmen können für Reichsbeamte
der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen, für
andere Beamte die oberste Landesbehörde zulassen.
(2) Kommt nach Abs. 1 eine Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters in Betracht,
so ist bei den nach §§ 3, 4 in den Ruhestand
versetzten oder entlassenen Beamten die Neufestsetzung jedenfalls mit der Festsetzung des
Ruhegeldes vorzunehmen.
(3) Dasselbe gilt für die in § 9 Abs. 5 genannten Personen.
§ 12
(1) Die Bezüge der seit dem 9. November 1918 ernannten
Reichsminister, die nicht nach den Vorschriften der §§ 16 bis 24 des
Reichsministergesetzes vom 27. März 1930 (Reichsgesetzbl. I S. 96) berechnet sind, sind
neu festzusetzen. Bei der Neufestsetzung sind die genannten Vorschriften des
Reichsministergesetzes so anzuwenden, als ob sie bereits zur zeit des Ausscheidens des
Reichsministers aus dem Amt in Kraft gewesen wären. Hiernach seit dem 1. April 1932
zuviel empfangene Bezüge sind zurückzuzahlen. Der Einwand der nicht mehr bestehenden
Bereicherung (§ 812 ff. BGB.) ist unzulässig.
(2) Abs. 1 findet auf die seit dem 9. November 1918 ernannten Mitglieder einer
Landesregierung mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Reichsministergesetzes
die entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze treten, jedoch Bezüge nur bis zu der
Höhe gezahlt werden dürfen, die sich bei der Anwendung der Grundsätze der §§ 16 bis
24 des Reichsministergesetzes ergibt.
(3) Die Neufestsetzung der Bezüge hat bis zum 31. Dezember 1933 zu erfolgen.
(4) Nachzahlungen finden nicht statt.
§ 13
Die Hinterbliebenenbezüge werden unter entsprechender Anwendung
der §§ 8 bis 12 berechnet.
§ 14
(1) Gegen die auf Grund dieses Gesetzes in den Ruhestand
versetzten oder entlassenen Beamten ist auch nach ihrer Versetzung in den Ruhestand oder
nach ihrer Entlassung die Einleitung eines Dienststrafverfahrens wegen der während des
Dienstverhältnisses begangenen Verfehlungen mit dem Ziele der Aberkennung des Ruhegeldes,
der Hinterbliebenenversorgung, der Amtbezeichnung, des Titels, der Dienstkleidung und des
Dienstabzeichens zulässig. Die Einleitung des Dienststrafverfahrens muß spätestens am
31. Dezember 1933 erfolgen.
(2) Abs. 1 gilt auch für Personen, die innerhalb eines Jahres vor dem
Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand getreten sind und auf die die §§ 2 bis 4 anzuwenden gewesen wären, wenn dieses Personen
beim Inkrafttreten dieses Gesetzes noch im Dienst gewesen wären.
§ 15
Auf Angestellte und Arbeiter finden die Vorschriften über Beamte
sinngemäße Anwendung.
Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen.
§ 16
Ergeben sich bei der Durchführung dieses Gesetzes unbillige
Härten, so können im Rahmen der allgemeinen Vorschriften höhere Bezüge oder
Übergangsgelder gewährt werden. Die Entscheidung hierüber treffen für Reichsbeamte der
Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen, im übrigen
die obersten Landesbehörden.
§ 17
(1) Der Reichsminister des Innern erläßt im Einvernehmen mit dem
Reichsminister der Finanzen die zur Durchführung und Ausführung dieses Gesetzes
erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften.[1]
(2) Erforderlichenfalls erlassen die obersten Landesbehörden ergänzende
Vorschriften. Sie haben sich dabei im Rahmen der Reichsvorschriften zu halten.
§ 18
Mit Ablauf der im diesem Gesetze bestimmten Fristen werden,
unbeschadet der auf Grund des Gesetzes getroffenen Maßnahmen, die für das
Berufbeamtentum geltenden allgemeinen Vorschriften wieder voll wirksam.
Berlin, den 7. April 1933.[2]
Der Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk
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